Michael Boddenberg

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Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben in den vergangenen zehn Jahren über kaum ein Projekt, über kaum ein Thema im Hessischen Landtag häufiger gesprochen als über den Ausbau des Frankfurter Flughafens. Wir reden bei diesem Vorhaben – ich glaube, das darf man sagen – vom größten Bauprojekt in der Bundesrepublik Deutschland in den letzten Jahrzehnten. Wir reden über eine großartige Chance für die Menschen in unserem Lande. Wir reden an dieser Steller aber auch über eine sehr grundsätzliche Frage, was den Rechtsstaat und den Umgang von Politik und Gesellschaft mit einem Projekt anbelangt, das natürlich nicht nur Befürworter hat, sondern an dem auch Kritik geübt wird, die in verschiedenen Formen zum Ausdruck kommt.
Mit Blick auf die Vergangenheit unseres Bundeslandes hat der damalige Ministerpräsident Hans Eichel 1998 den Vorschlag gemacht,eine neue Form des Dialogs bei einem so großen Projekt zu suchen. Er hat damals die Einleitung eines Mediationsverfahrens vorgeschlagen. Wer sich die im Hessischen Landtag gehaltenen Reden zu diesem Projekt anschaut, der kann nachvollziehen, warum die damalige rot-grüne Regierungsmehrheit diesen Weg beschritten hat.Ich habe immer behauptet,dass das auch damit zu tun hatte, dass man versuchte, dieses für Rot-Grün starke Spannungsfeld, das mit einem möglichen Flughafenausbau verbunden war und ist,über den Wahltag zu schieben. Alle Parteien im damaligen Landtag haben aber deutlich gemacht, dass es mit Blick auf die Ereignisse an der Startbahn West – 15 Jahre zuvor – notwendig ist, einen neuen Weg des Dialogs zu suchen.
1997 hat der damalige Vorstandsvorsitzende der Lufthansa die Notwendigkeit eines Flughafenausbaus erstmals öffentlich gemacht. Manche beklagen, dass wir jetzt zehn Jahre weiter, aber noch nicht dabei sind, dieses Projekt auch baulich umzusetzen. Es ist aber Ausdruck eines starken Rechtsstaates, dass wir ein Verfahren haben, das jedwede Möglichkeit und Form der Kritik und des Protestes zulässt. Dieser Protest muss aber dort eine Grenze haben, wo er geeignet ist, Gewalt zu provozieren und am Ende Gewalt zu vollziehen.
Schauen wir uns einmal an, wer damals gebeten worden ist, eine Mediation durchzuführen. Viele Vertreter gesell
schaftlicher Gruppen, bis hin zu den Bürgerinitiativen, waren aufgerufen, sich an einem friedlichen Dialog zu beteiligen. Das zeigt sehr deutlich, dass schon damals der Wunsch maßgeblich war, eine Eskalation um jeden Preis zu verhindern. Die Tatsache, dass ein Vertreter der Wirtschaft, Herr Niethammer, einer der drei Mediatoren war, und Pfarrer Oeser, einer der an den Protesten gegen die Startbahn 18 West aktiv Beteiligten, Teil des Mediationsteams war, zeigt das Bemühen, zu erreichen, dass die betroffenen Menschen bei einer so wichtigen Frage friedlich, fair und rechtsstaatlich miteinander umgehen.
Wenn man sich anschaut, was in den Achtzigerjahren passiert ist, will ich daran erinnern, dass alles einmal ganz „harmlos“ angefangen hat. 1980 ist das Hüttendorf an der Startbahn 18 West errichtet worden.Dieses Hüttendorf ist 1981 geräumt worden. 1984 wurde die Startbahn 18 West in Betrieb genommen.
Aber es hat auch nach dem Bau der Startbahn regelmäßig – jeweils anlässlich des Jahrestags der ersten Räumung des Hüttendorfs – Protestveranstaltungen gegeben. Manche sprachen verharmlosend von „Sonntagsspaziergängen“.
Aber es gab dann schlimme Ereignisse. Wir wollen heute davor warnen, dass sich so etwas in diesem Land jemals wieder ereignet.
Als Ergebnis der damaligen Bewegung, die ihren Ursprung im Hüttendorf hatte, hat es tote Polizisten gegeben.Von dem, was dort passiert ist, haben sich alle distanziert. Joschka Fischer hat nach diesen schlimmen Ereignissen im Hessischen Landtag gesagt:
Es darf solche Dinge, wie sie am 2. November passiert sind, nie wieder geben. Es darf vor allem deswegen nicht weitergehen wie bisher – von der persönlichen Betroffenheit über die Katastrophe und von der Trauer der Angehörigen ganz zu schweigen –, weil wir sonst in einen Albtraum von Eskalation und Gewalt hineinlaufen.
Joschka Fischer spricht davon, dass es notwendig sei, Feindbilder abzubauen. Er spricht davon, dass das Recht durchgesetzt werden müsse.
Herr Al-Wazir, das gilt für alle.Aber es gilt vor allem für diejenigen, die politisch die Verantwortung dafür tragen, dass das,was damals als richtig erkannt wurde,auch in diesem und in den nächsten Jahren in Hessen stattfindet.
Herr Al-Wazir, Joschka Fischer hat von Selbstkritik gesprochen.Aber es hat damals auch Stimmen aus den Reihen der Bürgerinitiativen gegeben. Einer der Sprecher, Herr Treber, hat damals gesagt, diese Tat – der Mord an den Polizisten – sei absolut unbegreiflich.
Aber derselbe Herr Treber sagt jetzt, 20 Jahre später, es müsse weiterhin Formen des zivilen Ungehorsams geben; denn sie seien notwenig, um Aufsehen zu erregen. Wir glauben, dass es erste durchaus sichere Anzeichen dafür gibt, dass viele, die an dem beteiligt sind, was aktuell im Kelsterbacher Wald passiert – wo in diesen Tagen ein neues Hüttendorf entsteht –, genau das Gegenteil von dem erreichen, was damals auch grüne Politiker für unsere Gesellschaft gewollt haben.
Das ist der Grund dafür, weshalb wir heute diesen Antrag einbringen.Wir wollen eben nicht nur über die wirtschaftlichen Fragen reden, sondern wir wollen deutlich machen, dass es gilt, den Anfängen zu wehren, wenn es um die Verhinderung von Gewalteskalation geht.
Wir sprechen darüber insbesondere anlässlich eines von der LINKEN für das kommende Wochenende geplanten Vorgangs,den ich als völlig inakzeptabel,ja sogar als skandalös bezeichnen möchte: Eine Fraktion im Hessischen Landtag lädt zur Eröffnung eines Fraktionsbüros im Hüttendorf im Kelsterbacher Wald ein und begründet dies damit, dass verhindert werden müsse, was der Rechtsstaat, die politische Mehrheit und die gesellschaftliche Mehrheit wollen.
Das passt in den Kontext vieler weiterer Punkte, die mit den LINKEN zu tun haben und darauf abzielen, Ressentiments zu schüren, Reiche – wie Sie sie nennen – zu diskreditieren, unsere Gesellschaft zu spalten, und sogar klassenkämpferische Überschriften haben, Herr van Ooyen.
Dazu gehören Aussagen von Herrn Schaus, der sagt: Wir wollen Veränderungen der wirtschaftlichen Verhältnisse und damit auch eine Veränderung der Eigentumsverhältnisse. – Dazu passen die Aussagen eines Ihrer Parteifreunde in Hamburg, der sagt: „Enteignen wollen wir sie nicht, dafür haben wir noch nicht die Mehrheit“, wenn er über die sogenannten Reichen spricht. Dazu passen Aussagen von Oskar Lafontaine, der sagt, kein Mensch könne im Laufe seines Lebens 10 Milliarden c auf verfassungsgemäße Weise anhäufen; das müsse enteignet werden. Das Ergebnis einer „fortdauernden Enteignung der Belegschaft“ und deren großer Beitrag zu Produktivität und Wertschöpfung berechtigen Herrn Lafontaine nicht zu der Aussage, dass die Enteignung ein rechtsstaatliches Mittel ist, Herr van Ooyen.
