Protocol of the Session on May 14, 2008

Jetzt gibt es in der Welt unterschiedliche Modelle, wie man dies angeht. Aber es gibt fast kein Modell in irgendeinem Land – das sage ich auch an die Kollegen der FDP –, in dem sowohl auf eine Vermögensteuer als auch auf eine Erbschaftsteuer verzichtet wird. In den allermeisten Ländern gibt es eines von beiden.Deswegen sage ich,ich halte am Ende die Erbschaftsteuer immer noch für die gerechtere Steuer als die Vermögensteuer,

(Beifall des Abg. Michael Boddenberg (CDU) – Zurufe von der FDP)

weil die Vermögensteuer grundsätzlich immer in die Substanz eingreift und dazu führt – irrwitzige Tatbestände brauche ich nicht weiter zu erklären –,dass man jedes Jahr einen Teil seines Unternehmens verkaufen muss,um diese Substanzsteuer zu bezahlen.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Das ist doch bei der Erbschaftsteuer auch so!)

Herr Kollege Hahn, bei der Erbschaftsteuer fällt die Steuer aber nur zu einem einzigen Zeitpunkt an.Das müssen Sie zugeben. Erbschaftsteuer zahlt man nur einmal im Leben bzw. zahlen die Erben nur einmal.

(Heiterkeit)

Das ist ein großer Unterschied. Man kann Steuern mit den Möglichkeiten erheben, die jetzt von Koch und Steinbrück dargelegt wurden.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Es kommt darauf an, wie lange man erbt!)

Dann frage ich Sie auch einmal, was Sie eigentlich dazu sagen würden, wenn wir, wie von Ihnen gefordert, ersatzlos die Erbschaftsteuer abschaffen – völlig unbeschadet der Tatsache, dass wir dann in eine sehr breite, noch viel breitere Diskussion, als wie wir sie heute schon haben, über die Vermögensteuer kommen würden. Wir kommen doch zu der Frage, was wir mit unserem Landeshaushalt machen. Das ist möglicherweise ein banales Thema.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Ein bisschen schmal!)

Aber als finanzpolitischer Sprecher muss ich einfach gelegentlich einmal daran erinnern:Wir reden über 380 Millionen c allein im Haushalt 2008 des Landes Hessen. Gut, das ist eine Steuer wie viele andere Steuern, wo man nicht genau weiß, wie viel tatsächlich aufkommt. Aber in der Praxis haben wir immer zwischen 300 und 400 Millionen c und öfter auch darüber gelegen.

Auf diese Steuer zu verzichten würde bedeuten, dass wir im Prinzip auf Geldeinnahmen im Landeshaushalt in einem Umfang von 6.000 bis 8.000 Landesbediensteten verzichten. Dazu brauche ich eine Alternative. Da kann man natürlich wie die FDP sagen: Dann verkauft noch etwas.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Leo III! – Heiterkeit bei der SPD)

Natürlich, Kollege Heidel würde sagen: Dann hebt doch die Mehrwertsteuer an. – Okay, Kollege Heidel, darüber

kann man immer reden – Mehrwertsteuer, ein sehr beliebtes Thema, aus zwei mach drei. Aber ich glaube, auch da sind wir uns einig, dass diese Mehrwertsteuer ihre Obergrenzen hat. Insofern würde ich sagen, auf 380 Millionen c zu verzichten, indem man irgendetwas verkauft: Das kann man nur zwei, drei Jahre machen. – Ich sage auch ganz deutlich: Leo III, ja.

Wir haben einen klaren Plan vorgelegt, wie man die Jahre der Steuerausfälle durchsteht, die nicht strukturbedingt, sondern konjunkturbedingt waren. Das kann man durch Vermögensveräußerung erreichen. Da haben wir wirklich Grandioses erreicht

(Reinhard Kahl (SPD):Was?)

Herr Kollege Kahl –, übrigens zu guten Ergebnissen. Wenn Sie sich einmal anschauen, dass wir teilweise das 18-, 19-Fache der Jahresmiete an Verkaufserlösen erzielt haben, war das doch eine sehr gute wirtschaftliche Lösung, die wir gefunden hatten.

(Reinhard Kahl (SPD):Was?)

Wenn wir jedes Jahr verkaufen würden, kann man doch ausrechnen, wann dieses Land auch auf der Vermögensseite absolut pleite ist,weil gar nichts mehr da ist,was man verkaufen kann.Nur fällt die Erbschaftsteuer immer noch aus. Deswegen muss man einfach fair mit dem Thema umgehen.Es macht doch gar keinen Sinn,dass wir uns immer gegenseitig irgendetwas vorwerfen.Wir müssen doch den Fakten ins Auge sehen. Tatsache ist, dass wir in Deutschland so viele Aufgaben haben,die bezahlt werden müssen, dass wir in der Grundsubstanz dessen, was wir uns als Staat heute leisten, im Prinzip am unteren Ende angekommen sind,bei all den Sparmaßnahmen,die in den letzten Jahren erfolgt sind.

