Protocol of the Session on September 27, 2012

Eines nach dem anderen. Herr Kollege Schmitt, versuchen Sie doch erst noch einmal nachzuvollziehen, wo damals dieser Fehler lag. Bei intellektueller Anstrengung werden Sie es vielleicht noch schaffen, irgendwann einmal festzustellen, dass 80 % nicht gleich 100 % sind.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Nein, das schaffen die nicht!)

Wir brauchen auch keine Quoten-GRÜNEN, die uns etwas über Frauenquoten oder sonst irgendetwas erzählen. Die Menschen in diesem Land wissen in der Tat selbst, wie man vernünftig miteinander umgeht.

Ich sage Ihnen eines zum Thema Europa: Wir haben hier einen weltreisenden Menschen, der gerne Ministerpräsident wäre und der uns mit seinem Sozius Al-Wazir immer gern die Welt erklärt. Wir haben aber zum Glück einen Europaminister, der nicht vergisst, dass er gleichzeitig auch Justizminister ist.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Er ist dafür zuständig, dass in diesem Land Hessen das Recht weiter vor Macht geht und nicht die Macht vor Recht.

(Günter Rudolph (SPD): Das haben Sie praktiziert! – Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie haben dreimal hintereinander die Verfassung gebrochen! – Günter Rudolph (SPD): Gerichtsurteile werden in Hessen ignoriert!)

Herr Kollege Rudolph, Sie sind wieder wach geworden; ich dachte schon, Sie seien eingeschlafen. – Wenn Sie es mir nicht glauben, vielleicht glauben Sie das, was der Deutsche Richterbund in der letzten Woche in einer Presseerklärung von sich gegeben hat.

(Unruhe bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Rudolph, hören Sie einmal zu, da können Sie noch etwas lernen.

(Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Günter Rudolph (SPD): Von Ihnen kann ich gar nichts lernen!)

Es heißt dort:

Die Rettung von Euro, Mitgliedstaaten und Banken darf nicht dazu führen, dass wirtschaftliches Handeln in der EU teilweise außerhalb des Rechts gestellt wird, weil Handlungen im Finanzsektor nicht durch Staatsanwaltschaften und Gerichte straf- und zivilrechtlich überprüft werden können.

Meine Damen und Herren, Herr Kollege Rudolph hat wieder nicht zugehört, weil ihn die Sache überhaupt nicht interessiert. Er hat aber die Chance, es im Protokoll nachzulesen.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Meine Damen und Herren, es geht nicht nur um die juristische Frage, es geht auch darum, wie der wirtschaftliche Sachverstand das sieht. Der Präsident der Deutschen Bundesbank – da kann ich auch nur wieder sagen: wirklich jemand, den auch Sie respektieren sollten –

(Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Das ist unfassbar!)

hat gestern in einem Interview in der „Neuen Zürcher Zeitung“ erklärt, die Bewahrung der Finanzstabilität sei nicht das vorrangige Mandat der EZB. Er sagt weiter:

Das Finanzstabilitätsmandat ist dem unterstellt und ist kein Blankoscheck. Es gibt Voraussetzungen für die Erfüllung ihrer Aufgaben, die die Notenbanken nicht aus sich heraus gewährleisten können, solange die Mitgliedstaaten gefragt sind.

Damit komme ich zum Schluss.

(Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Ein Glück!)

Diese Regierung befindet sich in bester sachverständiger Gesellschaft. Diese Regierung arbeitet hervorragend.

Herr Kollege Rudolph übt sich als Oppositionslautsprecher. Ich kann nur sagen: Machen Sie weiter so, Herr Kollege Rudolph, so bleiben Sie es. Das ist auch besser so für Hessen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Vielen Dank. – Es gibt keine weitere Wortmeldung. Wir sind am Ende der Debatte und kommen zur Abstimmung.

Wer dem Dringlichen Entschließungsantrag der Fraktion der SPD, Tagesordnungspunkt 61, seine Zustimmung gibt, den bitte ich um ein Handzeichen. – SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die LINKE. Wer ist dagegen? – CDU und FDP. Damit ist dieser Dringliche Entschließungsantrag abgelehnt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 48 und Tagesordnungspunkt 60 auf:

Antrag der Fraktion DIE LINKE betreffend eine Aktuelle Stunde (Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung belegt: „UmFairTeilen“ auch in Hes- sen dringend geboten) – Drucks. 18/6214 –

Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktion der SPD betreffend weitere Spaltung der Gesellschaft in Arm und Reich verhindern – Steuergerechtigkeit herstellen – Drucks. 18/6226 –

Redezeit: fünf Minuten je Fraktion. Es beginnt der Kollege Willi van Ooyen.

Herr Präsident, meine werten Damen und Herren! Art. 45 Abs. 2 der Hessischen Verfassung sagt:

Das Privateigentum verpflichtet gegenüber der Gemeinschaft. Sein Gebrauch darf dem Gemeinwohl nicht zuwiderlaufen.

Das Grundgesetz sieht in Art. 14 Abs. 2 vor:

Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

Man könnte meinen, dass damit klar sein müsste, dass das Privateigentum in Deutschland gerade in einer Zeit, in der

eine Finanzkrise ganz Europa bedroht, zur Finanzierung der Kosten dieser Krise herangezogen werden würde. Eigentlich sollte auf der Grundlage unserer Verfassung auch klar sein, dass der Staat für einen Ausgleich sorgen muss, wenn die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinandergeht. Selbst der Entwurf des vierten Armutsund Reichtumsberichts der Bundesregierung legt das nahe. Ich zitiere wörtlich:

Die Bundesregierung prüft, ob und wie über die Progression in der Einkommensteuer hinaus privater Reichtum für die nachhaltige Finanzierung öffentlicher Aufgaben herangezogen werden kann.

