Protocol of the Session on March 8, 2012

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Zuruf von der SPD)

Damit Sie nicht das nächste Thema durchs Dorf treiben: Es geht mir hier nicht um irgendeine Art von Sühne. Ich halte es für pädagogisch falsch. So erziehen wir unsere Kinder nicht, und so kann sich auch der Staat nicht mit jungen Gewalttätern auseinandersetzen. Da müssen wir noch andere Lösungen und Möglichkeiten finden.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Das heißt nicht, dass das auch auf alle passt. Deshalb haben die Kollegen Honka und Rentsch völlig recht. Dem Werkzeugkasten ist ein neuer Schlüssel hinzugefügt worden, und man muss schauen, wann dieser Schlüssel passt. Aber er wird auf den einen oder anderen Jugendlichen passen, der – und das ist das dritte Thema, das ich hier ansprechen möchte – in seinem bisherigen Leben noch nicht die Möglichkeit hatte – ich formuliere es bewusst positiv –, einen geregelten Tagesablauf zu erleben.

(Zuruf von der SPD)

Das ist doch häufig das Problem der nicht vorhandenen Sozialisation. Deshalb muss häufig gar nicht resozialisiert werden, Frau Fuhrmann. Es muss erst einmal begonnen werden, zu sozialisieren.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Und hören Sie mit dem Wort „Knast“ auf, das hier eben reingerufen wurde. Es geht nicht um Knast, es geht um eine ganz andere Form von Jugendarrest. Sie können doch nicht alles miteinander vermischen. Der Kollege Wilken hat eben auch dauernd von „Knast“ und „Gefängnissen“ gesprochen. Wir reden von „Arrest“, meine sehr verehrten Damen und Herren. Ein bisschen zu differenzieren wäre auch für die Oppositionsarbeit in diesem Hause klug, gerade wenn es um Rechtsstaat geht.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Lassen Sie mich zum Abschluss noch etwas festhalten. Was soll denn dieses Bild: Ihr seid mit den Hausaufgaben nicht fertig, weil ihr Friedberg schließt?

(Heike Hofmann (SPD): Weil es doch die Realität ist!)

Frau Kollegin Hofmann, Sie wissen doch, wovon Sie reden. Viele andere hier im Raum sind nicht so tief in diesem Thema drin.

Sie wissen doch, wovon wir reden: Friedberg war eine hervorragende Einrichtung, die Kollege Banzer – ich glaube, innerhalb von drei Monaten – geschaffen hat. Wir alle, die wir dort waren – der Unterausschuss Justizvollzug war dort, und auch andere Abgeordnete –, wussten doch, dass das keine Einrichtung ist, die mittelfristig so bleiben kann; das wussten wir doch alle. Daraus hat diese Landesregierung den Schluss gezogen: Wir machen weiter bei dem Ausbau und der Modernisierung der bestehenden Arrestanstalt in Gelnhausen.

(Zuruf von der CDU: Sehr richtig!)

Dort haben wir nicht nur aus- und umgebaut, sondern wir bauen jetzt auch an. Es werden dort zusätzlich 24 Arrest

plätze geschaffen; Herr Kollege Honka hat darauf hingewiesen. 2,5 Millionen € hat der Hessische Landtag der Landesregierung zur Verfügung gestellt, und die werden wir dort auch erfolgreich einsetzen. Also hören Sie doch auf, so zu tun, als würden wir eine Einrichtung schließen, und damit wären nicht mehr genügend Plätze da. Nein, wir haben jetzt ein Überangebot von Plätzen an zwei verschiedenen Orten, und wir machen das künftig an einem Ort und mit so vielen Plätzen, wie es uns nach der Prognose angemessen erscheint.

(Nancy Faeser (SPD): Das ist doch Quatsch!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren von den Sozialdemokraten und den GRÜNEN, bitte finden Sie wieder zur fachlichen, rechtspolitischen Debatte im Hessischen Landtag zurück – darüber würden wir uns sehr freuen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Minister. – Meine Damen und Herren, es gibt keine weiteren Wortmeldungen.

