Protocol of the Session on December 13, 2012

Anschließend Tagesordnungspunkt 84, wie soeben beschlossen:

Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP betreffend Rechtsextremismus auf allen gesellschaftlichen und politischen Ebenen bekämpfen – Drucks. 18/6796 –

Herr Greilich, ich darf Ihnen für die FDP-Fraktion das Wort erteilen.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Morgen wird der Bundesrat in Berlin über den Antrag auf Einleitung eines Verbotsverfahrens gegen die NPD vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe abstimmen. Das ist Anlass für uns, das Thema heute zu einer Aktuellen Stunde aufzurufen.

Eines will ich gleich am Anfang in aller Deutlichkeit sagen: Über die Verfassungsfeindlichkeit der NPD, die erkennbar gegen unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung kämpft, besteht hier im Hause große Einigkeit. Ich hoffe deshalb, dass aus dieser Aktuellen Stunde auch die einmütige Botschaft der Demokraten in diesem Hause von niemandem relativiert wird und sie unverfälscht ins Hessenland getragen wird.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Dann können Sie unserem Antrag zustimmen!)

Hessen ist ein freies Land. Hessen ist ein weltoffenes Land. Hessen ist ein tolerantes Land. Aber in Hessen ist kein Platz für menschenverachtenden braunen Schmutz.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Aber ich sage mit gleicher Deutlichkeit: Es ist beinahe naiv, zu glauben, dass ein Parteiverbot allein das Problem des Rechtsextremismus in unserem Land lösen kann. Da die NPD nur ein Teil eines weitaus größeren braunen Sumpfes ist, können wir den Kampf gegen die Verfassungsfeinde nicht bei der Justiz abladen, sondern wir müssen ihn vor allem auf politischer und gesellschaftlicher Ebene entschieden annehmen und führen.

Ein Parteiverbot verdrängt eine Partei. Es verhindert aber nicht die Bildung von Nachfolge- oder Tarnorganisationen, und vor allem, es beseitigt noch lange kein extremistisches Gedankengut. Deshalb sind wir Liberale davon überzeugt, dass das von der erdrückenden Mehrheit der Bundesländer

geplante NPD-Verbotsverfahren der falsche Weg ist und bleibt.

Darüber besteht unter uns hessischen Liberalen kein Zweifel. Politischen Extremismus bekämpft man politisch und nicht mit Verbotsverfahren.

(Beifall bei der FDP)

Da aber bei derartigen Beschlüssen das Einstimmigkeitsprinzip herrscht, wäre es von uns als Hessen überheblich gewesen, wenn wir als einziges Bundesland die Entscheidung der anderen Länder blockiert hätten. Dass die Landesregierung ein Parteiverbotsverfahren unverändert – wir haben das hier mehrfach erörtert – mehr als kritisch sieht, belegen die von Hessen hinterlegten Protokollnotizen der Innenminister- und der Ministerpräsidentenkonferenz eindeutig, und ich will wenigstens auszugsweise zitieren, damit sich dies sowohl hier in der Debatte als auch im Protokoll entsprechend wiederfindet. Das Land Hessen hat jeweils drei Punkte zu Protokoll gegeben, die ich auszugsweise zitiere:

Die Bekämpfung des Rechtsextremismus und insbesondere der NPD ist eine Daueraufgabe aller Demokraten von hoher Priorität, die auf allen gesellschaftlichen und politischen Ebenen erfolgen muss.

Zweitens, auszugsweise zitiert.

Ein Parteiverbotsverfahren gegen die NPD kann obige umfassende Bekämpfung nicht ersetzen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Weder würden durch ein erfolgreiches Verbotsverfahren die Rechtsextremisten verschwinden, noch wäre der Gefahr der Bildung von Ersatzorganisationen wirksam begegnet.

Es folgt der dritte Punkt.

Sowohl die Erfahrungen des ersten NPD-Verbotsverfahrens als auch die Rechtsprechung, insbesondere des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, lassen die Risiken eines erneuten Scheiterns des Antrags auf ein Verbot der NPD als beachtlich erscheinen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist selbstverständlich, dass Hessen diese klare Position mit einer kräftig formulierten Enthaltung im Bundesrat unmissverständlich unterstreichen wird. Gleich mehrere Verfassungsrechtsexperten haben uns bestätigt, dass ein erneuter Anlauf für ein NPD-Verbotsverfahren erhebliche Risiken birgt. Aufgrund der hohen verfassungsrechtlichen Hürden, die aus gutem Grund für ein Parteiverbot bestehen, betrachten wir die aktuelle Diskussion äußerst skeptisch. Ein wiederholtes Scheitern hätte eine fatale Wirkung, und schon die gegenwärtige Debatte über das Verbotsverfahren wertet die am Rande des personellen und finanziellen Ruins stehende Partei unangemessen auf. Auch wenn die Ausgangslage für ein Verbotsverfahren heute sicherlich besser als im Jahr 2003 ist, müssen wir die Risiken im Auge behalten, klar erkennen und beschreiben.

Es kommt darauf an, dass die Hessische Landesregierung auch weiterhin mit Nachdruck und hoher Priorität daran arbeitet, extremistische Gesinnungen in Hessen politisch zu bekämpfen. Wir haben dies auf allen Wegen getan – mit Einsatz des Verfassungsschutzes. Wir brauchen die ver

deckten Ermittlungen auch weiterhin, das sage ich bei dieser Gelegenheit sehr deutlich, damit wir das Problem direkt an der Wurzel erkennen und bekämpfen können.

