Protocol of the Session on November 21, 2012

Tatsächlich aber hat es die Landesregierung in der Vergangenheit immer wieder versäumt, die nötigen zusätzlichen Mittel für die anstehenden Aufgaben im hessischen Sozialhaushalt bereitzustellen, die erforderlich wären, jenseits der Pflichtaufgaben auch tatsächlich positiv gestaltend zu wirken.

Ich glaube, zum Thema Kinderbetreuung muss man gar nicht mehr viel sagen. Das ist heute Morgen ausführlich, gründlich und umfassend angesprochen worden. Eine solche Pleite wie das Urteil des Staatsgerichtshofs zur Konnexität hinsichtlich der Finanzierung der Mindestverordnung und eine so unzureichende Weiterreichung, geschweige denn Aufstockung der Mittel für den U-3-Ausbau, wie es diese Landesregierung an den Tag gelegt hat: Sie sollten sich wirklich schämen.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE) – Vizepräsident Heinrich Heidel übernimmt den Vorsitz.)

Auch in anderen Fragen, die das Land in besonderer Weise fordern und bei denen Aktivität des Landes gefordert wäre, sind Sie, was die finanziellen Aufgaben angeht, weit zurück. Das gilt aber nicht nur für die finanziellen Fragen, sondern auch für die strukturierenden Aufgaben. Warum haben wir dieses Drama in der südhessischen Krankenhauslandschaft, das uns in den letzten Tagen täglich begegnet? Das ist nicht vom Himmel gefallen. Dafür gibt es örtliche Gründe. Aber natürlich hat es auch wesentlich damit zu tun, dass sich das Land seit Jahren aus einer angemessenen Investitionsfinanzierung und vor allem einer strukturierten Krankenhausplanung herausgezogen hat.

(Zuruf des Abg. René Rock (FDP))

Wenn man nicht vernünftig plant und dafür sorgt, dass der Abbau von Überkapazitäten im Gesundheitswesen, insbesondere im Krankenhauswesen, der durch die richtigen Maßnahmen noch unter rot-grüner Bundesregierung eingeleitet wurde, durch einen geordneten und strukturierten Rückbau aufgrund einer Landeskrankenhausplanung in die Praxis umgesetzt wird, dann hat man genau diesen Effekt: ein Krankenhaus zu viel, eines wird umfallen. – Meine Damen und Herren, das ist keine strukturierte Organisation. Das, was die Landesregierung hier an den Tag legt, ist Chaospolitik.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE))

In der mindestens ebenso wichtigen Frage der medizinischen Versorgung im ländlichen Raum sind die Möglichkeiten, die sich das Land selbst herausnimmt, bestenfalls Petitessen. Alle wichtigen Fragen sind schon im hessischen Pakt nicht angegangen worden. Die Tatsache, dass Sie sich jetzt für eine 200.000-€-Praxisverkaufsprämie pro Jahr feiern lassen, die letztendlich eine freundlich gemeinte Beihilfe zur Altersversorgung älterer Kassenärzte im ländlichen Raum ist, ist dem Gegenstand unangemessen.

Nein, was nötig ist, ist eine strukturierte, konsequente Politik, die sich den Herausforderungen insbesondere bei der Armutsversorgung, der Gesundheitsversorgung, der Kinderbetreuung sowie den anstehenden Aufgaben in diesem Land in der Arbeitsmarkt- und Ausbildungspolitik stellt. Auch die Arbeitsmarktbudgets geben Sie nicht einmal vollständig aus. Das ist angesichts der Arbeitsmarktsituation, gerade von Langzeitarbeitslosen, ein Hohn. Dass man meint, man brauche noch weniger, weil man es in der Vergangenheit nicht losgeworden ist, ist inadäquat.