Dann rufe ich Tagesordnungspunkt 53 auf:

Antrag der Fraktion DIE LINKE betreffend eine Aktuelle Stunde (Schlecker-Arbeitsplätze in Hessen erhal- ten – Solidarität am Internationalen Frauentag zeigen) – Drucks. 18/5360 –

Anschließend kommt Tagesordnungspunkt 24:

Antrag der Fraktion DIE LINKE betreffend Folgen der Schlecker-Insolvenz nicht auf die Beschäftigten abwälzen – Drucks. 18/5284 –

Erste Wortmeldung von Frau Kollegin Wissler, DIE LINKE.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Als Erstes begrüße ich ganz herzlich die Betriebsrätinnen von Schlecker Südhessen auf der Besuchertribüne. Ich freue mich sehr, dass sie heute hier sind und der Debatte folgen können.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, die Drogeriekette Schlecker hat vor einigen Wochen Insolvenz angemeldet. Bundesweit soll fast die Hälfte der 25.000 Arbeitsplätze wegfallen. In Hessen arbeiten über 2.000 Beschäftigte in 380 Schlecker-Filialen, 41 Schlecker-XL- und 52 Ihr-Platz-Filialen. Das sind ganz überwiegend Frauen. Was aus ihnen werden soll und welche Filialen schließen müssen, ist derzeit völlig unklar. Die Beschäftigten sind hier einmal mehr die Leidtragenden einer verfehlten Geschäftspolitik.

Schlecker hat jahrelang für Negativschlagzeilen gesorgt. Wer in den letzten Jahren über Lohndumping und unfairen Umgang mit Arbeitnehmern sprach, verwies gern auf das Beispiel Schlecker; denn dort wurden Überstunden und reguläre Arbeitszeiten nicht entlohnt, Beschäftigte wurden bespitzelt und drangsaliert. Daher sage ich: Dieses Geschäftsmodell ist gescheitert.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Anton Schlecker hat mit seiner Geschäftspolitik erst den Ruf des Unternehmens ruiniert und schließlich das ganze Unternehmen.

Mit Unterstützung der Gewerkschaft ver.di haben die Beschäftigten in vielen Filialen Betriebsräte aufbauen können. Das war ein harter Kampf, weil seitens der Unternehmensleitung immer wieder versucht wurde, Beschäftigte zu verunsichern und einzuschüchtern. Trotzdem konnte die Tarifbindung des Unternehmens durchgesetzt werden, und auch die geplante Tarifflucht mithilfe einer eigenen Leiharbeitsfirma konnte verhindert werden.

Was die Schlecker-Beschäftigten geleistet haben, war ein Akt gelebter Demokratie.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie haben sich organisiert, um ihre berechtigten Interessen durchzusetzen – und das gegen eine Geschäftsleitung, die es völlig in Ordnung fand, dass die Mitglieder der Schlecker-Familie mit ihrem Unternehmen zu Milliardären wurden, während die Angestellten in den Filialen zu Niedriglöhnen arbeiten. Das geschätzte Vermögen von Anton Schlecker betrug im Jahr 2011 mehr als 2 Milliarden €.

Die Schlecker-Beschäftigten haben zudem bewiesen, dass Gewerkschaftsarbeit auch heute und im Dienstleistungsbereich möglich ist und erfolgreich sein kann. Die Liberalisierung des Arbeitsmarktes, die Ausweitung der rechtlichen Möglichkeiten zur geringfügigen Beschäftigung und die Lockerung des Kündigungsschutzes haben die Arbeit von Gewerkschaften und die Organisierung von Beschäftigten in diesen Bereichen zwar schwierig, aber nicht unmöglich gemacht. Ich denke, das haben die Schlecker-Frauen auch praktisch bewiesen.

