Protocol of the Session on March 27, 2012

Aus dieser äußerst bedauerlichen Situation hat die Hessische Landesregierung das Beste gemacht. Sie hat Größe gezeigt, während auf der anderen Seite des Rheins leider eher Kleinmut geherrscht hat. Die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen haben den aus RheinlandPfalz ausfallenden Betrag – das ist mehr als eine 1 Million € – durch hessisches Geld ersetzt. Sie hat nun die Chance genutzt, Geisenheim durch die Selbstständigkeit noch mehr Gestaltungsmöglichkeiten zu geben.

Genau dies werden wir tun. Der Standort Geisenheim wird nicht Anhang irgendeiner Hochschule, es wird eine eigenständige Einrichtung.

Dabei beziehen wir ausdrücklich den Wissenschaftsrat ein. Wir werden im Lichte der Evaluation und der Empfehlungen über den Einsatz weiterer Forschungsmittel entscheiden.

Meine Damen und Herren, dabei bin ich mir durchaus bewusst, dass Fragen wie die Überleitung des Personals, auch Verwaltungsfragen, die Verankerung im Hochschulpakt, Details zum Promotionsrecht und die unterschiedlichen Stundendeputate noch eingehend diskutiert werden müssen. Dazu ist das Gesetzgebungsverfahren da. Dazu werden wir auch eine Anhörung haben.

Meine Damen und Herren, eines ist aber auch klar, und damit will ich zum Ende kommen. Klar und am Ende auch zutreffend ist das, was Oliver Bock so schön in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vom 11. Januar 2012 geschrieben hat. Ich zitiere das jetzt, mit Erlaubnis des Präsidenten:

Ohne die beschlossene Selbstständigkeit wäre eine Forschungsmarke vielleicht in Vergessenheit geraten, die neu aufzubauen mehr Kraft und Geld kosten würde, als das Land zur Verfügung hat.

Herr May, ich glaube, das sollte man an der Stelle bedenken, wenn man gegen die Eigenständigkeit spricht. – Ich zitiere weiter:

In der Landesregierung hat sich deshalb zu Recht die Meinung durchgesetzt, dass Geisenheim im Bildungsportfolio des Landes ein Edelstein ist, der durch die Selbstständigkeit den letzten Schliff erhalten wird.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Vizepräsident Lothar Quanz übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren, um in dem Bild zu bleiben: Mit diesem Gesetz geben wir diesem Edelstein eine würdige Fassung. – Ich bedanke mich.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank, Herr Dr. Büger. – Als Nächste spricht Frau Kollegin Wissler für die Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Büger hat eben zu Recht auf die lange Tradition der Forschungsanstalt Geisenheim hingewiesen, die auf das Jahr 1872 zurückgeht. Die vom Land Hessen und bis vor zwei Jahren auch vom Land Rheinland-Pfalz getragene Forschungsanstalt leistet in der Tat einen ganz wichtigen Beitrag im Bereich des Wein- und Gartenbaus. In enger Kooperation arbeitete sie bisher mit der Hochschule Rhein-Main zusammen, wo auch der Lehrbereich integriert ist und die dafür Mittel aus dem Hochschulpakt erhält.

Der Ausstieg des Landes Rheinland-Pfalz aus der Finanzierung der Forschungsanstalt ist Anlass für die vorgeschlagene Neuregelung seitens der Landesregierung. Die Forschungsanstalt und der Lehrbereich sollen nun fusioniert werden.

Meine Damen und Herren, gegen die Zusammenführung der Forschungsanstalt Geisenheim und des Fachbereichs Geisenheim an der Hochschule Rhein-Main hin zu einer eigenständigen Hochschule gibt es größere Bedenken. Die sind zum Teil auch schon vorgetragen worden. Diese Bedenken wurden sowohl vom Präsidenten der Hochschule Rhein-Main als auch von Gewerkschaftsvertretern vorgetragen. Ich kann diese Bedenken auch nachvollziehen. Zu viele offene Fragen schweben im Raum. Frau Ministerin, diese Fragen lassen sich leider auch nicht durch den vorliegenden Gesetzentwurf beantworten.