Andere Mitglieder der LINKEN und auch Herr Lafontaine sagen:Wir müssen über unsere Kampfformen nachdenken. Ich sage deshalb, wir müssen neue Kampfformen entwickeln. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, was außer dem Aufruf zur Gewalt und der Provokation zur Gewalt ist denn damit gemeint?
Frau Wissler, Sie tragen sich an jeder möglichen Stelle in genau dieses Buch ein, indem Sie versuchen, Eskalation zu verharmlosen und die außerparlamentarische Gewalt als eine natürliche Aufgabe der Politik zu definieren.
Doch, Frau Wissler, ich will Ihnen das beweisen. Ich finde, das müssen die Menschen in diesem Land wissen.
Es gibt eine linke Jugendbewegung. Mitglieder dieser Jugendbewegung [’solid] sind Vorstandsmitglieder der hes
sischen LINKEN. Ich glaube, Sie haben sich noch nie von der Jugendbewegung [’solid] distanziert.
„Das wäre ja noch schöner.“ Ich nehme es sehr ernst, was Sie da gerade gesagt haben.
Es wäre noch schöner, wenn Sie sich von dem distanzierten, was Sie selbst häufig propagieren.
Diese linke Jugendbewegung wirbt auf ihrer Internethomepage mit Plakaten in dieser und ähnlicher Form.
Ich lese es vor; denn ich weiß nicht, ob alle es erkennen können: „Selbst machen, die Linke stark machen, Kapitalismus kaputt machen!“ Ich habe viele gefragt, was denn damit gemeint sei, wenn auf diesem Plakat angezündete Streichhölzer gezeigt werden. Jeder, den ich gefragt habe, hat mir gesagt: Das ist offensichtlich ein deutliches Signal der linken Jugend, dass man zündeln soll. Wozu braucht man sonst Streichhölzer?
Ich erwarte nicht, dass Sie sich davon distanzieren; denn Ihre Art von Politik besteht offensichtlich auch in dieser Form der Eskalation bzw. der Provokation von Gewalt.
Unser heutiger Antrag richtet sich an die demokratischen Parteien im Hessischen Landtag.Er richtet sich an Sie alle bei den GRÜNEN und bei der SPD, die Sie nach wie vor glauben, dass man gemeinsam mit dieser LINKEN Politik machen darf. Er ist nicht nur ein klares Bekenntnis zum Ausbau des Flughafens,sondern er richtet sich an Sie auch als ein Signal, dass Sie ein klares Bekenntnis zum Rechtsstaat und zu einer ordentlichen, rechtsstaatlichen und fairen demokratischen Auseinandersetzung abgeben müssen.Vor allen Dingen appelliert er an Sie, dass Sie im Hessischen Landtag gemeinsam mit uns der Gewalt eine klare Absage erteilen. – Vielen Dank.
Erster Vizepräsident Lothar Quanz:
Danke sehr, Herr Boddenberg. – Als Nächster hat Herr Frankenberger für die SPD-Fraktion das Wort.
Frau Kollegin, vielen Dank. – Sie haben Nordhessen angesprochen und gesagt, die Entwicklung dort sei ausschließlich auf die konjunkturelle Entwicklung in Deutschland insgesamt zurückzuführen.Wie erklären Sie dann, dass die Arbeitslosigkeit im Regierungsbezirk Kassel in den letzten acht Jahren dreieinhalb Mal stärker zurückgegangen ist, als es beispielsweise in den benachbarten Regionen in Niedersachsen der Fall ist?
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will zunächst auf das eingehen, was Kollege Hahn zu Recht eingefordert hat, dass wir nämlich eine Entschuldigung für das erwarten, was Sie eben in Richtung HansJürgen Irmer behauptet haben. Es ist unglaublich, dass in diesem Hause solche Vorwürfe auftauchen.
Frau Kollegin,hier ist eben von Ihnen gesagt worden – das kennen wir schon als Behauptung von Herrn van Ooyen –, dass DIE LINKE die Partei sei, die sich mit der Aufarbeitung ihrer Vergangenheit besonders hervorgetan habe, was sich vor dem Hintergrund einiger aktueller, aber vielleicht auch nicht ganz so aktueller Dinge doch sehr merkwürdig anhört. Vielleicht erinnern Sie sich noch an einen Landtagskandidaten der LINKEN,Karl-Klaus Sieloff,der im Januar öffentlich vor einer Wahl der LINKEN gewarnt hat.
Herr Präsident, ich gehe davon aus, dass ich zitieren darf. Er sagte damals: Die Linkspartei darf es am 27. Januar nicht in das Parlament schaffen. „Die Parteiführung ist verlogen, undemokratisch und totalitär. Den Ton geben Anarchisten,Altkommunisten und Chaoten an.“
Frau Kollegin, jetzt kommt es. Weiter: „Die Verbrechen der DDR anzusprechen oder von Aufarbeitung zu sprechen ist absolut tabu. Da wird man sofort als Rechter beschimpft.“
Es heißt weiter bei Herrn Sieloff: Kolleginnen und Kollegen,wir haben in Hessen jetzt eine Kaderorganisation,die jede unliebsame Diskussion abwürgt. Die Programmatik täuscht. Dahinter stehen Sektierer, die von der untergegangenen DDR träumen.
Meine Damen und Herren, das straft Ihre Behauptung Lügen, die Sie hier aufgestellt haben.
Zu einem aktuellen Vorgang berichtet die „Frankfurter Rundschau“ am 27.08.: Die LINKEN zensieren sich selbst.– Im Internetauftritt der LINKEN gab es bis zu diesem Zeitpunkt eine Gruppe Marxistischer Arbeitskreis zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung,die vom Netz gegangen ist. „Frankfurter Rundschau“ wie „Spiegel“ berichten übereinstimmend, dass dort nahezu ausschließlich Verharmlosendes über die DDR-Vergangenheit und das DDR-Regime verbreitet wurde.
Sie haben gerade noch vor wenigen Tagen wieder einmal bewiesen, dass Sie mit Geschichtsaufarbeitung rein gar
nichts zu tun haben. – Herr Präsident, ein letzter Satz: Der Bundesgeschäftsführer der LINKEN Bartsch bezeichnete diesen marxistischen Arbeitskreis als gewisses Relikt aus alten Zeiten. Das spricht Bände.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, dass es durchaus sinnvoll ist, dass man in einer zweiten Runde auf das eine oder andere eingeht, was hier vorgetragen worden ist. Ich will zu der ersten Rednerin, Frau Ypsilanti, kommen, die sich aus meiner Sicht heute etwas anders als Herr Schäfer-Gümbel noch ein Stück mehr von dem entfernt hat, was mit der Agenda 2010 im Bund mit Unterstützung oder maßgeblicher Gestaltung durch den damaligen Bundeskanzler Schröder verabschiedet wurde.
Frau Ypsilanti, das kann man doch sagen. Das haben Sie auch an verschiedenen Stellen gesagt. Dann sollten Sie auch hierher kommen und genau das wiederholen. Ich halte wesentliche Elemente der Arbeitsmarktpolitik der rot-grünen Bundesregierung für verfehlt. Im Ergebnis ist es aber heute so, dass Sozialdemokraten, die nicht in Hessen wirken, sondern im Deutschen Bundestag sitzen, nach wie vor der Überzeugung sind, dass die jüngsten Erfolge auf dem Arbeitsmarkt zumindest in Teilen, vielleicht in wesentlichen Teilen, genau mit dieser Agenda 2010 zusammenhängen. Dann kommen Sie bitte auch hierher, und sagen Sie, dass Ihre Parteifreunde in Berlin Unrecht haben.
Insofern will ich vom Grundsatz her Folgendes sagen.Wir haben schon oft über diese grundsätzliche Frage gesprochen, Herr Dr. Spies. Ich gehöre zu denen, die durchaus aus dem Wahlergebnis vom 27. Januar gelernt haben.
