Protocol of the Session on February 27, 2013

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): So können Sie doch jetzt nicht mit Ihrem neuen Freund umgehen!)

Herr Irmer und Ihr neuer Freund, machen Sie das bitte unter sich aus. – Jetzt komme ich zum sogenannten Sozialund Arbeitsminister des Landes Hessen: erst denken, dann reden. Herr Grüttner hat eben ausgeführt, Amazon werde durch den Arbeitsschutz regelmäßig kontrolliert. Dann frage ich mich allerdings, warum es erst der ARD-Dokumentation bedurfte, um solche Verhältnisse aufzudecken.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dazu haben Sie nichts gesagt. Sie werden jetzt gleich wieder sagen: Weil wir da nicht hinschauen und nicht zuständig sind. – Ich sage Ihnen: Ein Teil unseres Problems ist vielleicht, dass wir inzwischen solche Zustände haben, dass in 35 Teildisziplinen Kontrollen stattfinden, statt dass einmal richtig kontrolliert wird. Wir wollen das ändern.

Absurd wird es allerdings, wenn Sie dann davon sprechen – das haben jetzt nicht Sie gemacht, da muss ich Sie wieder in Schutz nehmen, das war Herr Lenders –, dass wir, gemeint waren die Opposition, die Gewerkschaften und die kritische Zivilgesellschaft, Unternehmen wie z. B. Schlecker, und Sie haben die Gefahr angedeutet, dass das Amazon auch passieren könnte, kaputt gemacht hätten, weil wir darauf hingewiesen haben, dass man bei Schlecker ordentliche Arbeitsbedingungen herstellen solle. Herr Lenders, das ist nun ziemlich grotesk.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt werden diejenigen verantwortlich gemacht, die solche Arbeitsverhältnisse wie bei Schlecker oder im Falle der Schikane und Überwachung bei Amazon öffentlich machen. Das ist doch absurd. Was wir nicht bereit sind zu akzeptieren, ist, dass Ausbeutung zu einem Geschäftsmodell gemacht wird, und da sind Sie in der Pflicht, endlich einmal mitzumachen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Schäfer-Gümbel, bitte, es waren fünf Minuten, und wir waren uns – –

Es waren 7,5 Minuten.

Nein, gemäß der Geschäftsordnung greift immer das größere Sprechkontingent, und das war bei fünf Minuten.

Gut, vorhin habe ich schon meine Daten genannt; einen letzten Satz möchte ich aber schon noch sagen. – Herr Grüttner, die Frage, ob Sie können oder wollen, kann am heutigen Tage offenbleiben. Ich glaube, dass Sie eher nicht wollen. Das ist vielleicht der Unterschied zu Ihrer Kollegin Frau Puttrich. Angesichts des Urteils, wonach dem Lande Hessen jetzt 190 Millionen € Schadenersatz durch RWE drohen, wie wir gerade gehört haben, stelle ich fest: Sie können es nicht.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist ein weiterer Hinweis darauf, dass diese Regierung, egal, was sie anpackt, schlicht und einfach nichts mehr auf die Reihe bringt. Deswegen wird es auch Zeit, dass wir in Hessen endlich neue Verhältnisse bekommen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Schönen Dank, Herr Schäfer-Gümbel. – Für die Fraktion DIE LINKE hat sich Frau Wissler gemeldet. Ihnen stehen fünf Minuten zu. Bitte schön.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Minister, ich kann nur sagen: Was für ein armseliger Auftritt eines Sozialministers.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich hätte schon erwartet, dass sich ein Sozialminister hier ans Rednerpult stellt und als allerersten Satz einmal sagt, was das für eine verdammte Sauerei ist, was Amazon da mit seinen Beschäftigten macht. Dass Sie das sagen, hätte ich von einem Sozialminister erwartet.

(Beifall bei der LINKEN – Dr. Frank Blechschmidt (FDP): Das hat er doch!)

Ich finde, dass Ihr Auftritt die ganze Arroganz und Ignoranz dieser Landesregierung gegenüber den Beschäftigten in diesem Land einmal mehr zum Ausdruck gebracht hat. Sie haben hier gerade erklärt: Amazon wurde regelmäßig kontrolliert. – Herr Minister, das ist ja noch schlimmer. Wenn Amazon regelmäßig kontrolliert wurde, warum sind dann diese Missstände, bitte schön, nicht zutage getreten?

