Protocol of the Session on March 7, 2012

(Beifall bei der SPD)

Zweitens gibt es eine ganze Reihe von Berufen, die durch das Bundesgesetz nicht erfasst werden. Das sind natürlich die Lehrerberufe, es sind auch eine ganze Reihe von pflegerischen Berufen und die Ingenieurberufe. Hier bedarf es einer originären landesrechtlichen Regelung der Anerkennungsverfahren. Dies ist genauso dringend wie das, was jetzt durch Bundesgesetz geregelt worden ist.

Ich glaube, auch dringend geregelt werden muss in diesem Zusammenhang, wie wir eine Beratung organisieren, die unabhängig von den Anerkennungsstellen ist. Es gibt eine ganze Reihe von Trägern und von Einrichtungen – einige gibt es in Wiesbaden, es gibt aber auch die Beratungsstelle Berami in Frankfurt –, die sich seit Langem um diese Angelegenheiten kümmern.

Wir glauben, dass es im Interesse der Betroffenen liegt, wenn dieses Beratungssystem ausgebaut wird, sodass es einerseits landesweite zentrale Anlaufstellen gibt und andererseits eine dezentrale, entweder auf der lokalen oder auf der regionalen Ebene angesiedelte Beratungssituation gibt, wohin sich Menschen unkompliziert und ohne großen Aufwand wenden können und wo zwei Dinge erledigt werden können: den Zugang zu den Anerkennungsverfahren zu finden, also aufzuzeigen, welches die Möglichkeiten sind, und andererseits – Frau Präsidentin,

das ist meine letzte Bemerkung; nicht, dass Sie mich mahnen – gerade im Hinblick auf die nötigen Nachqualifizierungen die Zugänge zu den lokalen Bildungs- und Qualifizierungsmöglichkeiten zu eröffnen, damit Arrangements gefunden werden können, die den Betroffenen möglichst schnell helfen, ihre erworbenen Qualifikationen in unser aller Interesse einzusetzen. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LIN- KEN)

Vielen Dank, Herr Merz. – Nächster Redner ist Herr Kollege Dr. Herr für die CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Merz, Ihr Antrag ist eigentlich überflüssig. Es geht nur darum, eine vermeintliche Gegenposition zur Landesregierung aufzubauen und ein bisschen politischen Krawall zu machen.

(Günter Rudolph (SPD): Na, na, na!)

Denn das, was Sie anmahnen, geschieht doch, und das ist auch unstreitig.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Unstreitig ist, dass das Gesetz, von dem Sie sprachen, erhebliche Vorteile bei der Anerkennung ausländischer Abschlüsse bringt. Bisher haben nur wenige Migranten die Möglichkeit, ihre berufliche Qualifikation bewerten zu lassen. Mit diesem Gesetz soll eine wirtschaftliche Einbindung von Fachkräften mit im Ausland erworbenen Qualifikationen erfolgen – gerade vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und des sich abzeichnenden Fachkräftemangels.

Bisher war das Ganze unzureichend geregelt. Es gab keine einheitlichen Maßstäbe, sondern es war von Bundesland zu Bundesland unterschieden und ebenfalls nach den Herkunftsländern der Betroffenen differenziert.

Meine Damen und Herren, die neue Regelung wird diesen Zustand deutlich verbessern. Es geht nicht mehr nach der Herkunft oder Staatsbürgerschaft, sondern es ist gebunden an die erworbene Qualifikation. Es gibt einheitliche, transparente Beurteilungskriterien, die nach der Dauer der Ausbildung und nach einschlägiger Berufserfahrung berücksichtigt werden. Diese eindeutigen Kriterien plus eine kurze Verfahrensdauer – das ist wichtig; denn in drei Monaten hat ein Bescheid zu ergehen mit verbindlichen Aussagen zu den im Einzelfall erforderlichen Nachqualifizierungen der Betroffenen; auch das hat bisher nicht stattgefunden – bringen die erwünschte Klarheit hinsichtlich der Verwertbarkeit.

Herr Kollege Merz, es geht übrigens gar nicht so sehr um akademische Berufe. Das sind nur 5 %. 80 % sind welche mit abgeschlossenen Lehren, und 8 % haben Meister- und Technikerabschlüsse. Die Anerkennung des ausländischen Abschlusses erfolgt, wenn er dem inländischen Ausbildungsnachweis entspricht.

Der Vollzug des Gesetzes – Sie sagten es – ist Sache der Länder und damit auch Hessens. Die Möglichkeit besteht, das Anerkennungsverfahren bei einer Stelle zu bündeln,

und das will das Land Hessen tun. Auf diese Bestimmung zielt übrigens Ihr Antrag ab, und das geschieht ab dem 01.04. – Sie haben es eben korrigiert. Der 01.03. wäre völlig widersinnig; denn wir sind schon darüber hinweg.

Das geht auch nicht so einfach. Wir haben inzwischen, und das ist wichtig, einen Gesetzentwurf zwischen Wirtschaftsministerium und Wissenschaftsministerium abgestimmt, einen Mustergesetzentwurf. Der wird ins Gesetzgebungsverfahren eingebracht, und das braucht einige Zeit.

