lich weiter. Es ist an der Stelle auch richtig, das komplette Instrumentarium in Bezug zu setzen, um das es letztendlich geht, meine Damen und Herren.
Das ist in einer Fachdebatte vielleicht nicht so werbewirksam, wenn man das sagen kann. Ich weiß, was Sie mit Ihrem Gesetzentwurf wollen und dass es mehr eine wahlkampftaktische Maßnahme ist. Aber wenn wir über einen solchen Gesetzentwurf im Hessischen Landtag reden, über den das höchste Verfassungsorgan des Landes diskutiert, dann muss man die aktuellen Entscheidungen aller Gerichte – auch des EuGH und des Bundes – Revue passieren und einfließen lassen.
Die Rüffert-Entscheidung ist sehr maßgeblich für die Frage, wie öffentliche Aufträge – aber nicht nur öffentliche Aufträge – ausgelegt werden dürfen. Es empfiehlt sich, das Urteil wenigstens bis zum Ende zu lesen. Wir haben es in den letzten Monaten auch an anderen Stellen immer wieder erlebt: Manchmal fing ein Urteil für den einen oder anderen gut an, aber weiter hinten stand dann nicht mehr das, was man gerne haben wollte.
Die Nrn. 38 bis 40 des Urteils sagen eindeutig, dass ein Mindestlohn ausgeschlossen bleibt, wenn nicht nachzuweisen ist, dass die Arbeitnehmerschaft bei der Ausführung eines öffentlichen Auftrags mehr an Schutz bedarf als bei privaten Aufträgen. Dieser Nachweis, meine Damen und Herren, kann nie geführt werden. Genau das ist der Punkt. Die Nichtpraktikabilität ist nicht nur ein Bürokratieproblem; es ist nach diesem Urteil nicht zulässig. Die Frage muss hier diskutiert werden.
Aus meiner rechtlichen Beurteilung heraus werden wir deshalb auch nicht in diesen Bereich hineinkommen. Das Rüffert-Urteil beschränkt sich insoweit nicht allein auf das öffentliche Auftragswesen, sondern setzt allgemeine Maßstäbe.
„Allgemein verbindlich“, sagt Kollege Arnold völlig zu Recht. – Deshalb kann ich nicht verstehen, dass immer wider besseres Wissen – – Ich gehe davon aus, Frau Kollegin Wissler, dass Sie intelligent genug und, das weiß ich auch, so fleißig sind, dass Sie das mit Sicherheit alles auch gelesen, aber heute vergessen haben, alles zu zitieren. Das macht es im Ergebnis auch nicht besser. Wer alles liest, muss auch alles zitieren. Das trifft auch die LINKEN.
(Heiterkeit des Abg. Jürgen Lenders (FDP) – Janine Wissler (DIE LINKE): Dann müsste man die Redezeiten aber ein bisschen ausweiten!)
Meine Damen und Herren, ich will zu einem zweiten Punkt kommen, der ganz entscheidend ist. Ich verstehe überhaupt nicht, warum die Opposition – Sozialdemokraten, GRÜNE und auch die linke Partei – so viel Misstrauen gegen die heimische Wirtschaft, vor allem gegenüber dem heimischen Handwerk, hat.
„Aus Erfahrung“, haben Sie gesagt. Das ist ja eine schöne Botschaft, die Sie bei Ihrer nächsten Rede beim Hessischen Handwerktag einmal einbringen können.
Meine Damen und Herren, wir haben doch gemeinsam erlebt, wir die Hessische Landesregierung in einem beispiellosen Vorgang ein Konjunkturpaket in einer Zeit aufgelegt
hat, als die hessische Wirtschaft in großen Problemen war, und wir es mit diesem beispiellosen Konjunkturpaket geschafft haben, dass sich die hessische Wirtschaft auch in der Krise behaupten konnte. Wir sind dafür dankbar, dass wir dafür ein so positives Feedback aus der Wirtschaft bekommen. In dieser Lage haben wir erlebt, wie verantwortungsvoll die heimische Wirtschaft mit diesen Vergabefreigrenzen umgegangen ist.