Sie haben doch aufgerufen, dass ein solches Wahlergebnis und auch frühere Wahlergebnisse immer wieder deutlich gemacht haben und zunehmend deutlich gemacht haben, dass wir an verschiedenen Stellen nicht nur ein strukturelles Problem haben, beispielsweise auf dem Arbeitsmarkt, sondern dass wir nach wie vor auch ein Kommunikations- oder Vermittlungsproblem haben, nicht nur in der Arbeitsmarktpolitik. Das gilt nicht nur für die CDU oder die Große Koalition in Berlin.
Deswegen gehört das für mich zu den wesentlichen Erkenntnissen aus dem Januar-Wahlergebnis. Ich glaube, es gibt hier niemanden, der in den letzten Wochen Grund hatte, sich für dieses Ergebnis lange feiern zu lassen.Also sollten wir vielleicht alle einmal über die Frage nachdenken, was uns dieses Wahlergebnis sagt. Es sagt uns aus meiner Sicht: Ja, wir haben an verschiedenen Stellen große Probleme der Vermittlung von Maßnahmen politischer Arbeit. Da ist es nicht nur die CDU, sondern es sind auch die Sozialdemokraten, die an verschiedenen Stellen Probleme haben – das sagen auch die Umfragen in diesen Tagen –, Dinge zu verkünden, die auf den ersten Blick nicht ganz erfreulich oder angenehm sind.
Deswegen sage ich, in der Arbeitsmarktpolitik gibt es keine Schwarz-Weiß-Lösungen.
Da gibt es keine Schwarz-Weiß-Lösung, dass wir so tun, dass das, was nicht sein darf, nicht sein kann – oder andersherum, dass das, was nicht sein kann, auch nicht sein
darf, dass wir erst einmal einen Mindestlohn flächendeckend von Norden nach Süden machen und ein Problem gelöst haben. Frau Ypsilanti, darüber haben wir oft gesprochen, aber das ist den Menschen völlig zu Unrecht Sand in die Augen gestreut.
Wir sagen, es macht Sinn, dass man differenziert. Deswegen haben wir gemeinsam mit der SPD im Bund ein Entsendegesetz verabschiedet – bei einigen Themen durchaus mit Bauchschmerzen. Die FDP hat nicht umsonst kurz „Post“ gerufen, weil dieses Gesetz aus meiner Sicht ordentlich missbraucht worden ist.Auch das war damals Teil der Kritik der Liberalen.
Da es an verschiedenen Stellen so ist und auch sichtbar ist, dass eine Einfachlösung sich nirgendwo anbietet, schlage ich vor, dass wir versuchen, zunächst einmal sachlich eines festzustellen. Da bin ich etwas enttäuscht, wenn Frau Hölldobler-Heumüller hier so tut, als sei die CDU die Partei, die in Kauf nehme, dass Menschen von der Tafel ernährt werden, weil sie unter die Armutsgrenze fallen.
Frau Hölldobler-Heumüller, wir sollten uns wechselseitig nicht unterstellen, dass das irgendjemand gut findet. Das will ich hier in aller Deutlichkeit sagen.
Wir können über die Wege streiten. Wir können darüber streiten, dass die CDU die Sorge hat – das ist der zentrale Punkt unserer Argumentation –, dass Arbeitsplätze verloren gehen, dass Arbeitsplätze gar nicht erst entstehen, wenn sie zu teuer sind, dass Arbeitsplätze nicht wettbewerbsfähig sind. Ich sage sehr deutlich, ich weiß, dass viele Arbeitsplätze auch heute schon rein finanziell betrachtet nicht wettbewerbsfähig sind, aber trotzdem in Deutschland noch existieren.
Da sind aber viele Arbeitsplätze dabei, die es nur deshalb weiterhin gibt – das hat Frau Müller-Klepper schon gesagt –, weil sie „alimentiert“ werden, da der Markt sie nicht hergibt. Hier bleibt es bei der Position der CDU-Fraktion. Wir sagen: Bevor wir jemanden in die Arbeitslosigkeit schicken, weil sein Arbeitsplatz gar nicht erst geschaffen wird, weil es sich vielleicht um eine Dienstleistung handelt, die sich Menschen nur dann leisten, wenn sie einen bestimmten niedrigen Preis hat, sagen wir für diesen Fall eine Förderung zu – natürlich streng reglementiert und mit der sehr klaren Ansage an die Wirtschaft, dass es nicht sein kann, dass hier Mitnahmeeffekte stattfinden. Dagegen muss sich die Politik nicht nur mit Worten, sondern auch mit Taten wehren. Wir sagen: Diesen Arbeitsplatz wollen wir lieber alimentieren, statt ihn gar nicht zu haben.
Herr Präsident, lassen Sie mich noch einen Satz in Richtung FDP sagen. Es ist das Thema Kündigungsschutz angesprochen worden. Die Schweiz ist als Beispiel erwähnt worden. Häufig wird in diesem Zusammenhang auch Dänemark genannt. Auch da gibt es keine einfache Lösung, denn man muss, wenn man genau hinschaut, schon feststellen, dass es beispielsweise in Dänemark sehr wohl ei
nen Kündigungsschutz gibt, allerdings keinen, den der Gesetzgeber par ordre du mufti verhängt, sondern der muss miteinander verabredet werden. Das ist branchenabhängig und sehr unterschiedlich ausgestaltet.
Insofern schlage ich auch der FDP-Fraktion vor: Lassen Sie uns versuchen, weiterhin bei der Sache zu bleiben und keine Schwarz-Weiß-Lösungen hier feilzubieten. Es gibt keine Schwarz-Weiß-Lösungen. Ich glaube, dass von der schwarz-roten Koalition im Bund der richtige Weg eingeschlagen worden ist, der mehreren Facetten des Problems Rechnung trägt.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich dachte nur, dass möglicherweise zunächst die GRÜNEN ihren Antrag begründen oder im Zusammenhang mit dem Antrag der FDP diskutieren wollen.
Herr Posch, ich kann mich an vielen Stellen mit dem, was Sie hier gesagt haben, einverstanden erklären. Es ist – davon gehe ich einmal aus – Konsens über alle Parteigrenzen hinweg, dass das Regionale Dialogforum und das Mediationsverfahren am Ende sehr dazu beigetragen haben, dass dieses in jeder Hinsicht gewaltige Projekt mit seinen positiven wie auch negativen Wirkungen in einer sehr sachlichen Atmosphäre diskutiert und weiterentwickelt worden ist.
Meine Damen und Herren, aber ich glaube, wir sollten zunächst schon einmal sagen, dass dieses Projekt nach wie vor ein Projekt ist, das, wenn wir es denn realisieren, viele andere Tagesordnungspunkte ein wenig in den Hintergrund drängen könnte. Wir haben in den letzten Tagen, Wochen und Monaten zu wenig darüber gesprochen, dass wir durchaus mit einem Ausbau eines Flughafens und den anderen großen Infrastrukturprojekten gewaltige Chancen in diesem Land haben.
Wenn es Teil des Regionalen Dialogforums war und weiter sein soll, dazu beizutragen, dass dies wechselseitig von allen Beteiligten so gesehen wird, und wir nämlich nicht nur beispielsweise über das Thema des Lärmschutzes,sondern auch darüber reden, dass dort die Unternehmen Arbeitsbedingungen haben müssen, die sie wettbewerbsfähig halten, dann sind wir sehr dafür, dass wir diesen Dialog nicht nur fortführen, sondern weiter intensivieren.
Das ist sehr nett, Herr Abg. Milde. – Dazu muss man sehen, dass wir auf der Welt nicht allein sind.
Frau Kollegin Wissler, man muss schon hin und wieder in Erinnerung rufen, dass wir auf der Welt nicht allein sind. – Es gibt zurzeit in Europa Investitionsvorhaben im Umfang von 70 Milliarden c für den Ausbau verschiedener Flughafenstandorte. Jetzt will ich gar nicht über diese gewaltige Investitionsgröße reden, sondern will sagen, dass natürlich auch an vielen anderen Plätzen Ausbauten solcher Verkehrsprojekte und Flughäfen mit sehr kritischer Begleitung stattfinden.
