Das heißt, er hat als Ökonom noch einmal das Spannungsverhältnis aufgemacht, über das hier niemand nachgedacht hat. – Außerdem hat er gesagt:
Ich glaube, dass das eine vernünftige Herangehensweise ist, die völlig anders als das ist, was wir gerade während der Rede des Herrn Kollegen Wagner gehört haben.
Die spannende Frage ist, auf was Sie vertrauen. Wir haben in unserem Dringlichen Entschließungsantrag, der zur letzten Plenarsitzungsrunde vorlag, sehr bewusst geschrieben: Wir vertrauen auf das Verantwortungsbewusstsein der Bürgerinnen und Bürger, die ihr Demonstrationsrecht wahrnehmen. – Das tun wir immer noch. Wir vertrauen natürlich auch darauf – damit komme ich auf das zu sprechen, was hier Teil der Zwischenrufe war –, dass die Polizei handwerklich in der Lage ist, mit solchen Situationen umzugehen. Das hat sie gut gemacht.
(Beifall bei der SPD – Günter Rudolph (SPD): Da klatscht Herr Beuth nicht! – Gegenruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Das ist unglaublich! – Weitere Zurufe)
Nein, das eignet sich nicht für dieses Ohrfeigenspiel. – Wer sich angeschaut hat, wie die Polizei in Dreierreihen den schwarzen Block abgeschirmt hat, und wer sich angeschaut hat, mit welcher Gelassenheit mit ziemlich viel weißer Farbe bemalte Polizeibeamte das Occupy-Camp geräumt haben – ob das okay ist, ist nicht der Punkt –, wer gesehen hat, wie die Einsatzkräfte genau das getan haben, was die Rednerinnen und Redner hier und diese Landesregierung nicht getan haben, sie haben nämlich für Deeskalation gesorgt, der muss sich bei der Polizei zweimal bedanken.
(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Ulrich Wilken (DIE LINKE))
Lassen Sie mich das wenigstens einmal mit einem polemischen Satz formulieren. Ich habe immer den Eindruck, dass die Landesregierung und die CDU den schwarzen Block brauchen.
(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Was für ein Schwachsinn! Vielleicht sollten Sie sich einmal deutlicher distanzieren!)
Genauso braucht der schwarze Block diese Art von Reden, um mit diesem Unsinn von seinem Räuber-und-Gendarm-Spiel abzulenken.
(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zurufe der Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) und Peter Beuth (CDU) – Glockenzeichen des Präsidenten – Holger Bellino (CDU): Sie verharmlosen die Gewalt!)
Ich habe einmal Friedens- und Konfliktforschung gelernt. Ich habe dabei irgendwann gelernt, dass selbst in solchen Situationen das Nachdenken darüber, wie beide Seiten einen Beitrag zur Auseinandersetzung leisten, hilft, die Probleme zu lösen.
Es würde helfen, darüber nachzudenken, ob das, was die Polizei vorgemacht hat, nämlich intelligente Deeskalation mit öffentlichen Äußerungen, die nicht angeheizt haben, mit Einsatzkräften, die nicht in den Hauptverkehrsstraßen waren, und mit dem Umgang des Demonstrationsrechtes, nicht hätte Beispiel für Ihre Zwischenrufe und Ihre Art der Politik hätte sein können. Manchmal kann man von den Ausführenden vor Ort mehr als in der politischen Debatte lernen.
Geht es hier vielleicht auch darum, darüber zu reden, warum eigentlich 20.000 Leute auf die Straße gehen? Geht es bei Vertretern politischer Parteien darum, nachzudenken, wo Politikversagen liegt?
In der letzten Plenarrunde habe ich gesagt, ich freue mich über aktive Bürgerinnen und Bürger, und ich würde mich freuen, wenn sie in politischen Parteien auftauchen.
Wer sich auf dieser Demonstration und unter den Zuschauern mit den Menschen unterhalten hat, bekommt aber zur Antwort: Wir vertrauen euch nicht mehr, und zwar allen. Das gilt auch für Teile derer, die mit organisiert haben.
Denn wir erleben nicht, dass ihr das, was wir für das große Problem halten – dass nämlich eine Finanzkrise auf unserem Rücken ausgetragen wird –, ernsthaft angeht, außer in Sonntagsreden.
Das heißt, die Frage, was wir dazu beigetragen haben, damit eine solche Haltung entsteht, würde ebenfalls in eine solche Debatte gehören. Dazu würde auch gehören, die Folgen der – wie ich finde – einflussreichsten konservativen Politikerin des letzten Jahrhunderts, Margaret Thatcher zu beleuchten, die als Erfinderin der Tina-Theorie gilt – „Tina“ steht für „There is no alternative“, es gibt keine Alternative. Sie hat im Prinzip beschrieben, dass Sachzwänge aus dem ökonomischen Bereich politisch nicht mehr gestaltbar sind.
Ich halte diese Art des Verhaltens von Politikern für eine, die dazu führt, dass Menschen sich von dem, was wir machen, abwenden.
Ich finde es durchaus faszinierend und nicht uninteressant, dass es ausgerechnet die „FAZ“ ist, die sich in der
letzten Woche sehr bewusst noch einmal die Sprache derer angeschaut hat, die – wie wir – beruflich Politik betreiben, und gesagt hat, das Nichts-Sagende und das Verwechselbare – nur um keinen klaren Text zu sagen – trage dazu bei, dass Menschen nicht mehr zuhören. Auch darüber müsste man reden.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Präsident Norbert Kartmann über- nimmt den Vorsitz.)
Man müsste darüber reden, dass wir vier Jahre seit Beginn der Finanzkrise haben, im Prinzip aber das Spielkasino – wie man sich an den Meldungen über Milliardenverluste ansehen kann – noch nicht geschlossen ist, obwohl vor vier Jahren etwas ganz anderes erzählt worden ist. Man könnte darüber reden, dass die Erträge des Finanzsektors von den finanziellen Kosten, die sie in der Gesellschaft verursachen, bei Weitem übertroffen werden. Man könnte darüber reden, ob es nicht Zeit ist, eine Grenze zwischen Realwirtschaft und Spekulation zu ziehen,
und ob die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland bei einer anderen Lohnpolitik nicht dazu führen würden,
Sie sehen, es gäbe viele spannende Fragen. Sie müssten sich nur darauf einlassen, statt dazwischenzurufen.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ende März hatten wir eine Demonstration in Frankfurt am Main, bei der die Beteiligung dieser kleinen Minderheit von Demonstrantinnen und Demonstranten, von der Herr Grumbach gerade gesprochen hat, gewalttätige Ausschreitungen am Rande der Demonstration mit Verletzten zur Folge hatte. Und Sie haben hier im Hause diese Gewalt thematisiert.
Mitte Mai hatten wir eine friedfertige, gewaltfreie, bunte Demonstration in Frankfurt am Main, auf der keine Gewalt geschehen ist. Und was thematisieren Sie hier im Hause? Die Gewaltfrage. Meine Damen und Herren, Sie haben ein merkwürdiges Verhältnis zur Gewalt.