Es ist und bleibt unverständlich, warum es keine Zusammenführung von Forschung und Lehre in Geisenheim innerhalb der Hochschule Rhein-Main gibt, wie das vonseiten der Kritikerinnen und Kritiker vorgeschlagen wurde. Die Voraussetzungen dafür sind geschaffen. Denn obwohl es eine institutionelle Trennung gibt, sind die Kooperationsmechanismen eng. Die Forscher an der Forschungsanstalt Geisenheim unterrichten an der Hochschule, und die Studierenden sind schon jetzt an der Forschungsanstalt tätig. Frau Ministerin, deswegen wäre das sicher die vernünftigere Lösung als das, was Sie vorschlagen.

(Beifall des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Neben der vor zwei Jahren plötzlich weggefallenen Kofinanzierung des Landes Rheinland-Pfalz ist auch die Begrenzung von Forschungsvorhaben an Fachhochschulen problematisch, weil Fachhochschulen per Definition anwendungsorientiert sind. Ich glaube, dass wir uns an dem Punkt der Intention der Zusammenführung nähern; denn eine rechtliche Forschungsbegrenzung erschwert auch die Möglichkeit, an Drittmittel heranzukommen. Eine eigene Hochschule erscheint vor dem Hintergrund attraktiv, weil

sie dann wettbewerbsfähiger ist, vor allem bei der Heranziehung von Drittmitteln.

Schon jetzt wird den Lehrenden in Geisenheim das Angebot gemacht, ihr Lehrdeputat zu reduzieren, um mehr Zeit in Forschung zu investieren. Damit sie dies auf rechtlich sicherem Boden tun können, muss jetzt schnell ein Gesetz her, um die Fusion herbeizuführen, und das – Frau Ministerin, darauf will ich hinweisen – zu recht hohen Kosten.

Es stellt sich daher schon die Frage: Wieso und vor allem wie soll bis Januar 2013 sowohl die Finanzierung gestemmt als auch eine eigene Studierendenverwaltung aufgebaut werden? Denn eine Fusion wird zusätzlich Geld kosten. Ein genauer Finanz- und Personalplan liegt zumindest uns noch nicht vor. Aus Ihrem Entwurf ist das überhaupt nicht ersichtlich.

Eine eigene Hochschule verursacht ganz klar mehr Kosten. Daher wird es nicht ausreichen, die bisherigen Budgets des Standorts Geisenheim und der Forschungsanstalt zu addieren. Frau Ministerin, deswegen stellt sich auch die Frage: Welche monetären Folgen wird das eigentlich für die Hochschule Rhein-Main haben? Wäre die Forschungsanstalt in die Hochschule Rhein-Main integriert worden, bestünde eben keine Notwendigkeit, eine neue und eigenständige Verwaltungsstruktur aufzubauen. Hier will ich Herrn Prof. Dr. Reymann, dem Präsidenten der Hochschule Rhein-Main, klar recht geben, wenn er einwendet, dass das Geld, das jetzt für den Aufbau von Verwaltungsstrukturen und mehr Bürokratie verwendet werden muss – der Kollege May hat eben schon darauf hingewiesen –, doch sehr viel besser eingesetzt wäre, wenn man es in die Forschungsinfrastruktur in Geisenheim gesteckt hätte.

(Beifall des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE) und bei Abgeordneten der SPD)

Damit nicht genug. Natürlich stellt sich insgesamt die Frage, ob im Zuge der Neugründung einer weiteren Hochschule der Hochschulpakt neu verhandelt wird. Denn die zur Verfügung stehenden Mittel des Hochschulpakts müssen sich nun substanziell eigentlich erhöhen. Die Finanzierung der Gründung einer weiteren Hochschule darf nicht zulasten der anderen Hochschulen erfolgen. Die Mittel dürfen nicht umverteilt werden. Sie müssen erhöht werden. Das kann nur passieren, indem der Hochschulpakt neu verhandelt wird.

