Die Hessen haben eine besondere Chance, denn sie entscheiden diese Fragen in einer Volksabstimmung. Man kann diese Volksabstimmung unbedeutend machen,indem man versucht, sie irgendwo nebenbei anzuhängen und zu sagen: „Stimmt einmal ab, wir gucken später, was daraus wird.“ Oder man geht den Weg, den wir miteinander verabredet haben: Wir reden über die potenziellen Konsequenzen einer solchen Entscheidung, und zwar vorher.
Es gibt überhaupt keinen Zweifel: Diese Diskussion ist durch die Wirtschaftskrise dramatisch schwieriger geworden, weil die Zeiten, bis wir zur Normalität zurückkommen und Schulden abbauen können, länger werden. Wir wollten schon 2012/2013 in der Normalität sein. Jetzt wird es mit Sicherheit deutlich später. Das heißt, uns wird diese Fragestellung immer mehr und durchaus auch Lasten abverlangen. Ich lade Sie herzlich zu dieser Diskussion ein.
Sie sind ja sonst immer sehr an einem Wettlauf interessiert. Machen Sie doch einmal als Erster einen Vorschlag.
(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Sie sind seit zehn Jahren Regierungschef! – Weitere Zurufe von der SPD)
(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Seit zehn Jahren im Amt! Machen Sie Ihren Job! – Weitere Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir werden Vorschläge machen. Ich will nicht sagen, dass wir die Opposition nicht brauchen, aber ich will sagen, wir warten auf die Opposition nicht. Wir werden Vorschläge machen.
(Beifall bei der CDU und der FDP – Lebhafte Zu- rufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Wir sind diesen Weg in der Frage, die ich gerade anspre- che, freiwillig gegangen. Wir haben in der Koalitionsver- einbarung verabredet, dass wir das so machen. Wir sind überzeugt, dass wir mit diesem Weg bei den Bürgern die größte Kooperation auslösen können, um unser Ziel dau- erhaft zu erreichen. (Lebhafte Zurufe von der SPD und dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn eine Generaldebatte einen Sinn hat, dann den, dass über die grundsätzlichen Weichenstellungen diskutiert wird. Die grundsätzliche Weichenstellung, die Sie vornehmen wollten, war eine rot-rot-grüne Regierung. Die grundsätzliche Weichenstellung, die wir vornehmen wollten, war die Bildung einer bürgerlichen Regierung.Wir haben fünf Jahre Zeit, zu zeigen, was wir daraus gemeinsam machen. Wir werden das in sachlicher und verlässlicher Arbeit tun. Sie sind als Sozialdemokraten – das gilt auch für Ihre beiden Partnern – nach wie vor ein bisschen darin verliebt, zu glauben, dass immer dann, wenn es gefährlich wird, der Staat ein besserer Helfer ist als einzelne Verantwortliche.
Auch nach dieser Krise, in der viele Einzelne Fehler gemacht haben, sind wir der Auffassung, dass der Staat zwar für den Rahmen verantwortlich ist,der Einzelne – der Private – aber Luft zum Atmen haben muss,ob er nun Unternehmer,Arbeitnehmer oder Ehrenamtler ist,
und dass er umso mehr zu seiner eigenen Lebensgestaltung, aber auch zum Wohlstand des Landes beitragen wird, je weniger wir ihn daran hindern, seine Ideen zu verwirklichen.
Wir wollen in der Krise auch helfen. Der Staat wird sich dabei engagieren.Aber wir freuen uns nicht darüber, dass der Staat mehr Einfluss hat – im Gegensatz zu Ihnen, die Sie diese Freude im Zusammenhang mit der Diskussion über die Bundesbahn und in ähnlichen Situationen immer zum Ausdruck gebracht haben.
Vielmehr sagen wir: „Wir machen das und schauen dann, dass wir aus den Dingen, in die wir jetzt hineinmüssen, auch wieder herauskommen“; denn wir sehen, dass am Ende den Arbeitsplätzen,den wirtschaftlichen Verhältnissen und auch unseren Steuereinnahmen mehr geholfen ist, wenn wir eine Gesellschaft sind, die darauf vertraut, dass Freiheit Zukunft bringt. Das ist der Grundgedanke, mit dem wir in diesem Land miteinander arbeiten.
und mit einer Konzentration auf das Ergebnis machen. Ich habe kein Interesse daran, mit Ihnen in einen Wettbewerb darüber einzutreten, wie etwas aussieht und wie die neuesten Performances und Actions sind. All das können Sie machen.
Dazu bin ich vielleicht auch zu lange im Amt. Ich bin sehr gern in diesem Amt. Aber ich bin nicht gern in diesem Amt, weil ich glaube, dass wir in der Situation sind, dass wir jeden Tag von Neuem öffentlich eine Sau durchs Dorf treiben müssen.Vielleicht ist das nach zehn Jahren Amtszeit einer der Vorteile. Es gibt Nachteile; aber es gibt auch Vorteile. Ich habe alles schon einmal erlebt. Deshalb weiß ich eines:Am Ende zählt, ob wir Ergebnisse erzielen können.
