Protocol of the Session on September 26, 2012

Es kommt darauf an, dass jedes Kind und jeder Jugendliche mit angemessenen Chancen ausgestattet wird – nicht nur, weil das gerechter ist, sondern weil es die einzige Sicherung unserer Altersvorsorge sein kann.

(Dr. Matthias Büger (FDP): Was für ein Unfug!)

Keine Investition hat eine so hohe Rendite wie Bildungsinvestition. Deshalb sind Investitionen in Schulen, Bildung und Ausbildung die beste Altersvorsorge für diejenigen, die das heute bezahlen. Das fängt im Kindergarten an und hört mit der abgeschlossenen Berufsausbildung noch immer nicht auf. Und wer erzählt, wir wären in Zukunft zu wenige Personen, um die Renten zu finanzieren, der muss doch jetzt als Allererstes eine Kinderbetreuung gewährleisten, die wenigstens jeder Frau gleiche Teilhabe am Arbeitsleben ermöglicht. Wenigstens das wäre doch der allererste Schritt.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb braucht auch niemand – wie es der Kommentator der „Tagesthemen“ gestern nannte – den größten machbaren Unsinn, bekannt als das Betreuungsgeld. Nein, meine Damen und Herren, erforderlich ist, dass endlich auch die Arbeitsbedingungen älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer den Beschäftigungsbedingungen und -notwendigkeiten angepasst werden. Nur wer altersgerechtes Arbeiten ermöglicht, stellt sicher, dass eine längere Lebensarbeitszeit – und zwar nicht zur Verhinderung von Rentenbezug, sondern für das Recht auf Teilhabe an Arbeit, der Bestätigung und dem persönlichen Nutzen, den Arbeit jenseits des Gelderwerbs bedeutet – gesichert wird. Dazu gehören ein besserer Arbeitsschutz und eine betriebliche Gesundheitspolitik, die diesen Namen verdient. Gerade im Niedriglohnbereich sehen wir uns mit einem wachsenden, dramatischen Ausmaß an Verstößen gegen den Arbeitsschutz konfrontiert, dem die in Hessen zusammengestrichene Arbeitsschutzverwaltung aber auch gar nichts entgegenzusetzen hat.

(Beifall bei der SPD)

Herr Dr. Spies, Sie müssen zum Schluss kommen.

Ich komme zum Schluss. – Nur der gesicherte Anspruch auf eine angemessene, den Lebensstandard sichernde armutsfeste Rente ist geeignet, um die Solidarität der ohnehin schwindenden Mittelschichten – und diese bezahlen das alle – zu erhalten.

Das gelingt nur, wenn sich die Starken und Reichen stärker beteiligen. Das gelingt nur, wenn wir wieder verstehen, dass zukünftiger Wohlstand für alle und nicht nur für Einzelne von der Produktivität der Zukunft abhängt. Generationengerechtigkeit bedeutet, dass auch wir so viel in Bildung und Qualifikation, Infrastruktur und sozialen Zusammenhalt, Forschung und Wissenschaft investieren, dass wir der nächsten Generation optimale Chancen eröffnen – und zwar allen von ihnen. Nur so transferieren wir Wohlstand in die Zukunft. Das ist die Herausforderung der Rentenpolitik. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Danke, Herr Dr. Spies. – Ich darf Herrn Gerling von der CDU-Fraktion das Wort erteilen.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! In den letzten Wochen haben wir im Hessischen Landtag wiederholt über Altersarmut und Generationengerechtigkeit diskutiert. Viele Sachargumente und allseits bekannte Standpunkte haben wir bereits mehrfach ausgetauscht. Wesentlich Neues konnte der Redebeitrag von Ihnen auch nicht bieten, Herr Dr. Spies, wie auch der vorliegende Antrag der SPD-Fraktion keine unbekannten Konzepte beinhaltet.

Was Sie ansprechen, ist bereits von der Landesregierung aufgegriffen und umgesetzt, zumindest aber angegangen worden.

(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Richtig ist, dass es heute vergleichsweise wenige ältere Menschen gibt, die von Armut betroffen sind. Den meisten Rentnerinnen und Rentnern geht es weitgehend gut. Tatsache ist aber auch, dass in Hessen 3 % der über 65Jährigen von der Grundsicherung leben. Dabei ist anzumerken, dass Grundsicherung nicht automatisch mit Armut gleichgesetzt werden kann.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Aber nein, gar nicht!)

Dennoch ist in den kommenden Jahren mit steigenden Fallzahlen von Grundsicherungsempfängern zu rechnen, allein schon wegen einer zunehmenden Zahl von Pflegefällen, die mit ihrer Rente im Pflegeheim nicht mehr auskommen.

Laut Statistischem Landesamt lag die Armutsgefährdungsquote in Hessen 2011 bei 12,7 % und damit deutlich unter dem Bundesdurchschnitt von 15,1 %. Damit steht Hessen mit Bayern und Baden-Württemberg an der Spitze der Armutsbekämpfung.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Vor allem aber sollten wir uns vor Panikmache im Hinblick auf Altersarmut hüten. Peter Hahne schrieb in seiner Kolumne in der letzten Ausgabe der „Bild am Sonntag“, die Altersarmutsdiskussion in unserem Land sei sehr überzogen, wenn so getan werde, als würde Deutschland in den nächsten Jahren in bitterer Armut versinken.

Wir leben in einem der reichsten Länder der Erde. Wir können uns ein Gesundheits- und Rentensystem leisten, um das uns alle Welt beneidet.