(Beifall bei der LINKEN)

In Hessen bangen 2.000 Schlecker-Beschäftigte um ihren Job. Ich frage einmal: Wie erklärt man eigentlich einer Schlecker-Beschäftigten, die nach Jahrzehnten harter Arbeit völlig unverschuldet ihren Job verliert, dass Christian Wulff nach seinem Rücktritt aufgrund persönlicher Verfehlungen und nach gerade einmal eineinhalb Jahren im Amt 200.000 € Ehrensold pro Jahr plus Büro und Mitarbeiter bekommt?

(Zuruf des Abg. Jürgen Lenders (FDP))

Meine Damen und Herren, das ist doch überhaupt nicht vermittelbar. Den Schlecker-Beschäftigten droht währenddessen Hartz IV. Ich sage: Sie hätten einen Ehrensold für ihren Einsatz verdient.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Beschäftigten dürfen nicht im Regen stehen gelassen werden. Die Politik hat sich in den ganzen Jahren der Auseinandersetzung um Schlecker immer für nicht zuständig erklärt. Ich wage einmal zu behaupten, dass wir uns im Landtag schon längst mit der Schlecker-Insolvenz beschäftigt hätten, wenn Schlecker Autos bauen würde. Bei Schlecker geht es bundesweit um genauso viele Arbeitsplätze wie damals bei Opel, auch wenn sie nicht geballt an einem Ort, sondern auf die Fläche verteilt sind. Die Arbeitsplätze der Kolleginnen von Schlecker, deren Existenzen und deren Familien sind nicht weniger wert als die Arbeitsplätze in der Industrie.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

Die Beschäftigten haben die Krise des Unternehmens nicht verursacht. Sie dürfen auch nicht die Leidtragenden sein. Deshalb sollte der Landtag ein Zeichen für den Erhalt der Arbeitsplätze setzen – auch gegenüber der Insolvenzverwaltung, auch gegenüber der Inhaberfamilie. Die Familie Schlecker, die mit der Arbeit ihrer Mitarbeiter Milliarden Euro verdient hat, muss jetzt auch zur Sanierung des Unternehmens herangezogen werden.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

Gemeinsam mit den Beschäftigten, mit ihrer Gewerkschaft und mit anderen Akteuren ist ein Zukunftskonzept zu entwickeln, mit dem die Filialen und die Arbeitsplätze weitgehend erhalten bleiben. Deshalb ist es wichtig, dass sich das Land gemeinsam mit dem Land Baden-Württemberg für eine bundesweite Lösung einsetzt.

Es geht dabei auch um die flächendeckende und wohnortnahe Versorgung der Bevölkerung mit Gütern des täglichen Bedarfs. Im ländlichen Raum gibt es immer weniger Einzelhandelsläden. Oftmals ist Schlecker eines der wenigen Geschäfte überhaupt am Ort.

Meine Damen und Herren, staatliche Hilfe wird nötig sein. Bürgschaften oder staatliche Kredite könnten Schlecker unter der Bedingung zur Verfügung gestellt werden, dass Arbeitsplätze und vor allem die Tarifbindung erhalten bleiben und dass das Insolvenzverfahren nicht genutzt wird, um sich der unliebsamen Tarifverträge gerade wieder zu entledigen.

Sagen Sie nicht: Es ist kein Geld da. – Hunderte Milliarden Euro für die Banken wurden locker gemacht. Für Opel wurden eiligst Bürgschaften bereitgestellt. Hier stehen Tausende Frauenarbeitsplätze auf dem Spiel. Gerade am Internationalen Frauentag, der auf einen Arbeitskampf mutiger Frauen aus dem Jahre 1908 zurückgeht, sollte der Landtag ein Zeichen zur Unterstützung der Schlecker-Frauen beim Kampf um ihre Arbeitsplätze setzen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Wissler. – Das Wort hat die Frau Abg. Lannert, CDU-Fraktion.