Ich sage Ihnen – das habe ich Ihnen gezeigt –: Der Spatenstich am Frankfurter Flughafen ist ein Ergebnis von Arbeit, kein Zufall, nicht vom Himmel gefallen. Der Erfolg der Hessischen Landesbank ist ein Ergebnis von Arbeit, kein Zufall, nicht vom Himmel gefallen. Die Veränderung der Wissenschaftslandschaft ist ein Ergebnis von Arbeit, kein Zufall, nicht vom Himmel gefallen. Die Tatsache, dass wir heute an jeder Schule eine 100-prozentige Lehrerversorgung haben, ist ein Ergebnis von Arbeit, kein Zufall,nicht vom Himmel gefallen.So werden wir die weiteren Arbeiten Stück für Stück angehen.
Diese Regierung ist ordentlich gestartet. Sie wird ihre Arbeit in Ruhe und Verlässlichkeit machen, und sie wird die Auseinandersetzung mit der Opposition weiterhin mit Freude führen. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Ministerpräsident. – Als Nächster hat der Vorsitzende der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Herr Al-Wazir, das Wort. Bitte schön.
(Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Er hat doch eben schon eine halbe Stunde lang dazwischengerufen!)
Herr Ministerpräsident, Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Koch,in unseren Reihen herrschte schon ein bisschen Verwunderung.
Ja, unbestritten. – Wir führen diese Haushaltsdebatte in der schwersten Wirtschaftskrise seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland. Das ist so. Herr Koch, die spannende Frage ist nur, ob man aus dieser Krise eigentlich herauskommt, wenn man in der Debatte dieselbe Platte aus dem letzten Jahrhundert auflegt, die man auch schon vor der Krise abgespielt hat, inklusive der Kommunistenfurcht.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU):Wir haben keine Berührungsängste!)
Wir feiern in diesen Tagen das 60-jährige Bestehen der Bundesrepublik. Herr Wagner, Konrad Adenauer hat seinen verdienten Platz in der Geschichte.Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, es ist wirklich nicht
angebracht, wenn man im Jahr 2009 versucht, Politik mit den Plakaten aus den Fünfzigerjahren zu machen.
Nebenbei: Natürlich befinden wir uns in einer Generaldebatte.Aber wir reden auch über den Haushalt des Landes Hessen für das Jahr 2009. Ich sage ausdrücklich: Natürlich ist es so, dass sich die Finanzlage als Folge der Wirtschaftskrise dramatisch entwickelt hat. Ich glaube, dieses Wort ist angebracht. Das wäre für jeden so, egal wer die Landesregierung stellt. Die Finanzlage und die Einnahmesituation wären für jeden gleich.
Aber die spannende Frage ist:Was folgt eigentlich aus der Krise? Diskutieren wir darüber, wie wir herauskommen? Diskutieren wir auch noch darüber, wie wir eigentlich in die Krise geraten sind, meine Herren von der FDP? Auch das ist eine spannende Debatte, die man nicht unter den Tisch fallen lassen sollte.
Die Frage ist, ob das, was wir jetzt machen, eigentlich dazu beiträgt, dass wir, erstens, aus der Krise herauskommen und, zweitens, nach der Krise besser dastehen als zuvor. Das ist die entscheidende Frage.
Ich muss Ihnen ehrlich sagen: Es gibt für uns keine größere Enttäuschung als diese Landesregierung nach den ersten 100 Tagen im Amt.
Herr Wagner,das sage ich nicht,weil ich in der Opposition bin, sondern weil ich selten eine Landesregierung erlebt habe, die nach 98 Tagen im Amt einen solch verbrauchten Eindruck gemacht hat wie die, die die Mehrheit des Parlaments gewählt hat.
Ich sage Ihnen ganz deutlich: Natürlich ist eine Nettoneuverschuldung in Höhe von 2,5 Milliarden c dramatisch. Herr Weimar weiß es sehr genau: Jetzt, zur Stunde, sitzen die Steuerschätzer zusammen und stellen fest, wie die Wirklichkeit im Jahr 2009 aussieht.Wenn das, was man so hört, halbwegs stimmt, kommen wir auf insgesamt 48 Milliarden c Steuermindereinnahmen.
Es gibt eine alte Faustregel. Ich hoffe, dass sie diesmal nicht zutrifft. Die Faustregel lautet: Die eine Hälfte ist für den Bund, die andere für die Länder, und von dem, was für die Länder ist, gehen 10 % an Hessen. Wenn man bei dieser Berechnung 48 Milliarden c zugrunde legt, kommen 2,4 Milliarden c für Hessen heraus.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn das stimmt – ich hoffe, dass das an uns vorübergeht –, werden wir im Jahr 2009 eine Nettoneuverschuldung haben, die eher an die 5 Milliarden c grenzt. Das heißt, ungefähr ein Viertel der Ausgaben wird dann über neue Kredite gedeckt. – So viel zu der Frage, wie dramatisch die Finanzlage des Landes Hessen ist.