Ich will ein Beispiel herausnehmen, von dem ich glaube, dass es in einer sehr vorbildlichen Weise gelungen ist, alle Betroffenen an einen Tisch zu setzen und nicht nur zu beraten, was die besten Wege – insbesondere im Lärmschutz, aber auch in vielen anderen umweltrelevanten Fragen – sind, sondern am Ende auch verbindliche Unterschriften unter Vereinbarungen zu bekommen, die dann zu einem Weniger an gerichtlicher Auseinandersetzung und damit zu einem offeneren und sachlicheren Dialog in der Region geführt haben. Wien ist ein gutes, ein vorbildliches Beispiel dafür, wie Dialog stattfinden kann.
Herr Kaufmann, wenn ich das sagen darf – darüber haben wir oft gestritten –: Ich finde es bis heute schade, dass sich die Bürgerinitiativen weitestgehend aus dem Regionalen Dialogforum und irgendwann aus der Mediation verabschiedet haben. Ich wünschte, dass sich jetzt, wo ein Planfeststellungsbeschluss auf dem Tisch liegt, die Bürgerinitiativen engagierter und aktiver in diesen Dialog einbringen. Ich habe ihnen nicht vorgeworfen, dass sie sich nicht einbringen.Aber sie waren in ihren Bereichen und häufig in ihren Zielgruppen engagiert.
Deswegen ist es mein Wunsch oder unser Wunsch – ich bin gespannt, was die Fraktionen zu den Vorschlägen der Landesregierung sagen werden –, dass wir es schaffen, noch etwas mehr an Breite in diesem Regionalen Dialog zu gewinnen.
Washington – das war ein Bericht in der „FAZ“ am Samstag – hat offensichtlich noch weniger Probleme als viele Standorte in Europa, auch als wir in Hessen. Der Tenor dieses Berichts in der „FAZ“ zu einem großen Ausbauvorhaben am Flughafen in Washington war:Dort ist es seit vielen Jahren gelungen, dass vom Vorstandsvorsitzenden der Betreibergesellschaft bis hin zur – das meine ich nicht
abwertend – letzten Bürgerinitiative regelmäßig offen über die Vorhaben des Flughafens geredet worden ist. Wenn ich das recht in Erinnerung habe, haben selbst grüne Bundestagsabgeordnete zu diesem konkreten Projekt gesagt: Es scheint eine wichtige Grundlage für gute Lösungen zu sein, dass man rechtzeitig miteinander spricht.
Insofern muss man heute sagen, dass es richtig war, rechtzeitig eine Mediation zu begründen. Sie wissen auch, dass beispielsweise ich das anfangs deswegen kritisch begleitet habe, weil wir gesagt haben: Das war 1998 nur ein Versuch von Rot-Grün, über den Wahltermin zu kommen. – Aber sei es drum, einmal unabhängig von den Motiven im Nachgang und bis heute und hoffentlich auch in Zukunft muss man sagen, dass das ein sehr richtiger und notwendiger Schritt war.
Natürlich an mehreren, aber an einer zentralen Stelle gibt es Streit, nämlich in der Frage, was eigentlich zwischenzeitlich im Planfeststellungsbeschluss von dem angekommen ist, was aus dem RDF heraus – Auftraggeber war die Mediation – im sogenannten Anti-Lärm-Pakt an Vorstellungen formuliert worden ist. Da gehe ich ein bisschen weiter über das hinaus, was Kollege Posch vorgetragen hat, beispielsweise die Frage des von Herrn Wörner vorgeschlagenen Lärmindex. Dazu steht in der Begründung der Vorbehalt, dass, wenn es im weiteren Verfahren gelingt, zu einer anerkannten Größe zur Begutachtung und Evaluation zu kommen, der Planfeststellungsbeschluss vorsieht,dass das Eingang in das weitere Verfahren findet.
Ich glaube, insofern sind wir auf einem guten Weg. Wir sind bei ersten Schritten auf einem sehr wichtigen Weg für Hessen. Heute schreibt die „Frankfurter Rundschau“: Fraport darf jetzt die Ameisen umsiedeln. – Das will ich nicht ironisch verstanden wissen, sondern das zeigt, wie sehr wir uns auch mit Hunderten und Tausenden Detailfragen zu beschäftigen hatten und zukünftig haben. Deswegen wird das auch weiterhin kein einfacher Dialog sein. Ich glaube aber, ein solches Beispiel und eine solche Überschrift zeigen,wie weit mittlerweile Umweltrecht gerade bei solchen Großvorhaben stattfindet.
Deswegen brauchen wir weiter eine breite Beteiligung – ich wiederhole – angesichts der Komplexität dieser gewaltigen Aufgabe. Ich habe ein bisschen im Archiv nachgeschaut.Der Planfeststellungsbeschluss zur Startbahn West von 1971 hatte den Umfang von 20, 25 Seiten. Der heutige Planfeststellungsbeschluss hat insgesamt einen Umfang von zweieinhalbtausend Seiten, was schon zeigt, dass diese Verwaltung vor gewaltigen Herausforderungen stand und an vielen Stellen auch dem Rechnung getragen hat, was das Regionale Dialogforum bisher geliefert hat.
Wir haben oft darüber gesprochen – ob das Vorschläge technischer Art zur Vermeidung von Fluglärm am Flugzeug selbst sind, aber auch ob es verschiedene offene Türen sind, um dem Gesetzgeber noch die Möglichkeit zu geben, nachzujustieren.All das ist Teil dieses Planfeststellungsbeschlusses.
Wichtig ist in dieser Debatte, dass wir uns alle auch für den zukünftigen Dialog vornehmen, dass das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit weiterhin für alle Beteiligten Geltung haben muss. Das gilt nicht nur für die Frage der Auseinandersetzung, sondern das gilt auch für die Anerkenntnis, dass in einem Rechtsstaat ein solches Verfahren an verschiedensten Stellen einer Abwägung unterliegt.
Deswegen finde ich es manchmal ein wenig einseitig, wenn in der Frage der Abwägung nur der Lärmschutz und
nur der Naturschutz diskutiert werden, aber die Fragen der Interessen der Arbeitgeber, der Unternehmer dort, in diese Abwägung in der öffentlichen Diskussion aus meiner Sicht zu wenig einfließen.
Herr Kaufmann, wir haben an verschiedenen Stellen auch über diesen Punkt gestritten. Ich glaube, diese Anerkenntnis ist wichtig, auch im zukünftigen Dialog.Wir sollten Airlines und erst recht der Fraport unterstellen – Sie haben an anderer Stelle Gelegenheit, einzuwirken –, dass sie versuchen, ebenfalls mit dieser Abwägung ein solches Projekt vorzunehmen, d. h. auch die Beteiligten auf der Produzentenseite, wenn ich das so sagen darf,Verschiedenes unternommen haben und weiterhin unternehmen werden, um die Situation im Umland des Flughafens zu verbessern.
Abschließend – es wundert mich, dass Herr Posch das nicht angesprochen hat – will ich schon noch sagen, dass mich ein wenig die Position der SPD verwundert. Es hat einen offenen Brief des Kollegen Posch an Ihre Fraktionsvorsitzende Ypsilanti gegeben, in dem Herr Posch daran erinnert hat, was eigentlich aus der Ankündigung vom Dezember geworden ist, dass man das Planfeststellungsergebnis noch einmal juristisch würde prüfen wollen.
Wenn ich es richtig verstanden habe, hat Herr Walter zwischenzeitlich irgendwann einmal bei einer Veranstaltung des Regionalen Dialogforums gesagt: Aus meiner Sicht ist der Planfeststellungsbeschluss, wie er ist, halt so, wie er ist, und nicht veränderbar. – Ich habe Sie so verstanden. Herr Walter, vielleicht sagen Sie etwas dazu. Ich finde schon,dass diese Positionierung der SPD jetzt irgendwann notwendig ist – bei allem, was wir vor dem Landtagswahltermin an Streit in der Frage gehabt haben –: Warum legt ihr jetzt einen Planfeststellungsbeschluss vor?
