dass über Alternativen zum Spardiktat der Troika in Deutschland offensichtlich nicht mehr geredet werden darf. Sie wollen davon ablenken, dass Sie es verboten haben, über die Auswirkungen dieser Politik in Griechenland, in Portugal, in Spanien die Bevölkerung zu informieren. Sie wollen davon ablenken, dass z. B. das Gesundheitssystem in Griechenland zusammengebrochen ist. Sie haben verboten, dass das in Frankfurt stattfindet.
Sie haben es verboten, dass wir die Bevölkerung darüber informieren, dass dann, wenn wir in Deutschland eine Lohnquote hätten, wie wir sie noch im Jahr 2000 hatten, die abhängig Beschäftigten in diesem Land 120 Milliarden € mehr in der Tasche hätten. Sie wollen davon ablenken, dass Sie verboten haben, darüber in unserem Land zu reden.
(Beifall bei der LINKEN – Zurufe von der CDU: Unsinn! – Holger Bellino (CDU): Sie reden einen Unsinn!)
Sie wollen davon ablenken, dass Sie es verboten haben, dass wir mit Musik und kulturvollen Beiträgen in Frankfurt darüber diskutieren und informieren wollten, dass es auch in Deutschland Alternativen zu dieser Politik gibt. Damit wollen Sie davon ablenken, dass Sie es unter anderem Konstantin Wecker verboten haben, in Frankfurt aufzutreten. Das hat noch nicht einmal die DDR geschafft – Sie haben es geschafft.
(Beifall bei der LINKEN – Zurufe von der CDU – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Biermann habt ihr doch rausgeworfen!)
Alle, die an dieser Demonstration teilgenommen haben oder die Fotos oder Filmberichte gesehen haben, wissen, wie bunt, friedfertig und vollkommen gewaltfrei es war, und können ahnen, was der Stadt Frankfurt entgangen ist, weil sie in den Tagen zuvor alles in der Stadt verboten hat.
Meine Damen und Herren, ein paar Worte zu den Fehlund Falschinformationen, die Sie seitdem ständig verbreiten.
Meine Damen und Herren, insbesondere von den GRÜNEN, die dafür Mitverantwortung tragen, wie sich die Stadt Frankfurt verhalten hat,
wir als Veranstalter haben, zusammen mit dem Polizeivizepräsidenten, eine Demonstrationsroute und einen Kundgebungsort verabredet. Dagegen hat die Stadt Frankfurt vor dem Verwaltungsgerichtshof in Kassel geklagt. Die schwarz-grüne Stadtregierung in Frankfurt wollte alles verbieten, inklusive der Demonstration. Anstatt das zu beschimpfen, hätte ich von einem Demokraten, einem Innenminister erwartet, dass er mir zur Seite tritt und sagt: Das ist mit der Polizei verabredet, wir können diese Demonstration so durchführen. Aber die Stadt Frankfurt will es verbieten.
Meine Damen und Herren, im Kern liegt diesen Verboten eine Gefahreneinschätzung der Polizei zugrunde – so hat Herr Rhein uns das hier in der letzten Plenarrunde vorgetragen –, die in seinem Geiste geschrieben und erstellt worden ist. Diese Gefahreneinschätzung strotzt vor Halbwahrheiten, Unterstellungen und Fehleinschätzungen. Im Nachhinein wissen wir: Sie ist offensichtlich falsch gewesen. Aber sie hat ihren Zweck erfüllt, nämlich den Zweck, dass das Reden über Alternativen zu dieser Politik, zu diesem Finanzkapitalismus untersagt worden ist.
Meine Damen und Herren, Sie wollen davon ablenken, dass Sie frei gewählten Abgeordneten in Frankfurt am Main verboten haben, über Alternativen zur Politik zu reden. Die Polizeibeamten haben uns mit dem Hinweis niedergeschrien, wir würden Straftaten begehen, wenn wir reden.
Nun ist es eine Ordnungswidrigkeit, wenn man eine verbotene Versammlung besucht – aber das können hessische Polizisten nicht wissen.
Was ist das eigentlich für eine Einstellung, wenn Sie es für richtig halten, dass es verboten ist, das freie Mandat von gewählten Abgeordneten auszuüben?
(Holger Bellino (CDU): Schreiben Sie die Rede doch noch einmal neu, dann wird sie vielleicht besser!)
Wenn Polizeibeamte in Hochgeschwindigkeit vor dem Gewerkschaftshaus vorfahren, es umzingeln und behelmt und beschildet Gewerkschafter daran hindern, das Gewerkschaftshaus zu betreten, dann frage ich Sie: Woran erinnert Sie das, an Mai 2012, Frankfurt am Main? – Es darf doch nicht wahr sein, dass es in unserer Republik so etwas gibt.
(Beifall bei der LINKEN – Mathias Wagner (Tau- nus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Gut, dass die CDU gerade nicht aufgepasst hat!)
Wir haben im Bündnis gesagt, was wir an den BlockupyTagen tun werden. Wir haben uns daran gehalten und haben genau das getan, was wir vorab gesagt hatten.
(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie müssen es wiederholen, die CDU hat es nicht mitbekommen! – Gegenruf des Ministers Boris Rhein: Bitte nicht!)
Wir haben gewaltfrei und friedlich und ohne Waffen demonstriert. Meine Damen und Herren, ja, es wäre zu einer symbolischen Blockade der Europäischen Zentralbank gekommen. Wir hatten auch gesagt, dass wir das tun.
Wir hatten nicht gesagt, dass Sie es tun. Wir wollten es tun. Meine Damen und Herren von der CDU, das ist ein legitimes Mittel der Politik. Aber in Ihren Geschichtsbüchern wird wahrscheinlich Mahatma Gandhi auch als Terrorist geführt.
Vollkommen unverhältnismäßig waren die Reaktion der Stadt, die Reaktion der Polizei, die den Finanzbezirk der Stadt Frankfurt über vier Tage komplett dichtgemacht hat.
Die Blockade des Finanzsektors ist nicht vom Bündnis vollzogen worden, sondern von den Polizeikräften.
Meine Damen und Herren, die Sie so gerne über Gewalt reden, lassen Sie uns doch einmal über die mörderische Gewalt reden, die von der Spekulation auf Nahrungsmittel ausgeht.
Lassen Sie uns doch einmal über die mörderische Gewalt reden, die die Griechinnen und Griechen als Auswirkungen Ihrer Politik im Moment erleben müssen. Auch darüber müssen wir reden.
Meine Damen und Herren von der CDU, zum Schluss zitiere ich Ihren ehemaligen Generalsekretär, Heiner Geißler, der unter der Überschrift „Der Kapitalismus zeigt wieder mal seine Krallen“ geschrieben hat:
Die G-8-Länder... brachten... das wichtigste politische Anliegen, nämlich die internationale Finanzstrukturreform, um keinen Millimeter voran. Genau gegen diesen Stillstand und Reformstau wollte die Blockupy-Bewegung am Wochenende in Frankfurt demonstrieren, wurde aber von der deutschen und hessischen Obrigkeit in massiver Weise behindert. Wieder einmal hatten sich hier die Interessen der Finanzmärkte als stärker erwiesen als die Bürgerrechte des Grundgesetzes.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte eines klarstellen: Für uns Liberale ist die Versammlungsfreiheit grundlegend für eine Demokratie. Sie bildet zusammen mit dem Recht auf freie Wahlen, der Pressefreiheit und der Meinungsfreiheit den Kernbestand an Grundrechten, ohne den eine freie Gesellschaft schlicht nicht vorstellbar ist.