Tatsächlich schafft es aber der Vorsitzende der Partei der Besserverdienenden, diesem Bericht seine Zustimmung zu verweigern. Es ist in diesem Lande nur die FDP, die es schafft, auch nur die Prüfung der Besteuerung großer Vermögen für abwegig zu halten. Damit steht sie mittlerweile so gut wie alleine da. Immerhin hat sich gestern gezeigt, dass sich die FDP, was die Grunderwerbsteuer angeht, bewegt. Vielleicht können wir auch eine Initiative für die Vermögensteuer gemeinsam auf den Weg bringen.

(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN)

Eine stärkere Besteuerung großer Vermögen zur Finanzierung des Sozialstaates und notwendiger Reformen fordert das Bündnis „UmFairTeilen – Reichtum besteuern“, das von Gewerkschaften, attac, Sozialverbänden, Migrantenverbänden, Jugend- und Studierendenorganisationen, der Initiative Vermögender für eine Vermögensabgabe, den Naturfreunden sowie weiteren zivilgesellschaftlichen Organisationen und Initiativen, aber natürlich auch von der LINKEN unterstützt wird. Inzwischen haben auch die SPD und die GRÜNEN dazu aufgefordert – das freut mich –, sich an dieser Aktion zu beteiligen. Ich hoffe auf viele gemeinsame Gesichter am kommenden Samstag.

(Beifall bei der LINKEN – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): „Gemeinsame Gesichter“ wird es nicht geben!)

Ich freue mich auf eure Gesichter am Samstag. – In ganz Europa erleben wir derzeit eine brutale Kürzungspolitik, die zu gravierenden sozialen Konflikten führt und die politischen Auseinandersetzungen ernsthaft gefährdet. Ich denke an Spanien und an Griechenland. Wir werden am 29. September hier in Deutschland demonstrieren. Wir werden am 30. September in Frankreich große Demonstrationen erleben, und auch in England wird der TUC die Großdemonstrationen gegen die Sparpolitik anführen.

Sparen, das ist die eindeutige Aussage, wird die Krise nicht lösen. Wir brauchen endlich eine ehrliche Debatte über die Kosten der Krise und eines funktionierenden Sozialstaates auf der einen Seite und die ungleiche Verteilung von Reichtum auf der anderen Seite. Der öffentlichen Armut in Deutschland steht privater Reichtum gegenüber. Allein die privaten Vermögen von 1 % der reichsten Bundesbürger sind höher als die Schulden von Bund, Ländern und Kommunen zusammen. Solange Deutschland ein Steuerparadies für Vermögende, Erben und Spekulanten ist, ist der Staat in seiner Handlungsfähigkeit bedroht. Wir fordern eine dauerhafte Vermögensteuer sowie eine einmalige Vermögensabgabe. Darüber hinaus ist die stärkere Besteuerung hoher Einkommen, großer Erbschaften, finanzstarker Unternehmen und von Kapitalerträgen erforderlich.

(Beifall bei der LINKEN – Clemens Reif (CDU): Wie ist das mit dem Erbe der SED?)

Es muss endlich Schluss sein damit, dass man denen, die auf öffentliche Leistungen angewiesen sind, erklärt, für sie gelte die Schuldenbremse, während man den Reichsten weiterhin verspricht, sie von einer angemessenen Besteuerung auszunehmen. Wenn Eltern keine Kita-Plätze finden, weil dafür kein Geld da ist, wenn die Gebühren in den Kommunen steigen, weil die Kassen leer sind, wenn der Hartz-IV-Satz für Kinder auf Armutsniveau gehalten wird, weil kein Geld da ist, dann ist etwas faul in einem der reichsten Länder der Welt. Diesen Skandal muss und kann man beenden.

Die Zeit ist reif für zum Umverteilen. Deshalb rufen wir zum bundesweiten Aktionstag am 29. September, also am kommenden Samstag, auf. Das wird der Auftakt der gemeinsamen Bündnisaktivitäten sein, die im Jahr 2013 natürlich fortgesetzt werden. Ich möchte euch alle dort herzlich begrüßen.

(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN – Zurufe von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Kollege van Ooyen. – Das Wort hat der Abg. Dr. Spies, SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Thema wird in dieser Plenardebatte nicht zum ersten Mal behandelt. In Hessen ist jeder achte Bürger, jede achte Bürgerin armutsgefährdet. Die Zahl der Menschen mit geringen oder zu geringen Einkommen nimmt kontinuierlich zu. Die Institutionen, die soziale Hilfeleistungen bieten sollen, stehen wirtschaftlich mit dem Rücken an der Wand, nicht zuletzt aufgrund bedeutender „Verdienste“ dieser und der Vorgängerlandesregierung, die mit der „Operation düstere Zukunft“ hart Hand an die soziale Infrastruktur gelegt haben – für einen vergleichsweisen Kleckerbetrag, wenn man sich an die Kürzungen am Rahmen dieser Operation zurückerinnert. Hier wurde ohne Not und radikal die soziale Infrastruktur in diesem Lande über alle Maßen beschnitten. Nötig wäre das nicht gewesen.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Gleichzeitig stellen wir fest, dass die Ungleichverteilung zwischen Arm und Reich in diesem Lande weiter zunimmt. Die untere Einkommenshälfte verfügt gerade noch über 1,2 % des Nettovermögens. Das war einmal deutlich mehr. Die obersten 10 % verfügen über 50 % des Nettovermögens in Deutschland.