Vielen Dank, Herr Kollege van Ooyen. – Als nächste Rednerin hat sich Frau Erfurth vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gemeldet. Bitte schön, Frau Kollegin Erfurth, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Fiskalpakt ist ein wichtiges europäisches Thema. Es ist wichtig und richtig, dass wir im Hessischen Landtag darüber reden.
Auch wir GRÜNE sind der Meinung, dass man allein mit Sparen nicht aus der tiefen Krise der EU herauskommt. Wir haben der Bundeskanzlerin immer wieder vorgeworfen, dass sie ihren Teil daran trägt, dass sie zu spät handelt und, wenn sie handelt, immer zu kleine Schritte geht. Dieser Vorwurf bleibt nach wie vor richtig.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Janine Wissler (DIE LINKE): Sie machen diese kleinen Schritte doch mit!)
Deshalb war es uns auch so wichtig, die Rahmenbedingungen zu verhandeln, unter denen der Fiskalpakt ratifiziert werden kann. Wir haben, gemeinsam mit den Sozialdemokraten, eine sehr klare Verhandlungsagenda gehabt, und aus unserer Sicht waren wir auch erfolgreich.
Verhandeln heißt immer, aufeinander zuzugehen. Verhandeln kann leider nicht heißen – auch wenn wir uns mehr gewünscht hätten –, dass man 100 % oder vielleicht auch 150 % erreicht.
Thema Finanztransaktionssteuer. Seit Langem bohren wir GRÜNE an diesem dicken Brett. Nicht nur wir, auch andere, z. B. Attac, haben sich das sehr früh auf die Fahnen geschrieben.
Gegen alle Vernunft hat sich bisher die schwarz-gelbe Regierung im Bund wie auch hier in Hessen immer wieder dagegen ausgesprochen. Immer wieder hieß es, das kann so nicht funktionieren.
Auch die Vorschläge der EU-Kommission, die darauf abzielten, die Verlagerung von Umsätzen auf andere Handelsplätze möglichst auszuschließen, haben die schwarzgelben Koalitionen im Bund und auch hier in Hessen sehr strikt abgelehnt.
Und jetzt? Jetzt haben wir im Rahmen der Verhandlungen des Fiskalpakts einen Durchbruch erzielt. Einen Durchbruch, den ich mir noch vor zwei Monaten gar nicht hätte vorstellen können. Die Vereinbarungen zwischen den Regierungsfraktionen sowie den GRÜNEN und den Sozialdemokraten sehen vor, eine Finanzmarkttransaktionssteuer – so heißt es richtig – nach einem zeitlich festen Fahrplan einzuführen, und zwar auch dann, wenn nicht alle EU-Mitgliedstaaten mitmachen. Eine Einführung kann also nicht mehr an dem Veto von Großbritannien scheitern.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Norbert Schmitt (SPD) – Zuruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))
Mit der Finanztransaktionssteuer haben wir es endlich auch erreicht, dass sich jener Sektor an den Kosten dieser Krise beteiligen soll, der sie ausgelöst hat, nämlich der Finanzmarktsektor. Ich frage: Was ist daran falsch, sich für ein solches Verhandlungsergebnis einzusetzen und dafür zu sorgen, dass mehr Steuern eingenommen werden? Was ist daran falsch?
Aus grüner Sicht glaube ich – und ich glaube, das ist auch aus Sicht der Sozialdemokraten so –: Das ist ein großer Erfolg für mehr Gerechtigkeit und Solidarität, der die Mühen der Verhandlungen gelohnt hat. Da unterscheiden wir uns möglicherweise von Ihnen: Wir wollen nämlich Ziele umsetzen und dafür streiten. Wir wollen sie beschreiben und Verantwortung übernehmen – und nicht immer nur die Probleme aufwerfen, ohne zu ihrer Lösung beizutragen.
Thema nachhaltige Investitionen und Wachstum. Ja, es ist eine bittere Wahrheit, dass besonders Not leidende Länder wie Griechenland und Spanien durch den verschärften Spardruck nicht mehr in der Lage waren, an sich sinnvolle Infrastrukturprojekte gegenzufinanzieren und sie umzusetzen. Damit hat sich dort besonders die Lage für junge Menschen weiter verschärft.
Es ist richtig und wichtig, den EU-Haushalt neu auszurichten und auf Wachstumsinvestitionen Wert zu legen, auf nachhaltige Investitionen, um hier gegenzusteuern. Ich frage in Richtung Linkspartei: Was ist daran falsch? Was ist falsch daran, sich für einen solchen nachhaltigen Wachstums- und Beschäftigungspakt einzusetzen?
In den Verhandlungen zum Fiskalpakt konnte erreicht werden, dass die Mittel aus dem EU-Programm Connecting Europe Facility umgelenkt werden in Netzinfrastruktur: in Energienetze, Bahninfrastruktur und Breitband, also in nachhaltige Investitionen, die auch dafür sorgen können, dass wir nachhaltige Strukturen aufbauen können. Ohne diese Verhandlungen zum Fiskalpakt wäre diese Bereitschaft zum Umsteuern nicht erreicht worden.
Was also war falsch daran, Verhandlungen zu nutzen, das Verhandlungsgewicht in die Waagschale zu werfen, um diese Ziele umzusetzen, die uns wichtig sind?
Den GRÜNEN und den Sozialdemokraten war es wichtig, für mehr nachhaltiges Wachstum und Beschäftigung zu sorgen. Es hat sich auch gelohnt, denn wir konnten etwas herausholen.