Wir haben immer gesagt, wir haben es zum rechten Zeitpunkt gemacht – damit die Menschen wussten, worüber sie am 27. Januar auch zu entscheiden haben. Ich finde, mehrere Monate nach dieser Zeit des Wahlkampfes haben die Menschen ein Recht darauf, zu wissen, was die SPD in dieser äußerst grundsätzlichen und für die Zukunft sehr wichtigen Frage für die Zukunft unseres Standortes und unseres Bundeslandes heute sagt.
Auch von unserer Seite natürlich ein herzliches Dankeschön an Herrn Prof.Wörner. Er hat eine tolle Arbeit geleistet und wird uns hoffentlich auch in Zukunft in irgendeiner Form mit Rat und Tat zur Seite stehen. Das war der letzte Satz in einem Zwischenkapitel beim Ausbau des Frankfurter Flughafens. – Herzlichen Dank fürs Zuhören.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Walter, ich will auf diesen für mich durchaus sehr zentralen Punkt noch einmal eingehen. Bevor Sie an das Rednerpult getreten sind, hatte ich Sie gefragt, was die endgültige juristische Überprüfung ergeben hat, die von der SPD-Fraktion nach Auskunft von Frau Ypsilanti eingeleitet worden ist. Das hat nämlich sehr viel mit der Frage zu tun, die Sie jetzt noch einmal zu einem wesentlichen Punkt Ihres Vortrages gemacht haben, nämlich der Frage des Nachtflugverbotes.
Sie sind Jurist. Sie wissen besser als viele andere hier, dass in diesem Planfeststellungsverfahren eine Abwägung vorzunehmen ist. Sie wissen auch, dass es Gutachten gab, nach denen es einen Bedarf an 70,80 Nachtflügen gibt.Sie wissen aus diesem Verfahren sehr wohl, dass jede einzelne dieser Bedarfsmeldungen am Ende geprüft worden ist. Am Ende – das war auch die zwischenzeitliche Stimme von Herrn Wörner – war davon die Rede, schon im Vorfeld, aber dann auch dokumentiert im Planfeststellungsbeschluss, dass es diese 17 Ausnahmen geben muss, um weitestgehend Rechtssicherheit herzustellen, soweit das in einem solchen Verfahren bis zur endgültigen Entscheidung vor deutschen Gerichten möglich ist. Das ist der Punkt, über den wir schon noch einmal reden wollen und müssen.
Sie sagen heute rückblickend: „Wir hätten das alles ganz anders gemacht“. Sie wissen aber sehr wohl, dass es diese Bedarfe und die Gutachten dazu gegeben hat und dass es die Aufgabe einer Behörde ist, eben nicht nur eine Seite abzuwägen, sondern alle Seiten. Deswegen finde ich, dass es an der Stelle ein wenig unredlich ist, als Sie hier vorgetragen haben, was Sie alles gemacht hätten. Wenn Sie zu diesem Zeitpunkt in der Verantwortung gewesen wären, wäre am Ende gar nichts anderes herausgekommen. Ich möchte Sie bitten, hier noch einmal vorzutragen: Was haben Ihre Juristen zu der Frage gesagt, dass man das alles noch einmal auf den Prüfstand stellen kann und am Ende auch verändern kann? – Denn das hat sehr viel mit der grundsätzlichen Frage von Glaubwürdigkeit zu tun.
Die CDU hat all das vor der Wahl auf den Tisch gelegt. Man kann über Definitionen streiten. Es steht ein Nachtflugverbot in diesem Planfeststellungsbeschluss. Es besteht auch weitestgehend eine ordentliche Kommunikation seit diesem Tag, warum es diese Ausnahmen gibt.
Ich finde, offener und transparenter kann man ein solches Verfahren nicht betreiben.
Meine Damen und Herren! Ich hoffe, Sie sind nicht überrascht, dass ich Ihren Antrag sehr wohl gelesen habe.
Mein Zwischenruf bezog sich darauf,dass Sie kritisiert haben, dass der Entwurf im Bund vorsieht, dass die Unternehmen auch zukünftig einen bestimmten Umfang an Beschäftigung, sprich:Arbeitsplätzen, aufrechterhalten müssen, um in den Genuss – das apostrophiere ich; Sie haben ja Zweifel, dass es einer ist – einer Steuerminderung zu kommen. In diese Richtung ging mein Zwischenruf: „Was wollen Sie denn?“ Sie haben auf meinen Zwischenruf lediglich geantwortet, die FDP könne sich vorstellen, die Zuständigkeiten auf der Länderebene zu verändern.
Aber Sie haben nicht gesagt, wie sich ein Unternehmen – auch ein Mittelstandsunternehmen – Ihrer Vorstellung nach entwickeln muss, um in eben diesen Genuss zu kommen.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Schaus, wenn man Ihnen zuhört, könnte man auf die Idee kommen, dass Sie kurz vor der Auswanderung stehen, so wie Sie die Republik beschreiben.
Es ist an anderer Stelle von dem Kollegen der FDP deutlich darauf hingewiesen worden, dass wir eines nicht zulassen dürfen – ich glaube, daran müssen alle demokratischen Fraktionen hier im Parlament ein Interesse haben –: pauschal Unternehmertum in Deutschland zu diskreditieren.
Frau Ypsilanti, ich will ausdrücklich sagen:Wir sollten uns irgendwann darauf verständigen, dass wir uns nicht wechselseitig absprechen, dass wir an dieser Stelle der Niedriglohneinkommen in dieser Republik Probleme haben.Wir sollten uns bei der Frage, ob das gerecht oder ungerecht ist, nicht mit der ideologischen Seite beschäftigen, sondern damit, welche Wege die richtigen sind, um dieses Problem zu reduzieren.
Aber für wichtig halte ich in dem Zusammenhang – auch darauf sollten wir uns aus meiner Sicht verständigen –, dass wir nicht so tun,als könnte der Staat in einem solchen Parlament in Hessen oder in Berlin oder sonst wo ein Problem per Gesetz beseitigen.
Frau Ypsilanti, das ist der Kern des Streites. Ich glaube, es lohnt sich, dass wir diesen Streit weiter führen, nämlich darüber streiten, was die Folgen des einen oder anderen Weges sind.
Wenn Sie sagen: „die Folgen meines Weges“, nämlich eines gesetzlichen Mindestlohnes, flächendeckend, branchenunabhängig, von Ost nach West, von Nord nach Süd über die gesamte Republik, und gleichzeitig behaupten,
dass das keine Auswirkung auf die Beschäftigtenzahlen habe, dann sagt die CDU, dann sage ich: Das ist falsch.
Wenn man hier behauptet: „Schaut mal in Richtung Westen, was in Frankreich passiert“, dort nur dieses eine Segment, nämlich nur die Frage des Mindestlohnes, herausgreift und alles andere weglässt, beispielsweise weglässt, dass dieser Mindestlohn dort nachweislich gerade in dem problematischen Bereich jüngerer Menschen zu einer doppelt so hohen Beschäftigungslosigkeit wie in Deutschland führt, dann kann man so nicht argumentieren.
Ich gestehe Ihnen aber zu, dass Sie im Grunde genommen mit der einen Frage trotzdem ein gewaltiges Problem ansprechen, von dem ich aber sage: Es gibt andere Wege, das Problem zwar nicht zu lösen – ich glaube, das werden wir nie schaffen –, aber es deutlich zu reduzieren. Diese anderen Wege sind hier viel zu kurz gekommen. Diese andere Wege müssen heißen, dass wir uns um Qualifikation der Menschen
Frau Ypsilanti –, um die Qualifikation gerade der Menschen, über die wir reden, sehr viel mehr bemühen müssen, als das bisher der Fall war. Ich will das durchaus einräumen. Wir haben natürlich im Wahlkampf auch an verschiedenen Stellen mit dem geworben, was wir erreicht haben, beispielsweise damit geworben, dass wir die Abgangsquoten von Hauptschülern, die keinen Abschluss hatten, von vorher – das war im Jahre 2000 – ca. 24 % der Schüler auf unter 13 % verbessert haben. Das sind noch 13 % zu viel – in der sicheren Erkenntnis, dass diese 13 % weiterhin zu der Gruppe der Betroffenen gehören, über die wir hier reden.
