Protocol of the Session on March 29, 2012

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist relativ klar, das wir unserem Antrag zustimmen werden. Wir hoffen, dass Sie das auch tun werden. Sie haben in Ihrem Antrag relativ viele Allgemeinplätze. Es ist richtig, dass Ihnen das nicht gefällt. Das ist mir klar. Sie versuchen, den Eindruck zu erwecken, als seien Sie gegen die hohen Benzinpreise.

(Zuruf des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Sie waren es, die noch vor zehn Jahren gesagt haben, Sie wollen 2,50 € je Liter Sprit.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Ulrich Caspar (CDU))

Jetzt stellen Sie sich hierhin und sagen, die Benzinpreise sind zu hoch. Das ist schon ein bisschen absurd und sehr scheinheilig. Ihr Antrag ist mit sehr vielen Allgemeinplätzen versehen. Der entscheidende Punkt ist der Punkt 5. Es geht darum, dass morgen der Bundesrat erfolgreich das australische Modell beschließt. Deswegen braucht man diesen Antrag nicht als Ergänzung. Wir werden unserem Antrag zustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Herr Müller, vielen Dank. – Ich darf Frau Karin Müller aus Kassel für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN aufrufen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Müller hat mir eine Steilvorlage gegeben. Wahrscheinlich denkt die FDP auch, mit Benzinpreisen kann man Wählergunst verlieren, aber vielleicht auch gewinnen. Deswegen haben Sie das Thema heute aufgegriffen.

Ich erkläre Ihnen noch einmal, wie das damals mit den 5 DM war. Auch die „SZ“ schreibt: „Was Ottokraftstoffe angeht, sind die GRÜNEN schon eine seltsame Partei.“ – 1998 hätten wir damit einen Wahlerfolg riskiert. Von dem 5-DM-Ziel sind jetzt nur noch 1,74 € übrig. Und jetzt wird auf die Mineralölkonzerne eingedroschen. Der ADAC hätte es nicht besser sagen können. So die „SZ“ vor ein paar Tagen.

Wie war das denn damals mit den 5 DM? – Es war nicht so, dass die 5 DM innerhalb von zehn Jahren – also bis 2008 – gezahlt und die Bürgerinnen und Bürger nicht entlastet werden sollten, ganz im Gegenteil. Die Sozialversicherungsbeiträge sollten um 6 Cent gesenkt, die KfzSteuer sollte abgeschafft und der ÖPNV sollte massiv ausgebaut werden. Das war das Konzept. Und wer sich darüber informiert hatte, fand das gut.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es war keinesfalls der Rückfall in die Fundamentalopposition. Die GRÜNEN kümmern sich aber auch um die Verbraucherinnen und Verbraucher.

Deswegen hat die grüne Bundestagsfraktion eine Studie in Auftrag gegeben, die wir ausgewertet haben. In dieser Studie kommt man eindeutig zu dem Ergebnis, dass 42 % der Gewinnmitnahmen seit November 2011 auf Kosten der Konzerne gehen. 42 % sind im Monat 100 Millionen € an Kaufkraft, die den Verbraucherinnen und Verbraucher verloren gehen. Dagegen wollen wir genauso wie Sie etwas tun. Deswegen unterstützen auch wir das australische Modell.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir sagen durchaus, man soll das erst einmal begrenzt ausprobieren und dann evaluieren. Es gibt nämlich spieltheoretische Untersuchungen, die besagen, bei diesem Modell könnte es sein, dass die Mineralölkonzerne extra vorher etwas drauflegen, um in den Preismargen zu bleiben, die sie dann erhalten wollen. Aber wir sehen uns das vorurteilsfrei an und hoffen, dass es den Verbraucherinnen und Verbrauchern zugutekommt und diese 42 % nicht immer wieder draufgeschlagen werden.

Die Argumentation mit dem erhöhten Ölpreis oder dem Iranembargo zählen laut Untersuchung nicht. Die Mineralölsteuer haben Sie von 1992 bis 1999 mehrfach erhöht. Seit 2003 sind die Mineralölsteuer und die Ökosteuer um 0 % erhöht worden.

Gegen einen nicht funktionierenden Wettbewerb muss man angehen. Dagegen sollten wir auch gemeinsam vorgehen, damit die Kaufkraft bei den Bürgerinnen und Bürgern bleibt. Aber das ist nur die eine Seite der Medaille. Die Ölpreise werden weiter steigen. Es ist ein knapper werdendes Gut. Ich muss hier nicht über Peak Oil referieren. Ob es schon überschritten ist oder nicht, bleibt egal, denn das Öl wird knapper werden.

Die Schwellenländer verbrauchen immer mehr. In China – das ist ein gutes Beispiel – gab es 2002 16 Millionen Pkw, und für 2020 rechnet man mit 160 Millionen Pkw. Das sind 100 Pkw pro 1.000 Einwohner. Zum Vergleich: Bei uns sind es im Durchschnitt 516 Pkw pro 1.000 Einwohner.

