Protocol of the Session on September 26, 2012

Ich komme zum Schluss meiner Rede. Ich möchte zum Schluss meiner Rede noch eine Sozialdemokratin zitieren, nämlich Hilde Mattheis. Sie gehört zur Linken innerhalb der SPD. Sie sagt:

Und wir müssen jetzt feststellen, dass die Zahl der prekären Beschäftigungsverhältnisse auf 25,5 % aller erwerbstätigen Personen zugenommen hat, Millionen Menschen sind von Altersarmut bedroht. Da kann doch die Antwort der SPD nicht heißen: Rente mit 67.

Recht hat sie. Ich kann den Sozialdemokraten in der SPD nur alles Gute beim Kampf gegen die Rente mit 67 wünschen. Wir brauchen einen gesetzlichen Mindestlohn. Wir brauchen eine Grundrente, eine Mindestrente, von der man leben kann. Wir müssen diese schrecklichen Reformen auf dem Arbeitsmarkt, die Hartz-Gesetze, zurücknehmen. Denn wenn das Lohnniveau nicht steigt, werden wir auch langfristig ein Problem mit der Altersarmut haben. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke sehr, Frau Wissler. – Für die FDP hat sich Herr Kollege Rock zu Wort gemeldet.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Ein bisschen enttäuschend war das jetzt!)

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Die SPD hat heute das Thema Altersarmut auf die Agenda gesetzt. Wir haben heute die Möglichkeit, bei der Aufmerksamkeit, die diese Diskussion in der Öffentlichkeit bekommt, nochmals deutlich zu machen, wie wichtig es ist, Vorsorge gegen Altersarmut zu treffen, wie wichtig es für alle Menschen ist, sich darum zu kümmern, wie sie im Alter leben können. Das ist nicht allein eine staatliche Aufgabe, das ist auch eine Aufgabe für jeden Einzelnen in unserer Gesellschaft: zu schauen, wie es möglich ist, im Alter vernünftig zu leben.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU)

Wer sich in Podiumsdiskussionen mit der Debatte um Rente und Vorsorge beschäftigt hat, der hört oft – ich will es in einem Satz zusammenfassen – die Aussage: „Ich bin noch so jung, ich muss mich nicht darum kümmern“, oder im anderen Fall: „Jetzt bin ich schon so alt, jetzt hat das keinen Sinn mehr“. Aus diesem Teufelskreis der Debatte muss man einmal herauskommen. Darum ist es wichtig, dass sich die Politik immer wieder mit dem Thema Altersarmut und Rente beschäftigt. Es ist sehr wichtig, dass man sich als junger Mensch frühzeitig damit beschäftigt, Vorsorge für das Alter zu treffen, damit dann eine vernünftige Art und Weise des Lebens möglich ist.

Den Antrag der SPD habe ich mit ein bisschen Verwunderung gelesen. Am Anfang dachte ich: Na ja, gut, da kommt vielleicht etwas Positives herüber. Denn dort war der Satz zu lesen: Eine schnelle und eine eindimensionale Symptombehandlung ist nicht sinnvoll, sondern wir müssen uns grundlegender mit diesem Thema beschäftigen.

Bis jetzt war es immer so, dass sich die SPD, zusammen mit den GRÜNEN, die Nachhaltigkeit der Rente ganz oben auf die Fahne geschrieben hat. Bei allen wichtigen Entscheidungen dazu stand die SPD mit im Geschirr. Bei der Frage „Wie kann ich Rente demografiefest machen?“ hat sich die SPD sehr große Verdienste an ihr politisches Revers geheftet. Das muss man feststellen.

Welche Verdienste sind das? Da geht es um die Frage, wie ich in 20, 30, 40 Jahren immer noch eine Rente haben kann, die bezahlbar ist und von der die Menschen etwas haben. Sie haben, zusammen mit den GRÜNEN, da Gesetze gemacht, die wir als Liberale mit Sicherheit mittragen würden – vielleicht nicht in jedem Detail, aber im Grundsatz. Sie haben es sich überlegt, mit einem RiesterFaktor, einem Nachhaltigkeitsfaktor, den Rentenbezug ein Stück weit abzusenken.

