Aber die Frage ist: Hat die CDU-Fraktion sich eigentlich mit dieser Frage nicht beschäftigt, oder haben Sie neue Studien, die wir noch nicht kennen, die diese älteren Studien widerlegen? Gibt es irgendeinen nachvollziehbaren Grund, warum Sie, Frau Lautenschläger, als Gesundheitsministerin umfallen? Gibt es denn all diese Gefahren durch das Passivrauchen plötzlich nicht mehr? Oder, anders ausgedrückt: Haben Sie im letzten Jahr unzulässig dramatisiert, oder verharmlosen Sie heute die Gefahren? Beides wäre aus unserer Sicht unverantwortlich. Diese Fragen müssen Sie beantworten.
Wir haben uns auf der Grundlage der Anhörung auch sehr intensiv mit der Gesundheitsgefährdung von Beschäftigten im Gaststättengewerbe befasst. Da die Große Koalition in Berlin aus SPD und CDU nicht in der Lage war, einen umfassenden Nichtraucherschutz am Arbeitsplatz zu gewährleisten, hat meine Fraktion und haben die meisten anderen hier im Hause einer landesrechtlichen Regelung zugestimmt.
Wir müssen doch zur Kenntnis nehmen:Wenn das Krebsrisiko durch Passivrauchen im Gaststättengewerbe bis zu 50 % über dem Durchschnitt liegt, dann handelt es sich hier nicht um eine gesundheitspolitische Bagatelle.
Ich darf daran erinnern: Auf unsere Frage in der Anhörung im März 2007 an den Vertreter des DEHOGA, also des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands, was er
denn vorschlage, um die Gefährdung der Mitarbeiter zu reduzieren, hat dieser geantwortet – ich zitiere –:
Hier gibt es wirklich Probleme. Das gebe ich offen und ehrlich zu. Ich werde an den Bundesverband den Hinweis weitergeben, inwieweit hier Lösungen für den Mitarbeiterschutz gefunden werden können.
Wir als Gesetzgeber mussten diese Lösung treffen. Wir haben sie getroffen, und wir können nicht freiwillige Leistungen außen vor lassen, vor allem in einem Bereich, der von prekären Jobs und hoher Arbeitsbelastung bei geringen Löhnen gekennzeichnet ist und in dem sich viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eben nicht zur Wehr setzen können.
Wir haben diesen Gesundheitsschutz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als sehr hohes Gut gewertet und deshalb für das Gesetz gestimmt.
Aber, Frau Lautenschläger oder auch meine Damen und Herren von der FDP, was hat sich denn aus Ihrer Sicht seit dem letzten Jahr geändert? Haben Sie neue Erkenntnisse zum Mitarbeiterschutz? Ist es jetzt weniger gefährlich, in einer Rauchergaststätte zu arbeiten? Gibt es irgendeinen nachvollziehbaren Grund, warum Sie, Frau Lautenschläger, als geschäftsführende Gesundheitsministerin ins Schwanken geraten? Ich glaube, nicht.
Jetzt wird von der FDP gesagt: Die wirtschaftliche Entwicklung ist so, dass die gesetzliche Regelung unzumutbar ist. – Ich finde es schon einmal falsch und auch von der Gerichtsentscheidung nicht gedeckt, dass man den Gesundheitsschutz mit den wirtschaftlichen Entwicklungen abwägt und sagt: „Wenn wir es uns nicht leisten können, dann geben wir den Gesundheitsschutz auf.“ So kann es ja wohl nicht sein. Das hat im Übrigen auch das Gericht nicht gesagt, sondern es hat gesagt: Der Gesundheitsschutz ist ein berechtigtes Anliegen.Wir wollen nur nicht, dass es zu Wettbewerbsverzerrungen zwischen unterschiedlichen Gaststätten kommt.
Sie hätten also durchaus mit einer gewissen Logik die Konsequenz ziehen können: Dann untersagen wir die Raucherräume in den anderen Gaststätten.
Das wäre eine logische Konsequenz gewesen. Ob diese richtig ist, lasse ich einmal dahingestellt. Aber die Konsequenz, die Sie ziehen, in allen Einraumgaststätten, auch da, wo das Rauchverbot akzeptiert ist, das Rauchen wieder zuzulassen, macht aus unserer Sicht keinen Sinn.