(Demonstrativer Beifall des Abg. Reinhard Kahl (SPD))

Das müssen wir doch alle zur Kenntnis nehmen. Das war unter Rot-Grün, das war unter Schwarz-Gelb, das war unter der CDU-Alleinregierung so gewesen, dass alle wirklich versucht haben, zu sparen, obwohl wir Schulden gemacht haben. Deswegen sage ich Ihnen, so viele Spielräume, dass wir eben einmal so auf 400 Millionen c verzichten können, haben wir nicht.

Ich glaube, dass wir mit dem Entwurf von Koch/Steinbrück eine sehr faire Grundlage geschaffen haben – die SPD kann doch nur dafür sein, denn sie hat an dem Entwurf mitgearbeitet –, dass wir mit den Verbesserungsvorschlägen weiter dafür sorgen, dass der Oma ihr klein Häuschen gesichert bleibt und kein Arbeitsplatz aus Deutschland verloren geht. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU – Dr. Rolf Müller (Gelnhau- sen) (CDU):Wunderbare Rede!)

Vielen Dank, Herr Kollege Milde. – Das Wort hat nun Herr Kollege Schmitt für die SPD-Fraktion.

(Florian Rentsch (FDP): Norbert, denke an den neuen Landtag! – Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Denken Sie daran, wir sind Großkoalitionäre in Berlin!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Milde, danke schön, dass Sie mich daran erinnert haben. Dann fange ich vielleicht doch einmal mit Ihrem Antrag an.

(Michael Boddenberg (CDU): Holen Sie einmal die andere Rede, Herr Kollege!)

Es ist schon seltsam, dass Herr Koch und Herr Steinbrück Eckpunkte verabschiedet haben, aber Sie von der CDU jetzt auf einmal anfangen, sich in Punkt 4 Ihres Antrages von diesen Eckpunkten zu verabschieden.

(Michael Boddenberg (CDU): Nein, Quatsch!)

Das ist zumindest eine interessante Debatte. Wir werden sicherlich Ihren Punkten 1 bis 3 zustimmen. Aber Herr Koch hat doch zusammen mit Herrn Steinbrück vereinbart, dass wir eine Behaltensfrist von 15 Jahren haben.

Wenn Sie also den Zwischenruf „Große Koalition in Berlin“ machen, dann, finde ich, sollten Sie sich an diese Vorgaben halten.

(Beifall des Abg. Reinhard Kahl (SPD))

Interessant ist momentan, dass Teile der CDU – nicht die ganze CDU; Herr Milde hat, glaube ich, die landespolitische Sicht vorgetragen, weil die Erbschaftsteuer auch für die Länder anfällt – Stück für Stück die Erbschaftsteuer abschaffen wollen. Es gibt in der CSU und in der Union viele, die bewusst auf Zeit spielen und bewusst die Erbschaftsteuer abschaffen wollen.

Darauf gibt es eine klare Antwort von Sozialdemokraten: Wir halten die Erbschaftsteuer für gerecht. Es wäre ein Fehler, ein Verstoß gegen die Steuergerechtigkeit, wenn wir sie abschaffen würden. Wir brauchen sie im Übrigen auch. Da bin ich der gleichen Auffassung wie Herr Milde.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben die Situation,dass es eine Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts gibt. Das Bundesverfassungsgericht hat – ich glaube, auch das ist unumstritten – zu Recht gesagt,dass so,wie die Erbschaftsteuer in der Vergangenheit praktiziert wurde mit einer Besteuerung von Immobilienvermögen, das eben nicht gleichgestellt war mit sonstigem Vermögen, mit Barvermögen beispielsweise, es durch die Einheitswertbesteuerung einen Verstoß gegen das Gleichheitsprinzip gegeben hat, sodass wir handeln mussten. Das war die eine Vorgabe.

Aber es gab auch eine politische Vorgabe – diese habe ich eben für die SPD benannt –, nämlich dass wir die Erbschaftsteuer erhalten wollen und dass wir die Erbschaftsteuer zumindest auf einem Niveau halten wollen, das international angemessen ist. Ich glaube nicht – das an den Kollegen Blum von der FDP –, dass Großbritannien, Frankreich oder die USA, wo es deutlich höhere Erbschaftsteuersätze als in der Bundesrepublik gibt, sozialistische Länder sind und dass sie gegen die Gerechtigkeit verstoßen. Nein, unsere Vorgabe für eine Reform war, dass wir die Erbschaftsteuer auch aus dem Prinzip der Steuergerechtigkeit erhalten wollen.