Ich komme zum Schluss. Wir müssen die bestehenden Programme des Landes Hessen zur Bekämpfung des Rechtsextremismus weiterführen. Wir haben sie in dieser Plenarrunde schon an anderer Stelle debattiert. Das ist die zentrale Aufgabe. Dieser stellen wir uns; dieser stellt sich Hessen, und so leisten wir mehr im Kampf gegen den menschenverachtenden Extremismus als mit jedem Verbotsverfahren. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Herr Greilich, vielen Dank. – Als Nächster spricht Herr Kollege Frömmrich für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Ich hatte mich früher gemeldet!)

Das konnte ich hier nicht erkennen, Entschuldigung. Wenn Sie das mitgeteilt hätten, hätten wir das machen können.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Das habe ich!)

Wollen Sie wechseln?

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Nein, ist schon okay!)

Also, dann Herr Frömmrich.

Ich glaube, wer jetzt an welcher Stelle spricht, das ist relativ egal, weil wir uns sehr einig sind, dass es sich bei der NPD um eine widerwärtige, menschenverachtende Partei handelt. Da sind wir uns in diesem Hause, glaube ich, alle einig. Sie ist ausländerfeindlich, sie ist rassistisch, und sie ist undemokratisch. Alle Mitglieder dieses Hauses müssen aufgerufen sein, diese Partei mit allen demokratischen Mitteln zu bekämpfen und, wo es geht, gegen sie zu arbeiten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Es ist eine große zivilgesellschaftliche Aufgabe, sich im Kampf gegen Rechtsextremismus zu engagieren. Wir haben das in vielen, auch innenpolitischen Debatten in diesem Hause schon gesagt. Wir haben auch immer gesagt, dass die Präventivmaßnahmen, die vom Land im Bereich Rechtsextremismus gemacht werden, von uns unterstützt werden und dass wir der Auffassung sind, dass wir nach diesen rechtsterroristischen Morden in Deutschland mehr Prävention brauchen und diese Projekte stärken müssen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch da sollten wir uns einig sein.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Nancy Faeser (SPD): Leider nein!)

Ich habe für die Menschen Verständnis, auch in meiner Partei, die sagen: Diese Partei muss verboten werden, weil es eine Partei ist, die in dieser Weise menschenverachtende Ideologien verbreitet, die in solcher Weise mit Andersdenkenden umgeht, sich in solcher Weise undemokratisch verhält und sogar mit einzelnen Personen des nationalsozialistischen Terrorismus, des NSU, zusammengearbeitet hat. –

Ich kann verstehen, dass man auf dieser Grundlage sagt: Dann muss man unter Umständen auch das Parteiverbot in Erwägung ziehen und vor das Bundesverfassungsgericht ziehen.

Aber Verbote von Parteien sind in unserer Demokratie das letzte Mittel, um gegen Parteien vorzugehen. Es gibt hohe Hürden, derer man sich bewusst sein muss. Wir wissen, dass das letzte NPD-Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert ist, weil es Verfahrenshemmnisse gab. Es gibt eine Zweidrittelmehrheit der Bundesverfassungsrichter, die zustimmen müssen, und es gibt noch die Hürde, dass nachher gegen ein solches Urteil vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte geklagt werden kann, wobei wir aus Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte wissen, dass er bei Parteiverboten noch einmal höhere Hürden anlegt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich kann sehr gut verstehen, dass es Menschen gibt, die sagen: Wir wollen diese Partei aber trotzdem verbieten, weil wir ihnen keine öffentlichen Mittel in den Rachen schmeißen wollen. – Das kann ich durchaus verstehen, denn Parteienfinanzierung funktioniert ja so. Von daher kann ich es emotional nachvollziehen, dass man so argumentiert. Ich glaube aber, dass es dann die verantwortlichen Regierungen sein müssen, die erklären, ob das, was wir jetzt an Material vorliegen haben, auch trägt. Es ist dann Aufgabe einer Landesregierung, entweder zu sagen: „Dieses Material, das wir haben, trägt, und es wird auch vor dem Bundesverfassungsgericht durchkommen“, oder diese Landesregierung sagt: „Wir sind in dieser Frage skeptisch, und das Material könnte unter Umständen nicht ausreichen.“ – Wenn man diesen Weg geht, tut man der Demokratie einen Bärendienst, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Verantwortliche Regierungen müssen auch verantwortlich handeln, Herr Innenminister. Man kann sich dann nicht mit Protokollnotizen aus der Verantwortung stehlen, wenn man sagt – ich zitiere aus der Erklärung des Innenministers –:

Ich erkenne an, dass wir jetzt viel besser aufgestellt sind als 2002/2003. Aber gleichwohl bleiben große Zweifel an der Richtigkeit des Weges.

Herr Minister Rhein, das ist kein verantwortliches Regierungshandeln.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Günter Rudolph (SPD): Das ist halbherzig!)

Wenn Sie daran Zweifel haben, müssen Sie wirklich sagen, dass man nicht den Weg vor das Bundesverfassungsgericht gehen kann. Es gibt hier keinen Mittelweg, sondern es geht nur: „Ja, das Material trägt“, oder: „Nein, das Material trägt nicht“.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Ja, wegducken geht nicht!)

Wir können das im Übrigen nicht entscheiden, weil wir dieses Material nicht kennen. Wir können es nicht werten; wir haben es nicht gesehen. Ich gehe davon aus, dass sich die Mitglieder des Deutschen Bundestages, die auch darüber entscheiden werden, dieses Material sehr genau anschauen und überlegen werden, ob sie sich dem Verbotsverfahren anschließen.

Meine Damen und Herren, wir sind im Grundsatz alle einig: Wir sind dafür, dass man diese Partei mit ihrer menschenverachtenden Ideologie an allen Stellen, an denen sie uns begegnet, mit allen demokratischen Mitteln bekämpft.