An der Stelle will ich nur kurz hinzufügen: Frau Ministerin, wenn Sie schon neu verhandeln – dazu fordern wir Sie auf, seit dieser Hochschulpakt in Kraft ist –, dann sollten Sie diese Gelegenheit nutzen, endlich die Anforderungen des stark unterschätzten Studierendenandrangs zu berücksichtigen. Wie gesagt, das nur nebenbei. Aber wir haben es hier mit einer Unterfinanzierung der Hochschulen zu tun. Deswegen ist Geisenheim ein zusätzlicher Grund, den Hochschulpakt neu zu verhandeln. Die chronische Unterfinanzierung der Hochschulen muss beseitigt werden. Frau Ministerin, deshalb fordern wir Sie auch heute wieder auf: Verhandeln Sie den Hochschulpakt neu.

(Beifall des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Ich habe noch eine lange Liste offener Fragen. Beispielsweise interessieren mich auch die prognostizierten Studierendenzahlen. Bei einer großen Hochschule machen die Schwankungen bei den Studierendenzahlen weniger Probleme, bei einer kleinen Hochschule wie dieser aber schon. Deswegen würde mich schon interessieren, mit

welchen Zahlen Sie rechnen. Mich würde interessieren, warum Sie das Gesetz jetzt vor der geplanten Evaluation des Wissenschaftsrates verabschieden wollen.

(Gernot Grumbach (SPD): Das machen sie doch immer!)

Das machen sie immer. Genau. Das ist das Problem. Das ist nur, um den Schein zu wahren, damit man nicht völlig beratungsresistent erscheint. Aber wenn man sowohl den Wissenschaftsrat als auch Anhörungen regelmäßig ignoriert und sein eigenes Ding durchzieht, wie man es vorher geplant hat, dann braucht man auch andere Einrichtungen nicht mit Ausarbeitungen zu belasten, wenn die für die Praxis sowieso keine Bedeutung haben.

Ich habe eine lange Liste von offenen Fragen. Ich finde, das Vorgehen der Landesregierung erinnert ein bisschen an die EBS. Auch da wurden Millionen für ein undurchdachtes und realitätsfernes Konzept verschwendet. Auch hier wird einfach etwas übers Knie gebrochen, bei dem die Bedenken groß sind, aber die Einsichtsbereitschaft einmal wieder erschreckend klein.

Ich kann nur sehr hoffen, Herr Staatssekretär

(Staatssekretär Dr. Rudolf Kriszeleit nickt.)

nein, ich meine den anderen Staatssekretär –, dass dieses Vorhaben nicht ebenso ein Reinfall wird wie bei der EBS. Denn im Gegensatz zur EBS ist die Forschungsanstalt Geisenheim eine sinnvolle Einrichtung, die erhalten werden muss. Aber ich bezweifle sehr stark, dass Ihr Gesetzentwurf das dauerhaft garantieren wird.

Deswegen bin ich sehr gespannt auf die Anhörung. Frau Ministerin, ich kann nur hoffen, dass Sie diese Anhörung, die wir im Ausschuss durchführen werden, ernster nehmen, als Sie die Regierungsanhörung genommen haben, und dass Sie doch noch einmal darüber nachdenken, ob das wirklich der richtige Weg ist, nämlich mehr Geld in Bürokratie, in Verwaltung zu stecken, das an einer anderen Stelle wieder fehlt. – Vielen Dank.

(Beifall des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE) und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Danke sehr, Frau Wissler. – Für die CDU-Fraktion spricht jetzt Herr Kollege Seyffardt.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! „Am Anfang stand das Wort“: ein Bibelzitat, das auf die Entwicklung der heutigen Gesetzesvorlage leider nicht zutrifft. Warum? – Am Anfang stand eine wortlose Kündigung des Staatsvertrags zwischen Rheinland-Pfalz und Hessen. Aus meiner Sicht ist es ein einmaliger Vorgang, dass das hessische Ministerium erst nach der Presseverlautbarung per Brief erfahren hat, dass der Staatsvertrag gekündigt wurde. Es gab großes Unverständnis in allen Berufsverbänden und Fachbereichen über die Art und Weise, wie Rheinland-Pfalz hier agiert hat.

(Holger Bellino (CDU): So ist es!)

Provinzielle Argumente aus Rheinland-Pfalz will ich hier aber nicht wälzen, sondern ich möchte mich gerne zukünftigen Entwicklungen zuwenden.

