Protocol of the Session on May 14, 2008

Dass sich die Hessische Sozialministerin nicht ganz unbeeindruckt von den rechtlichen Entscheidungen um Hessen herum zeigt, halte ich für nachvollziehbar. Man kann nicht einfach das negieren, was andere Verfassungsgerichte in Deutschland bisher entschieden haben.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank. – Herr Kollege Dr. Jürgens.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Rentsch, die Einladung zu einer Kneipentour nehme ich selbstverständlich gerne an – ich gehe davon aus, dass ich dabei von Ihnen eingeladen werde.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das kann allerdings teuer werden.

Herr Kollege Rentsch, wir haben gewusst, dass wir mit dem Nichtraucherschutz Rauchern teilweise erhebliche Belastungen auferlegen.

(Florian Rentsch (FDP): Und den Wirten!)

Wir haben gewusst, dass wir von ihnen beispielsweise verlangen, dass sie zum Rauchen vor die Tür gehen. Das alles wussten wir, als wir dieses Gesetz verabschiedet haben.

Selbstverständlich gibt es auch in meinem Bekanntenkreis Leute,die rauchen.Selbstverständlich gibt es auch in meinem Bekanntenkreis Leute, die als Raucher mit mir und anderen zusammen in die Gaststätte gehen – und dann zum Rauchen vor die Tür. Alles das haben wir vorher gewusst. Selbstverständlich ist das eine gewisse Belastung für die Raucher, nach unserer Bewertung aber durch den Schutz der Nichtraucherinnen und -raucher gerechtfertigt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Wer wie ich als lebenslanger Nichtraucher in Gaststätten geht, hat es natürlich einfacher. Aber ich weiß auch, wie viel Lebensqualität ich durch den Nichtraucherschutz gewonnen habe.

In meinem Bekanntenkreis gibt es sehr viele Menschen, die das begrüßen – vielleicht eher die Schweigenden,denn diejenigen, die mit einer Regelung einverstanden sind, schweigen eher als diejenigen, die damit nicht einverstanden sind; die beschweren sich laut.

(Widerspruch des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Es ist durchaus so, dass sehr viele Menschen auch in meinem Bekanntenkreis und gerade solche mit Beeinträchtigungen sagen: Das ist vernünftig, das hat unsere Lebensqualität gesteigert. Wir gehen jetzt wieder lieber in Gaststätten und tragen gerne dazu bei, dass der Umsatz dort steigt. – Ich glaube, man muss es ein bisschen differenzierter sehen.

Sie haben das Problem erwähnt, dass Sie die Kneipen nicht richtig als Einraumgaststätten beschreiben können. Das aber zeigt doch, dass Sie das, was Sie eigentlich wollen, auf dem gesetzgeberischen Wege gar nicht erreichen können – jedenfalls nicht so, wie Sie es vorgelegt haben.

(Florian Rentsch (FDP): Machen Sie doch bessere Vorschläge!)

Den Nichtraucherschutz jetzt kurz und klein zu schlagen, ist ein Schnellschuss, den wir nicht mitmachen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herzlichen Dank, Herr Kollege Dr. Jürgens. – Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Dr. Bartelt das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Spies – auf die anderen Redner werde ich später noch eingehen –, Sie haben zwar gesagt, dass Sie den Entwurf der FDP wohlwollend und differenziert prüfen wollen. Ich meine aber doch eine gewisse Ironie in dem Moment erkannt zu haben, als Sie die Daten des DEHOGA als interessensgeleitet beiseite gewischt haben.

(Beifall bei der FDP)

Ich meine, das ist kein guter Ausgangspunkt, um sich diesem Problem zu nähern.

Was wirklich schwierig ist, das gebe ich ganz offen zu, ist, dass auch ich einen inneren Konflikt spüre, einerseits als Mediziner und andererseits als – –

Herr Dr. Bartelt, erlauben Sie eine Zwischenfrage von Herrn Dr. Spies?

Nach der Beendigung dieses Satzes, sofort. – Ich gebe zu, dass auch ich als Mediziner und jahrzehntelanger mittelständischer Unternehmer diesen Konflikt spüre. Wenn wir dies abwägen wollen, dann sollten wir unvoreingenommen in die Diskussion gehen. – Verehrter Herr Dr. Spies, es war einmal ein Bundespräsident aus Ihren Reihen, der gesagt hat: „versöhnen statt spalten“. Das sollte auch die Richtlinie bei den folgenden Beratungen sein.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Herr Dr. Spies, Sie haben jetzt das Wort.