Frau Ypsilanti, wir müssen an einer anderen Frage genauso diskutieren und arbeiten. Wir müssen nämlich dahin kommen, dass wir aufhören, so zu tun, als gäbe es nur ein homogenes Problem.Das Problem ist viel zu vielseitig, um es in einer Aktuellen Stunde zu diskutieren. Ich will trotzdem nur zwei, drei Punkte kurz aufgreifen.
Wo liegt denn eigentlich der entscheidende Unterschied zu dem, was in Berlin die großen Parteien zumindest in der Großen Koalition verabredet haben? Dort gibt es die Verabredung,zu sagen:Wenn wir Schutzmechanismen haben,die greifen und die nicht zu negativen Folgen auf dem Arbeitsmarkt führen, dann sind wir der Meinung, dass wir diese Schutzmechanismen entwickeln und verabreden müssen. – Das ist das Entsendegesetz, und das ist die dann zu beantragende Allgemeinverbindlichkeitserklärung der Tarifverträge.
Das passiert in einigen Branchen, die die Situation haben, dass sie hier am Ort die Leistung produzieren. Wenn bei den Gebäudereinigern – um einen großen Bereich zu nennen – selbst die Arbeitgeber Mindestlohn gefordert haben, dann habe ich dafür Verständnis, weil die Fensterscheibe nur hier geputzt werden kann.
Aber andere Branchen haben das Problem, dass sie beispielsweise mit ihren Konsumgütern in einem weltweiten Wettbewerb stehen. Gehen Sie doch bitte einmal in den Lebensmitteleinzelhandel und schauen sich dort die Preise der Produkte an. Sie wissen doch genauso gut wie ich, wenn Sie ein einzelnes Produkt betrachten, was dort auch an Niedriglöhnen dahintersteckt. Das gilt insbesondere für Produkte, die aus dem Ausland hierher kommen.
Diese deutschen Unternehmen und deren Beschäftigte können nicht einfach sagen: Okay, wir führen Mindestlöhne ein und ignorieren das Problem. – Die Folge wäre nämlich, dass wir Marktanteile verlieren und damit Beschäftigung abgebaut wird.
Frau Ypsilanti, ich verstehe, dass Sie nach diesem Wahlkampf nach wie vor der Auffassung sind, dies sei ein populäres Thema. Ich gebe Ihnen recht.
70 % der Deutschen sagen: Wir sind für Mindestlöhne. – Aber ich denke, es ist schade, wenn wir dieses Thema weiterhin auf dem Altar der Wahlkampfaktivitäten opfern. Dazu ist dieses Thema viel zu gewichtig.
Wenn ich abschließend noch eines sagen darf: Frau Ypsilanti, ich will dieses Thema wirklich nicht verharmlosen. Aber – Herr Präsident – ich möchte noch kurz zwei Dinge ansprechen.
Sie haben immer gesagt, man muss von seiner Arbeit leben können.Wenn Sie die Statistik der Bundesagentur für Arbeit anschauen, dann reden die dort über etwas mehr als 1 Million Aufstocker – wir wissen, worüber wir dabei reden: Menschen, die einer Beschäftigung nachgehen und zusätzlich Hilfe des Staates bekommen. Von diesen, ich glaube, es sind 1,2 Millionen, sind es etwa 300.000, die einen Vollzeitarbeitsplatz haben, also 40 Stunden pro Woche arbeiten, und von denen wiederum sind „nur“ – das sind viele – 70.000 oder 75.000
Betroffene, die ein Jahr lang in dieser Situation sind. Das heißt, wir müssen auch diese Dinge hin und wieder relativieren. Das ist meine freundliche Aufforderung an Sie, und dann lassen Sie uns weiter über den besten Weg streiten – aber bitte nicht über einen Weg, der zu Arbeitslosigkeit und damit zu noch größeren Problemen in diesem Lande führt.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, es ist schon bei den ersten zwei oder drei Redebeiträgen deutlich geworden, dass wir nach dieser Auseinandersetzung im Landtagswahlkampf die Chance haben, auch über die Umwelt- und Energiepolitik wieder ergebnisorientiert zu streiten und, was die Sprache anbelangt, ein wenig abzurüsten, so, wie es hier an vielen anderen Stellen schon passiert ist.
Noch etwas will ich ausdrücklich sagen.Herr Al-Wazir,ich glaube, wir sollten uns für die nächsten Tage und Wochen einfach einmal darauf verständigen: In den vergangenen Monaten haben wir alle uns nichts geschenkt.
Ich schlage vor, dass wir uns jetzt all den Aspekten der Energiepolitik zuwenden, die heute angedeutet worden sind, wobei ich das, was hier eben vorgetragen worden ist, deutlich ausklammern möchte;denn hier geht es um einen Systembruch, nicht nur bei der Energiepolitik, sondern auch die Frage soziale Markwirtschaft versus Staats- und Planwirtschaft betreffend. Ich glaube, diesen Weg wollen die anderen demokratischen Parteien in diesem Haus ebenfalls nicht gehen, auch nicht in der Energiepolitik. Reden wir also über die Sache.
Frau Apel hat an vielen Stellen nicht ganz zu Unrecht darauf hingewiesen, dass wir in Hessen eine andere Situation haben als in vielen anderen Bundesländern. Auch das ist in den letzten Monaten und Jahren häufig diskutiert worden. Herr Grumbach, ich glaube, man kann eine hessische Volkswirtschaft nicht mit Sachsen-Anhalt vergleichen, wie Sie das getan haben, weil wir völlig andere Basisdaten haben. Sie wissen das auch. Insofern gehört es auch zur Versachlichung der Debatte,
dass wir die Strukturen einer Volkswirtschaft,Topografie, die Rand- oder Mittellage,die Frage,ob man Anrainer der Nordsee oder Anrainer der Alpen ist, sehen müssen. All diese Dinge, die sich auf den ersten Blick recht banal anhören, spielen, wie Sie sehr gut wissen, am Ende eine wichtige Rolle in der Frage, was die zu bevorzugenden Energieträger für unser Bundesland sind, um einen deutlichen Schritt nach vorne zu tun.
Frau Hammann, was wir im Wahlkampf bekämpft haben, war beispielsweise das Konzept von Herr Scheer, das im Grunde genommen sagt: In fünf Jahren verzichten wir auf 90 % der derzeitigen Träger der Stromproduktion zugunsten regenerativer Energie.–Wir sagen nach wie vor – übrigens auch in diesem Antrag, wie Sie gesehen haben –, dass wir das für völlig aussichtslos halten.Wir sagen aber auch, dass diese 40 %, die wir dort formuliert haben, eine Signalwirkung haben – das sage ich sehr offen und deutlich – in unsere eigene Partei, aber auch in eine Öffentlichkeit,
die von uns daran erinnert worden ist, dass manches zwar schön wäre, aber auch dort die Frage, welchen Weg man geht, viele Facetten hat.
Herr Grumbach, was mich schon ein wenig berührt, ist, dass beispielsweise auch Sie als Sozialdemokrat die Frage der Bezahlbarkeit von Energie in Ihrer Rede, wenn ich das richtig gehört haben, nicht einmal angesprochen haben. Ich rede nicht nur von den Industrieunternehmen – auch eine wichtige Frage –, sondern ich rede beispielsweise von Verbrauchern, die jeden Monat ihre Stromrechnung bezahlen müssen.
Ich finde, dieser Wirtschaftsminister, um ein Beispiel aus der vergangenen Legislaturperiode zu nennen, hat viel dazu beigetragen,
zumindest Schlimmeres zu verhindern. Ich sage ja nicht: alles zu verhindern.
Frau Ypsilanti, insofern gehört beispielsweise die Frage der Bezahlbarkeit für – darf ich das so sagen? – die kleine Frau und den kleinen Mann dazu. Ich sehe mir jeden Monat Nebenkostenabrechnungen von Mieterinnen und Mietern an.Wir alle wissen doch,dass das mittlerweile der Hauptpreis- und -kostentreiber für das Wohnen in diesem Land geworden ist.
