Protocol of the Session on December 13, 2012

(Petra Fuhrmann (SPD): Das ist der Durchschnitt! Haben Sie nicht begriffen, wie der Durchschnitt geht?)

Wenn der Durchschnitt heute schon bei 10,36 € liegt, dann muss man kein großer Kenner sein, dann müssen Sie mindestens 11 € verlangen, wenn Sie den Niedriglohnsektor nach oben heben wollen.

(Petra Fuhrmann (SPD): Peinlich!)

Das habe ich nun schon x-mal vorgetragen, und kein einziger Sozialdemokrat war bisher in der Lage, das zu widerlegen.

(Zurufe von der SPD)

Frau Kollegin Fuhrmann, ich lade Sie ein, kommen Sie doch her.

(Petra Fuhrmann (SPD): Sie haben nicht begriffen, was Durchschnitt bedeutet!)

Sie bieten 8,50 €, 10,36 € ist heute in Deutschland der Schnitt.

(Petra Fuhrmann (SPD): Der Durchschnitt – es gibt auch Löhne, die deutlich darunter liegen!)

Entweder ist Ihr Angebot nichts wert, oder Sie müssen ehrlich sagen: Wir müssen mindestens 11 € nehmen. – Wir können ja über die Sache diskutieren.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Wir würden gerne einen gemeinsamen Antrag mit Ihnen daraus machen!)

Zweiter Punkt. Das eigentliche Problem sind nicht die Vollzeitbeschäftigten. Der Arbeitsplatzaufbau in Deutschland war zu 75 % durch sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze bestimmt. Das eigentliche Problem sind die atypischen Arbeitsverhältnisse. Das war die Zeitarbeit, dort haben wir heute einen Tarifvertrag. Dann gibt es die Teilzeitarbeitsverhältnisse und die Minijobs. Da reden wir von 400.000 Beschäftigten. Von den 400.000 Beschäftigten ist eine Reihe in Teilzeit beschäftigt. Wenn Sie sich dort die Vollzeitarbeitnehmer anschauen, sind Sie bei 180.000 Menschen bei insgesamt 41 Millionen Erwerbstätigen – damit Sie das Problem einmal richtig greifen können.

Herr Ministerpräsident, denken Sie bitte an die vereinbarte Redezeit.

Herr Präsident, ich komme gleich zum Schluss. – Deswegen sage ich Ihnen noch einmal: Ihre Angaben sind schlichtweg in der Sache nicht zutreffend.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Erlauben Sie mir eine letzte Bemerkung. Sie haben gesagt: Wir verzichten auf die Generierung zusätzlicher Einnahmen bei den Sozialabgaben, wir verzichten auf die Generierung zusätzlicher Einnahmen bei der Lohnsteuer. – Das, was Sie als Verzicht auf zusätzliche Generierung bezeichnen, ist nichts anderes als Steuererhöhung und Erhöhung aller Sozialabgaben. Das ist nicht unsere Politik, und das ist der Gegensatz zu Ihnen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Herr Präsident, meine Damen und Herren, wenn Sie die Statistik für Hessen nehmen, praktische Politik: Hessische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben knapp 15 % mehr Einkommen als der Bundesdurchschnitt. Wir liegen in der Armutsbekämpfung mit Bayern und Baden-Württemberg an der deutschen Spitze. Das heißt, bei uns ist das Risiko, ärmer zu werden, am geringsten in Deutschland.

Der Teil der Hartz-IV-Bezieher liegt in Deutschland im Schnitt bei 7,5 %, in Hessen liegt er gemeinsam mit Bayern bei 6,5 %. Das ist das Ergebnis unserer praktischen Politik. Da müssen wir uns nicht verstecken. – Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Ministerpräsident. – Das Wort hat der Kollege Schäfer-Gümbel. Sie haben dreieinhalb Minuten Redezeit.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin dem Ministerpräsidenten dankbar, dass er ein bisschen länger geredet hat, weil das die Chance eröffnet, auf seine Argumente einzugehen, die vor allem von einem gekennzeichnet waren, nämlich von völliger Unkenntnis der Lebenswirklichkeit.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Lachen und Zu- rufe von der CDU)

Wenn sich der Ministerpräsident des Bundeslandes Hessen in einer Debatte um Lebenswirklichkeit und Lohnpolitik allen Ernstes hierhin stellt und versucht, mit Durchschnittslöhnen der Debatte um Mindestlöhne zu begegnen, dann hat er immer noch nicht begriffen, um was es eigentlich geht.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Ministerpräsident, Mindestlöhne werden dafür sorgen, dass mehrere Millionen Beschäftigte – insbesondere die, die in atypischer Beschäftigung sind – reale Lohnerhöhungen erhalten. Die Arbeitnehmer, über die wir reden, haben von dem von Ihnen genannten Durchschnittslohn nichts. Ich nenne die Frisörin, die für 3,50 € die Stunde arbeitet, den Arbeiter auf einer Frankfurter Baustelle, der für 1,09 € arbeitet. Wir fordern einen flächendeckenden Mindestlohn, damit diese Menschen abgesichert werden.