An dieser Stelle erwähne ich, dass es bisher in keinem einzigen Bundesland schon eine Umsetzung dieses Berufsqualifikationsfeststellungsgesetzes gibt. Meine Damen und Herren, wir wollen keine Schnellschüsse. Wir wollen eine solide Lösung, die dem Anliegen der betroffenen Menschen Rechnung trägt. Aber das ist nicht ganz einfach.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Hans-Christian Mick (FDP))

Sie selbst haben eben einen Unterschied gemacht. Worin besteht dieser Unterschied? Bei den nicht reglementierten Berufen ist die Angelegenheit geregelt. Das haben Sie gesagt. Aber bei den reglementierten Berufen – namentlich: Lehrer, Ingenieure, Erzieher, Mediziner usw. – ist es schwieriger.

Ich gebe ein Beispiel. Wenn Sie den Lehrerberuf nehmen: Wer aus dem Osten kommt – Russlanddeutsche –, hat nur ein Fach und keine pädagogische Ausbildung. Die Schulform ist unklar, ebenso die Deutschkenntnisse. Jetzt haben wir beispielsweise in der Otto-Benecke-Stiftung 20 Personen, weil die häufig nicht im zweiten Fach noch drei Jahre studieren können. Also werden die im zweiten Fach über die Benecke-Stiftung geschult. Das wechselt zwischen Praxis und Theorie – allgemeine Methodik, Didaktik und der Sprachkurs; der ist notwendig, denn die müssen perfekte Sprachkenntnisse haben. Und dann müssen es Mangelfächer sein, z. B. Mathematik, Physik, Informatik, Metall-, Elektrotechnik.

Sie sehen, es ist nicht ganz so einfach. Wir reden hier nicht über Bologna- und Masterprozesse, die geregelt sind, sondern über ausländische Berufsabschlüsse, die passgenau auf deutsche Verhältnisse übertragen werden müssen. Betroffen sind in Deutschland vielleicht 300.000 Leute.

Ich fasse zusammen und komme damit auch zum Schluss: Nicht Herkunftsland oder Staatsbürgerschaft werden entscheidend sein, sondern die Qualifikation, neben der Ausbildung auch noch die Praxis.

Der zweite Punkt: Innerhalb von drei Monaten – also in kurzer Zeit – erfolgt ein Bescheid mit Informationen über eventuelle Defizite. Das sind die §§ 10 und 11, in denen das geregelt ist.

Herr Kollege Merz, es tut mir leid, aber daher läuft Ihr Antrag ins Leere. Die Vorbereitungen laufen bereits. Ich empfehle daher, diesen Antrag abzulehnen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank, Herr Dr. Herr. – Die nächste Wortmeldung kommt von Frau Kollegin Öztürk für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Kollegen von der sogenannten Regierungsfraktion!

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Was heißt hier „sogenannt“? Wir sind das! Ihr wärt das gerne!)

Na ja, als Regierung muss man auch regieren und nicht nur die Fraktion dafür sein.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, man sieht es an diesem ganz einfachen Beispiel: Die Anerkennung der im Ausland erworbenen Berufsqualifikationen ist ein unstrittiges Thema. Eigentlich ist das ein Thema, bei dem wir gemeinsam – Opposition und Regierungsfraktionen – über die Fraktionsgrenzen hinweg seit Jahren versuchen, einen konkreten Schritt nach vorn zu gehen. Deswegen konnten wir sehen, dass darüber auch im Bundesrat einstimmig entschieden worden ist. Daher hätte ich mir gedacht, dass die hiesige Landesregierung diese Chance nutzt und von sich aus einmal mit einem Vorschlag kommt und sagt: So wollen wir die Anerkennung der im Ausland erworbenen Berufsqualifikationen auf hessischer Ebene umsetzen; das sind die Vorbereitungsmaßnahmen, die wir getroffen haben.

Aber statt dass Sie selbst mit einem derartigen Vorschlag kommen, bedarf es eines Antrags der Opposition, damit sich Herr Herr hierhin stellen und sagen kann: Wir machen schon alles. – Meine Damen und Herren, das ist ein bisschen zu dürr. Das tut mir leid.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Schon seit Jahren sind wir uns darüber im Klaren, dass der demografische Wandel auch nicht an uns in Hessen vorbeiziehen wird. Der Anteil der Älteren an der Bevölkerung wird steigen, der der Jüngeren wird sinken. Die Fachkräftediskussion wird schon seit Jahren geführt. Von der IHK wird gesagt, in den nächsten Jahren werden 147.000 Fachkräfte in Hessen fehlen. Wir wissen ganz genau, dass auch bei uns Ärzte oder Ingenieure Taxi gefahren sind. Solche Erfahrungen haben wir in der Vergangenheit gemacht.

Ich erinnere daran, dass beispielsweise bereits im Januar 2010 in einer Sitzung des Integrationsbeirats von Herrn Hahn gesagt wurde, das Gesetz werde kommen, und man wolle in Hessen Vorbereitungen darauf treffen.

