Protocol of the Session on December 14, 2012

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Es würde uns deshalb sehr freuen, wenn im Landtag Konsens bestünde – diese Möglichkeit sehe ich –, dieses Gesetzgebungsverfahren zügig abzuschließen, damit eine weitere Hürde für die Integration ausgeräumt werden kann und wir eine Lösung finden, die zum einen den Muslimen entgegenkommt, die aber auch die berechtigten Anliegen der Kommunen berücksichtigt.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Vielen Dank, Kollege Heinz. – Das Wort hat der Abg. Franz, SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Entwicklungsgeschichte des CDU/FDP-Gesetzentwurfs, den Herr Heinz eben eingebracht hat, ist schon etwas grotesk. Wir haben den SPD-Antrag im Mai in dieses Plenum eingebracht. Es gab eine schriftliche und eine mündliche Anhörung, die in eine große Zustimmung für den SPD-Gesetzentwurf mündete. Damals hat der geschätzte Kollege Dr. Blechschmidt die Anhörung aber wie folgt kommentiert: „Die heutige Anhörung im Innenausschuss hat eindeutig ergeben, dass eine von der SPD geforderte Aufweichung der Sargpflicht nicht notwendig ist.“

(Nancy Faeser (SPD): Hört, hört!)

Anscheinend haben Sie später erkannt, dass diese Einschätzung falsch war. Wir haben aber ja noch unseren Staatsminister Hahn. Was Staatsminister Hahn damit zu tun hat, könnte man fragen. Er ist seines Zeichens Minister der Justiz, für Integration und Europa. Im Integrationsbrief August 2012 wird er wie folgt zitiert:

Ich nehme die Aufgabe als Ansprechpartner für alle integrationspolitischen Belange sehr gerne an, so Integrationsminister Jörg-Uwe Hahn, denn das Gelingen von Integration ist entscheidend für die Zukunft unseres Landes, das ist mein Ziel.

Schöne Ziele werden hier formuliert. Es geht aber nicht darum, dass der Minister der erste Ombudsmann für Integrationsfragen ist, sondern dass die Probleme, die sich bei der Integration stellen, gelöst werden. Da würde man sich wünschen, dass gerade die FDP von Anfang an eine etwas konstruktivere Haltung zu unserem Gesetzentwurf eingenommen hätte.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es wird dann immer wolkig formuliert, das Grundgesetz, der Glaube, die Toleranz, die Akzeptanz spielten eine Rolle. Wo liegt aber nun der gravierende Unterschied zwischen dem SPD-Gesetzentwurf und dem Gesetzentwurf von CDU und FDP?

(Alexander Bauer (CDU): Das eine ist Zwang, das andere ist Freiwilligkeit!)

Immer ruhig bleiben, so kurz vor Weihnachten.

(Zurufe von der SPD – Präsident Norbert Kartmann übernimmt den Vorsitz.)

Ihr Entwurf sieht nur eine Erweiterung der bestehenden Ausnahmeregelungen in § 18 vor. Kollege Heinz hat es eben vorgetragen. Es wird nur ergänzt, aus religiösen Gründen eine Bestattung auch ohne Sarg zu genehmigen. Der SPD-Gesetzentwurf sieht dagegen vor, dass die Gemeinden verpflichtet werden, dies in ihren Satzungen generell zuzulassen. Dies kommt den Muslimen – nach islamischem Ritus und nach ihrer Stellung in unserer Gesell

schaft – natürlich bei weitem mehr entgegen als das, was Sie heute anbieten.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LIN- KEN)

Nach dem Gesetzentwurf von CDU und FDP müssen Muslime nach wie vor einen Antrag stellen, den der Gemeindevorstand genehmigen kann – nicht muss, wie Sie es formuliert haben. Wir alle wissen aber, was das bedeutet: Jeder Antragsteller ist in einer gewissen Form ein Bittsteller. Wer Integration aber ernst nimmt und eine offene Gesellschaft schaffen will, der muss darauf drängen, dass man sich auf Augenhöhe begegnet. Nur wenn man sich auf Augenhöhe begegnet, kann keiner auf den anderen herabschauen. Das ist die Zielsetzung unseres Gesetzentwurfs.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – Zuruf des Abg. Ismail Tipi (CDU))

Erfolgreiche Integration sieht also anders aus als der Gesetzentwurf, den Sie uns heute vorlegen. Anspruch und Wirklichkeit klaffen in Ihrer Integrationspolitik weit auseinander. Das ist aber auch die einzige Konstante in der Politik von CDU und FDP in diesem Haus. Der Gesetzentwurf von FDP und CDU ist nicht ausreichend. In der Schule würde man sagen: ungenügend.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen werben wir mit Vehemenz dafür, dass in den weiteren Beratungen im Ausschuss der SPD-Gesetzentwurf, der besser ist, eine Zustimmung findet.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LIN- KEN)