Zur Ausbildung. Auch bei der beruflichen Qualifizierung wäre Engagement des Landes dringend angezeigt. Nein, meine Damen und Herren, dieser Einzelplan kommt den sozialpolitischen Aufgaben, insbesondere den Herausforderungen bei der Armutsbekämpfung, überhaupt nicht nach. Es gibt eine Vielzahl von Fragen, denen Sie bislang in keiner Weise gerecht werden. Dieser Einzelplan zeigt: Hessen braucht eine andere Landesregierung – und bekommt sie in 15 Monaten ja auch.

(Beifall bei der SPD)

Schönen Dank, Herr Kollege Spies. – Für die CDU-Fraktion hat jetzt Herr Dr. Bartelt das Wort. Man hat ihm 7,5 Minuten zugebilligt.

Verehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst ein paar Anmerkungen zu dem Vorredner, dem sehr geschätzten Herrn Kollegen Dr. Spies. Es ist schon etwas zynisch, die Leistungen des Pakts zur Sicherstellung der ärztlichen Versorgung im ländlichen Raum hier als Beitrag zur Altersversorgung älterer Ärzte darzustellen.

(Zuruf des Abg. Dr. Thomas Spies (SPD))

Innerhalb kurzer Zeit mit wenig Geld wurden acht neue Praxen geschaffen bzw. erhalten, drei davon im WerraMeißner-Kreis. Das war das am schlechtesten versorgte Gebiet in Hessen, weil nach einer Strukturanalyse der KV sechs Gemeinden gar keinen Kassenarztsitz gehabt haben. Diese Menschen werden jetzt durch drei Praxen versorgt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Diese Menschen sind dankbar für die Initiativen der Landesregierung, der Kassenärztlichen Vereinigung und der Krankenkasse, ebenso die Menschen, die in Hersfeld-Rotenburg, im Odenwald, in Fulda und in Waldeck-Frankenberg mit zwei Praxen versorgt werden. Es war ein Dienst an den kranken Menschen im ländlichen Raum, und es war kein Dienst zur Altersversorgung älterer Ärzte. Dies muss einmal klargestellt werden.

(Beifall bei der CDU – Dr. Thomas Spies (SPD): Sie machen es ja noch schlimmer!)

Zweitens. Da Sie gesagt haben, dass Ihr Fraktionsvorsitzender heute Morgen schon zur Sozialpolitik, gerade zu dem Thema der Versorgung mit Kinderkrippenplätzen für unter Dreijährige, das Ausreichende gesagt habe, so möchte ich doch darauf hinweisen, dass der Herr Fraktionsvorsitzende noch nicht einmal zwischen der Versorgungs- und der Betreuungsquote differenzieren konnte. Er hat die Zahlen gerade mal etwas durcheinandergeworfen. Das bedarf natürlich der sorgfältigen fachlichen Darstellung, die von Ihnen heute Morgen noch nicht geleistet worden ist; auch nicht von Ihnen, lieber Herr Spies.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, die Schaffung von Krippenplätzen für unter dreijährige Kinder stellt eine Herausforderung dar. Wir müssen den Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz ab dem 01.08.2013 umsetzen, und wir werden das umsetzen. Wir werden hierbei die kommunale Familie und die freien Träger unterstützen, weil wir das als Gemeinschaftsaufgabe ansehen, und wir werden so unseren Beitrag leisten, dass die Eltern selbst entscheiden können, wie sie die Erziehung ihres Kindes gestalten werden. Im Haushalt ist dies überzeugend wiederzufinden. Im Haushalt 2012 wurden schon 356 Millionen € für frühkindliche Bildung bereitgestellt. Im Haushalt 2013/2014 sind dies zusammen 868 Millionen € – eine erhebliche Steigerung. Ein wichtiger Teil ist das Landesinvestitionsprogramm für beide Jahre mit insgesamt 100 Millionen €. Das sind 8.700 neue Plätze.

