Protocol of the Session on May 13, 2009

dass Schweden seine Entscheidung aufhebt – z. B. in Schweden, wenn ich es richtig sehe –, dass ein Land wie die Niederlande per Gesetz entschieden hat, was ich nie gemacht hätte, dass die Laufzeit des Kraftwerks um 30 Jahre verlängert wird – so ist der Atomausstieg in den Niederlanden –, und dass jetzt die Amerikaner, die Russen und die Briten alle gleichzeitig in einem Wettlauf sind, wer als Erster die Kraftwerke bestellt. Unsere Kraftwerkskonzerne sind inzwischen selbst Teil des Wettbewerbs. Um die Energieversorgung in Deutschland zu sichern, kaufen sie sich teilweise dort ein, weil sie in Deutschland die notwendigen Genehmigungen nicht bekommen.

Meine Damen und Herren, an der Stelle unterscheidet sich Ideologie von Verantwortungsbewusstsein.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Lachen bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich sage, Ihre Position ist Ideologie, blind zu sein gegenüber den anderen an dieser Stelle.

(Zuruf der Abg.Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Sie sehen daran: Ich will, dass wir darüber streiten. Ich will, dass die Bevölkerung diese Alternativen sieht, weil ich der festen Überzeugung bin, dass wir nur dann – –

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Wir auch!)

Das will ich ja. Ich bin auch dafür, dass es Streit gibt, Herr Kollege. Demokratie lebt davon.

Sie führen Deutschland gerade in eine Position, in der es den Menschen schlechter geht, in der die Menschen mehr Arbeitsplätze verlieren und weniger Einkommen haben, als wenn wir eine andere Politik machen.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Widerspruch und demonstrativer Beifall bei dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Darüber will ich streiten. Das ist so. Da ich nicht dazu da bin, Sie glücklich zu machen, müssen Sie an dieser Stelle mit diesen Alternativen leben und dürfen Ihre Freude haben. Bleiben Sie im Ökodorf. Wir wollen verantwortliche Politik, die das alles miteinander verbindet.

(Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich komme zur Bildungspolitik. Wenn wir in eine Situation kommen, in der die Infrastruktur stimmt, in der die Wissensindustrie vorhanden ist, wenn wir in eine Situation kommen, in der wir die Voraussetzungen dafür an der richtigen Stelle haben, dann wollen wir dabei auch,dass unsere Bürgerinnen

und Bürger, die erwachsen werden, gut ausgebildet sind. Diesen Weg werden wir weitergehen. Wir haben neue Schritte verabredet. Die selbstständige Schule ist ein qualitativer Schritt. Es ist eine Veränderung und eine Erweiterung von Entscheidungen der Vergangenheit. Das wird uns sehr beschäftigen. Ich sage Ihnen schon heute voraus: Sie werden sich mit den Schwierigkeiten,die es dabei gibt, als Opposition jeweils lustvoll beschäftigen.

(Zuruf des Abg.Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Denn eine solche Revolution innerhalb der Verwaltung, loszulassen, zu dezentralisieren, hat bisher niemand gemacht. Dazu gibt es in der Bundesrepublik Deutschland bisher kein Beispiel. Damit sind große rechtliche Schwierigkeiten verbunden. Das wissen Sie alles. Als für die Berufsschulen das Rechtsgutachten zu den selbstständigen Schulen gemacht worden ist, haben Sie im Ausschuss alles beraten. Das kennen Sie. Sie wissen, dass da verdammt dicke Bretter gebohrt werden müssen.

Trotzdem sind CDU und FDP gemeinsam der Auffassung, dass man, wenn Vertrauen, Freiheit und Zukunft als Regierungsprogramm etwas Sinnvolles ausdrücken, es auch in der Organisationsstruktur und Verantwortlichkeit von Schule machen muss. Das ist eine Herausforderung, die auf den ersten Blick mehr Unbequemlichkeiten mitbringt als Bequemlichkeiten. Deshalb wird die Ministerin dort ihren Weg mit einer Geradlinigkeit gehen müssen, wobei sie gelegentlich auf Widerstände stößt. Die werden am ersten Tag nicht alle gelöst werden. Ich sage Ihnen: Wir machen es gemeinsam. Wir machen es auch gemeinsam mit dieser Ministerin. Sie brauchen gar nicht zu versuchen, Einzelne aus dem Kabinett in eine besondere Situation zu bringen oder zu hoffen, dass da irgendetwas geht.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Am Ende müssen Sie die drei Elemente sehen: die selbstständige Schule, die andere Zuordnung von Kapazitäten über das neue Modell, wie wir nicht nur Lehrer, sondern auch Ressourcen zuordnen, mit denen man Ausbildung in sehr großer Eigenständigkeit der Schulen betreiben kann, und auf der anderen Seite eine zentrale Kontrolle, damit alle am Ende auch die gemeinsamen Ergebnisse erreichen.

