Ralf-Norbert Bartelt

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Last Statements

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir Christdemokraten finden es nicht gut, wenn das Schicksal einer Patientin mit einem bösartigen Tumor der Leber politisch instrumentalisiert wird.
Was ist denn in der Universitätsklinik Gießen-Marburg geschehen? Eine 62-jährige Patientin begab sich zur Abklärung unklarer Oberbauchbeschwerden ins Krankenhaus. Nach einem zweiwöchigen Aufenthalt behauptete die betreuende Hausärztin,die ihren Namen nicht nennen möchte, die Diagnostik und Therapieempfehlungen seien fehlerhaft gewesen. Ohne das fachlich zu substanziieren, behauptete sie zudem eine Kausalität, dies liege an der Privatisierung, der private Träger stelle Wirtschaftlichkeit vor medizinische Sorgfalt.
Nun sahen politische Kräfte, die aus ideologischen Gründen ohnehin etwas gegen die Privatisierung von Trägerschaften haben, ihre Chance. Mittlerweile wurde der Verlauf aber aufgeklärt. Nach Mitteilung des Ärztlichen Geschäftsführers Seeger wurde ein Karzinom richtig diagnostiziert. Die Vorgehensweise wurde mehrfach in der Tumorkonferenz interdisziplinär diskutiert.
Eine spezifische Therapie wie Chemotherapie, Strahlentherapie bzw. Immuntherapie konnte bedauerlicherweise nicht angeboten werden. Der Patientin wurde wegen der Tragik und der Schwere des Falls angeboten, die Zweitmeinung einer anderen Universitätsklinik einzuholen.
Auch die derzeit behandelnde Onkologin, die nicht im Klinikum arbeitet, sagte, dass es keine Hinweise auf ärztliche Fehler gebe. Sie äußerte sich zudem entsetzt, dass versucht wurde, aus dem Thema politische Vorteile ziehen zu wollen.
Das Klinikum erklärte ergänzend, es sei jederzeit bereit, den Fall vor der unabhängigen Schiedsstelle der Landesärztekammer mit unabhängigen Gutachtern, denen die Beteiligten zustimmen müssen, überprüfen zu lassen. Genau das ist der Weg, solche Fälle zu beurteilen. Ich kann das nicht beurteilen, was dort war – Sie aber auch nicht.
Folgerichtig kritisierte die kritische Presse: „Heiße Luft füllt Katheter“ – „Wetzlarer Neue Zeitung“ vom 20.09.2008, „Ein Fall wird politisch instrumentalisiert“ – „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ vom 22.09.
Ihnen geht es doch um etwas ganz anderes, um eine Kampagne gegen private Investitionen in Kliniken.
Sie greifen, grenzend an Demagogie, zu emotionalisierenden Mitteln, weil Ihnen die Argumente in der Sache ausgehen.
Beachten Sie einmal folgende vier Punkte:
Erstens. Deutschland ist im internationalen Vergleich bei der medizinischen Versorgung weiterhin führend, wiewohl mittlerweile 27 % der Kliniken in Deutschland in privater Trägerschaft sind.
Zweitens. Speziell in Gießen-Marburg werden 40.000 Patienten mit Steigerungsraten stationär jährlich behandelt. Die Zahl der ärztlichen Mitarbeiter stieg von 2006 auf 2008. Im Jahr 2008 werden 50 neue Pflegekräfte eingestellt. 367 Millionen c wurden oder werden in Gebäude und Infrastruktur investiert, 100 Millionen c in eine Stiftung für Hochschulmedizin.
Drittens. Überlastungen im Pflegebereich sind auch nach Angaben von ver.di durch die Unterfinanzierung der Krankenhäuser zu erklären. Eine Gewerkschaftssprecherin erklärte in der „FR“ vom 23.09., bezogen auf GießenMarburg, in der nicht privatisierten Uniklinik Frankfurt am Main sei es kaum besser. Pflichtgemäß fügte sie hinzu – ich will es vollständig zitieren –, es scheine wohl in privatisierten Kliniken etwas schlimmer zu sein, ohne dies aber zu belegen.
Viertens. In einer Publikation der BKK, 6/2008, S. 344 ff. – ich kann Ihnen das auch gerne geben – wird die Frage reflektiert: Sparen gewinnorientierte Träger durch Reduktion der Personal- und Sachausstattung an Behandlungsqualität, um profitabler zu werden? Die Antwort ist zusammengefasst im Krankenhausrating-Report 2008:
Krankenhäuser mit einer besseren Wirtschaftlichkeit weisen keine schlechtere Qualität auf, tendenziell eher eine bessere.