Herr Kollege Bartelt, stimmen Sie mit mir darin überein, dass die Qualität der Daten des Statistischen Landesamts, die systematisch erfasst werden und auf exakten Zahlen beruhen und die überhaupt keinen Unterschied zwischen Quartalen vor und nach der Einführung des Nichtraucherschutzes zeigen, möglicherweise ein höheres empirisches Gewicht besitzen als eine Umfrage, deren Methoden bislang in keiner Weise dargelegt worden sind und die von einer Gruppe präsentiert worden ist, die ein unmittelbares wirtschaftliches Interesse hat? Stimmen Sie nicht auch darin mit mir überein, dass wir in der Anhörung genau prüfen sollten, welche Datenqualitäten – ich habe mir nichts anderes erlaubt, als hierauf hinzuweisen – die DEHOGA-Daten einerseits und die des Statistischen Landesamts andererseits haben?

(Zuruf von der CDU: Bravo, bravo, bravo!)

Sehr verehrter Herr Kollege Dr. Spies, ich stimme Ihnen insofern zu, dass man die Qualität der Datenerhebung prüfen sollte. Ich stimme Ihnen aber nicht zu, wenn Sie sagen, dass man von vornherein davon ausgehen sollte, dass etwas, was vom Staat produziert worden ist, besser ist als das, was von einem Interessensverband privater Unternehmen produziert worden ist. Die CDU-Fraktion hält sicherlich unverrückbar an ihrem Ziel fest – unsere Haltung ist hierzu ganz klar –, möglichst viele Menschen davon zu überzeugen, gar nicht erst mit dem Rauchen zu beginnen oder mit dem Rauchen aufzuhören. Wir sind auch der Meinung, dass der Nichtraucher vor dem Passivrauchen geschützt werden sollte. Uns ist auch bewusst, dass in Deutschland jährlich 110.000 Menschen an den Folgen des Tabakkonsums sterben – davon 3.000 Nichtraucher – und dass die mit Abstand häufigste Todesursache, die Gefäßerkrankungen, in kausalem Zusammenhang mit dem Tabakkonsum steht.

Weiterhin wissen wir, dass der Beginn des Rauchens im Jugendalter eine ganz besondere Gefahr darstellt. Es ist daher erfreulich, dass der Anteil jugendlicher Raucher stetig zurückgeht. Im Jahre 2001 waren es noch 28 %; im Jahre 2007 waren es nur noch 18 %.Dazu haben sicherlich auch die zahlreichen Nichtraucherschutzgesetze der Länder beigetragen. Dass Rauchverbote in Gaststätten hierbei eine Rolle spielen können, sieht man an einer jüngst veröffentlichten Umfrage aus den USA, denn im Bundesstaat Massachusetts werden die Rauchverbote seitens der Kommunen sehr unterschiedlich geregelt. Dort, wo es Rauchverbote gibt, ist der Anteil jugendlicher Raucher deutlich geringer. Er ist um 40 % geringer als in den Kommunen, in welchen dies nicht der Fall ist.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Dr. Thomas Spies (SPD))

Herr Rentsch, so viel als Anregung für Sie und als Antwort auf Ihre Frage, wen man denn eigentlich schützen sollte. Natürlich geht das weit über die Kneipenbesucher hinaus.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Deutschland ist auf einem sehr guten Weg. Durch die Einführung von Nichtraucherschutzgesetzen in 14 Bundesländern ist man

dabei,den Anteil der Raucher deutlich zu reduzieren.Das ist ein Ergebnis von Aufklärung sowie einer jahrzehntelangen Diskussion. Ich kann mich noch gut an meine Schulzeit erinnern und daran, dass besonders die Schulen, die von Lehrern der 68er-Generation geprägt waren, die Einführung von Raucherzimmern für Schüler geradezu als Emanzipation von der bürgerlichen Repression gefeiert haben.

(Beifall bei der CDU)

Diese Zeit ist glücklicherweise vorbei; und Hessen war im Jahre 2005 das erste Bundesland, das ein Rauchverbot für Schulen und Schulgelände eingeführt hat. In Bezug auf den Erfolg und die Akzeptanz des Nichtraucherschutzgesetzes gibt es eine einzige Ausnahme. Das haben die Daten des DEHOGA gezeigt: 93 % der Eckkneipenbesitzer haben Umsatzeinbußen zu verzeichnen gehabt. 20 % dieser Eckkneipenbesitzer haben Umsatzeinbußen von mehr als 50 % zu verzeichnen gehabt; zwei Drittel der Eckkneipen seien in ihrer Existenz gefährdet. Das sind menschliche Schicksale, derer wir uns wirklich annehmen sollten. Wir sollten in unsere Überlegungen einbeziehen, dass viele Besitzer von kleinen Einraumgaststätten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht die Spur einer Chance hätten. Wir sollten uns bewusst sein, dass Gaststättenbesitzer gegenüber ihrer Klientel oft eine soziale Kontrollfunktion ausüben.Wir sollten auch wissen,dass in manchen Straßenzügen die Eckkneipe das einzige Lebenssignal des Stadtbildes darstellt.

