Protocol of the Session on September 26, 2012

Ich will Ihnen an Zahlen zeigen, dass die Aktivitäten, die wir eingeleitet haben, exakt der richtige Weg gewesen

sind. Das zeigen die Zahlen, über die auch Sie hier gesprochen haben. Wir haben eine Trendumkehr. Ich habe Ihnen das als Schaubild mitgebracht, weil das weitaus mehr sagt als 1.000 Worte.

(Der Redner hält ein Schaubild hoch.)

Sie sehen, dass die Zahlen in der 26. Kalenderwoche oben waren und dass sie mittlerweile, in der 38. Kalenderwoche, unten sind. Das macht sehr deutlich, dass es in Hessen eine echte Trendumkehr in dieser Frage gibt.

(Zuruf des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Das ist eine Bilanz, die ist klar, die ist eindeutig. Diese Bilanz ist das Resultat der vielen polizeilichen Ansätze, die wir fahren.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Das lassen wir uns von Ihnen auch nicht kleinreden.

(Zuruf des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Es ist insbesondere das Resultat von engagierten, kompetenten und hoch motivierten Polizistinnen und Polizisten, die diesen Job unheimlich gern machen, was man spürt, wenn man die Ergebnisse sieht. Deswegen will ich ihnen an dieser Stelle ein deutliches Dankeschön sagen, dass sie diesen Job so machen, wie sie ihn machen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ich glaube, Sie würden sich nichts abbrechen, einmal anzuerkennen, dass es in Hessen eine konsequente, entschlossene und deswegen früchtetragende Innenpolitik gibt. – Herzlichen Dank.

(Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Innenminister Rhein. – Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir sind am Ende der Aussprache über den Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP betreffend erfolgreiche Kampagne gegen Wohnungseinbrüche zeigt erneut Hessens Spitzenleistungen beim Schutz der Bürgerinnen und Bürger.

Entschließungsantrag heißt Abstimmung. Wer diesem Entschließungsantrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – CDU und FDP. Wer ist dagegen? – Die übrigen drei Fraktionen sind dagegen. Damit ist der Entschließungsantrag mit Mehrheit angenommen.

Ich komme damit zum nächsten Tagesordnungspunkt, dem Tagesordnungspunkt 35:

Antrag der Abg. Dr. Spies, Decker, Merz, Müller (Schwalmstadt) , Roth (SPD) und Fraktion betreffend Bildung, Ausbildung und Erwerbsarbeit stärken – Altersarmut vermeiden – Generationengerechtigkeit sichern – Drucks. 18/6186 –

Ich rufe damit noch den Tagesordnungspunkt 34 auf:

Antrag der Fraktion DIE LINKE betreffend niedrige Löhne führen zu niedrigen Renten, deshalb: Mindest

lohn einführen, Niedriglöhne bekämpfen, prekäre Beschäftigung zurückdrängen – Drucks. 18/6184 –

Zur Antragsbegründung für die SPD darf ich Herrn Dr. Spies das Wort erteilen. Für die Zuschauerinnen und Zuschauer: Es stehen zehn Minuten Redezeit zur Verfügung.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Altersarmut ist ein wachsendes und, wie wir feststellen müssen, ein weitgehend übersehenes Problem. Von rund 18 Millionen Rentnerinnen und Rentnern in Deutschland leben 13 % unter der Armutsgrenze. Der Hessische Sozialbericht weist aus, dass in Hessen sogar über 14 % der über 65-Jährigen armutsgefährdet sind.