Jetzt ist es März 2012. Das Gesetz ist im Dezember 2011 beschlossen worden. Wir wissen, dass es einer gewissen Vorbereitungsphase bedarf. Aber als GRÜNE würden wir beispielsweise gerne wissen: Haben Sie eine interministerielle Arbeitsgruppe eingerichtet, in der Sie sich Gedanken über die Umsetzung dieser Gesetze machen wollen? Wie sieht es mit der berufsbezogenen Sprachförderung dieser Personengruppen aus? Werden Sie später beispielsweise Stipendienprogramme aufsetzen, bei denen sich Menschen bewerben können und die Nach- und Weiterqualifizierung finanziert bekommen? Oder wollen Sie sich lieber zurücklehnen und sagen: Das Anerkennungsgesetz ist da; man soll sein Glück probieren; wenn man es schafft, ist es gut, und wenn nicht, ist es auch nicht schlecht, denn dann haben wir nichts damit zu tun. – Wollen Sie wieder ganz passiv zuschauen, oder wollen Sie in diesem Bereich aktiv arbeiten?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Herr Herr, Sie bringen das Beispiel mit den Spätaussiedlern. Es war auch schon vorher so, dass ein sogenannter Russlanddeutscher seinen Berufsabschluss hier in Deutschland hätte anerkennen lassen und dann arbeiten können.

Die Tatsache, dass so wenige ihre Berufsabschlüsse anerkannt bekommen haben, zeigt, dass hier eine gewisse Unterstützung notwendig ist.

Diese Unterstützung haben Sie heute hier nicht konkreter dargestellt. Ich weiß gar nicht, ob Ihnen das Problem wirklich bewusst ist. Schauen Sie sich die Akteure an, beispielsweise die Industrie- und Handelskammern und die Handwerkskammern. Die haben sich ganz früh an die Arbeit gemacht und angefangen, ihre Anlaufstellen deutschlandweit umzustrukturieren.

Die Industrie- und Handelskammer hat ihre zentrale Anlaufstelle in Nürnberg benannt. Die Handwerkskammern haben deutschlandweit fünf verschiedene Anlaufstellen organisiert – jede land- und berufsbezogen. Alle sogenannten Facheinrichtungen und Kammern sind vorbereitet. Der Einzige, der nicht darauf vorbereitet ist, scheint das Land Hessen zu sein. Meine Damen und Herren, das ist wieder einmal typisch.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE) – Widerspruch des Abg. Dr. Norbert Herr (CDU))

Meine Damen und Herren, es geht gar nicht darum, dass wir Sie mehr oder weniger ärgern wollen oder wie auch immer. Uns geht es wirklich darum, dass wir bei einem Thema, bei dem es einen Konsens gibt, schnell mit Vorschlägen aufwarten – damit Menschen, die davon betroffen sind, sowohl ihre Anlaufstellen kennenlernen als auch sich bei der Nach- und Weiterqualifizierung Unterstützung holen können. Denn die Zahl derer, die hoch qualifiziert sind, aber in Hessen unter ihrer Qualifikation arbeiten, ist relativ hoch. Je eher Hessen mit innovativen und guten Ideen einen ersten Schritt tut, desto besser ist das für unser Land. Daher habe ich die Hoffnung, dass die Ministerin – je nachdem, wer hier die Federführung hat – in ihrem Redebeitrag gleich einmal substanzielle Aussagen trifft und nicht nur Schaumschlägerei betreibt. Meine Damen und Herren, davon haben wir heute genug gehabt. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Herzlichen Dank. – Die nächste Wortmeldung kommt von Herrn Kollegen Mick für die FDP-Fraktion.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Thema der Anerkennung von im Ausland erworbenen Berufsqualifikationen beschäftigt uns schon seit geraumer Zeit. Das wurde schon erwähnt. Das ist eines der wichtigsten Themen in der gesamten Integrationsdebatte, weil es den Menschen, die hier leben, zunächst einmal ermöglicht, ihr Leben in eigener Verantwortung zu gestalten, indem sie nämlich den Beruf aus üben können, den sie einmal gelernt haben. Das ist der eine Punkt.

Es bringt uns als Gesellschaft etwas, weil wir die Potenziale dieser Menschen nutzbar machen können. Diese Menschen zahlen dann Steuern, haben Arbeitsplätze usw. Es bringt uns aber auch in der gesamten Integrationsdebatte voran, weil dadurch der Fokus dieser Debatte weniger auf die sozialen Probleme gelenkt wird als auf die Potenziale dieser Menschen. Man sieht, dass die Menschen, die hier leben, etwas können, und sie werden nicht immer als Transferempfänger wahrgenommen. Ich denke, das tut der gesamten Debatte gut. Deswegen ist es für die komplette Integrationsdebatte ein solch wichtiges Thema.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Dieses Thema schwelt schon sehr lange. Schon zuzeiten der großen Koalition gab es Versuche, diesen Bereich zu regeln. Das hat nicht geklappt. Es war die schwarz-gelbe Bundesregierung, die diese Regelung endlich auf den Weg gebracht und das Gesetz zur Berufsqualifikationsfeststellung Ende letzten Jahres auf den Weg gebracht hat.