(Zurufe der Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel und Pe- tra Fuhrmann (SPD))

Dem, was Peter Hahne schreibt, kann man eigentlich nicht widersprechen.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Dr. Matthias Büger (FDP))

Bisher waren wir immer in der Lage, unsere Probleme mit unseren Sozialsystemen zu lösen. Es besteht also kein Grund zur Panikmache.

Es ist zutreffend, wenn die SPD in ihrem Antrag bekundet – und Sie haben es mit Ihrer Rede noch einmal bestätigt, Herr Dr. Spies –, dass das auf dem Generationenvertrag basierende Rentensystem in Deutschland trotz der Wirtschafts- und Finanzmarktkrise leistungsfähig geblieben ist. Das ist eine richtige Erkenntnis.

Richtig ist aber auch, dass wir aufgrund der steigenden Lebenserwartung und der sinkenden Zahl der Geburten zukünftig immer weniger Beitragszahler und immer mehr Rentenempfänger haben werden. Das hat zur Folge, dass der Staat jedes Jahr insgesamt über 80 Milliarden € zur Finanzierung des Rentensystems hinzuschießen muss.

Hinzu kommt, dass das Rentenniveau in den nächsten Jahren sinken wird. Sie haben richtig beschrieben, Herr Dr. Spies, wie es 2001 von der damaligen rot-grünen Bundesregierung beschlossen wurde.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Ach ne, gibt es doch nicht! – Gegenruf des Abg. Günter Rudolph (SPD): Herr Irmer ist ja auch da! – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Er hat sogar was zu sagen! – Günter Rudolph (SPD): Bei der Abstimmung haben Sie gefehlt!)

Dabei handelte es sich unter anderem um eine Absenkung von derzeit 50 % auf 43 % bis 2030. Damit werden die Rentner künftig weniger Geld in der Tasche haben.

Meine Damen und Herren, die CDU wird in den nächsten Monaten ein tragfähiges Rentenkonzept vorlegen. Darüber gibt es in der CDU schon ausgiebige Diskussionen, einschließlich des Vorschlags einer Zuschussrente. Das neue Rentenkonzept, das die CDU anstrebt, soll Altersarmut in Zukunft vermeiden und sicherstellen, dass jeder, der ein Leben lang gearbeitet hat, auch am Schluss von dieser Rente leben kann.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): So ist es!)

Nun hat auch die SPD nachgezogen und ein neues Rentenkonzept vorgelegt, über das die Partei heftig streitet.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Die „FAZ“ schrieb am Montag dieser Woche etwas von einem „Renten-Torso“ und dass die SPD „weiter Kurs auf das Schlaraffenland“ nehme. Die SPD nimmt Abschied von all ihren bisherigen Beschlüssen in der Rentenpolitik.

(Zurufe der Abg. Petra Fuhrmann (SPD) und Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Es ist schon erkennbar, dass bei der SPD die Balance zwischen Beitragszahler und Rentner fehlt. Meine Damen und Herren, das kann nicht gutgehen.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Es ist zu wünschen, dass wir in der Frage der Renten wieder zu einem Rentenkonsens kommen, wie dies auch in früheren Jahren immer der Fall war.

(Zuruf des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Meine Damen und Herren, die SPD hat in ihrem zur Debatte stehenden Antrag festgestellt, dass eines der besten Mittel zur Vermeidung von Altersarmut darin besteht, dass möglichst viele Menschen einen Arbeitsplatz haben. Dass Arbeitslosigkeit möglichst von vornherein verhindert wird und dass sie dort, wo sie entsteht, schnellstens wieder abgebaut wird, ist das Wichtigste, was wir tun können. Wichtig ist vor allem, immer wieder neue Arbeitsplätze zu schaffen. Dafür steht die CDU mit ihrer Wirtschafts- und Sozialpolitik.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, bei jedem Einzelnen, der aus der Arbeitslosigkeit wieder in ein Beschäftigungsverhältnis kommt, verringert sich die Gefahr, später im Alter in Armut zu geraten.

Hierbei haben die Hessische Landesregierung und die Bundesregierung insbesondere durch ihre wirksamen Maßnahmen zur Bewältigung der Wirtschafts- und Finanzkrise richtige Weichenstellungen vorgenommen und gehandelt. Noch nie waren so viele Menschen in unserem Land sozialversicherungspflichtig beschäftigt wie heute.

Während unter der rot-grünen Bundesregierung die Arbeitslosigkeit bei über 5 Millionen lag,

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Ei, ei, ei!)

liegt sie jetzt bei unter 3 Millionen Arbeitslosen. Besonders erfreulich ist, dass wir die niedrigste Jugendarbeitslosigkeit in ganz Europa haben.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Insofern, meine Damen und Herren, sehe ich Einsicht bei der SPD, wenn sie in ihrem Antrag ausdrücklich betont, dass der Abbau der Arbeitslosigkeit ein wichtiges Element zur Vermeidung von Altersarmut sei.

Meine Damen und Herren, unstrittig ist, dass trotz der Arbeitsmarktzahlen darauf hingewirkt werden muss, dass es sich bei den Arbeitsplätzen möglichst um dauerhafte und gut bezahlte Beschäftigungsverhältnisse handelt. Befristete und schlecht bezahlte Beschäftigungsverhältnisse haben in den letzten Jahren zugenommen, nicht zuletzt auch durch die Hartz-IV-Gesetzgebung.

Um dem entgegenzuwirken, hat die Bundesregierung bereits verschiedene Maßnahmen ergriffen. So wurde z. B. im April 2011 ein Mindestlohn in der Zeitarbeitsbranche festgelegt, und auch die meisten Mindestlöhne, die es derzeit gibt, sind nicht von Rot-Grün, sondern von der CDUgeführten Regierung unter Bundeskanzlerin Merkel eingeführt worden.