(Beifall bei der SPD – Lebhafte Zurufe von der CDU)

Der Durchschnittslohn, den Sie hier propagieren, hilft diesen Menschen nicht. Ich sage Ihnen: Hier besteht eine Verpflichtung auch des Landes. Das ist die Antwort auf Ihre Frage, Herr Dr. Bartelt. Das Tariftreuegesetz wirkt genau an dieser Stelle.

(Zurufe von der CDU)

Wir wollen, dass diese Regeln auch in das Tariftreuegesetz Hessens eingefügt werden, damit wirkliche Lohnanstandsgrenzen nach unten eingeführt werden. Dies geht aber nur über einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn.

(Beifall bei der SPD – Ministerpräsident Volker Bouffier: Warum nicht über einen Tarifvertrag?)

Herr Bouffier, das geht natürlich auch über einen Tarifvertrag, aber die Lebenswirklichkeit ist, dass die Tarifbindungen in den letzten Jahren immer schwächer geworden sind. Das hat im Kern zwei Gründe: weil der Organisationsgrad der Gewerkschaften in bestimmten Branchen schwächer geworden ist und weil der Organisationsgrad der Arbeitgeberseite deutlich schwächer geworden ist.

Wenn Sie auf betriebliche Situationen hinweisen, will ich darauf aufmerksam machen, dass das Thema Mindestlöhne in den unterschiedlichen Branchen natürlich sehr unterschiedlich ankommt. In der metallverarbeitenden und in der Chemieindustrie ist die Frage eines gesetzlichen Mindestlohns eigentlich ein absolutes Null-Thema, weil da ge

nau das funktioniert, worüber Sie geredet haben. Seien wir froh, dass das noch der Fall ist.

Aber wenn Sie sich z. B. – um ein wichtiges Segment zu nennen – die Gastronomie, das Hotelgewerbe oder bestimmte Dienstleistungsberufe anschauen – ich nehme noch einmal das Beispiel Frisöre –, dann werden Sie feststellen: Da gibt es keine tariflichen Regelungen, weil es dort überhaupt keine Bindungswirkungen gibt. Das sind übrigens genau die Branchen, die nicht im Wettbewerb mit Rumänien stehen. Meinen Frisörtermin mache ich nicht in Bukarest oder Sofia, sondern in Lich, Gießen oder Wiesbaden – wie auch jeder andere in der Bundesrepublik.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU)

Herr Kollege Schäfer-Gümbel, Sie müssen zum Schluss kommen.

Ich komme zum Schluss. – Sie müssen endlich die Lebenswirklichkeit akzeptieren und erkennen. Sonst reden Sie über die Köpfe der Menschen hinweg und versuchen hier weiterhin, Placebos zu organisieren.

Wir werden weiterhin für einen gesetzlichen Mindestlohn streiten. Ich hoffe, dass Peter Beuth möglichst oft in Hessen plakatiert, dass wir dafür stehen.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU)

Das Wort hat der Ministerpräsident.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte mir nicht den Zorn aller Kolleginnen und Kollegen zuziehen, denn wir haben ja eine lange Tagesordnung.

Herr Schäfer-Gümbel, ich möchte Sie nur auf eines hinweisen. In der „FAZ“ vom 8. Dezember 2012 ist eine Untersuchung des Instituts für Wirtschaft, Arbeit und Kultur der Goethe-Universität Frankfurt am Main näher behandelt. Die Überschrift lautet: „Der Tarifvertrag bleibt das Maß der Dinge“. Dort heißt es: „Die Tarifflucht, von der so oft die Rede ist, ist in Hessen nicht zu beobachten.“ Das wird in dem Artikel im Einzelnen dargelegt.

Ich empfehle Ihnen den Artikel als Lektüre. Wenn wir bei anderer Gelegenheit mehr Zeit haben, können wir über die dort genannten Punkte reden.

(Zurufe von der SPD)

Eines noch zum Schluss, Herr Kollege: In dem Artikel steht z. B. auch: „überraschendes Ergebnis für Hessen“. Es heißt weiter: „Die übertarifliche Entlohnung findet sich in Hessen der Untersuchung zufolge vor allem im Handel.“ Das war auch für mich eine Überraschung. Das sollte man aber zumindest zur Kenntnis nehmen. Ich empfehle uns allen, die Ergebnisse, die das Institut für Wirtschaft, Arbeit und Kultur der Goethe-Universität Frankfurt am Main für

Hessen erhoben und uns zur Verfügung gestellt hat, für die politische Debatte nutzbar zu machen. Wir können unterschiedlicher Meinung sein, aber wir sollten wenigstens die Fakten zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP)

Vielen Dank. – Das Wort hat die Frau Kollegin Wissler. Sie haben 4:70 Minuten Redezeit.

(Heiterkeit – Janine Wissler (DIE LINKE): Also 5:10 Minuten?)

Überlegen Sie mal. Rechnen Sie es aus.