Laut zu weinen über Forschung und Lehre – es freut mich, dass Frau Kühne-Hörmann das Problem erkannt hat. Schade, dass heute weniger Mittel für den Fachbereich Medizin in Mittelhessen zur Verfügung stehen als 1994. Da gäbe es auch noch etwas zu tun, Frau Ministerin.
Das Rettungspaket der Landesregierung erweist sich einmal mehr als hohle Mogelpackung. Wir sehen nichts weiter als den verzweifelten Versuch, sich mit leeren Ankündigungen über die Plenardebatte zu retten. Denn wenn die Landesregierung Leuchttürme baut, braucht man nicht lange zu warten, bis jemand kommt und den Strom abschaltet, meine Damen und Herren. Flughafen, Polizei,
Uniklinikum Gießen und Marburg – die Liste der Misserfolge des Ministerpräsidenten, die Liste der Katastrophen am Wegesrand ist lang. Sie spielen eben nicht in der Liga Roland Koch. Manchmal denkt man, er hätte das Problem anders im Griff gehabt. Allemal: Er hätte sich von der Rhön-Klinikum AG nicht derartig an der Nase herumführen lassen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU: Oh! – Dr. Chris- tean Wagner (Lahntal) (CDU): Der war Ihnen doch auch nicht recht! – Günter Rudolph (SPD): Das stimmt auch!)
Ich muss Roland Koch nicht mögen. Ich muss nicht seine politischen Ansichten teilen, um anzuerkennen, dass er wenigstens etwas draufhatte, was ihn von dem heutigen Ministerpräsidenten deutlich unterscheidet.
Herr Ministerpräsident, mit Ihrer Erklärung von gestern haben Sie sich einseitig auf die Seite der Konzernleitung geschlagen. Krankenhäuser zu führen, ist eine Aufgabe, die viel Fingerspitzengefühl verlangt. Die Erfahrung hat gezeigt, dass die Spitze der Rhön-Kliniken genau dieses Fingerspitzengefühl fundamental vermissen lässt. Herr Pföhler hat offenkundig auch nach Jahren nicht verstanden, dass ein Krankenhaus keine Fabrik ist, in der Werkstücke bearbeitet werden.
Es geht um kranke Menschen, nicht um Kostenblöcke. Ein Wechsel an der Konzernspitze ist die beste Voraussetzung für ein angemessenes Betriebsklima, mit dem Patienten, Personal und Wissenschaft wieder angemessen berücksichtigt werden können.
Gestern machte der Pressesprecher der UKGM die Haltung noch einmal deutlich, indem er sagte, man wolle gemeinsam mit den Beschäftigten den Kostenblock bewegen.
Ihre Ignoranz gegenüber den Beschäftigten ist uns klar. Wir haben genug davon mitbekommen, wie wenig die Leute und die Patienten gerade Sie interessieren, Herr Rentsch.
Die Beschäftigten antworteten: Wir wollen Kranke pflegen und keinen Kostenblock bewegen. – Genau darum geht es. Vielleicht versteht endlich auch die Landesregierung, welche Aufgabe da vor ihr liegt. – Vielen Dank.
Danke sehr, Herr Dr. Spies. – Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wird jetzt Frau Schulz-Asche das Wort ergreifen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Nasenring der Landesregierung, an dem sie von der Rhön-Klinikum AG wie ein Bär im Zirkus durch die Manege geführt wird, wird ständig größer. Den Höhepunkt erreichte die Vorführung gestern Abend nach der gemeinsamen Erklärung der Rhön-Klinikum AG, des Universitätsklinikums Gießen und Marburg und der Landesregierung, als sich Minister Bouffier noch als Mann des starken Wortes aufführte und sich die Wissenschaftsministerin heute ans Pult getrieben fühlte.
Doch gehen wir chronologisch vor: Die Geschichte der Privatisierung des Universitätsklinikums begann, weil man unbedingt beweisen wollte, dass es möglich ist, ein solches Universitätsklinikum zu privatisieren. Man hat es zu einem Leuchtturmprojekt ernannt. Die Landesregierung trägt nicht zuletzt deshalb eine so hohe Verantwortung, weil sie alle damaligen Warnungen zum vorschnellen Vertragsabschluss ignoriert hat.
Wie dilettantisch dieser Verkauf durchgeführt wurde, zeigte sich in den letzten Jahren immer wieder an der Re spektlosigkeit, mit der der Rhön-Konzern gegenüber der Landesregierung aufgetreten ist.
Von bedenklichen Arbeitsbedingungen über lautstark verkündete Vertragsverletzungen wie bei der Partikeltherapie – die Landesregierung reagierte, wenn sie es überhaupt erfahren hat, verspätet und meist auch ohne Ergebnis.
Trotz wirklich herber Niederlagen, wie der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Status der Landesbeschäftigten, wird die Landesregierung nicht müde, von einer wahren Erfolgsgeschichte zu sprechen. Meine Damen und Herren, das erinnert schon sehr an die Sprachverdrehung bei Orwell.