(Beifall bei der CDU)

Die Betriebskostenförderung wird von 111 Millionen € im Jahr 2012 über 133 Millionen € im Jahr 2013 auf 149,8 Millionen € im Jahr 2014 erhöht. Weiterhin werden wir für das kostenfreie dritte Kindergartenjahr 100 € pro Monat bereitstellen. Das sind in diesen beiden Jahren zusammen 124 Millionen €. Im Bonusprogramm für zwischen Mitte

2012 und 2013 neu geschaffene Plätze werden 8 Millionen € bereitgestellt, und die Tagespflege – ein ganz wichtiger Beitrag – wird hier mit einbezogen.

Durch diese finanzielle Kraftanstrengung werden wir Mitte 2013 die Messlatte eines 35-prozentigen Versorgungsgrads sicher nehmen. Wie ist die Entwicklung? – Im Jahr 1998 waren es 3 %, 2005 waren es 7 %, vor einem Jahr waren es 28 %, und heute sind es 31,7 %. Das ist eine beeindruckende Entwicklung.

(Beifall bei der CDU – Zuruf der Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Wir wissen, dass mit der Deckung des durchschnittlichen Versorgungsbedarfs die Anstrengungen nicht beendet werden dürfen, weil es erhebliche regionale Schwankungen gibt; der Bedarf in den Großstädten ist höher. Wir schaffen in diesem Doppelhaushalt die Grundlage dafür, dass ausreichend qualifizierte Betreuungsplätze angeboten werden. Das ist eine richtige Prioritätensetzung dieser Landesregierung und eine große Leistung des Ministerpräsidenten, des Finanzministers und des Sozialministers.

(Beifall bei der CDU)

Ein weiterer Akzent dieses Doppelhaushaltes ist die ungedeckelte Förderung aus Landesmitteln für die Ausbildung zum Altenpfleger und Altenpflegehelfer. Für jeden, der sich für diesen Beruf motivieren lässt, ist die Finanzierung durch Landesmittel gesichert. Der Haushaltsansatz deckt den Bedarf für 5.000 Schüler; heute sind es etwas über 4.000 Schüler. Die Ausbildungszuschüsse sind von 2010 bis 2014 kontinuierlich von 13 auf 21,5 Millionen € gestiegen.

Wir ergreifen Maßnahmen gegen den drohenden Pflegenotstand durch diesen gezielten Mitteleinsatz, durch die Anwerbung von Pflegekräften aus dem Ausland, durch die Attraktivitätssteigerung des Berufsbildes, indem wir uns auf Bundesebene dafür einsetzen, dass der Pflegeberuf die Kranken- und Altenpflege umfasst, und durch entsprechendes Engagement auf europäischer Ebene, indem wir, etwa im Gegensatz zu den Sozialdemokraten, nicht dafür sind, dass Hauptschulabsolventen der Eintritt in den Pflegeberuf verwehrt wird. Wir brauchen alle, die sich für diesen Beruf interessieren, auch diejenigen mit einem Hauptschulabschluss.

(Beifall bei der CDU und des Abg. René Rock (FDP))

Ein weiterer Punkt. Hessen wird die Investitionen in die Krankenhäuser weiter steigern. Im Ländervergleich nimmt Hessen weiterhin eine Spitzenposition ein. Im Bauprogramm kommen den Krankenhäusern 2012 100 Millionen €, 2013 117 Millionen € und 2014 121,5 Millionen € zugute. Der ganz überwiegende Teil wird in Krankenhäuser in kommunaler Trägerschaft investiert. Diese nachhaltigen Investitionen und die Vorbereitung eines leistungsfähigen, zukunftsfähigen Verbundes kommunaler Krankenhäuser zeigen den Stellenwert der stationären medizinischen Versorgung für das Land und für diese Landesregierung.

Herr Dr. Bartelt!

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die richtige Schwerpunktsetzung im Etat für Sozialpolitik, die hervorragenden wirtschaftlichen Daten unseres Landes, insbesondere die stabil niedrige Arbeitslosenquote, und der konsequente Weg des Schuldenabbaus sind die Grundlagen einer erfolgreichen Sozialpolitik und für das Zusammenleben der Menschen in Hessen in Wohlstand. Dafür danken wir dieser Landesregierung. Wir werden diesen Weg konsequent fortsetzen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist nicht Ihr Ernst!)