Wer kann sich denn aus dieser Situation heraus hierhin stellen und sagen – eigentlich ist das die Botschaft –: „Ich vertraue der Wirtschaft nicht, ich glaube, dass da krumme Geschäfte gemacht werden“? – Dieses Misstrauen, das Sie hier der heimischen Wirtschaft, dem heimischen Handwerk und allen Unternehmen, die in diesem Bereich aktiv sind, entgegenbringen, halte ich für unglaublich.
Ich halte es deshalb auch für richtig, dass die positiven Erkenntnisse, die wir im Rahmen des Konjunkturpakets gesammelt haben, bei den Vergabefreigrenzen weiterhin so bleiben – großen Respekt an die Regierungskoalition.
Ich glaube, dass das deshalb ein sehr ausgewogener Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen ist. Ich glaube, dass die Oppositionsfraktionen die Chance haben, auch im Anhörungsverfahren an einigen Stellen nachzubessern. Vielleicht einigt man sich zum Schluss auf den Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen. Ich würde das für ein gutes Signal halten.
Es wäre auch ein Stück Vertrauen in die heimische Wirtschaft. Frau Kollegin Waschke, ich glaube, dass es die hessische Wirtschaft nicht verdient hat, dass Sie ihr so viel Misstrauen gegenüberbringen. Ich glaube, das ist das falsche Signal.
Vielen Dank, Herr Staatsminister Rentsch. – Die zweite Runde wird durch Frau Kollegin Wissler, Fraktion DIE LINKE, eröffnet. Für unsere Zuschauerinnen und Zuschauer: fünf Minuten Redezeit haben Sie.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Minister, ich möchte doch noch etwas zu Ihren Ausführungen sagen.
Ich nehme die lobenden Worte für mich gerne zur Kenntnis und kommentiere sie nicht weiter. Ich möchte aber etwas zu den inhaltlichen Fragen sagen, die Sie angesprochen haben, und zwar zu den rechtlichen Fragen.
Ich will darauf hinweisen, dass das meiste von dem, was sich in den Gesetzentwürfen der GRÜNEN, der SPD, aber auch von uns findet, durchaus Realität in einigen Bundesländern ist. Wir haben in vielen Bundesländern – ich will Hamburg, Berlin, Brandenburg, Thüringen, NordrheinWestfalen nennen – fortschrittliche Vergabegesetze, woran teilweise auch CDU-geführte Regierungen mitgewirkt haben. Gerade in Thüringen, wo sich Frau Lieberknecht für einen Mindestlohn ausspricht, gibt es mittlerweile ein Vergabegesetz – was ein großer Fortschritt wäre, wenn wir ein ähnliches auch in Hessen hätten.
Ich habe mich eigentlich gemeldet, um noch etwas zur Frage Durchschnittslöhne zu sagen. Sie haben darauf hingewiesen, dass wir in Hessen vergleichsweise sehr hohe Durchschnittslöhne hätten. Ich denke, dass es zum einen ein Problem bei Statistiken gibt. Das Problem bei Statistiken ist: Wenn man einen hat, der gar nichts hat, und einen anderen hat, der 1 Million € hat, dann haben beide statistisch 500.000 €. Das ist aber nicht die Realität.
Das Problem ist, dass Sie hier einfach ein Problem wegreden und sagen, es gäbe in Hessen dieses Problem der Niedriglöhne in diesem Bereich nicht. Herr Rentsch, ich verlasse mich lieber auf die Zahlen aus ihrem eigenen Haus, nämlich aus dem Wirtschaftsministerium. Dort gibt es eine sehr interessante Studie über Niedriglohnbeschäftigung in Hessen. Die ist vor Ihrer Zeit als Minister erstellt worden, aber ich empfehle Ihnen die Lektüre. In dieser Broschüre ist nachzulesen, dass es in Hessen über 300.000 Niedriglöhner gibt. Das ist nicht meine Zahl, sondern die Zahl des hessischen Wirtschaftsministeriums.
(Hermann Schaus (DIE LINKE): Hört, hört! – Sabine Waschke (SPD): Das würde mir sehr zu denken geben!)