Ich bin froh, dass die Verantwortlichen in Geisenheim und im Ministerium für Wissenschaft und Kunst Probleme als Chance wahrnehmen und entsprechend agiert haben.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Im ersten Schritt begann ein Prozess der Neuorientierung an der Forschungsanstalt in Geisenheim, Evaluierung und Neuausrichtung der Forschungsschwerpunkte; ich fasse es zusammen unter grünem Campus. Ich muss die GRÜNEN enttäuschen. Da kommt das Grün vom Chlorophyll in den Pflanzen. Ein Schwerpunkt beinhaltet die wissenschaftlichen Grundlagen der Produktion, Verarbeitung und Vermarktung von gesunden – ich wiederhole: gesunden – Lebensmitteln sowie deren Erzeugnisse Wein und andere Getränke.

Es wird eine stärkere Ausrichtung auf die gesamte Wertschöpfungskette eingefordert. Die Umweltforschung und die Erforschung nachhaltiger Produktionsverfahren beinhalten natürlich auch die Frage der Ressourcenschonung: Erforschung der Klimafolgen an Sonderkultur im Rahmen eines LOEWE-Projektes, FACE läuft zurzeit – wir wissen alle, der CO2-Gehalt in der Atmosphäre wird sich erhöhen –, hier wird geforscht, welche Auswirkungen dies auf unsere Pflanzen hat. Heute wird CO2-Footprint oder Water-Footprint – der eine oder andere von Ihnen kann mit solchen Begriffen sicher etwas anfangen – von der Lebensmittelindustrie eingefordert. Auch das sind Entwicklungen an der Forschungsanstalt in Geisenheim.

Die Errichtung eines modernen getränkewissenschaftlichen Zentrums ist geplant und soll mit HEUREKA-Mitteln unterstützt werden. Gerade im Bereich der alkoholfreien Getränke spielt Geisenheim eine große Rolle. Ich will noch einmal darauf hinweisen, dass die Getränkeindustrie in Hessen zurzeit einen Umsatz von 500 Millionen € zu verzeichnen hat. Die Einwerbung von Drittmitteln und die Aufnahme von Studierenden in Geisenheim sind durchaus zu begrüßen.

Auch zu dem Bereich ländlicher und städtebaulicher Entwicklung wird, wie bereits angesprochen wurde, geforscht und gelehrt, ebenso zu Landschaftsqualität und Erhaltung der Kulturlandschaft. Sie sehen, es wird ein sehr breites Spektrum angeboten.

Jetzt komme ich zum eigentlichen Aushängeschild von Geisenheim, nämlich dem Weinbau und der Önologie. Sie werden kaum einen Standort auf der Welt finden, wo Wein angebaut wird, wo Geisenheim kein Begriff ist, und überall Fachleute finden, die in Geisenheim studiert haben und die entsprechende Forschung einbringen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, diese hohe Spezialisierung am Standort Geisenheim spiegelt sich auch in der Lehre und in hoher internationaler Reputation wider. Der Gedanke lag nahe, Lehre und Forschung wieder unter einem Dach zu vereinen. Natürlich stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage der Organisationsform. Ich möchte auf das eingehen, was Sie gesagt haben, Herr May, was Herr Reymann von der Fachhochschule Rhein-Main dazu vorgeschlagen hat, z. B. einen eigenen universitären Bereich: Das ist total systemfremd. Fragen Sie einmal die Universitäten, was sie davon halten. Dort werden Sie auf großen Widerstand stoßen.

(Zuruf)

Genau, wir haben das aufgenommen, was der Wissenschaftsrat empfiehlt. Ich lese einmal die Empfehlungen vor: mehr Flexibilität bei der Gestaltung der Hochschullandschaft, das Studienangebot stärker auf die Studierendengruppen abstimmen, die Forschung an und durch Hochschulen im Vergleich mit der außeruniversitären Forschung wettbewerbsfähig halten. – Genau das sind die Ziele, die in Geisenheim umgesetzt werden sollen. Ich weiß von sehr vielen Hochschulpräsidenten, dass sie dies mit großer Sympathie verfolgen. Wir bekommen sehr viel Zuspruch von den Fachleuten aus den Berufsverbänden, wo dieses Vorgehen sehr, sehr positiv begleitet wird.