Werter Herr Kollege, zudem ist gerade in der Onkologie eine optimale Behandlung nur in Zentren möglich, damit die Betroffenen vom medizinischen Fortschritt profitieren können. Ein onkologisches Zentrum benötigt dringend die Zusammenarbeit mit privaten Geldgebern,sei es über Stiftungsprofessuren, weltweit angelegte Medikamentenstudien mit teuren Biologicals, PPP-Projekte bei Großgeräten für bildgebende Verfahren oder Bestrahlungstherapien.
Abschließend zitiere ich nochmals die „Wetzlarer Zeitung“:
Hinter all diesem
gemeint ist diese Kampagne –
steht vielmehr der durch Oskar Lafontaine gezüchtete Reflex, dass alle Privatisierungen schlecht und gefährlich seien. Festzuhalten bleibt, dass die anonymen Strippenzieher dieser Kampagne unverantwortlich gehandelt haben.
Da ist etwas dran. Denken Sie darüber nach. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Mehr qualifiziertes Pflegepersonal in den hessischen Kliniken ist wünschenswert und in einigen Krankenhäusern auch dringend notwendig, um die Versorgung der Patienten zu gewährleisten. Dem Bettenabbau durch die gewünschten kürzeren Liegezeiten und der Verlagerung der Versorgung in den ambulanten Bereich im letzten Jahrzehnt steht eine höhere Leistungsanforderung an das Pflegepersonal gegenüber, da innerhalb einer kürzeren Zeit mehr und anspruchsvollere Leistung je Patient notwendig wurde.
Ein Krankenhausetat besteht zuweilen zu mehr als 80 % aus Personalkosten. Daher müssen wir insbesondere über die Finanzierung beraten. Herr Kollege Spies hat zwar gesagt, Geld ist da. Aber so einfach kann man es sich nicht machen.Wenn wir durch Personalstandards in hessischen Krankenhäusern mehr Pflegepersonal fordern, müssen wir über die Finanzierung nachdenken. Es wäre völlig unrealistisch,anzunehmen,durch einen Beschluss des Hessischen Landtags die Einnahmen der Krankenhäuser von den Krankenkassen über die Veränderung von Einzelverträgen oder des DRG-Vergütungssystems erhöhen zu können.
Die finanziellen Spielräume in Krankenhäusern in Deutschland sind dramatisch eingeschränkt. Nach Angaben des Deutschen Krankenhausinstituts erwirtschafteten im Jahre 2007 40 % einen Gewinn, 30 % waren in der Verlustzone. Dies ergab eine Umfrage bei 300 der insgesamt 2.100 Krankenhäuser in Deutschland. Denselben Quellen zufolge sind kleinere Krankenhäuser mit bis zu 300 Betten – darauf müssen wir unser Augenmerk richten – von dieser Entwicklung stärker betroffen.
Erster Vizepräsident Lothar Quanz:
Herr Dr. Bartelt, Entschuldigung. Herr Dr. Spies hat sich für eine Zwischenfrage zu Wort gemeldet. Wollen Sie diese zulassen?
Nach dem Gedankengang gern, Herr Dr. Spies.
Für das Jahr 2008 wird bundesweit zusätzlich eine Unterfinanzierung von 2,2 Milliarden c durch Tarifabschlüsse, Energiekostensteigerung und Mehrwertsteuererhöhung erwartet – publiziert vom „Deutschen Ärzteblatt“ 2008. Daher sind die in Punkt 1 des vorliegenden Antrags genannten Aspekte seit Langem Forderung dieser Landesregierung wie auch anderer Länder. Wir freuen uns, dass sich durch den Antragsteller vielleicht mit seinem Einfluss im Bundesfachausschuss – er gehört zu den engeren Beratern der Bundesgesundheitsministerin – nun endlich das Bundesgesundheitsministerium dies zu eigen gemacht hat. – Herr Spies, bitte sehr.
Das Land muss sich auch an dem orientieren, was insgesamt da ist. Da wir innerhalb kurzer Zeit einen Bundesbasisfallwert haben, nimmt die Bedeutung des Landes auf dieser Ebene deutlich ab, sodass wir uns natürlich insgesamt auf die Finanzierung der Krankenhäuser konzentrieren müssen.
Das Problem der Unterfinanzierung der Krankenhäuser besteht in Hessen auch, obwohl Hessen bundesweit eine Spitzenposition in der Krankenhausfinanzierung der Gebäude und Großgeräte einnimmt. Während zwischen 1991 und 2006 die Krankenhausinvestitionen der Länder um 44 % zurückgingen, stiegen sie in Hessen im selben Zeitraum um 5,6 %. Nur der Stadtstaat Hamburg wies eine höhere Steigerungsrate auf. Und dies ist ein Verdienst gerade dieser Landesregierung.