Ein weiterer Punkt war – das ist jetzt die Diskussion, die Sie heute in den Mittelpunkt stellen; das ist aber nur ein Aspekt –, dass wir sicherstellen wollen, dass die Liquidität von Familienunternehmen bei dem Betriebsübergang nicht gefährdet wird.

Jetzt erleben wir genau an dieser Stelle eine irre Kampagne, wo wir uns doch nur mit den Fakten beschäftigen

sollten,Herr Blum.Sie stellen es so dar,als ob der typische Handwerksbetrieb, das typische Familienunternehmen, das 20, 30 oder 40 Jahre bestanden hat, jetzt auf einmal einer hohen Erbschaftsteuer unterworfen ist. Völlig falsch, meine Damen und Herren. Unternehmen, deren Gesamtwert unter 1 Million c liegt, sind allein durch die Freibeträge völlig freigestellt.Da fällt kein Cent Erbschaftsteuer an. Jetzt geht es um die Frage: Für wen spricht die FDP? 70 bis 75 % aller Unternehmen in Deutschland fallen unter diese Grenze. Sie haben künftig keinen Cent Erbschaftsteuer zu zahlen. Jetzt frage ich: Welche Interessen nehmen Sie eigentlich hier wahr?

Wenn man jetzt zu dem Unternehmenswert die persönlichen Freigrenzen hinzurechnet, dann kommt man auf eine Summe von 2,8 Millionen c, bei der aufgrund der persönlichen Freigrenze ebenfalls kein Cent Erbschaftsteuer anfällt. Damit haben wir etwa 90 % aller Unternehmen in Deutschland erfasst.

Meine Damen und Herren, wir reden am Ende noch über 10 %. Für diese 10 % versuchen wir, jetzt Übergänge zu formulieren. Die Frage ist: Wie schaffen wir es – das ist auch ein ganz wichtiges Ziel –, dort die Substanz, die Liquidität in dem Unternehmen zu erhalten?

Das haben wir jetzt an die Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts geknüpft. Ich sage an dieser Stelle: Ich glaube – das geht wiederum an die Grenze des rechtlich Möglichen –, wenn man bestimmte Dinge von der Erbschaftsteuer freistellt – hier also Unternehmen, deren Gesamtwert über diesen 2,8 Millionen c liegt, die aber dazu beitragen,dass Arbeitsplätze erhalten werden –,dann sind Sie schon bei der Begründung in Grenzfällen dessen, was rechtlich zulässig ist.

Wenn Sie,meine Damen und Herren von der FDP,einfach sagen: „Da nehmen wir andere Werte, wir reduzieren die Fristen, wir reduzieren die Bedingungen, wir reduzieren die Voraussetzungen“, dann streift dieses Gesetz einmal mehr die Verfassungswidrigkeit. Anscheinend wollen Sie das. In der Begründung Ihres Antrags und auch in einem Antrag, den Herr Hahn in der Landespressekonferenz vor dem Bundesparteitag vorgestellt hat, spielen Sie damit. Das war auch der Tenor der Zwischenrufe, die eben von der FDP kamen: Wir wollen die Erbschaftsteuer eigentlich nicht, wir wollen sie abschaffen.

(Demonstrativer Beifall bei der FDP)

Sehen Sie, Sie können das ja beklatschen. Sie haben dann allerdings ein Problem

(Zuruf von der FDP)

Sie haben keine Probleme, das merke ich –: In Hessen – darauf hat Herr Milde zu Recht hingewiesen – kamen allein im Jahr 2006 bei der Erbschaftsteuer 326 Millionen c herein. Im letzten Jahr, 2007, waren etwas mehr als 400 Millionen c angesetzt; hereingekommen sind 422 Millionen c.Dieses Jahr liegt der Haushaltsansatz bei 380 Millionen c.

Jetzt frage ich Sie – Sie reden immer von ausgeglichenen Haushalten –: Wie wollen Sie denn das Geld ersetzen? Wie wollen Sie denn das erreichen? Was wollen Sie denn dafür streichen? Sie haben doch gerade wieder einen Antrag zu 105 % Lehrerversorgung gestellt, meine Damen und Herren von der FDP. Haben Sie einmal durchgerechnet, was das kostet? Haben Sie das denn überhaupt in einen Zusammenhang gestellt?

(Beifall bei der SPD)