Protocol of the Session on March 29, 2012

(Zuruf des Abg. Stefan Müller (Heidenrod) (FDP))

Meine Damen und Herren, die Kollegin Müller hat es angesprochen: Jeden Monat wird eine Menge an Kaufkraft

entzogen, weil die Verbraucher hohe Benzinpreise bezahlen müssen. 25 % der Deutschen sagen, dass sie im Moment auf andere Konsumausgaben verzichten, weil sie so viel Geld für den Sprit bezahlen müssen. Insofern ist es ein Thema, dessen man sich annehmen muss – das haben CDU und FDP erkannt –, aber reine Ankündigungspolitik für ein Instrument, von dem man noch nicht weiß, ob es überhaupt wirkt, finde ich ein bisschen vermessen und auch übertrieben.

Meine Damen und Herren, die Wirksamkeit dieser Maßnahme, nämlich der Einführung des sogenannten australischen Modells, ist höchst umstritten. Bereits im Frühjahr 2011 hat Bundesverkehrsminister Ramsauer erkannt, dass Handlungsbedarf besteht, und nach einer sogenannten Benzinpreisbremse nach australischem Modell gerufen. Allein der Name ist schon irreführend, das Modell gibt es nämlich nur in Westaustralien.

(Minister Michael Boddenberg: Richtig!)

Deswegen ist es falsch, von dem sogenannten australischen Modell zu sprechen.

(Günter Rudolph (SPD): Australien ist größer!)

Herr Kollege Müller, Sie haben den „Spiegel“ zitiert. Dann müssen Sie schon die ganze Wahrheit sagen, nämlich dass das Modell im Jahre 2008 als Modell für ganz Australien von der australischen Regierung verworfen und nicht eingeführt worden ist. Man hat es bei Westaustralien belassen, weil es sich nach Ansicht derer, die darüber zu entscheiden hatten, nicht bewährt hat. Auch das stand im „Spiegel“, Kollege Müller. Man soll sich nicht immer nur das herausgreifen, was passt, sondern muss dann auch alles benennen.

(Zuruf des Abg. Stefan Müller (Heidenrod) (FDP))

Dieses Modell wurde nicht als tauglich für ganz Australien angesehen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wesentliche Gründe dafür sind – das ist ganz spannend –: Man hat festgestellt, dass gerade die Gewinne der großen Mineralölkonzerne in Westaustralien stärker gestiegen sind als im Rest von Australien. Also dort, wo das Modell gilt, sind die Gewinne der Mineralölkonzerne stärker gestiegen als im Rest des Landes.

Man hat auch festgestellt: Bei diesem Modell kommen die kleinen Anbieter, die im Moment noch die Marktnischen nutzen, die sogenannten freien Tankstellen, unter die Räder. Die großen können Benzinpreise auf einem hohen Niveau durchhalten, die kleinen können das nicht und werden dann nach und nach vom Markt verschwinden.

(Beifall bei der SPD – Marius Weiß (SPD): Wie die FDP!)

Meine Damen und Herren, man muss sich doch die Entwicklung ansehen, bevor man ein Modell so hochjubelt, wie Sie es machen. In Westaustralien ist folgende Preisentwicklung zu beobachten: Die Preise steigen von einem Tag auf den anderen, und zwar in großen Sprüngen. Dann gehen sie in den nächsten Tagen nur ganz langsam wieder zurück. – Das heißt, der Benzinpreis hat sich, auf lange Sicht gesehen, auf einem hohen Niveau eingependelt. Genau das wollen wir doch nicht, sondern wir wollen, dass die Verbraucher keine hohen Benzinpreise bezahlen. All das ist gut gemeint, aber hier ist genau das Gegenteil erreicht worden.

(Beifall bei der SPD – Stefan Müller (Heidenrod) (FDP): Das ist nicht das österreichische Modell!)

Die SPD-Bundestagsfraktion hatte im Rahmen einer Kleinen Anfrage nachgefragt, wann das Modell denn eingeführt würde. Daraufhin hat die Bundesregierung im Oktober 2011 geantwortet: Die Prüfung innerhalb der betroffenen Ressorts – auch nach Gesprächen mit Vertretern der Mineralölindustrie, insbesondere der mittelständischen Mineralölunternehmen, sowie Verbraucherorganisationen – hat ergeben, dass das westaustralische Modell keine Verbesserung des Wettbewerbs ermöglicht. – So das Bundesverkehrsministerium im Oktober 2011 zu dem Modell, das hier im Landtag im Moment so hochgejubelt wird, meine Damen und Herren.

Im Jahre 2011 gab es aber noch einen anderen Vorschlag, von dem Sie nicht gesprochen haben. Die Monopolkommission hat die Initiative von Herrn Ramsauer hinsichtlich der Einführung des australischen Modells kritisiert und gesagt, sie halte den Vorschlag für kontraproduktiv. Die Monopolkommission hat eine Forderung aufgestellt, die der FDP insgesamt wahrscheinlich zu weit ging. Sie sah ein Gesetz zur Entflechtung der fünf großen Mineralölkonzerne als richtigen Ansatz an, um das Problem strukturell zu lösen. Die FDP ist aber nicht so weit und war nicht so weit. Allerdings hatte der damalige Wirtschaftsminister Brüderle – politisch bin ich selten bei ihm – genau ein solches Gesetz vorgeschlagen, mit dem er dann im Bundeskabinett abgeblitzt ist, meine Damen und Herren. Insofern gibt es durchaus andere Vorschläge als Ihren Vorschlag, Sie haben nur nicht den politischen Mut, das weiterzuverfolgen.