Wir haben uns bei den Beratungen des Gesetzes durchaus auch mit Umsatzrückgängen in den Ländern beschäftigt,die das Rauchverbot in Gaststätten bereits seit Jahren eingeführt haben. Das ist keine neue Erfahrung. Dort war durchaus zu beobachten – ich betone das hier noch einmal –, dass in der Tat kurz nach Einführung des Rauchverbots die Umsätze zurückgingen. Allerdings war auch zu beobachten, dass sie später wieder anstiegen und heute in der Regel über den Umsätzen vor dem Rauchverbot liegen.
Wir haben uns mit dem Umsatzrückgang in der deutschen Gastronomie befasst. Er besteht schon seit vielen Jahren, als das Rauchen in den Gaststätten noch erlaubt war. Er ist also völlig unabhängig vom Rauchverbot.
All dies haben wir bei unserer damaligen Entscheidung berücksichtigt. Haben Sie in der CDU- oder in der FDPFraktion das eigentlich nicht diskutiert? Oder hat sich daran jetzt irgendetwas geändert? Bisher haben Sie überhaupt nichts dazu vortragen können, wonach wir unsere Entscheidung von damals – die alle jetzt erkennbaren Umstände berücksichtigt hat – revidieren müssten.
Inzwischen haben wir auch die ersten Konjunkturstatistiken der Statistischen Landesämter, die die Umsatzentwicklung zu Beginn des Jahres 2008 differenziert nachvollziehbar machen.Ein Ergebnis daraus ist,dass die Gastronomieumsätze in den einzelnen Bundesländern auf verschiedenen Niveaus verlaufen. Sie folgen regionalen Schwankungen – welche Überraschung –, liegen jedoch weitgehend im Trend der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Insgesamt liegen die Umsätze im Jahr 2007 niedriger als im Rekordjahr 2006 mit der Fußballweltmeisterschaft. Das ist aber doch naheliegend – dass es da vor allem in der Gastronomie Einschränkungen gegeben hat. Das hat aber mit dem Rauchverbot zunächst gar nichts zu tun.
Die Getränkegastronomie hat größere Einbußen zu verzeichnen als die Speisegastronomie. Das stimmt. Aber beispielsweise in Baden-Württemberg, wo das Rauchverbot bereits seit dem 1.August gilt,also schon länger als bei uns, zeigt sich bereits ein deutlicher positiver Trend der Umkehr gerade auch der Umsätze in der Getränkegastronomie. Damit scheint sich auch in Deutschland das zu bestätigen, was wir schon aus anderen Ländern wussten: Es dauert seine Zeit, aber es kommt, dass sich die Konsumgewohnheiten von Rauchern und Nichtrauchern, aber auch der Angebote von Wirtinnen und Wirten an die Lage anpassen. Das wird sich nach einiger Zeit durchaus wieder einregulieren.
Wir konnten vor zwei Tagen in der „Hessischen Niedersächsischen Allgemeinen“ lesen, dass zwei Wirte von erheblichen Umsatzeinbußen sprachen und zwei Wirte sich sehr zufrieden mit dem Nichtraucherschutz äußerten. Einer aus einer Einraumkneipe sagte: Die Luft war unerträglich, es ist wesentlich besser geworden, und jetzt kommen mehr Leute zu uns als vorher. – Auch solche Beispiele gibt es ohne Weiteres.
Völlig abstrus ist das Argument, hessische Gastwirte würden benachteiligt – das hat die Frau Ministerin in einem Interview gesagt –, weil das Rauchen in anderen Bundesländern erlaubt sei. Einmal abgesehen davon, dass vermutlich niemand aus Wiesbaden extra nach Hannover oder nach München fliegen wird, um abends sein Bier zu trinken,
muss doch festgehalten werden, dass insbesondere der Verfassungsgerichtshof in Rheinland-Pfalz bisher das Rauchverbot lediglich in einem Eilverfahren ausgesetzt hat. Es wurde also nur eine vorläufige Entscheidung getroffen. Dennoch wollen Sie daraufhin schon eine endgültige Regelung treffen. Das ist aus unserer Sicht nicht verständlich.
Auch die Begründung des Gerichts in Koblenz bezieht sich nicht auf das Rauchverbot als Ganzes, ich habe es schon gesagt.