Das Wort hat Frau Abg. Enslin für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! In der letzten Ausschussrunde kündigten CDU und FDP bereits an, dass sie noch eine Änderung zum Entwurf für ein Friedhofs- und Bestattungsgesetz einbringen würden. Wegen der Komplexität der Regelung seien sie allerdings nicht rechtzeitig fertig geworden – was ein wenig überrascht, wenn man sich den nun vorliegenden Text ansieht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Lediglich die Ausnahmeregelungen in § 18 werden um den Zusatz „und aus religiösen Gründen die Bestattung ohne Sarg“ erweitert. Dieser Einschub bleibt weit hinter den Erwartungen zurück.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Außerdem bleibt die Entscheidung über die Aufhebung der Sargpflicht einzig und allein dem Ermessen des Gemeindevorstands vorbehalten. Daraus kann kein Anspruch abgeleitet werden. CDU und FDP haben leider die Chance verpasst, einen modernen und dem Thema angemessenen Gesetzentwurf vorzulegen. Dazu fehlte ihnen die Kraft.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt keinen Sachgrund, weiterhin an der Sargpflicht festzuhalten. Wir wissen, dass es gerade für muslimische Familien in Hessen ein echtes Problem ist, ihre Toten zu bestatten. Deswegen fordern wir schon lange eine Aufhebung der Sargpflicht als ein wichtiges Signal an die hier lebenden Musliminnen und Muslime. In vielen anderen Bundesländern, z. B. in Hamburg, Nordrhein-Westfalen, im Saarland und auch in Niedersachsen, ist das schon heute möglich.

2007 haben wir GRÜNE einen Vorstoß dazu unternommen. Deshalb hat der SPD-Entwurf hierzu unsere volle Unterstützung. Daneben wollen wir den Kommunen aber auch die Möglichkeit geben, zu untersagen, dass auf den Friedhöfen Grabsteine aus ausbeuterischer Kinderarbeit verwendet werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

CDU und FDP waren nach der Anhörung des SPD-Entwurfs noch der Meinung, dass die derzeitig geltenden Regelungen ausreichen würden und dass eine von der SPD geforderte Aufweichung der Sargpflicht nicht notwendig sei. Umso erfreulicher ist es, dass es hier mittlerweile einen ganz kleinen Sinneswandel gegeben hat. Aus religiösen Gründen ist jetzt ein Verzicht auf die Sargbestattung gestattet.

Weltanschauliche Gründe, deren Einbeziehung von der SPD und auch von uns GRÜNEN gefordert wurde, blieben allerdings unberücksichtigt. Sehr geehrte Damen und Herren, werte Kolleginnen und Kollegen, das ist unzureichend und ganz und gar nicht zeitgemäß.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir leben in einer Zeit vielfältiger Bestattungs- und Trauerkulturen. Menschen haben vielfältige Weltanschauungen, in denen religiöse Komponenten oft keine oder nur partiell eine Rolle spielen. Sie bringen, was die Form der Bestattung betrifft, oft heute schon andere Vorstellungen als Ausdruck ihrer Individualität mit ein. So sieht die Realität heute aus.

… dass die Freiheit des Menschen, über sich zu entscheiden, nicht mit seinem Tod endet, sondern es auch Freiheitsrechte gibt, die über den Tod hinausgehen.

Das stellte der Abg. Jörg-Uwe Hahn im Februar 2007 im Plenum fest. Dem kann ich nur zustimmen. Deshalb ist es umso bedauerlicher, dass sich diese Überzeugung in Ihrem Gesetzentwurf überhaupt nicht wiederfindet und dass die Möglichkeit, den Sargzwang auch aus weltanschaulichen Gründen aufzuheben, nicht berücksichtigt wurde.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In einer modernen und weltoffenen Gesellschaft muss es einfach dazugehören, dass die Pluralität der Wünsche auch bei der Bestattung respektiert wird.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Aufhebung des Sargzwangs aus religiösen Gründen ist ein wichtiger Schritt für viele Menschen, insbesondere für Muslime. Dass die Freiheitsrechte auch über den Tod hinaus respektiert werden, erleichtert die Entscheidung für die neue Heimat. Das begrüßen wir sehr. Aber es reicht bei Weitem nicht aus. Auch weltanschauliche Gründe müssen in einem modernen Bestattungsgesetz für Hessen berück

sichtigt werden. Der vorgelegte Entwurf ist davon weit entfernt. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat Herr Abg. von Zech für die FDP-Fraktion.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Spricht denn Herr Tipi auch noch zu dem Thema? – Gegenruf der Abg. Nancy Faeser (SPD): Ich fürchte, nein! – Mathias Wagner (Tau- nus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es wäre interessant, zu erfahren, was Herr Tipi zu dem Thema sagt!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Schon Friedrich II., genannt der Alte Fritz, hat 1740 gesagt: Jeder soll nach seiner Fasson selig werden. – Davon lassen wir uns auch bei dem Gegenstand, über den wir heute beraten, in unserem liberalen Selbstverständnis leiten.

(Nancy Faeser (SPD): Jetzt auf einmal!)

Ja. – Nach der Einbringung des Gesetzentwurfs der SPDFraktion und dem Änderungsantrag der GRÜNEN haben wir im Mai-Plenum schon ausführlich darüber sprechen können. Ich habe damals gesagt, dass wir die Anhörung und die Diskussionen im Ausschuss nicht scheuen und dass wir klären wollen, ob ein umfassender Handlungsbedarf besteht.

Um aber ein Auslaufen des Friedhofs- und Bestattungsgesetzes zum Ende dieses Jahres zu verhindern, haben wir die Geltungsdauer des Gesetzes im Plenum zunächst bis zum Jahr 2020 verlängert. Dies bedeutet jedoch nicht, dass in der Zwischenzeit keine Änderungen möglich sind. Es bedeutet auch nicht, dass die Änderungen in diesem Jahr erfolgen müssen oder dass die vorgelegten Entwürfe der Opposition zwingend sind.