Ich finde, wenn wir über 300.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer reden, die zu Niedriglöhnen arbeiten, dann kann man dieses Problem nicht wegreden, sondern dann reden wir hier über eine hohe Zahl von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern.
Richtig, da sind auch Aufstocker dabei. Herr Arnold, das ist schön, dass Sie jetzt das Thema ansprechen. Da sind 80.000 Aufstocker dabei. Das ist doch der eigentliche Skandal, den Sie hier ansprechen. Da haben wir es mit Menschen zu tun, die arbeiten gehen, aber zu wenig verdienen, um ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können. Und die Unternehmen, die diese Dumpinglöhne zahlen, verlassen sich darauf, dass der Staat aus Steuergeldern dieses Gehalt aufstockt. Ich bin der Meinung, wenn ein Unternehmen, das sich auch um öffentliche Aufträge bewirbt, so niedrige Löhne zahlt, dass die Steuerzahler noch draufzahlen müssen, damit derjenige über die Runden kommt: Wollen Sie allen Ernstes ein solches Unternehmen dann noch mit öffentlichen Aufträgen belohnen?
Ich frage Sie: Ist das wirklich eine Gerechtigkeit? Ist das eine sinnvolle Politik, ein solches Unternehmen dann auch noch in die öffentliche Vergabe einzubeziehen? – Da sage ich Nein. Das sind Unternehmen, für die man über das
Vergabegesetz auch Spielregeln auf dem Arbeitsmarkt setzen kann. Der Staat ist der größte Auftraggeber der Privatwirtschaft. Deswegen denke ich, dass der Staat eine ganz besondere Verantwortung hat, auch Spielregeln zu setzen. Die Frage, was vergabefremd ist, hat Herr Arnold richtig beantwortet. Herr Minister, das ist eine Frage, die letztlich der Gesetzgeber definiert, also wir alle hier.
Sie beurteilen es anders als ich. Das ist der Kern des Problems, Herr Arnold. Aber das ist nun kein Naturgesetz, wie Sie das hierhin stellen. Man könnte das selbstverständlich auch anders regeln. Ich finde schon, dass die Frage von Ausbildungsquoten, von sozialen und ökologischen Standards etwas ist, was man in einem Vergabegesetz regeln kann.
Ich will einmal volkswirtschaftlich argumentieren. Das Problem ist doch, dass man bei der Vergabe oft nur nach „billig, billig, billig“ schaut, wer den günstigsten Preis vorlegt, aber überhaupt nicht darauf achtet, welche Folgekosten damit verbunden sind. Die öffentliche Hand muss sich überlegen: Wenn man ein Unternehmen hat, das zwar den billigsten Preis bietet, aber Dumpinglöhne zahlt, die – wie Sie völlig richtig sagen – dann vom Steuerzahler aufgestockt werden müssen, wenn ein Unternehmen Umweltstandards unterläuft und Schäden fabriziert, die am Ende wieder aus Steuergeldern beseitigt werden müssen, dann ist es doch letztlich nicht das günstigste Angebot. Das ist kurzfristig vielleicht ein billiger Preis, aber die gesellschaftlichen Folgekosten und die volkswirtschaftlichen Schäden, die dadurch entstehen, sind doch viel größer. Deswegen ist es natürlich im ureigensten Interesse der öffentlichen Hand, zu schauen
jetzt habe ich Sie doch noch zu einer Wortmeldung provoziert – und solche Fragen auch im öffentlichen Vergabegesetz zu regeln. Deswegen bin ich der Meinung, dass es wichtig ist, diesen Gesetzentwurf zu beschließen.
Natürlich kann man auch hier über die Ausschreibepraxis etwas tun. Wir haben Ihnen oft vorgeschlagen, dass man kleinere Teillose macht, d. h. dass man nicht riesige Bündel ausschreibt, sondern es so macht, dass sich kleine und mittelständische Unternehmen darauf bewerben können, und die Ausschreibungspraxis nicht so ist, dass sich ohnehin nur Großkonzerne bewerben können.
Sehr verehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Minister Rentsch, Sie haben zwei, drei Punkte in Ihrer Rede erwähnt, die ich so nicht stehen lassen kann.