Die Frage ist doch, ob wir nicht erst einmal schauen, wie die entsprechende Entscheidung ausfällt, um dann für Hessen zu bewerten, welche Konsequenzen wir daraus ziehen.
Auch beim hessischen Staatsgerichtshof sind Entscheidungen dazu anhängig, und bisher hat er das Hessische Nichtraucherschutzgesetz nicht ausgesetzt.Wir sollten abwarten, bis der hessische Staatsgerichtshof entschieden hat, und dann schauen, welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind.
Jedenfalls ergibt es aus unserer Sicht keinen Sinn, mit Schnellschüssen und einer Zerschlagung des Nichtraucherschutzes über das Ziel hinauszuschießen. Deswegen gehe ich davon aus, dass im Ergebnis der FDP-Gesetzentwurf unsere Zustimmung nicht finden wird.
Herzlichen Dank, Herr Kollege Dr. Jürgens. – Ich erteile Herrn Abg. Rentsch das Wort für eine Kurzintervention.
Herr Kollege Dr. Jürgens, Sie gestatten, dass ich eine kleine Zwischenintervention mache, weil einige der von Ihnen vorgetragenen Punkte für mich nicht ganz nachvollziehbar sind.
Erstens. Ich habe klar formuliert, dass unser Entwurf ein Vorschlag ist, eine Einladung an das Haus, beim Thema Nichtraucherschutz über einen neuen Weg zu diskutieren.
Dazu lade ich Sie ganz herzlich ein: Machen Sie Vorschläge, wie Sie es gerne regeln wollen. Ich weiß, auch Sie haben Kneipiers, Gastwirte in Ihren Reihen, und die haben doch mit den gleichen oder ähnlichen Problemen zu kämpfen.
Lassen Sie uns also diese Frage ganz nüchtern diskutieren. Ich glaube, dann kommen wir zu einer Lösung.
Zweitens. Sie haben gesagt, wir haben eine relativ weit gehende Regelung getroffen. Ja, wir haben gesagt, wir wollen die Einraumgastronomie befreien.
Ich gebe Ihnen zu: Eigentlich geht es mir in dieser Diskussion vor allen Dingen um die Kneipen.Aber als Jurist wissen Sie genauso gut wie ich, dass die Kategorie der Kneipe im Gaststättengesetz nicht einfach zu definieren ist. Das ist ein Problem.
An dieser Stelle will ich nochmals sagen: Ich warne davor, dass wir hier in Hessen bald über eine Quadratmeterbegrenzung diskutieren und daran die Kategorie Kneipe festmachen: 45 oder 55 m2. Aus meiner Sicht würde das natürlich dazu führen, dass die Ordnungsämter mit dem Zollstock durch die Kneipen laufen und prüfen, ob es 45 oder 55 m2 sind.
Wir wollen hier nicht mehr Bürokratie, sondern weniger Bürokratie. Herr Kollege Dr. Jürgens, das ist mir relativ wichtig.
Drittens. Ich lade Sie herzlich dazu ein, einmal eine gemeinsame Tour mit mir zu machen. Denn ich glaube, Sie wissen es eigentlich besser, als Sie es hier gerade gesagt haben.
Lassen Sie uns doch einmal gemeinsam einen Abend, einen Nachmittag durch hessische gastronomische Betriebe fahren, uns einmal die Situation vor Ort anschauen und mit den Betroffenen reden.
Ich sage Ihnen ganz bewusst: Ich glaube, wenn Sie das Gespräch mit den Betroffenen suchen, mit den Gastwirten und mit den Gästen, die abends neben einem Bier gern noch eine Zigarette rauchen,dann werden Sie ein anderes Bild erhalten. Dieses andere Bild sollte auch die Grundlage für die anstehende Diskussion sein. Ich lade Sie noch einmal sehr herzlich dazu ein: Lassen Sie uns gemeinsam nach einem Weg suchen.
Dass sich die Hessische Sozialministerin nicht ganz unbeeindruckt von den rechtlichen Entscheidungen um Hessen herum zeigt, halte ich für nachvollziehbar. Man kann nicht einfach das negieren, was andere Verfassungsgerichte in Deutschland bisher entschieden haben.