(Beifall bei der CDU)

Die Existenzbedrohung im kleinen speziellen Segment des Gaststättengewerbes führte natürlich zu Prozessen. Da es immer um die Abwägung grundsätzlicher Rechtsgüter ging, wie den Gesundheitsschutz, die Persönlichkeitsrechte sowie die unternehmerische Freiheit, ist es ganz natürlich, dass oberste Instanzen angerufen worden sind. Die obersten Gerichte der Bundesländer wurden 20mal angerufen. Das Bundesverfassungsgericht wurde fünfmal angerufen, dort werden die Beratungen am 11. Juni dieses Jahres beginnen. Erste Entscheidungen in Rheinland-Pfalz und in Sachsen haben dazu geführt, dass das Rauchen in inhabergeführten Einraumgaststätten ohne Angestellte wieder erlaubt wurde.

Meine Damen und Herren, zu diesem Zeitpunkt ist das Handeln des Landesgesetzgebers zwingend und dringend erforderlich. Unterschiedliche Rechtslagen führen nicht nur zu Wettbewerbsverzerrungen. Noch wichtiger ist es, dass die Politik Verantwortung zeigt, und sie darf sich am Ende nicht hinter Gerichtsentscheidungen verstecken. Wir müssen jetzt handeln. Wir brauchen eine pragmatische Regelung, so wie es der Diskussionsvorschlag der FDP anregt, und zwar: Die Duldung des Rauchens in inhabergeführten Einraumgaststätten ohne Angestellte ist etwas, worüber wir diskutieren sollten und was wir als mögliches Endergebnis in unsere Überlegungen einbeziehen sollten. Das reduziert vor allen Dingen die Gefahr, dass das Nichtraucherschutzgesetz, bezogen auf Restaurantbetriebe, von den Gerichten ausgesetzt und am Ende ganz ausgehebelt und verworfen wird. Das wollen wir nicht. Dem müssen wir jetzt als Landesgesetzgeber vorbeugen.

Die Bundesländer haben hierbei eine besondere Verantwortung, da dem Bund eine umfassende gesetzgeberische Kompetenz fehlt. Ich gehe natürlich davon aus, dass die Bundesjustiz-, die Bundesgesundheitsministerin sowie der Bundessozialminister dies unter Berücksichtigung des

Arbeitsschutzes sorgfältig und gewissenhaft geprüft haben.Wir vertrauen unseren Koalitionspartnern in Berlin.

Daher sollten wir versuchen, in den Beratungen über den Gesetzentwurf der FDP das Nichtraucherschutzgesetz so anzupassen, dass es erstens gerichtsfest gesichert ist, zweitens die Politik, der Gesetzgeber, Herr des Handelns bleibt sowie dass in der Gesellschaft hierüber nach Möglichkeit ein Konsens erzielt werden kann,damit viele Eckkneipen überleben können und damit sich Schritt für Schritt mehr und mehr Besitzer dafür entscheiden, dass ihre Gäste über die Dinge des Alltags,vielleicht auch über Entscheidungen des Hessischen Landtags, nebelfrei diskutieren können. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Herr Dr. Bartelt, herzlichen Dank. – Zu diesem Tagesordnungspunkt liegen keine Wortmeldungen mehr vor.

Dann ist die erste Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion der FDP für ein Gesetz zur Änderung des Gesetzes – –

(Allgemeiner Widerspruch)

Entschuldigung, man schaut nicht immer hin. – Frau Sozialministerin, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben im letzten Jahr das Hessische Nichtraucherschutzgesetz beschlossen, und zwar mit einer breiten Mehrheit in diesem Landtag. Dieses Gesetz hat in der Bevölkerung nach wie vor eine sehr breite Akzeptanz,und es hat nach meiner Ansicht einen großen Vorbildcharakter. Deswegen will ich gern auf die Kritik des Kollegen Dr. Spies und des Kollegen Dr. Jürgens eingehen und mich zur Frage äußern, was in diesem Zusammenhang noch einmal diskutiert werden muss. Ich möchte auch die Frage klären, weshalb wir heute noch einmal darüber diskutieren.

Erstens. Der Nichtraucherschutz bleibt ein ganz wichtiges Anliegen der Hessischen Landesregierung. Es geht gerade darum, dass Jugendliche erst gar nicht anfangen sollen, zu rauchen, sondern dort ist ein ganz anderer Vorbildcharakter vorhanden. Das wissen wir aus vielen Studien.