Jetzt wird der Vorschlag, von dem die Bundesregierung im Oktober 2011 gesagt hat, er bringe keine Verbesserung des Wettbewerbs, von Ihnen in einer Aktuellen Stunde mit einem Jubelantrag hochgelobt und gesagt: Das müssen wir unbedingt einführen. – Interessant ist, dass Herr Ramsauer noch vorige Woche erklärt hat – das ist übrigens derjenige, der im Oktober gesagt hat, das Modell bringe keine Verbesserung des Wettbewerbs –, er sei schon immer dafür gewesen. Das alles ist schon ein bisschen durcheinander.

Die Bezeichnung „Benzinpreisbremse“ finde ich irreführend.

(Beifall bei der SPD)

Sie sorgen doch lediglich dafür, dass sich die Benzinpreise auf einem dauerhaft hohen Level einpendeln können und die Verbraucher wissen, wie viel sie 24 Stunden lang bezahlen müssen. Weniger wird es dadurch auch nicht. Das muss man einfach konstatieren, meine Damen und Herren.

(Stefan Müller (Heidenrod) (FDP): Sie haben eben noch von den 100 Millionen geredet!)

Insofern ist es nicht richtig, dass Sie die Verbraucher an der Nase herumführen wollen und von einer Benzinpreisbremse sprechen. Das trifft es nicht.

Meine Damen und Herren, richtiges Vertrauen in Ihren Vorschlag haben Sie ja selbst nicht; denn in Ihrem Antrag steht: „Durch die von Verkehrsminister Posch vorgeschlagene Einführung... könnte eine Regelung geschaffen werden, …“

(Dr. Frank Blechschmidt (FDP): Wir leben in einer Demokratie und brauchen eine Mehrheit!)

Das heißt, wir diskutieren im Moment über ein Instrument, von dem kein Mensch weiß, ob es überhaupt kommt, ob es überhaupt taugt. Unter großem Getöse wird hier vorgegaukelt, dass man etwas für die Verbraucher machen will, obwohl man noch gar nicht weiß, ob es den Verbrauchern auch zugutekommt.

Ich kann nur sagen: viel Rauch, wenig Feuer. Sie wecken Erwartungen, die Sie nicht werden erfüllen können.

(Stefan Müller (Heidenrod) (FDP): Schauen wir mal!)

Wirksam allein ist aus Sicht der SPD-Fraktion der Vorschlag der Monopolkommission, ein Entflechtungsgesetz auf den Weg zu bringen. Dieser Weg ist für Sie aber wahrscheinlich zu schwierig. Ich prophezeie Ihnen: Er wäre erfolgversprechender. – Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Frankenberger. – Zu einer Kurzintervention hat sich Herr Kollege Reif von der CDU-Fraktion gemeldet. Sie haben zwei Minuten Redezeit, Herr Reif.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Etwas zum australischen Modell von jemandem, der zigmal in Australien gewesen ist:

(Zurufe von der SPD: Oh! – Janine Wissler (DIE LINKE): Haben Sie da auch getankt?)

Australien ist mit 7,7 Millionen km2 flächenmäßig mindestens 21-mal größer als die Bundesrepublik Deutschland. In Australien lebt nur etwa ein Viertel der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland.

Westaustralien hat ein Drittel der Gesamtfläche von ganz Australien, aber nur 10 % der Bevölkerung, also 2,5 Millionen km2 mit etwa 2,2 Millionen Menschen. Das heißt, weniger als ein Mensch wohnt auf einem Quadratkilometer. Die größte Stadt ist Perth mit 1,6 Millionen Einwohnern. Dann kommt Bunbury, 175 Meilen südlich von Perth, mit 50.000 Einwohnern.

Das Modell funktioniert. Es hat in Westaustralien dazu geführt, dass in diesem wahnsinnigen Flächengebiet der Benzinpreis zwar gestiegen ist wegen dieser flächenmäßigen Struktur, aber nicht explodiert ist wie früher. Das ist der Grund.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Die Auffassung, dass man mit freien Tankstellen mitten in der Pampa irgendetwas machen könnte, ist eine Illusion.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Das ist doch überhaupt nicht vergleichbar mit uns!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich kann nur sagen: Man muss in diesem Bereich jede Möglichkeit versuchen, die sich uns anbietet, und sie in Deutschland umsetzen. Wenn ein Land dazu geeignet ist, dann ist es die Bundesrepublik Deutschland mit 80 Millionen Einwohnern auf einer Fläche von 375.000 km2, wo 230 Menschen auf einem Quadratkilometer leben.

Da ist es sinnvoll, freie Tankstellen im Wettbewerb mit Mineralölkonzernen zu haben und vieles andere mehr,

um dieses Preisdiktat des Oligopols zu brechen, indem man diese Vorankündigungen nützt, damit die Bürger und die Autofahrer sich darauf einstellen können und Flexibilität und Möglichkeiten haben, das auszunutzen, was gesetzlich möglich ist. – Dies zu Ihren Ausführungen, Herr Frankenberger.

Herr Reif, kommen Sie bitte zum Schluss.

Dies zu einem Modell, das angeblich gescheitert ist. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Danke sehr. – Herr Frankenberger, Sie haben Gelegenheit zur Antwort und ebenfalls zwei Minuten Zeit dafür.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Wo warst denn du schon überall? – Gegenruf von der FDP: In Nordhessen!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Reif, ich schätze Sie sehr und habe auch großes Zutrauen zu Ihrem Beobachtungsvermögen. Aber letztendlich glaube ich – das kann ich beim Präsidium anregen –, es wäre besser, wenn der zuständige Ausschuss sich vor Ort erkundigen und überzeugen würde,

(Allgemeine Heiterkeit)

ob Ihre Beobachtungen und Schlussfolgerungen auch zutreffen.