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Warum brauchte es dann die Reporter des Hessischen Rundfunks, um das aufzudecken, wenn die staatlichen Behörden bei ihren Kontrollen offensichtlich nichts gefunden haben? – Herr Minister, gerade eben haben Sie eine umfangreiche Presseerklärung herausgegeben. In der ist nachzulesen, am vergangenen Freitag habe eine eingehende Betriebsprüfung stattgefunden, die eine Reihe von Mängeln ans Licht gebracht habe. – Was denn nun? Haben Sie die ganze Zeit geprüft und nichts gefunden? Haben Sie die ganze Zeit geprüft und etwas gefunden? Oder warum gibt es erst jetzt durch den öffentlichen Druck eine gescheite Betriebsprüfung? – Herr Minister, erst jetzt finden Sie die Missstände; das kann doch nicht wahr sein.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD – Manfred Pentz (CDU): Das ist ganz billig!)

Zu der Frage der Zuständigkeit. Wir haben einen Ministerpräsidenten, der immerhin bis vor nicht allzu langer Zeit Innenminister war, der hört, dass in diesem Land eine Sicherheitsfirma mit Verbindungen ins Nazimilieu die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Amazon schikaniert und eine solche Sicherheitsfirma Journalisten tätlich angreift;

und dieser Ministerpräsident stellt sich hin und sagt, er sei nicht zuständig. Das ist doch das Allerletzte, Herr Minister.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN – Manfred Pentz (CDU): Was wollen Sie denn? Das ist schäbig!)

Herr Minister, auch H.E.S.S. ist eine hessische Firma, und daher frage ich: Was haben Sie denn getan, was tut denn der Innenminister, um diesen Vorwürfen gegenüber der Firma H.E.S.S. nachzugehen? – An der Stelle können Sie doch nicht einfach wegschauen und sagen, Sie seien dafür nicht zuständig.

Ich will klar sagen: Ja, wir lehnen Leiharbeit grundsätzlich ab, gerade aufgrund solcher Zustände, weil uns solche Zustände immer wieder davon überzeugen, wie die Auswirkungen sind, wenn man es mit einer derart deregulierten Leiharbeit zu tun hat. Sie zeigen uns, dass die Unternehmen dies natürlich ausnutzen. Sie nutzen es, um Tarifflucht und Lohndumping zu begehen. Deswegen war die Deregulierung der Leiharbeit ein riesiger Fehler, und es geht nicht nur zulasten der Leiharbeiter, sondern der gesamten Beschäftigten, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)

Dazu will ich noch einmal etwas sagen. Herr SchäferGümbel, Sie haben gesagt, die Leiharbeit sei ein taugliches Instrument. Sie haben auch gesagt: „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“. Ich halte diesen Satz für absolut richtig. Ich will Ihnen erklären, was Hartz I damit zu tun hat, dass gleicher Lohn für gleiche Arbeit nicht gilt. Dass in einem Gesetz nicht geregelt ist, dass Neonazi-Sicherheitsdienste Mitarbeiter schikanieren, ist doch vollkommen klar. Natürlich ist das illegal; das bezweifelt doch auch niemand. Niemand hat sich hierhin gestellt und gesagt, das ist in Hartz I geregelt. – Selbstverständlich nicht. Was aber doch in Hartz I geregelt ist, ist gerade, dass der Grundsatz „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“, der bis dahin im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz klar geregelt war, mit einer Klausel versehen wurde, nämlich dass, wenn Tarifverträge abgeschlossen werden, eine andere Regelung gelten kann.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Und was ist dann passiert?)

Was ist dann passiert? – Ich sage Ihnen, was dann passiert ist. Dann wurden die christlichen Gewerkschaften auf den Plan gerufen, und die haben – –

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Und von wem denn?)

Na ja, zweifelsohne auf Ihrer gesetzlichen Grundlage. – Dann wurden die christlichen Gewerkschaften auf den Plan gerufen und haben Dumpinglohntarifverträge abgeschlossen.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Jetzt seid doch lieb zueinander!)