Aber das kritisieren Sie heute hier. Und das ist natürlich verwunderlich.

Der eine oder andere Redner hat darauf hingewiesen, dass die SPD eigentlich gar kein fertiges Rentenkonzept hat. Sie sind doch erst in der Debatte über ein Rentenkonzept. Diese Debatte, die man dort sieht, sieht eigentlich gar nicht wie eine Debatte aus. Das sieht eher nach einem Machtkampf aus, ein Machtkampf mit denen, die die bisherige Rentenpolitik vertreten haben, die die Demografie im Auge hat und die Überalterung der Gesellschaft, die sich jeder einzelne Bürger ausrechnen kann. Jeder, dem gesagt wird: „Es geht einfach so weiter, wir müssen da nichts tun“, kann, wenn er einen Taschenrechner bedienen kann, nachvollziehen, dass das so nicht ist und nicht geht.

(Zuruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Diejenigen in Ihrer Partei, in der SPD, die das erkannt haben und wissen, was Demografie bedeutet, stehen momentan unter Druck. Es gibt in der SPD eine starke Linke

(Janine Wissler (DIE LINKE): Schön wärs!)

aus meiner Sicht gibt es in der SPD eine starke Linke –,

(Janine Wissler (DIE LINKE): Die könnte größer werden!)

die versucht, das, was Sie mit der Demografiefestigkeit der Rente hinbekommen haben, wieder zurückzudrehen. Wir haben das doch bei der Arbeitsmarktpolitik erlebt. Wir erleben es heute hier, wir erleben es fast in jeder Plenarwoche, wie sich die SPD von der erfolgreichen Arbeitsmarktpolitik, die in Deutschland einmal in großem Konsens beschlossen worden ist, verabschiedet. Sie haben es hier doch wieder gesagt: Sie verabschieden sich.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Jeder, der eine Zeitung lesen kann, jeder, der eine Fernsehsendung sieht, die sich mit Wirtschaftspolitik beschäftigt, jeder, der mit offenen Augen durch die Welt geht, sieht, dass sich alle in Europa und in den Vereinigten Staaten umdrehen, nach Deutschland schauen und fragen: Wie habt ihr denn diesen Arbeitsmarkt so hinbekommen, wie er heute ist, in dieser Krise? Wie ist es möglich, dass es in Deutschland über 40 Millionen Beschäftigte in dieser Krise gibt?

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Wie habt ihr das in eurem Arbeitsmarkt denn so hervorragend geregelt? Wie schafft ihr das?

Das alles stellen Sie ununterbrochen infrage. Damit entziehen Sie natürlich dem System der Rente und anderen Sozialversicherungssystemen die Grundlage – wenn Sie wieder in die alte Denkweise zurückfallen und versuchen, auf dem Arbeitsmarkt die Rolle rückwärts zu machen.

(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Damit entziehen Sie sämtlichen Sozialsystemen die Grundlage.

(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Bettina Wies- mann und Dr. Ralf-Norbert Bartelt (CDU))

Denn die Grundlage ist natürlich, dass die Menschen in Beschäftigung sind.

Wenn Sie hier immer wieder versuchen, die gemachten Reformen, die sogenannten Hartz-Reformen, schlechtzureden, dann muss man Ihnen einfach sagen: Es ist doch politischer Wille, dass es einen Niedriglohnsektor gibt. Das war doch gewollt. Wir wollen, dass Menschen arbeiten gehen, auch wenn das Geld nicht reicht. Lieber gibt der Staat diesen Menschen etwas dazu, als dass sie komplett zu Hause bleiben. Das war doch der politische Wille von Rot-Grün, und CDU und FDP haben das mitgetragen. Das ist die Grundlage für den heutigen Erfolg am Arbeitsmarkt.

Es ist doch nicht sinnvoll, das immer wieder streitig zu stellen. Seien Sie doch froh, dass Sie etwas Erfolgreiches und Gutes gemacht haben.