Man kann sich ausrechnen, wie viel Bedarf an Öl vorhanden ist. Das heißt, wir müssen weg vom Öl. Wir müssen Verkehre verlagern und vermeiden. Wir müssen mit unsinnigen Investitionen in neue Infrastrukturprojekte aufhören. Kassel-Calden kann man vielleicht noch als Golf

platz verwenden, aber als Flughafen wird er einfach nicht gebraucht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Frank Blechschmidt (FDP): Ein Golfplatz? – Zuruf des Abg. Jürgen Lenders (FDP))

Auch jedem Abgeordneten seine Umgehungsstraße wird nicht mehr funktionieren. Straßenerhalt und -sanierung, Ausbau der Schieneninfrastruktur, aber auch nicht für unsinnige Großprojekte,

(Dr. Frank Blechschmidt (FDP): Was für eine Klientel bedienen Sie denn, Frau Kollegin?)

das ist die Devise, aber nicht so, wie Sie Betonpolitik machen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich tue Ihnen noch einen Gefallen. Ich erwähne auch das Thema Tempolimit. NRW hat gestern 120 km/h vorgeschlagen. Wir sagen, wenn wir als Höchstgeschwindigkeit 130 km/h durchsetzen würden, hätten wir viel erreicht, und im Vergleich zur Durchschnittsgeschwindigkeit von 150 km/h, die jetzt auf Autobahnen gefahren werden, würden wir auf 100 km 2 Liter Benzin sparen. Sie können sich ausrechnen, das wären enorme Summen. Da müssen wir ansetzen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch die Automobilhersteller sind gefragt – zum einen, sich weiter als Mobilitätsdienstleister auszubauen, und zum anderen, effizientere Autos zu bauen. Die Elektroautos werden erst 2050 serienmäßig produziert werden können und dann Effekte bringen. Es muss also jetzt passieren. Die Verbraucherinnen und Verbraucher sind gefordert, nicht mehr die Riesenautos zu kaufen, die auch noch mehr Parktraum benötigen, sondern sich auf kleinere und effizientere Autos zu beschränken.

Alles in allem sind wir gar nicht so weit voneinander entfernt. Das heißt, Sie können unserem Antrag ruhig zustimmen. Dass wir eine Verkehrswende brauchen, können auch Sie nicht leugnen. Sonst ist der Liter Benzin nicht bei 5 DM, sondern bei 5 €. Stimmen Sie unserem Antrag zu, um ein Zeichen gegen die Benzinpreisabzocke der Mineralölkonzerne

(Lachen des Abg. Peter Stephan (CDU))

und für eine sofortige Verkehrswende zu setzen, die uns unabhängiger vom Öl macht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Müller. – Als Nächster spricht Herr Frankenberger für die SPD-Fraktion.

(Günter Rudolph (SPD): Sagen Sie einmal etwas zu den Anträgen der FDP über die Abschaffung der Ökosteuer! – Gegenruf des Abg. Florian Rentsch (FDP): Hast du ein Kraftfrühstück zu dir genommen?)

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin schon überrascht, wie es die Kollegin Müller von den GRÜNEN immer wieder schafft, zu jedem Thema irgend

wie den Flughafen Kassel-Calden noch ins Spiel zu bringen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Liebe Frau Müller, ich kann Sie beruhigen. Für einen Golfplatz ist es zu spät. Der Flughafen wird am 4. April 2013 eröffnet, weil ihn die Region auch dringend braucht.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Wolfgang Decker (SPD))

Herr Kollege Müller, ich habe Ihre Ausführungen gegen die Ökosteuer sehr wohl vernommen. Ich habe mich bloß gefragt: Warum gibt es vonseiten der FDP keine Initiativen zur Abschaffung der Ökosteuer?

(Wolfgang Greilich (FDP): Gut aufgepasst! – Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))

Ich habe es bisher nicht wahrgenommen. Wenn alles so schlimm ist, haben Sie es doch politisch in der Hand. Im Moment sind Sie in Berlin an der Regierung. Der Kollege Rudolph hat gesagt, „regieren“ sollte man nicht sagen, sondern lieber „an der Regierung“. Das würde den Zustand besser beschreiben, der in Berlin herrscht. Insofern haben Sie es in der Hand. Ich bin auf Ihre Initiativen gespannt. Ansonsten schweigen Sie in Demut. Was Sie nicht ändern wollen, das brauchen Sie auch nicht zu kritisieren, lieber Kollege Müller.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, hier wird in der Tat ein wichtiges Thema angesprochen. Die Verbraucher sind genervt, sie sind sauer, weil die Benzinpreise schwindelerregende Höhen erreicht haben. Vor allem der richtige Zeitpunkt zum Tanken ist zum Monopoly-Glücksspiel geworden. Es ist richtig, dass sich die Politik dieses Themas annimmt. Nur – das sage ich gleich vorweg –, ob das Instrument, das Sie vorschlagen, zum Erfolg führt, daran gibt es erhebliche Zweifel.

(Holger Bellino (CDU): Haben Sie einen besseren Vorschlag?)

Dann finde ich es noch schlimmer, wenn man Hoffnungen weckt, die man anschließend bei den Verbrauchern, bei den geplagten Autofahrern nicht einhalten kann. Das ist reine Symbolpolitik, die unter dem Strich niemandem etwas nützt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD – Holger Bellino (CDU): Was schlagen Sie denn vor, ganz theoretisch?)

Ich finde es schon recht beachtlich, dass gerade die FDP erklärt: Wir müssen eingreifen, um den Wettbewerb wiederherzustellen. – Das ist für die FDP schon mutig. Ich würde mir wünschen, dass Sie bei den Verursachern der Krise genauso mutig wären und sagen würden: Auch da bedarf es staatlichen Handelns, damit diejenigen, die die Krise verursacht haben, endlich an den Kosten der Krise beteiligt werden. – Dazu habe ich von der FDP noch nichts Entsprechendes vernommen.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Auf der einen Seite ist man für staatliche Eingriffe, auf der anderen Seite lässt man es lieber laufen und sagt: Der Markt wird es schon richten. – Das ist widersprüchlich, Herr Kollege Müller.

(Zuruf des Abg. Stefan Müller (Heidenrod) (FDP))