Aber das Problem ist doch diese Öffnungsklausel. Wenn man sagt: „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“, warum schreiben Sie dann eine Öffnungsklausel ins Gesetz? Warum bedarf es dann überhaupt dieser Öffnungsklausel, wenn gleicher Lohn für gleiche Arbeit gelten soll? – Es war doch klar, dass man das ausnutzen kann.

(Beifall bei der LINKEN – Thorsten Schäfer-Güm- bel (SPD): Sie sollten korrigiert werden, Frau Wissler!)

Herr Schäfer-Gümbel, dann hätte man im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz klarmachen müssen: gleicher Lohn für gleiche Arbeit ohne irgendwelche Ausnahmen. Leiharbeiter müssen vom ersten Tag an das Gleiche verdienen.

Das Gleiche gilt beim Synchronisationsverbot. Auch das ist Hartz I. Was bei Amazon passiert ist, ist, dass die Leute bei der Leiharbeitsfirma rausgeschmissen wurden, weil Amazon sie nicht mehr gebraucht hat. Das ist genau die Folge der Aufhebung des Synchronisationsverbots, das bis dahin im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz geregelt wurde. Das ist auch eine Folge von Hartz I. Deswegen sage ich: Natürlich hätten Amazon und die Leiharbeitsfirma ohne Hartz I in der Lohnfrage

Frau Kollegin, Sie müssten zum Schluss kommen.

ich komme zum Schluss –, aber auch bei der Kopplung von Ausleihzeiten an Vertragszeiten, so nicht verfahren können. Diesen Zusammenhang können Sie nicht leugnen, und deswegen sagen wir: Natürlich müssen die Vorgänge bei Amazon aufgedeckt werden, insbesondere auch die illegalen Vorgänge, Herr Sozialminister. Aber es braucht eben auch politische Konsequenzen aufgrund dieses Skandals, weil es einmal mehr zeigt, dass Leiharbeit zulasten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geht.

(Beifall bei der LINKEN – Hans-Jürgen Irmer (CDU): Die Zeit ist vorbei!)

Vielen Dank, Frau Kollegin Wissler. – Für die CDU-Fraktion hat jetzt Herr Reif das Wort. Bitte schön, Herr Reif.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Jetzt kommt der Leiharbeiter!)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Vorkommnisse bei der Firma Amazon in Bad Hersfeld sind aus Sicht der CDU vollkommen unakzeptabel und zu verurteilen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Es gibt überhaupt keinen Grund, darum herumzureden – sowohl was die Überwachung und Bespitzelung von Arbeitnehmern betrifft wie auch die Zustandsbeschreibung dessen, was mit ausländischen Mitarbeitern geschah, die im Saisonverlauf von Oktober bis Dezember beschäftigt wurden und unter untragbaren Zuständen bei Amazon in einer Zeit beschäftigt wurden, in der ein Unternehmen den größten Umsatz und den größten Gewinn erwirtschaftet. Das ist nicht in Ordnung, das schadet dem Wirtschaftsstandort Bundesrepublik Deutschland, das schadet dem Standort der Unternehmen in unserem Land, und das schadet auch den Arbeitnehmern in unserem Land. Das muss ganz eindeutig gesagt werden.

(Beifall bei der CDU und der FDP sowie des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Ich will aber auch etwas zu Ihrem Beitrag sagen, Herr Schäfer-Gümbel. Sie sprachen von der Spitze des Eisbergs. Die Spitze des Eisbergs ist immer ein Siebtel dessen, was man sieht – bei sechs Siebteln, die man nicht sieht und die sich unter Wasser befinden. Ich halte diese Zustandsbeschreibung für stark übertrieben. Es ist keine Zustandsbeschreibung der Unternehmen und Arbeitnehmer in unserem Lande Hessen; denn über 90 % der Unternehmen beschäftigen ihre Mitarbeiter in ordentlichen Formen, unter ordentlichen Umständen und in einer ordentlichen Umgebung, meine sehr verehrten Damen und Herren. Wir wollen unsere Unternehmen und unsere Unternehmer auch nicht schlechter machen, als sie in Wirklichkeit sind. Sie sind nämlich in Wirklichkeit gute und ordentliche Arbeitgeber und ordentliche Arbeitnehmer.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)