(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Judith Lannert und Dr. Ralf-Norbert Bartelt (CDU))

Herr Dr. Spies, hier eine Rede über Altersarmut und Rente zu halten und dabei nicht einmal das Wort „Demografie“ in den Mund zu nehmen oder dieses Thema auch nur anzuschneiden, zeigt, dass Sie dieses Thema mit Scheuklappen statt mit einer gewissen Offenheit und Vernunft betrachten.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Bei einem System, bei dem wir alle vor über zehn Jahren in Deutschland gesagt haben, da muss etwas getan werden, und bei dem sich Ihre Partei darüber im Klaren war, dass da etwas getan werden muss, versuchen Sie jetzt, mit Scheuklappen sämtliche Fakten auszublenden und uns zu erzählen, die Rente sei sicher, wir müssten eigentlich das Rentenniveau nicht absenken, die Rente sei dauerhaft bezahlbar, die Menschen müssten sich keine Gedanken machen, weil sie die gesetzliche Rente für immer und ewig vor Altersarmut schützen werde. Es wird den Menschen schaden, wenn sie Ihnen das glauben.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Sie selbst als SPD – nicht Sie, Herr Dr. Spies, aber Sie als SPD – haben einmal vertreten, dass es drei Säulen der Alterssicherung geben muss: die gesetzliche Rente – eine ganz wichtige Säule, die wir auch dauerhaft sichern wollen –, die betriebliche Rente und die private Vorsorge. Das ist doch Ihr Modell. Dazu muss man auch stehen. Denn das ist die einzige nachhaltige Möglichkeit, in Deutschland die Altersarmut abzuwenden.

Dabei kann man noch viel tun.

(Beifall bei der FDP)

Man kann dieses Modell verbessern, denn es hat Schwächen.

(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Das haben Sie zu Recht gesagt: Es gibt dort die eine oder andere Schwäche. Da muss man überlegen, wie man das System verbessern kann, wie man es nachhaltiger machen kann.

Jetzt sehe ich Ihre Lösungsvorschläge. Sie sagen, wir brauchen einen gesetzlichen Mindestlohn, der das Problem löst. Ich weiß gar nicht, zu welcher politischen Frage Sie den gesetzlichen Mindestlohn nicht als Lösung vorschlagen. Das ist wie eine Monstranz, die Sie vor sich hertragen. Ich weiß gar nicht, für welche politischen Probleme dieser gesetzliche Mindestlohn die Lösung sein soll.

Ich kann Ihnen nur sagen: Der gesetzliche Mindestlohn ist mit Sicherheit keine Möglichkeit, dieses Problem zu lösen; denn wenn Sie einen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn einführen und dabei auch noch einen zu hohen Betrag einsetzen, dann sind Sie die Totengräber der Rentenpolitik. Denn dann beschneiden Sie die Beitragszahler endgültig. Dann haben wir die Menschen in der Arbeitslosigkeit und in einem umfassenden Transfersystem des Staates. Damit erreichen Sie genau das Gegenteil von dem, was Sie wollen.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Ismail Tipi (CDU))

Sie müssen doch auch einmal die Fakten anerkennen. Wir haben volle Rentenkassen. Warum ist das so? Weil viele Menschen in Beschäftigung sind. Das sind Sachzusam

menhänge, die jeder Mensch in diesem Land begreift – anscheinend außer Ihnen. Sie sind nicht in der Lage, das zu akzeptieren. Sie sind auch nicht bereit, zu akzeptieren, dass zu hohe Mindestlöhne von 10 oder 15 € pro Stunde einfach Beschäftigung kosten.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Es hat doch auch niemand etwas dagegen, wenn wir sagen, es gibt einzelne Bereiche, in denen die Lohnfindung nicht so ist, wie man sich das wünscht.

Da war es Schwarz-Gelb mit dem Entsendegesetz, die den ersten Mindestlohn eingeführt haben.

(Widerspruch bei der SPD)