Der Zustand ist nicht nur deshalb besonders unerträglich, weil er in der Regel unverschuldet eintritt. Es sind gerade die Frauenrenten, die im Durchschnitt – im Durchschnitt! – unter 500 € im Monat liegen. Er ist auch deshalb besonders unerträglich, weil gerade im Alter weit weniger Chance auf Hoffnung und Besserung dieser Situation besteht. Denn nach einem arbeitsamen Leben ist überhaupt keine Kraft mehr vorhanden, sich aus dieser Situation herauszubegeben. Gerade im ländlichen Raum, in den Dörfern, die aufgrund des demografischen Wandels immer mehr Versorgungsstrukturen verlieren, spielt sich manches Elend ab, das wir uns kaum vorstellen möchten, so real es doch ist. Obwohl schon heute jeder siebte Mensch armutsgefährdet ist, beziehen nur 3 % der über 65-Jährigen die Grundsicherung. Dreimal so viele wären berechtigt. Nach einer Untersuchung der Böckler-Stiftung verzichten zwei Drittel der Berechtigten – meine Damen und Herren, das sind Hunderttausende von Menschen – auf ihren Anspruch: aus Angst, aus Scham, damit es keiner mitbekommt, damit es keiner merkt.

2030 wird, wenn sich die Entwicklung so fortsetzt, mindestens jeder dritte Rentner und jede dritte Rentnerin von Altersarmut bedroht sein. Gerade die extreme Ausweitung des Niedriglohnsektors und vermehrte Unterbrechungen in der Erwerbsbiografie der Beschäftigten werden das Armutsrisiko im Alter deutlich steigen lassen.

Die geringeren Einzahlungen in die Rentenkasse schwächen das System der Altersvorsorge zusätzlich. Schon heute ist die Rente in Deutschland – das machen wir uns kaum klar – besonders gering. Nach einer Studie des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung liegt das Versorgungsniveau der Rentenversicherungen für Beschäftigte mit durchschnittlichem und niedrigem Einkommen in Deutschland rund ein Drittel unter dem Versorgungsniveau der anderen OECD-Länder. Beim Alterssicherungsniveau von Geringverdienern macht Deutschland von 34 OECD-Ländern Platz 34 – ein unerträglicher Zustand in einem so reichen Land.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Der Generationenvertrag beruht darauf – und er ist erfolgreich wie kaum etwas anderes gewesen –, dass für die heutigen Beitragszahler ein zukünftiger gesellschaftlicher Wohlstand vorhanden ist. Der Generationenvertrag ist ein nationaler Investitionsvertrag in die gemeinsame Zukunft, kein Sparverein aus dem 19. Jahrhundert, wie uns manch ein Lobbyist der privaten Altersversorgung weismachen will.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Die aktive Generation schafft die Voraussetzungen für zukünftiges Wachstum und Wohlstand durch Investitionen in Bildung und Ausbildung, durch gute und stabile Arbeitsverhältnisse, durch stabile Wirtschaftsverhältnisse, durch eine gepflegte materielle Infrastruktur, wie Straßen und Krankenhäuser und was alles dazugehört, und durch eine soziale Infrastruktur, die jedem Teilhabe garantiert und soziale Zukunftslasten vermeidet.

Meine Damen und Herren, die heutige Rentnergeneration hat das getan. Mit der sozialdemokratischen Bildungsexpansion und den Investitionen in Bildung, Forschung und Ausbildung, mit dem Ausbau der öffentlichen Infrastruktur in den Sechziger-, Siebziger- und frühen Achtzigerjahren, durch ein kooperatives Wirtschaftsmodell mit Mitbestimmung und Tarifverträgen hat sie Stabilität geschaffen, und sie hat die Renten der Vorgängergeneration mitgetragen. Dafür verdient sie heute ihren gerechten Anteil am gesamtwirtschaftlichen Erfolg. Nichts anderes bedeutet seit 1952 – Sie werden sich erinnern: der Mann hieß Adenauer – der Generationenvertrag.

Deshalb bedeutet Generationengerechtigkeit auch nichts anderes, als vor allen Dingen die zukünftige Leistungsfähigkeit der Gesellschaft insgesamt zu sichern. Darauf kommt es an, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Privatisierung und Kapitalisierung zerstören diesen Zusammenhang. Kapitaldeckung entzieht, wenn sie einen allzu großen Raum einnimmt, Mittel, die für echte öffentliche Zukunftsinvestitionen gebraucht werden. Sie hat die schlechtere Rendite, deshalb wird sie subventioniert. Und sie ist nur deshalb als Teilversorgung sinnvoll, weil sie nur dem privaten Zugriff zugänglich ist. Aber sie ist hochriskant, weil sie für Jahrzehnte von Verwaltern abhängig macht, deren kurzfristiges Interesse am Ertrag nicht von langfristiger Wirtschaftskraft abhängt.

