Protocol of the Session on March 27, 2012

Für uns GRÜNE ist klar: Wieso sollten wir uns diese Probleme – auch zeitlicher Art – bei der Organisation der neuen Hochschule Geisenheim ans Bein binden, wenn wir dort ein vernünftiges System haben? Für uns GRÜNE hat sich die Organisation durch die Hochschule Rhein-Main am Standort Geisenheim bewährt. Die Zusammenlegung von Forschung und Lehre unter dem Dach der Hochschule Rhein-Main ist möglich. Am Standort der Hochschule Rhein-Main kann genauso gut wie in Geisenheim allein eine Hochschule neuen Typs installiert werden. Die Ausgründung ergibt nach unserem derzeitigen Informationsstand keinen Sinn.

Wir denken, andersherum wird eher ein Schuh daraus: Wenn wir diese Änderungen, d. h. die Zusammenführung von Forschung und Lehre, unter dem Dach der Hochschule Rhein-Main gestalteten, würden wir uns nicht nur die zusätzlichen Bürokratiekosten sparen, sondern durch die Eingliederung der Forschungsanstalt Geisenheim auch die Hochschule Rhein-Main stärken. Wir sind dagegen, aus Prestigegründen funktionierende Strukturen zu zerschlagen und unnötig viel Geld in die Verwaltung zu stecken, wenn es doch in Forschung und Lehre viel besser aufgehoben ist. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Das Wort hat Herr Kollege Grumbach, SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lassen Sie mich die zwei guten Punkte des Gesetzentwurfs vorab nennen. Erstens. In Geisenheim werden Forschung und Lehre zusammengeführt. Wir sind uns einig, dass das eine kluge Idee ist. Der zweite gute Punkt ist, dass der Befristungsquatsch des Hochschulgesetzes damit beendet wird. Es ergibt nämlich keinen Sinn, ein solch grundlegendes Gesetz auf Dauer in der Befristung zu belassen. – Das war es aber auch schon.

(Beifall bei der SPD)

Wenn man genau hinschaut, stellt man nämlich fest, dass dieser Gesetzentwurf ein klassischer Ausdruck von Planlosigkeit ist. Da darf jeder Minister, jede Ministerin einmal einen Hochschultyp für sich entwickeln. Die Ministerin Wagner durfte die Fachhochschule in Darmstadt zur Modellhochschule entwickeln.

(Dr. Matthias Büger (FDP): Das ist richtig gut geworden!)

Herr Minister Corts durfte die Universität in Frankfurt zur Stiftungsuniversität entwickeln.

(Dr. Matthias Büger (FDP): Auch das ist gut geworden!)

Der jetzigen Ministerin ist nichts eingefallen. Da hat der Staatssekretär die Chance genutzt, um Geisenheim zu einer Hochschule der besonderen Art entwickeln.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir reden mit den Hochschulen in Hessen gerade darüber, wie wir eine Hochschulentwicklungsplanung betreiben. Anstatt das aber zu machen und zu schauen, wie eine sinnvolle Kooperationsstruktur im ganzen Lande möglich ist, werden Einzelentscheidungen wie in diesem Fall getroffen – ohne auch nur die geringste Vernetzung mit dem, was an anderen Hochschulen geschieht. Das ist Planlosigkeit und Inkompetenz. Schon allein deswegen muss man diesen Gesetzentwurf ziemlich kritisch diskutieren.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Willi van Ooyen und Janine Wissler (DIE LINKE))

Zweitens. Da kann ich mich Herrn Kollegen May anschließen. Mit Verlaub: Wir reden darüber, dass die Hochschulen zu wenig Geld haben. Das heißt: Alles Geld, das für zusätzliche Verwaltungsausgaben verschwendet wird, geht woanders weg.

Die Ministerin sagt, dieses Gesetz werde ein solider Grundstein. Mit Verlaub: Ihre Finanzplanung für diese Hochschule ist nach allem, was ich weiß, so, dass ich nicht weiß, wie sie die nächsten zwei Jahre überleben soll, ohne dass Sie noch einmal zusätzlich Geld in die Hand nehmen. Ich finde das ganz spannend. Sie werden damit rechnen müssen, dass wir Sie im Ausschuss fragen, wie denn die mittelfristige Finanzplanung des Landes Hessen für diese Hochschule aussehen soll. Denn bisher ist nicht erkennbar, wie Sie das machen wollen, ohne anderen etwas wegzunehmen. Sie werden etwas drauflegen müssen, wenn Sie das machen. Auch das ist nicht zu Ende gedacht, es ist konzeptionell nicht bis zum Ende bereitet.