Herr Grumbach, also sage ich doch nur, wir dürfen diesen Aspekt nicht außer Acht lassen. Wir müssen ihn in dieser Debatte, die vor uns liegt, ganz nach vorne stellen. Es ist angeklungen, und durch Frau Apel ist von uns vorgeschlagen worden: Lassen Sie uns einmal all diese Dinge in sehr konzentrierter Form diskutieren – anhand von Vorträgen von Menschen, die aus den jeweiligen Bereichen nicht nur der Energieträger und Produzenten, sondern auch der Verbraucher und des Klimaschutzes kommen.
Herr Grumbach, lasst uns das in einer Form tun, wie wir es seinerzeit beispielsweise in – wie ich finde – sehr vorbildlicher Weise gemacht haben,als es um den Ausbau des Frankfurter Flughafens ging. Ich glaube, es war im Jahre 2000, als wir einen ersten großen Komplex der Anhörung im Zuge des Mediationsverfahrens hatten und uns drei Tage mit allen Facetten – der gesamte Landtag, nicht nur die Wirtschaftspolitiker, nicht nur die Umweltpolitiker – der negativen und positiven Folgen für jeden einzelnen der von uns zu ziehenden Schlüsse beschäftigt haben.
Ich habe das deshalb bis heute in guter Erinnerung, weil ich mich daran erinnere, dass es damals eine gute Streitund Diskussionskultur gab. Frau Hammann, unsere herzliche Bitte und unser Vorschlag wäre: Lasst uns jetzt nicht in den nächsten vier Wochen irgendwelche Entscheidungen treffen, von denen wir vielleicht in drei Jahren sagen, ein etwas anderer Schritt, ein nuanciert anderer Schritt oder vielleicht ein ganz anderer Schritt oder Weg wäre besser gewesen.
Herr Grumbach, lassen Sie uns nach der Sommerpause in einer sehr konzentrierten Form der Interaktion zwischen
Gegenrede und Rede und den unterschiedlichen politischen Auffassungen, die jeweils hinter den einzelnen Gutachtern und den einzelnen Investoren und vielen anderen, die wir zu berücksichtigen haben, stehen, in dieser Form der sachlichen Auseinandersetzung die richtigen Wege suchen.
Frau Präsidentin, letzter Satz. Ich finde, das Thema eignet sich durchaus – wie wir alle wissen – zum Populismus.
Ich habe eben da oben einzelnen Zuschauerinnen zugehört, die applaudiert haben, als Herr Grumbach forderte, auf regenerative Energie umzustellen, aber den anderen Teil,den ich eben angesprochen habe,wegließ.Ich will das niemandem vorwerfen. Aber auch dort gehört es zu der Debatte und zur Streitkultur, dass wir aufhören, dem jeweils anderen im Parlament vorzuwerfen, ihm seien die negativen Folgen von Ökonomie im Bereich der Ökologie egal.
Niemand von uns will höhere Staubentwicklung. Niemand von uns will mehr CO2 im Klima.
Niemand von uns will mehr Schadstoffe durch den Ausbau des Frankfurter Flughafens. Es ist immer eine Abwägung zwischen vielen Interessenlagen und zwischen vielen Bedürftigkeiten im Bereich der Energie,
in der Frage der Arbeitsplätze, die davon abhängen, in der Frage der Bezahlbarkeit – noch einmal – für den kleinen Mann. Ich glaube, alles das zusammengefasst können wir im Herbst beginnen, auf einen gemeinsamen guten Weg zu gehen. – Vielen Dank.
Herr Grumbach, genau das ist einer der Punkte, von denen ich eben gesprochen habe und die genau auch zu dieser Debatte gehören. Das hätte ich nämlich gern von Leuten gehört, die nicht mit einer politischen Brille, wie Sie und ich das häufig tun, durch die Gegend laufen.
Machen wir uns doch nichts vor.Bei uns ist häufig das Erste, was wir vor Augen haben, unsere eigene Ideologie, die wir teilweise über Jahrzehnte – auch Sie werden sich davon nicht freimachen können – haben.
Nein,das ist auch an Ihren Stellen über Jahrzehnte nachzulesen und zu dokumentieren. Das hat sich über Jahrzehnte entwickelt, um am Ende den Weg zu suchen, der dieser Ideologie entspricht. – Ich möchte einen anderen Ansatz. Ich glaube, deswegen ist das, was wir hier vorgeschlagen haben, der richtige Weg, statt immer zu glauben, dass man allein derjenige ist, der den Stein des Weisen gefunden hat und immer nur für sich reklamieren darf, dass er recht hat. Wir glauben, dass viele recht haben, und wir suchen in der Summe aller derjenigen, die gute Beiträge liefern, ein gutes Ergebnis.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Außerhalb des eigentlichen Inhalts dieser Anträge,die wir heute bezüglich der Zukunft der Deutschen Bahn diskutieren wollen, möchte ich zunächst einmal sehr herzlich der Fraktion der GRÜNEN und der Fraktion der FDP danken. Herr Al-Wazir, Sie haben zum ersten Mal mit einem gemeinsamen Antrag das wahr gemacht, was Sie angekündigt haben, dass wir nämlich in Zukunft häufiger über die Sache reden, uns auf wichtige Kernfragen konzentrieren und die Spielereien, die zu Beginn dieser Legislaturperiode und am Ende der letzten Legislaturperiode betrieben wurden, ein wenig zur Seite schieben.
Die angestrebte und beginnende Privatisierung der Deutschen Bahn ist der letzte große, wichtige Schritt in unserem Lande, ehemalige Staatsunternehmen in eine neue Struktur, in neue Wettbewerbssituationen, kurzum in eine Situation zu führen, die viele Wettbewerber dieser Unternehmen an ausländischen Standorten schon seit vielen Jahren hinter sich haben.
Wir haben in Deutschland die Telekommunikation privatisiert. Wir sind dabei, die Post zu privatisieren, sie am Ende zu 100 % in den Wettbewerb zu stellen. Wir haben die Luftverkehrsunternehmen privatisiert, und wir haben die Energieunternehmen privatisiert. Das zuletzt genannte Beispiel ist allerdings ein eher schlechtes, denn es zeigt, dass der Weg in die Privatisierung nicht halbherzig gegangen werden darf, sondern immer mit Konsequenz verfolgt werden muss. Das heißt, wenn wir privatisieren, wenn wir privates Kapital in diese Unternehmen holen, wenn wir diese Unternehmen in den Wettbewerb stellen, dann müssen wir das so tun, dass diese wettbewerbsfähig sind, dass aber auch Wettbewerb stattfinden kann, frühere Monopolunternehmen also nicht etwa weiterhin in der Lage sind,Wettbewerb zu verhindern.
Da immer wieder darüber diskutiert wird, was das kostet und ob das Arbeitsplätze bringt, kann man am Beispiel der Telekommunikationsbranche ganz gut nachweisen, dass die Privatisierung der gesamten Branche einen enormen Schub in Richtung Arbeitsplätze und Innovationen gegeben hat. Diejenigen, die heute in ihre Parteiprogramme schreiben, dass eine Privatisierung dieser Bereiche des Teufels sei und am Ende den Beschäftigten nur schade, müssen schon eine Antwort auf die Frage geben, was die Alternative wäre. Herr van Ooyen, in der Telekommunikation sind Sie auf dem Weg zurück zur Wählscheibe, wir sind auf dem Weg in ein Zeitalter, das der Menschheit bereits unglaublich viel an Entwicklung gebracht und der Wirtschaft und den Arbeitsplätzen gleichermaßen genutzt hat.
Deswegen sagen wir zu dem, was in Richtung Bahnprivatisierung passiert ist, das ist grundsätzlich der richtige Weg. Wir stellen allerdings fest, dass die Sozialdemokraten in Berlin auf diesem Weg ins Stolpern gekommen sind, Herr Kahl.