Dazu gehört eine Evaluation, dazu gehören Vergleichstests, dazu gehört auch eine zentrale Abschlussprüfung. Das sind notwendige Voraussetzungen dafür, dass man in den übrigen Bereichen die Freiheit lässt, selbst zu entscheiden, was der richtige Weg ist. Ich weiß, dass es viele gibt, die es gar nicht bequem finden, wenn das alles evaluiert wird. Wir haben den ersten Evaluationsbericht der Schulinspektion vorliegen. Ich sehe schon mit einer gewissen Sorge, dass die Beteiligten, wenn sie gefragt werden, ob man das eigentlich braucht, zu einem nicht unerheblichen Teil meinen: nein.

(Zuruf des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Das ist eine Veränderung der Kultur. Die brauchen wir. Jeder muss wissen – die Ministerin hat das heute in einem Interview „Feedback“ genannt –, dass er in einer vernünftigen Weise Rechenschaft darüber ablegen muss, zu welchen Ergebnissen er kommt. Jede Schule haftet auch für den Erfolg ihrer Schüler – nicht nur dafür, statistisches Material über die Lage ihrer Schüler zusammenzustellen. Auch das ist eine Veränderung, die wir bisher so nicht hatten; denn in sozialdemokratisch-grünen Zeiten haben Sie

alle Instrumente abgeschafft, mit denen wir das überhaupt messen können.

(Petra Fuhrmann (SPD): Das ist schon über zehn Jahre her! – Weitere Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben diese Instrumente im Laufe der Zeit wieder eingeführt. Deshalb sind wir jetzt in der Lage, das zu machen. Wir sagen Ihnen sehr klar: Wir wollen eine dezentralere Schule. Ich sage Ihnen aber auch: Das wird eine Schule sein, in der Leistung gefordert wird. Wir wollen, dass Leistung möglichst viel Freude macht,wir wollen niemanden in der Schule quälen,aber wir müssen den Eltern, den Lehrern und den Schülern sagen, dass es am Ende eine selbstständige, eigenverantwortliche Gestaltung einer leistungsorientierten Schule sein wird. Denn dazu gehört auch, dass man die Voraussetzungen dafür schafft, in einer globalisierten Welt in diesem Land erfolgreich zu sein – so wie in den Bereichen Verkehr,Wissenschaft und anderen.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Thorsten Schä- fer-Gümbel (SPD): Rolands Traumwelt! – Weitere Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich will die Justiz- und Innenpolitik nicht so intensiv behandeln, und zwar aus einem einfachen Grund.Wenn Sie sich die Innenpolitik ansehen, wenn Sie sich ansehen, was die Polizei in Hessen in den letzten Jahren geleistet hat und auf welchem Stand wir heute sind, dann fällt Ihnen außer statistischer Spielerei mit Personalstellen überhaupt nichts mehr ein.

(Lachen und lebhafte Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist ganz faszinierend. Früher haben wir als Opposition mit großem Engagement über die Frage gestritten: Steigt die Verbrechensrate, oder sinkt sie? Steigt die Aufklärungsrate, oder sinkt sie? Haben wir Probleme in speziellen Rechtsfeldern? Ich stelle mir das nur einmal vor: Wenn wir gerade bei den politischen Straftaten, etwa beim Rechtsradikalismus, auch nur einen kleinen Zacken eines statistischen Ausschlags hätten, der irgendein Problem signalisieren könnte – was in jedem Bundesland und immer wieder passieren kann, davor ist niemand gefeit –, dann würden hier,so,wie Sie politisch aufgestellt sind,wie wild Veitstänze aufgeführt.

(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Eine Unverschämtheit!)

Ich sage Ihnen: Wir sind in Deutschland die Besten. Das ist ein Verdienst des Justizministers, das ist ein Verdienst des Innenministers. Wir haben die Aufklärungsquoten von unter 50 % auf nahezu 60 % angehoben.

(Günter Rudolph (SPD): Sie haben bei der Polizei Personal abgebaut! – Weitere Zurufe von der SPD)

Wir haben heute die Situation, dass die Bürger in diesem Lande signifikant sicherer leben als jemals zuvor.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zurufe von der SPD)

Sie von der Opposition reden seit Jahren über Stellenbuchungen, weil Sie zum Thema innere Sicherheit nichts mehr beizutragen haben,denn die innere Sicherheit ist bei uns gegeben.Weil da alles in Ordnung ist, brauche ich das nicht länger zu erörtern.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und der FDP – Zurufe von der SPD)

Ich komme damit zu meiner letzten Bemerkung.Wir werden die schwierige Haushaltssituation mit den Zahlen, die sich jetzt ergeben, uns wahrscheinlich einige Jahre begleiten lassen müssen. Wir werden bei dem, was wir geplant hatten, zurückgeworfen. Das ist so. Wir wollten in diesem Jahr einen Haushalt vorlegen – und den hätten wir auch vorlegen können –,

(Gernot Grumbach (SPD):Wollten, hätten!)

der ein Defizit zwischen 500 und 600 Millionen c ausgewiesen hätte. Davon sind wir jetzt weit entfernt. Wir haben jetzt zusätzliche Lasten in Höhe von mehr als 2 Milliarden c.