Drittens: der Begriff besondere Hochschule. Keiner hat etwas dagegen, dass man die Hochschulen ausdifferenziert, im Gegenteil. Wir haben in Hessen unter verschiedenen Firmenschildern ganz unterschiedliche Entwicklungen. Ich beschreibe einmal die Technische Hochschule Mittelhessen als eine Fachhochschule besonderen Typus, Geisenheim als Teil einer – möglicherweise anderen – Fachhochschule. Darüber könnte man eine Weile reden. Aber das ist schon nicht mehr Gegenstand der Debatte.

Sie regeln dann Punkte, auch wieder im Einzelfall. Sie wissen sehr gut, dass es zwischen den Fachhochschulen und den Universitäten einen langen Streit über die Frage gibt, wer Promotionen abnehmen darf. Sie sollten vielleicht einmal darüber nachdenken, wie Sie das vernünftig entwickeln, wie Sie die Forschung der Fachhochschulen in die Situation versetzen, dass dort, wo ernsthafte Forschung betrieben wird, die damit verbundenen Promotionen so abgewickelt werden können, dass sich die Professoren einer hessischen Hochschule nicht Rufe im Ausland organisieren müssen, um die Promotionen ihrer Doktoranden über ihren Professorentitel in Amerika abzuwickeln. Das sind absurde Konstrukte.

Das ist ein Interessenkonflikt. Ich habe für ihn auch noch keine endgültige Lösung. Aber das wäre etwas, was man grundsätzlich angehen müsste.

Was wollen Sie machen? Sie machen an einem kleinen Beispiel plötzlich eine Sonderregelung, die Sie so für keine andere Fachhochschule gemacht haben – denn das soll eine Hochschule besonderen Typs sein. Dabei setzen Sie sich mit der Frage nicht grundlegend auseinander.

Alles in allem sage ich: Ich glaube, dass Sie da einfach konzeptionslos sind. Sie machen die Einzelprojekte so, wie es jemandem gerade eingefallen ist. Das ist keine Hochschulpolitik. Das ist Standortpolitik.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Das können Sie gerne machen. Machen Sie das aber, bitte schön, im Kreistag, oder wo immer Sie wollen, aber nicht im Hessischen Landtag.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Allerletzter Punkt. Wir haben dieses merkwürdige Instrument Hochschulrat. In Geisenheim haben wir nun die Situation, dass wir dort mehrere Gremien haben, die in beiden Institutionen, die es dort gibt, in der Lage sind, eine Anbindung an Gesellschaft zu organisieren, wie es bisher kein Hochschulrat geschafft hat. Aber genau diese Gremien, die Menschen, die aus den Berufsfeldern, aus dem Umfeld kommen und diese Hochschule gestützt haben, auch in Zeiten, als es schwierig war, werden plötzlich ausgeschaltet und durch einen neuen Hochschulrat ersetzt, von dem keiner weiß, wer ihn letztendlich besetzen soll.

Ich glaube, da sollten Sie sich einmal überlegen, ob Sie das Gute nicht vielleicht bewahren und sich von Einzelmaßnahmen zu einem Hochschulkonzept durchringen. Die nächsten eineinhalb Jahre regieren Sie noch. Da können Sie noch etwas tun.

(Beifall bei der SPD)

Die nächste Wortmeldung stammt von Herrn Abg. Büger. Er spricht für die Fraktion der FDP.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir beraten heute in erster Lesung den Gesetzentwurf zur Änderung des Hessischen Hochschulgesetzes. Die Änderungen beziehen sich letztlich im Wesentlichen auf die Umorganisation der Schule in Geisenheim. Sie soll nunmehr eine Hochschule besonderen Typs, neuen Typs werden.

Die Tatsache, dass die Forschungsanstalt Geisenheim, gemeinsam mit dem bislang in Geisenheim angesiedelten Fachbereich der Hochschule Rhein-Main, selbständig und damit die erste Hochschule neuen Typs in Hessen wird, ist ein mutiger Schritt. Das ist ein Schritt, den wir durchweg positiv sehen. Insoweit ist heute ein guter Tag für Geisenheim. Ich danke der Landesregierung ganz ausdrücklich für die Vorlage dieses Gesetzentwurfes.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Dieser Schritt ist mutig, weil wir damit Neuland betreten. Verständlicherweise weiß niemand, wie dieses Neuland genau aussieht. Meine Damen und Herren, ich bin sehr optimistisch, dass der Schritt, den wir hier gehen wollen,

gelingen wird. Denn ich kenne die Leistung der Wissenschaftler und der Mitarbeiter in Geisenheim.

