Redezeit: zehn Minuten pro Fraktion. Für die CDU-Fraktion hat sich Herr Kollege Landau zu Wort gemeldet. Herr Kollege Landau, Sie haben das Wort.
Passend zu der Debatte über Nordhessen ist der Regierungspräsident von Nordhessen, unser ehemaliger Kollege Walter Lübcke, heute hier. Herzlich willkommen, Herr Regierungspräsident.
Ich grüße die beiden Präsidenten, den Präsidenten hinter mir und den Präsidenten auf der Tribüne, und ich grüße Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir als CDULandtagsfraktion wählen gerne und regelmäßig den Zustand der Region Nordhessen als Thema für eine Plenarrunde. Wie Sie sehen, werden unsere Anträge hierzu immer länger. Das hat einen guten und einfachen Grund. Die guten Nachrichten aus Nordhessen werden immer mehr, und die die Situation zwischen Eder und Werra wird immer besser.
Das ist nicht selbstverständlich. In der jüngeren deutschen Geschichte war die geografische Lage Nordhessens eher ein Nachteil denn ein Vorteil. Von „Richtung Zukunft“ sprachen die wenigsten. Die meisten sprachen eher von „Richtung Untergang“ oder Ähnlichem. Der sozialdemokratischen Landesregierung gelang es auch nach der Wiedervereinigung nicht, Nordhessen aus dem Dornrös chenschlaf zu erwecken.
Ich glaube das. – Die SPD hätte in ihrer Regierungszeit mehr erreichen können, aber ihr Augenmerk, ihre Priorität lag woanders. Ich möchte aus einem Artikel der „FAZ“ vom 30. Juli 1993 zitieren.
Die hessischen Sozialdemokraten hätten es besser wissen können. Eineinhalb Jahrzehnte lang war es Hans Eichel nicht gelungen, die Stadt und die Region zu profilieren. Er hat die Chance Kassels, eine reizvoll gelegene ehemalige Residenzstadt zu sein und alle vier Jahre als Documenta-Stadt Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, nicht sonderlich genutzt. Kassel machte überregional nur als „atomwaffenfreie Zone“ von sich reden.
Zudem sah man in dem Bau von Ortsumfahrungen einen hinreichenden Anschluss Nordhessens an das überregionale Verkehrsnetz und verzichtete auf Ambitionen bezüglich des Flughafens Kassel-Calden und der A 44. Wer hätte sich früher vorstellen können, dass Kassel einmal als dynamischste deutsche Großstadt gelten würde?
Damals hat vielmehr der mitleidvolle Blick vieler Auswärtiger auf die sogenannte Gesamthochschule Kassel schon alles gesagt.
Heute erreichen das Wirtschafts- und das Beschäftigungswachstum Spitzenwerte. Kassel verzeichnet bundesweit das zweithöchste Beschäftigungswachstum. Das Wirtschaftswachstum im gesamten Regierungsbezirk Kassel ist in den Jahren 1999 bis 2008 um überdurchschnittliche 25 % gestiegen. Nordhessen hat heute einen größeren Anteil an Industrie als der Rest des Landes. Mehr als jeder vierte Arbeitsplatz – genau 26 % – ist im produzierenden Gewerbe zu finden. In ganz Hessen ist das nur bei jedem fünften Arbeitsplatz der Fall.
Meine Damen und Herren, das hat Substanz, und die kommt nicht von ungefähr. Die Investitionen im verarbeitenden Gewerbe haben im Jahrzehnt von 2000 bis 2010 einen Sprung gemacht. Lagen sie anfangs noch um 10 % unter dem hessischen Landesdurchschnitt, so lagen sie schon acht Jahre später bei 20 % über dem Landesdurchschnitt.
Da Investitionen dort getätigt werden, wo die Rahmenbedingungen stimmen, ist eine „Mittäterschaft“ der Landespolitik an dieser positiven Entwicklung nicht völlig auszuschließen. Wo die Wirtschaft brummt, verehrte Kolleginnen und Kollegen, haben die Menschen Arbeit. Die Arbeitslosigkeit in Nordhessen ist in dem eben genannten Zeitraum erstmalig geringer als in den angrenzenden Landkreisen unserer Nachbarländer Thüringen und Niedersachsen.
Im Jahrzehnt von 2000 bis 2010 ist die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Nordhessen um 2,3 % gestiegen und damit in absoluten Zahlen zehnmal so hoch wie in ganz Hessen. Dabei ist die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten – das ist eine erstaunliche Entwicklung – ohne Berufsausbildung um 22 % gefallen, die der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten mit Hochschulabschluss dagegen um 44 % gestiegen.
Noch deutlicher lässt sich die erstaunliche Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt an der Arbeitslosenzahl ablesen. Diese ist im gleichen Zeitraum von rund 50.000 auf rund 31.000 gesunken. Das ist ein Minus von 38 % – ein Wert, den kaum eine andere Region in Deutschland aufzuweisen hat.