(Zurufe von der SPD)

Wir müssen diese Lasten schultern.Wir werden den überwiegenden Teil der Lasten gar nicht beeinflussen können, weil er aus Einnahmeausfällen besteht.Außerdem gibt es strukturelle Defizite, an deren Beseitigung wir bereits arbeiten. Das braucht hier niemand zur Seite zu reden. Zumindest wird uns das strukturelle Defizit Probleme machen, dass sich die Personalkosten im Laufe der Jahre eher erhöhen als vermindern, weil wir immer mehr Pensionäre haben und die Stellen wieder besetzen. Ich bin dafür, dass wir über diese Probleme sehr offen diskutieren.

Die Koalition hat in ihrem Koalitionsvertrag einen Lösungsweg zur Beseitigung der strukturellen Defizite vorgeschlagen. Das Erste, was wir machen – das geht nicht innerhalb von vier Wochen,das muss auch nicht innerhalb von vier Wochen gehen, aber alle sind eingeladen, sich daran zu beteiligen –:Wir werden sehr offen und transparent über die Kenndaten reden. Was kostet eine bestimmte Sache in unserem Bundesland, und was kostet das Gleiche in anderen Bundesländern? In der Föderalismusreform haben wir manches gelernt, z. B. wie man das vergleichen kann. Das werden wir tun.Außerdem müssen wir durchaus fragen:Was kostet das in der Landesverwaltung, was kostet das in der Kommunalverwaltung? Das kann man nur zusammen sehen. Die Ergebnisse werden wir auf den Tisch legen müssen.

Wir werden zum Zweiten über die Frage reden:Wenn wir das vergleichbar machen, welche Anstrengungen müssen wir dann unternehmen? Möglicherweise erledigen wir einige Dinge teurer als unsere Nachbarländer.Wenn das so ist, dann werden wir im Landtag politisch darum ringen müssen,ob das,was wir machen,besser oder nur teurer ist. Dann werden wir natürlich auch über die Frage des Länderfinanzausgleichs sprechen müssen. Der gehört zum Gesamtbild.

(Zurufe von der SPD)

Das werden wir tun, bevor wir in eine Volksabstimmung über eine Schuldenbremse gehen. Ich möchte nämlich nicht, dass wir alle am Ende in wohlfeilen Reden erklären – das trifft Sie und uns, da nehme ich niemanden aus –, dass das mit den Schulden ein Ende haben muss, und anschließend Anträge stellen, die in jedem Bereich, der uns wichtig ist, zu Personalkostenerhöhungen führen.

(Zurufe von der SPD)

Das ist die Schwierigkeit. Wir werden schon in der Haushaltspolitik des Jahres 2010 darauf zurückkommen. Wir haben gesagt: Wir werden die Stellen, die wir im Bildungsbereich zusätzlich schaffen, in anderen Bereichen abbauen müssen – wenn wir signifikante Steuererhöhun

gen in allen Bereichen vermeiden wollen.Auch Sie trauen sich nicht, Steuererhöhungen zu fordern – jedenfalls auf Bundesebene nicht –, und auch der Vorschlag von Herrn Schäfer-Gümbel hinsichtlich der Vermögensteuer ist verschwunden, jedenfalls nicht mehr da.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Sie haben nicht zugehört!)

Der Frage, was dahintersteckt, wie die Prioritäten zu setzen sind, kann man nicht außerhalb der öffentlichen Diskussion nachgehen, sondern wir sind hier an dem Punkt, dass wir zurzeit – in Deutschland insgesamt, aber auch in diesem Bundesland – jährlich mehr Geld ausgeben,als wir an Steuern einnehmen. Das muss man vor einer solchen Volksabstimmung klären. Das muss man vor einer solchen Volksabstimmung offen diskutieren. Dazu werden wir viel Gelegenheit haben. Wir werden z. B. über die Frage reden: Will jemand tatsächlich den prozentualen Anteil der Steuern am Bruttoinlandsprodukt ernsthaft erhöhen – in dem Wissen, dass die Abgaben für Gesundheit und Renten tendenziell ohnehin steigen und nicht sinken? Ich will die Steuern nicht erhöhen und sage das sehr klar. Wenn wir aber die Steuern nicht erhöhen und die Lasten nicht unseren Kindern aufbürden wollen, dann müssen wir darüber reden:Was sind die Aufgaben des Staates,und wie können wir sie erbringen? Was muss der Bürger selbst leisten, und was müssen wir als Staat bezahlen? An diesen Fragen kommt niemand vorbei.

Die Hessen haben eine besondere Chance, denn sie entscheiden diese Fragen in einer Volksabstimmung. Man kann diese Volksabstimmung unbedeutend machen,indem man versucht, sie irgendwo nebenbei anzuhängen und zu sagen: „Stimmt einmal ab, wir gucken später, was daraus wird.“ Oder man geht den Weg, den wir miteinander verabredet haben: Wir reden über die potenziellen Konsequenzen einer solchen Entscheidung, und zwar vorher.