Schönen Dank, Herr Dr. Bartelt. – Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Frau Schulz-Asche, bitte.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Für den Haushaltsplanentwurf des Sozialministeriums für die nächsten beiden Haushaltsjahre ist festzustellen: Diese Landesregierung ist nach 13 Jahren an der Macht verbraucht und erschöpft.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Lachen bei der CDU)

Wenn ich an die „Operation düstere Zukunft“ denke, muss man darüber fast froh sein, denn da waren Sie sogar bösartig.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Angesichts der Herausforderungen an die Sozialpolitik durch den gesellschaftlichen Wandel, in dem wir uns voll befinden, ist der Einzelplan des Sozialministeriums, wenn man es positiv sehen will, nicht mehr als ein „Weiter so“, ohne den erkennbaren Willen der Gestaltung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dass Bürgerinnen und Bürger und die Träger der sozialen Angebote verunsichert sind, verwundert deshalb nicht.

Unser reiches Bundesland kann nicht mit einer guten Bilanz bei sozialer Gerechtigkeit aufwarten. Seit 1999 ist die Sozialpolitik ein Steinbruch und eine eher gutsherrliche Restmittelvergabe; das soziale Netz in Hessen ist unter Schwarz-Gelb immer löchriger geworden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Brigitte Hofmeyer (SPD))

Sehen wir uns doch einmal genau an, was hier bei uns passiert: Sie haben die Mittel für die Schuldnerberatung gestrichen. Wir haben gerade in diesem Bereich Wartezeiten, wo Prävention so wichtig wäre. Wir schlagen Ihnen vor, zusammen mit den Verbraucherzentralen neue Strukturen aufzubauen und mit den noch vorhandenen Strukturen zu kooperieren, um diesen Menschen, die davon bedroht sind, in Armut abzurutschen, endlich rechtzeitig zu helfen. Das ist ein soziales Netz, das Sie völlig zerstört haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Ein zweiter Bereich. Wenn wir uns anschauen, was sich heutzutage in den Stadtteilen, die man soziale Brennpunkte nennt, abspielt, dann müssen wir konstatieren: Seit dem Jahre 2004 ist die Unterstützung für diese kleinen Initiativen, für die vielen Frauen, die sich vor Ort darum kümmern, dass das Gemeinwesen funktioniert – auch das sind für uns übrigens öffentliche Institutionen –, mit einem Schlag völlig weggefallen. Das ist wirklich ein Skandal.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE))

Da wird Schwarz-Gelb in Hessen von den Beschlüssen der Bundesregierung sekundiert, genau diese Gemeinwesenarbeit im Programm „Soziale Stadt“ zu streichen. Die Hausbesitzer und die Banken sind die Nutznießer, aber die Menschen in diesen sozialen Brennpunkten haben Sie alleingelassen und damit einen Teil des sozialen Netzes zerstört.

Zum Bereich Gesundheit. Wir alle wissen, dass hier die Unterversorgung in bestimmten Bereichen droht. Wir haben in verschiedenen Versorgungsbereichen, beispielsweise bei der Geburtshilfe, immer wieder darüber diskutiert, wie die Versorgung im ländlichen Raum, aber auch in sozialen Brennpunkten erreicht und sichergestellt werden kann. Sie wissen, dass ich Ihren Pakt nicht für einen Brüller halte, aber immerhin sind darin einige positive Schritte zu erkennen. Aber das ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein, meine Damen und Herren. Wir brauchen Versorgungskonzepte für alle medizinischen und pflegerischen Bereiche, um die Versorgung im ländlichen Raum dauerhaft sicherstellen zu können, wie wir es Ihnen auch schon in einem Konzept vorgestellt haben.