Sie ist ohnehin nichts anderes als eine Umlage. Wenn ein Viertel der Bevölkerung von Altersversorgung lebt, muss dieses Viertel seine Kapitalanlagen an die nächste Generation verkaufen, und die bezahlt es aus dem täglich Erwirtschafteten – es ist nichts anderes als eine Umlage mit schlechter Rendite und hohem Risiko.

Deshalb ist das minimalistische Modell des Sparvereins aus dem 19. Jahrhundert, eben die Kapitaldeckung, schon mehrfach zusammengebrochen. Bei vielen Ländern konnten wir es gerade während der Finanzzockerkrise beobachten, als nichts anderes als Altersvorsorge an den Börsen verjubelt wurde.

(Beifall bei der SPD)

Die Rente hat gehalten, und sie hält. Dennoch will Frau Merkel, wie gestern zu hören war, das abgesenkte Rentenniveau beibehalten und mehr private Vorsorge. Sie fordert eine faire Betrachtung der privaten Vorsorge, aber genau bei deren Betrachtung im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Altersarmut kommt man zu einem ganz anderen Ergebnis. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung – immerhin eine Bundesagentur – stellt fest: Private Altersvorsorge fehlt dort, wo sie am nötigsten ist, weil die Ärmsten gar keine private Altersrücklage bilden können. Wer nichts hat, kann auch nichts sparen.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Die Hauptursachen drohender Altersarmut sind Erwerbsarmut und Erwerbslosigkeit. Selbst die VhU erklärt uns, dass Arbeit das beste Mittel gegen Altersarmut ist. Ja, da hat sie recht. Wenn ein Fünftel der Beschäftigten zu Niedriglöhnen arbeitet, wenn ein Viertel der Arbeitnehmer keinen unbefristeten Vollzeitjob mehr hat, immer mehr reguläre Arbeitsverhältnisse in Minijobs umgewandelt werden und Leiharbeit zu Dumpinglöhnen reguläre Arbeit immer mehr verdrängt, dann können sinkende Renten und drohende Altersarmut niemanden mehr überraschen.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Deshalb ist das wichtigste Instrument gegen Altersarmut Ordnung auf dem Arbeitsmarkt. Das wichtigste Instrument ist Ordnung auf dem Arbeitsmarkt durch gerechte, angemessene Löhne, durch Waffengleichheit zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern,

(Janine Wissler (DIE LINKE): Abschaffung von Hartz IV!)

durch weit mehr allgemein verbindliche Tarifverträge, durch eine Stärkung der Mitbestimmung. Dazu gehört gleicher Lohn für gleiche Arbeit, gerade auch in der Leiharbeit, für Männer und für Frauen.

(Beifall bei der SPD)

Dazu gehören auch ein gesetzlicher Mindestlohn und das Verbot unbegründeter Befristungen von Arbeitsverträgen. Wer Armut verhindern will, muss für Ordnung auf dem Arbeitsmarkt sorgen. Das ist die erste Aufgabe, jetzt, hier und heute.

(Beifall bei der SPD)

Erforderlich sind auch höhere Anstrengungen für Bildung. Jedes Kind, das die Schule ohne Abschluss verlässt, ist ein Versagen des Bildungssystems, ist unser Versagen, das Versagen der Erwachsenen und unserer unzureichenden Anstrengungen.

(Beifall bei der SPD)

Jeder und jede Jugendliche, der oder die ohne Ausbildung ins Leben geschickt wird, ist ein Versagen der Erwachsenen, die aus kurzfristigem Egoismus der Steuersenker die Grundlagen zukünftigen Wohlstands beseitigen.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Es kommt darauf an, dass jedes Kind und jeder Jugendliche mit angemessenen Chancen ausgestattet wird – nicht nur, weil das gerechter ist, sondern weil es die einzige Sicherung unserer Altersvorsorge sein kann.