Die Arbeitslosenquote in Nordhessen unterscheidet sich heute nicht mehr negativ von der in anderen Teilen Hessens, wie das jahrzehntelang der Fall war. Der Regierungsbezirk Kassel konnte inzwischen mit besseren Arbeitslosenquoten die Bezirke Gießen und Darmstadt sehr oft auf die Plätze verweisen.
Die GRÜNEN sprechen in ihrem Antrag die demografische Entwicklung in der Region Nordhessen an. Dem entgegne ich Folgendes. Arbeitsplätze sind ein sehr Erfolg versprechendes Gegenmittel.
Der vielseitige Erfolg Nordhessens kommt nicht von ungefähr. Aktivitäten der Landespolitik trafen auf Potenziale vor Ort. Beberbeck darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass in der Gesamtbetrachtung die von CDU und FDP in diesen Jahren verantwortete Landespolitik augenscheinlich die richtige war.
Ein gutes Beispiel hierfür ist der Erfolg der Universität Kassel, die von der Hessischen Landesregierung nach wie vor kräftig unterstützt wird und zu einem anerkannten Hochschulstandort entwickelt wurde.
Aus dem Hochschulausbauprogramm HEUREKA werden bis 2020 gut 200 Millionen € an die Universität Kassel geflossen sein und Entsprechendes bewirken. Eine aktuelle Untersuchung zeigt, dass als Ergebnis von Ausgründungen aus dieser sehr gut aufgestellten Universität über 15.000 Arbeitsplätze entstanden sind – Arbeitsplätze, die zukunftsorientiert sind. Das IWES-Institut und die SMA AG sind hier prominente Beispiele im Bereich der erneuerbaren Energien.
Selbstverständlich profitieren auch andere Bereiche der Wirtschaft. So ist die große Zahl innovativer Arbeitsplätze im Clusternetz CCA der Luft- und Raumfahrtbranche zu nennen.
Nun komme ich zu einem anderen wichtigen Bereich: zu den Verkehrswegen. Verkehrswege sind Bedingung und Voraussetzung für Wirtschaftswachstum. Das sieht man in Nordhessen ganz deutlich. Das Cluster Mobilität und Logistik hat in 4.000 Unternehmen gut 75.000 sozialversi
Nordhessen ist mit seiner geographischen Lage in der Mitte Deutschlands und Europas ein natürlicher Knotenpunkt für Warenströme. Die Logistikbranche ist selbst Teil des Güterverkehrs und benötigt eine funktionierende Infrastruktur.
Das ist es, worauf wir und diese Landesregierung einen Schwerpunkt bei der Arbeit gesetzt haben. Wir treiben den Ausbau und die Weiterplanung wichtiger Verkehrs achsen wie der A 44 und der A 49 gegen so manchen isolierten, aber zeitraubenden Widerstand bei gleichzeitiger Zustimmung der Bevölkerung voran.
Doch nicht nur dem Straßenbau, sondern auch dem Schienenverkehr wird Bedeutung beigemessen – Stichworte: Streckenreaktivierung und -ausbau und Regio-Tram-System. Dort werden inzwischen jährlich über 3,5 Millionen Fahrgäste gezählt.
Herr Gremmels, in den letzten zehn Jahren hat das Land mehr als 400 Millionen € für den öffentlichen Personennahverkehr aufgebracht. Nordhessen ist in Bewegung – auch auf Gleisen.
Wir haben uns gegen ein Zeppelinflugfeld ausgesprochen und uns für einen modernen Regionalflughafen KasselCalden entschieden, der auch im Luftverkehr für den notwendigen Anschluss Nordhessens sorgen wird.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, nach Nordhessen wollen immer mehr Menschen kommen. Im vergangenen Jahr verzeichnete Nordhessen 7,5 Millionen Übernachtungen. Sie machen damit ein Viertel der Übernachtungen aus, die in ganz Hessen verzeichnet wurden. Die Zahl der Tagesausflügler ist ein Vielfaches hiervon. Sie alle werden angezogen von einzigartiger Natur, historischen Fachwerkstädten und besonderen Kulturangeboten mit der Documenta als herausragendem Ereignis, das der Stadt Kassel und der nordhessischen Region weltweite Beachtung in der Kunstszene bringt.
Künftig wird mit dem Bergpark in Kassel-Wilhelmshöhe ein Weltkulturerbe als weiterer Magnet hinzukommen. Die Metropole Nordhessens mit ihrer Ausstrahlung in die gesamte Region wird konsequenterweise mit der Ausrichtung des Hessentags im nächsten Jahr bedacht.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, Nordhessen war eine abgehängte Region. Die Regierungen Koch und Bouffier haben es verstanden, die bloße Alimentierung in den vergangenen Jahren im wahrsten Sinne des Wortes in eine Art Hilfe zur Selbsthilfe umzumünzen.