Das stimmt. Das ist ein ganz normaler Vorgang, dass man sich intensiv auseinandersetzt, und das haben wir getan.
Frau Kollegin Wissler, ich verhehle auch nicht, dass es uns lieber gewesen wäre, der Verhandlungserfolg wäre noch größer gewesen. Das ist völlig klar. Es wäre schön gewesen, wir hätten noch mehr erreicht. Es wäre schön gewe
sen, wir hätten auch noch einen Altschuldentilgungsfonds durchsetzen können. Das wäre sehr gut gewesen und hätte nach meiner festen Überzeugung auch der Europäischen Union sehr gutgetan. Leider – das müssen wir uns eingestehen – war da unser Verhandlungsglück zu Ende. Die Bundeskanzlerin und die Regierungsfraktionen waren nicht bereit, auf diesen wichtigen Punkt einzugehen.
Das heißt aber nicht, dass unsere Arbeit damit zu Ende ist. Natürlich werden wir an diesem Ziel weiterarbeiten. Das ist doch völlig klar. Die bisherige Erfahrung zeigt, dass all das, was immer von der grünen Seite in die Diskussion gebracht worden ist, ganz lange verteufelt wurde – Stichwort: Finanztransaktionssteuer –, und am Ende hat man dann gesehen: Vielleicht geht es doch nicht ohne. – Ich setze deshalb auf diesen Effekt und darauf, dass wir auch in Sachen Altschuldentilgungsfonds am langen Ende noch erfolgreich sein werden.
Es wäre besser gewesen, wir hätten ihn jetzt schon erreicht, aber – auch das gehört zur Wahrheit dazu – er war in dieser Verhandlungsrunde nicht umsetzbar.
Nun kann man natürlich sagen: Wir verhandeln gar nicht, weil uns die Ziele des Fiskalpakts insgesamt völlig suspekt sind. – Das tun die Kollegen von der Linkspartei.
Daher stelle ich die Frage: Was ist schlecht daran, wenn sich Staaten dazu verpflichten, ihre Haushalte auszugleichen? Was ist schlecht an dem Prinzip, möglichst nicht über die eigenen Verhältnisse zu leben?
Wir GRÜNE bekennen uns ausdrücklich dazu, dass Einnahmen und Ausgaben in staatlichen Haushalten möglichst in der Balance sein sollen. Das bedeutet nicht immer undifferenziertes Sparen, wie Sie, Herr van Ooyen, das hier dargestellt haben, sondern das bedeutet die Verpflichtung, für Einnahmen zu sorgen. Beides muss stimmen. Es muss stimmen, dass man die Einnahmen und Ausgaben ins Gleichgewicht bringt, und dann muss man auch dafür sorgen, dass die Einnahmen stimmen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Willi van Ooyen (DIE LINKE): Dann muss man aber auch über den Exportweltmeister nachdenken!)
Für mich gehört auch dazu, dass Staaten wie beispielsweise Griechenland in der Pflicht sind, für ein funktionierendes Steuersystem zu sorgen, und danach handeln, dass auch vermögende Menschen in Griechenland ihren Teil dazu beitragen, dass die Staatskrise abgebaut wird. Auch das gehört dazu. Das muss passieren. Wir brauchen ein funktionierendes Steuersystem.
Herr van Ooyen, von daher kann ich Ihre Schwarzmalerei, es werde nur gespart und wir würden uns dem Weltuntergang entgegensparen, so nicht teilen. Wir haben auch die Pflicht, für mehr Einnahmen zu sorgen, um den Ausgleich der Haushalte zu erreichen. Genau an dem Punkt setzen die Verhandlungen für die Finanztransaktionssteuer an. Wir wollen, dass mehr Geld im System ist. Wir haben so verhandelt, weil wir verantwortlich handeln wollen.
Insgesamt kann ich am Tag vor der Entscheidung im Bundestag und im Bundesrat für meine Fraktion sagen:
Sowohl der ESM als auch der Fiskalpakt sind nach den Verhandlungen zustimmungsfähig. Wir fordern die Landesregierung auf, im Bundesrat dieser Ratifizierung zuzustimmen.
Damit ist die Arbeit nicht zu Ende. Ich habe es bereits ausgeführt. Es ist ein erster Schritt, weil wir in Sachen Altschuldentilgungsfonds weiterarbeiten müssen. Wir brauchen aber ein Signal für die Sicherheit und den Fortbestand des Euros in Europa. Ich hoffe, dass dieses Signal durch eine breite Zustimmung sowohl im Bundestag, im Bundesrat als auch heute im Hessischen Landtag gegeben werden kann. Die Eurozone hat es bitter nötig. – Ich danke Ihnen.
Vielen Dank, Frau Kollegin Erfurth. – Als nächster Redner hat sich Kollege Landau von der CDU-Fraktion gemeldet.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Fraktion DIE LINKE hat in diesen Tagen, die wichtig für Deutschland und Europa sind, gemeint, noch einmal mitteilen zu müssen, was sie vom Sparen hält, nämlich nichts. Das überrascht uns nicht.
Nach dem Nein zur nationalen Schuldenbremse lehnt DIE LINKE den Fiskalpakt – der von 25 der 27 EU-Staaten unterschrieben wurde und nun von mindestens zwölf nationalen Parlamenten ratifiziert werden muss – konsequenterweise ab. Dem vernünftigen Leitmotiv des Fiskalpakts, mehr Haushaltsdisziplin bei weniger Schulden, tönen Sie mit den aus Ihrem Spektrum bekannten Phrasen und dem Ruf nach Eurobonds entgegen.