Die Forschungsanstalt Geisenheim hat eine beachtliche Geschichte. Die Frau Staatsministerin hat darauf bereits hingewiesen. Sie wurde 1872 von Eduard von Lade gegründet, und zwar als Lehr- und Forschungsanstalt für den Obst- und Weinbau. An diese Tradition, in ihr Forschung und Lehre zu vereinigen, knüpfen wir jetzt wieder an.

In den vergangenen 140 Jahren hat sich Geisenheim einen Ruf erarbeitet, der weit über Hessen, weit über Deutschland und sogar weit über Europa hinausreicht. Eine solche Reputation bekommt man nicht geschenkt. Herr Grumbach, die kann man auch nicht durch irgendeine Form der Politik vor Ort, auch nicht als Standortpolitik, wie Sie sagen, erreichen. Eine solche Reputation muss man sich über Jahre hart erarbeiten. Das ist in Geisenheim gelungen. Dafür danke ich allen beteiligten Wissenschaftlern, Mitarbeitern und Studenten. Zu ihrer Leistung: Chapeau.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Umso unverständlicher ist der eigentliche Grund, weshalb wir heute diesen Gesetzentwurf beraten müssen. Das kam mir bei einigen meiner Vorredner etwas kurz. Das ist nämlich die Kündigung des über viele Jahre bestehenden Staatsvertrags durch die rheinland-pfälzische Regierung.

Sie haben gefragt: Warum soll man eigentlich ein bestehendes System verändern? Stellen Sie diese Frage doch bitte einmal in Rheinland-Pfalz.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Diese Frage hat aber keiner gestellt!)

Unverständlich ist die Kündigung, weil Rheinland-Pfalz dabei die Qualität der Anstalt in Geisenheim schon infrage gestellt hat und lieber eigene Einrichtungen fördern will – interessanterweise obwohl noch immer 60 % aller Studierenden an der Hochschule in Geisenheim aus Rheinland-Pfalz stammen. Die Studierenden scheinen das also durchaus anders zu sehen.

Mit Erlaubnis des Präsidenten darf ich an dieser Stelle aus einem Brief des Direktors Schultz an den damaligen Wissenschaftsminister aus Rheinland-Pfalz zitieren, der, nachdem er an anderer Stelle durchaus Verständnis geäußert hat, noch einmal sehr genau auf eines hingewiesen hat. Ich zitiere jetzt einen Satz:

Ich kann allerdings nicht akzeptieren, dass der Name und der Ruf der Forschungsanstalt Geisenheim bewusst oder unbewusst in der Öffentlichkeit beschädigt wird.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren, man kann in der Politik über vieles streiten. Das sollten wir tun, und das tun wir hier auch. Aber die wissenschaftliche Reputation einer hoch angesehenen Institution, die zudem noch doppelt so alt ist wie das Land Rheinland-Pfalz, in Zweifel zu ziehen, ist schlichtweg unanständig.

Dabei hatte Geisenheim zum Zeitpunkt der Kündigung eigentlich – wenn man es genau betrachtet – nur einen einzigen gravierenden Fehler: Es liegt nämlich im schwarz-gelb regierten Hessen.

Meine Damen und Herren, wer so Politik macht, hat nichts von Wissenschaft verstanden, sondern setzt auf Kleinstaaterei.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Herr May, Sie haben das angesprochen: Natürlich ist niemand in diesem Haus für die Politik von Rheinland-Pfalz verantwortlich. Ich erwarte aber von jedem Abgeordneten des Hessischen Landtags durchaus, dass er sich unmissverständlich vor die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Geisenheim stellt und hier heute klar sagt, dass er die Kündigung des Staatsvertrags nicht nachvollziehen kann.

Meine Damen und Herren von SPD und GRÜNEN, hier und heute hätte Sie zeigen können, was Ihnen näher ist: die hervorragende Arbeit der Wissenschaftler in Geisenheim, die validen Interessen des Landes Hessen – oder die parteipolitische Nähe zur rheinland-pfälzischen Regierung. Leider haben Sie hier nicht Farbe bekannt.

(Beifall bei der FDP und der Abg. Bettina Wies- mann (CDU))

Aus dieser äußerst bedauerlichen Situation hat die Hessische Landesregierung das Beste gemacht. Sie hat Größe gezeigt, während auf der anderen Seite des Rheins leider eher Kleinmut geherrscht hat. Die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen haben den aus RheinlandPfalz ausfallenden Betrag – das ist mehr als eine 1 Million € – durch hessisches Geld ersetzt. Sie hat nun die Chance genutzt, Geisenheim durch die Selbstständigkeit noch mehr Gestaltungsmöglichkeiten zu geben.