Während viele bewährte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verunsichert sind, ob sie in den Landesdienst zurückkehren sollen oder nicht, kommt die sogenannte Erfolgsgeschichte wieder so richtig in Fahrt, und zwar mit einem Schreiben der Rhön-Klinikum AG an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am 25. Februar, in dem sie den Stellenabbau ankündigt. Die Empörung bei den Beschäftig
ten und in der Region ist berechtigterweise enorm. Es kommt der Verdacht auf, dass die Rhön-Klinikum AG gerade die Beschäftigten, die ein Rückkehrrecht in den Landesdienst haben, besonders verunsichern will, um sich ihrer einfach zu entledigen.
Am 29. Februar sollte ein ganz besonderer Teil dieser Nasenringgeschichte geliefert werden. Zweimal an diesem Tag meldet sich die Wissenschaftsministerin zu Wort. Das erste Mal rüttelt sie ein bisschen am Nasenring, indem sie darauf hinweist, dass die Substanz von Forschung und Lehre unter Umständen gefährdet sei. Dann wird noch eine zweite Pressemitteilung nachgereicht, weil man gemerkt hat, dass man dort, wo man von der Rhön AG bei der Partikeltherapie an der Nase herumgeführt wird, ebenfalls reagieren muss.
Auch die Rhön AG meldet sich an diesem Tag zu Wort und bestätigt im Inhalt den Brief an die Mitarbeiter: Man rechne im Jahr 2012 nur mit einem Erlöszuwachs von 0,7 %, während allein die Personalkosten um mindestens 3,5 % steigen würden. Sie müssten ihre Kostenstrukturen und damit auch den Personaleinsatz hinterfragen. Seit Anfang 2010 sei dem Betriebsrat bekannt, dass nach Realisierung der Neubauten der Abbau von Personal erforderlich werden würde. Nur die Zahl 500 wollte die Rhön AG nicht bestätigen.
Nun sieht der Ministerpräsident die große Gelegenheit für ein Machtwort gekommen. Laut „FAZ“ hält Bouffier den Abbau von 500 Arbeitsplätzen für inakzeptabel und kritisiert, wie die „FAZ“ bemerkt, „mit ungewöhnlich deutlichen Worten“:
Die Kommunikation zwischen Unternehmensleitung und der Landesregierung sei „erheblich gestört“, was bei ihm zu „großer Verärgerung“ geführt habe …
Als Beweis der Durchsetzungskraft des Ministerpräsidenten kommt gestern die berühmte gemeinsame Erklärung, die von der Wissenschaftsministerin gerade vorgestellt wurde. Ich möchte sie einmal die Nasenringerklärung nennen.
Denn im ersten Absatz wird der eigentliche Feind ausgemacht: die öffentliche Diskussion über das Thema und nicht etwa die Rhön AG, die an ihre Mitarbeiter geschrieben und den Stellenabbau angekündigt hat. Auch die Kommunikation zwischen der Landesregierung und der Rhön AG wird hier nicht mehr angesprochen.
Im ersten Punkt wird die berühmte Erfolgsgeschichte wiederholt. Die Partikeltherapie findet sich in diesem Punkt 1 leider nicht.
Im zweiten Punkt werden die schlechte Kommunikation und das schlechte Vertrauensverhältnis zwischen Uni-Belegschaft und Klinikführung beklagt, nicht etwa zur Landesregierung. Es wird ein Mediationsprozess angekündigt. – Wir wissen, die Landesregierung hat sehr viel Erfahrung vom Flughafen Frankfurt, wie man die Ergebnisse von Mediationsprozessen überhaupt nicht zur Kenntnis nimmt.
Meine Damen und Herren, auch Punkt 3 ist von schlichter Schönheit: Es solle ein ergebnisoffenes Verfahren ein
Erst hat es die Aussage, Stellenabbau von 500, nie gegeben, jetzt soll an der Zahl nicht festgehalten werden, und nun soll ergebnisoffen geprüft werden, ob es 501 oder 499 Stellen sind. Oder was heißt diese Aussage in Punkt 3?
In Punkt 4 werden als Grundlage „das Wohl und die optimale medizinische Versorgung der Patienten“ erwähnt, aber mit keinem Wort das Ziel guter Forschung und Lehre, das gerade für die Wissenschaftsministerin ein besonderes Anliegen war.
Ich habe hier z. B. die Erklärung von 600 wissenschaftlichen Beschäftigten, die gestern auf der Betriebsversammlung verlesen wurde. Darin wird gesagt, die Krankenversorgung sei nur noch mit Überstunden sicherzustellen, und es gebe einen eklatanten Mangel an Zeit der Ärztinnen und Ärzte, um überhaupt Lehre und Forschung durchzuführen. – Und da stellen Sie sich heute Morgen hierhin und sagen, alles sei in Ordnung? Meine Damen und Herren, das darf doch nicht wahr sein.