Der jüngere Vorschlag von Herrn Beck lautete, den Nahverkehr auszuklammern – einen der wichtigen Teile des Verkehrs der Deutschen Bahn AG mit einem aufgrund der Regionalisierungsmittel des Bundes, basierend auf der Gesetzgebung aus dem Jahr 1997, relativ garantierten Umsatzvolumen in Höhe von 7 Milliarden c. Jetzt gibt es den Vorschlag, Verkehr und Logistik in eine Tochtergesellschaft einzugliedern und diese, allerdings nur zu 24,9 %, zu privatisieren, was wiederum bedeutete – das sagen z. B. meine Berliner Parteifreunde –, dass dieses Unternehmen kein DAX-Unternehmen werden wird. Das ist ein kleines, aus meiner Sicht aber wichtiges Argument dafür, zu sagen, dass das nicht das Ende der Diskussion sein kann.
Im Parteiprogramm der Hamburger Sozialdemokraten und in vielen Diskussionen auf SPD-Parteitagen und anderswo heißt es dazu: Es handelt sich um einen Kernbereich öffentlicher Daseinsvorsorge, den wollen wir nicht den Renditeerwägungen globaler Kapitalmärkte aussetzen.
Wenn Sie das nicht wollen, Herr Kahl, dann frage ich Sie allen Ernstes: Wen wollen Sie eigentlich für eine Beteiligung an diesem Unternehmen interessieren, wenn Sie sagen, Sie haben etwas gegen deren Renditeüberlegungen?
Herr Kahl, jedes Unternehmen des privaten Kapitalmarktes, das Geld in die Hand nimmt, um in ein Unternehmen zu investieren, hat zunächst einmal genau diese Renditeüberlegungen. Jeder, der das anders handhaben würde, würde sich der Untreue nicht nur verdächtig, sondern auch schuldig machen. „Wenn schon, denn schon“, Herr Kahl. Das ist meine herzliche Bitte an die Sozialdemokraten, auch hier in Hessen, falls es noch einige wenige gibt, die sich in solchen Fragen mit dem Querdenken beschäftigen. „Wenn schon, denn schon“ heißt, wir müssen akzeptieren, dass aus Renditeerwägungen heraus investiert wird. Wir sagen: Der Weg muss offen sein, mit Blick auf eine Mitbestimmung in diesem Unternehmen größere Anteile zu erwerben.
Ich will das Argument Daseinsvorsorge noch einmal kurz ansprechen, Herr Kahl, und Ihnen in Erinnerung rufen, um welches Unternehmen es sich handelt. Dieses Unternehmen wirbt unter anderem mit dem Slogan und Leitbild: der DB-Konzern auf dem Weg zum weltweit führenden Mobilitäts- und Logistikunternehmen. – Die Deutsche Bahn AG ist also dabei, sich weltweit aufzustellen, und sie ist an vielen Stellen schon so aufgestellt. Da komme ich mit Ihrer Daseinsvorsorge ein wenig ins Schleudern. Man kann darüber streiten, ob z. B. für den Bereich Energieversorgung andere Überlegungen gelten. Darüber haben wir im Zusammenhang mit der HGO schon häufig diskutiert. Aber man kann die Daseinsvorsorge nicht mit weltweiter Logistik, mit dem weltweiten Transport- und Güterverkehr der Deutschen Bahn AG verbinden. Kurzum, wir sagen, privates Kapital ist am Ende auch geeignet, ein Unternehmen zu kontrollieren, das sich weltweit, aber auch auf nationalem Boden erfolgreich bewegt – an einigen Stellen erfolgreicher, an einigen Stellen weniger erfolgreich. Umso mehr wollen wir dort unternehmerischen Einfluss haben, damit dieses Unternehmen vorankommt.
Was wir aber nicht wollen, das sind eine halbherzige Privatisierung und, damit verbunden, ein halbherziger Wettbewerb. Wir wollen eine klare Trennung. Da sind wir durchaus anderer Meinung als manche Berliner CDUParteifreunde. Wir wollen nämlich eine klare Trennung des Unternehmens Schiene vom Unternehmen Verkehr/ Logistik.
Wir wollen diese Trennung deswegen, weil wir an anderer Stelle, ich habe es eingangs angesprochen, erlebt haben, dass am Ende kein Wettbewerb stattfindet, wenn man keine klaren Wettbewerbsstrukturen und faire Wettbewerbsmöglichkeiten schafft. Wir sind der Meinung, dass sich alle am Wettbewerb Beteiligten, auch die Verkehrsunternehmen, mehr anstrengen, bessere Leistungen bringen, als wenn sie keinem Wettbewerb unterliegen. Wenn es denn um die Frage der Versorgung geht – auch da sind wir als Landespolitiker gefragt –, dann muss es möglich
sein, dass man klar definiert, was man haben will, dass man klar Sicherheitsaspekte definiert, um nicht das zu erleben, was beispielsweise in England passiert ist. Da stimmen wir überein. Wir alle wollen die Privatisierung des Schienennetzes nicht. Wir wollen und müssen dafür sorgen, dass Wettbewerb unter den Verkehrsunternehmen stattfindet. Das wiederum heißt, es kann nicht sein, dass der, der die Schienenwege verwaltet, der die Kosten kalkuliert – trotz Regulierungsbehörde –, am Ende in Interessenkollisionen gerät, um es freundlich auszudrücken, weil er eine Unternehmenstochter hat, die ihm zu 75 % gehört und gleichzeitig sein Kunde ist.
Ohne Böses dabei zu denken: Es wäre von einem Manager, der in beiden Unternehmen Verantwortung trägt, fast zu viel verlangt, sein eigenes Unternehmen – aus seiner Sicht – zu benachteiligen. Deshalb sagen wir: Es muss Wettbewerb stattfinden, und das geht eben nur mit einer klaren Trennung.
Deswegen lautet unsere Forderung, dass wir dort konsequenter sind. Deswegen lautet unsere Aussage, dass dies ein sehr wichtiger, für die gesamte Republik nachhaltiger Schritt ist.Deswegen fordern wir die demokratischen Parteien auf – das betone ich mehr denn je ganz bewusst –, sich zu diesem notwendigen Weg zu bekennen.
Anders ist es mit der Linkspartei. Ich glaube, dass muss man schon aushalten. Eben ist der Eindruck entstanden, dass man, wenn man hier vorne steht, sozusagen sakrosankt ist und jeden Unsinn erzählen darf,während ein Abgeordneter, der dazu berufen ist und hin und wieder Zwischenrufe macht, gleich mit Gewalt konfrontiert wird.
Frau Kollegin von den LINKEN, Sie haben das hier eben so zartfühlend vorgetragen. Ich will Ihnen kurz sagen, was die Kollegin, die eben hier gestanden hat, zu dem Thema Staatsunternehmen sagt. Sie sagt:
Bahn,Telekom, Strom, Post – das alles muss wieder in Staatseigentum.
Weiter sagt sie – das war am 5. März in „Welt Online“ –:
Ich weiß, das klingt nach DKP, aber niemand bei den Hessen-Linken hatte mit der DKP zu tun. Mit einer Ausnahme, aber das ist 20 Jahre her. Es gibt deshalb schon Unterschiede zwischen uns WessiLinken und den DDR-Altkadern im Osten. Aber die Grundsätze sind gleich.
Das sagt die Kollegin, die hier vorne sitzt. Ich fordere die LINKEN auf, uns endlich einmal zu sagen, was sie meinen,wenn sie in ihr Grundsatzprogramm bzw.in ihr Gründungsprogramm
schreiben:
Die Demokratisierung der Wirtschaft erfordert, die Verfügungsgewalt über alle Formen des Eigentums sozialen Maßstäben unterzuordnen.
Ich fordere Sie auf, dass Sie damit aufhören, nebulös schwadronierend durch die Lande zu laufen und Glücksmomente zu erzeugen. Kommen Sie hierher, und erklären Sie am Beispiel der Deutschen Bahn AG, was Sie damit meinen. Meinen Sie damit die Rückführung aller bereits
privatisierten Unternehmen in Staatseigentum? Meinen Sie damit am Ende auch das Instrument der Zwangsenteignung für den Fall, dass Unternehmen das nicht freiwillig machen?
Was meinen Sie damit, wenn Sie von der „Demokratisierung des Eigentums“ sprechen? Ich fordere Sie auf, endlich konkreter zu werden und damit aufzuhören, haltlose Parolen vorzutragen.