Investitionen in die Krankenhäuser und Be- und Entlastung des Krankenhauspersonals stehen auch in einem Zusammenhang. Transporte von Patienten in entfernte Gebäude durch unübersichtliche Gangsysteme und Wagen vor Aufzügen gehören zum Klinikalltag. Die Einrichtung einer Arbeitsgruppe von betroffenen Fachleuten und den Landtagsfraktionen, um Vorschläge zu erarbeiten, damit Qualitätsanforderung und Pflegepersonalausstattung einander in der Praxis angepasst werden, wird von uns befürwortet.
Es soll hier diskutiert werden, ob etwa Zielvereinbarungen vor Ort, Regelungen über den Wettbewerb durch Deklarationspflicht des Pflegeschlüssels oder ein Landesgesetz das Problem am besten und vor allen Dingen am schnellsten lösen können. Wir stehen einer gesetzlichen Regelung durchaus offen gegenüber, wenn dies von den Beteiligten als notwendig erachtet und von den Trägern
als machbar angesehen wird. So äußerte sich etwa der Geschäftsführer der Universitätskliniken Gießen-Marburg, er sehe in der Einführung von Personalmindeststandards keine Probleme – „Gießener Anzeiger“ vom März 2008.
Die Einschätzung anderer Krankenhausträger wollen wir natürlich auch erfahren. Bei der Zusammensetzung der Arbeitsgruppe halten wir es daher für sinnvoll, dass uns nicht nur Vertreter der Krankenhausgesellschaft beraten, sondern dass uns Vertreter von kleineren Krankenhäusern, mittleren und Universitätskliniken beraten und dass uns öffentliche, frei-gemeinnützige und private Träger ihre Sichtweise darstellen.
Wenn in einem bestimmten Bereich der Krankenhauslandschaft, etwa in kleineren Kreiskrankenhäusern auf dem Lande in öffentlicher Trägerschaft, ein besonderer Handlungs- und Finanzierungsbedarf bestehen würde und wir uns für eine gesetzliche Regelung entscheiden würden, stellt sich zumindest die Frage der Anwendung des Konnexitätsprinzips. Dann dürfen wir die Kommunen nicht im Regen stehen lassen.Wir wollen auch dann Partner der Kommunen sein.
Es würde unserer Intention zuwiderlaufen, wenn etwa durch ein mögliches Gesetz Kliniken die Schließung geboten würde. Wir müssen dann dieselben Überlegungen anstellen wie bei der Verbesserung von Personalschlüsseln in Kindergärten und Kinderkrippen. Dann kommt bei der Bereitstellung von Haushaltsmitteln und Deckungsvorschlägen die Stunde der Wahrheit.
Meine Damen und Herren, es ist anzustreben, Regelungen in einem breiten Konsens herzustellen, denn sie müssen Eingang in die sehr langfristigen Planungen der Krankenhäuser finden. Die Maßnahmen, auf die wir uns auf Landesebene gemeinsam einigen wollen, müssen von kommunalen, frei-gemeinnützigen und privaten Trägern umgesetzt werden.
Meine Damen und Herren, wir bitten Sie bei dieser sicher nicht einfachen Diskussion herzlich, nach Möglichkeit auf ideologische Phraseologie zu verzichten.
Im Vorfeld der Debatte über Personalmindeststandards – ich möchte betonen: nicht im formulierten Antragstext – wurde zuweilen der Eindruck erweckt, die Tatsache, dass derzeit knapp 30 % der Krankenhäuser in privater Trägerschaft sind, sei ursächlich dafür verantwortlich, dass die Qualität der Pflege abgenommen habe – bis hin dazu, dass Ängste geweckt wurden, die Mortalität, also die Sterblichkeit, bei schweren Erkrankungen sei dort deutlich erhöht.
Auch Sie, Herr Spies, konnten in Ihrer Rede nicht unterdrücken, zu sagen,Wettbewerb schafft keine Qualität. Ich meine, darüber können wir streiten. Wettbewerb ist eine notwendige, jedoch noch keine hinreichende Bedingung für Qualität. Aber Sie haben auch gesagt – und dem möchte ich doch energisch widersprechen –, Wettbewerb steht ihr entgegen. Das widerspricht natürlich der Realität.
Wenn wir mehr Geld für Gebäude und personelle Ausstattung in den Krankenhäusern benötigen, müssen wir versuchen, private Investoren zu motivieren.
Zur Thematik der Qualität der medizinischen und pflegerischen Versorgung in Abhängigkeit von der Trägerschaft – also privat oder öffentlich – hier nur zwei Stichpunkte.
Die Techniker Krankenkasse publizierte kürzlich in der „FAZ“ unter dem Titel „Kliniken der Region im Leistungsvergleich“ – gemeint war die Rhein-Main-Region – Qualitätskriterien und Ergebnisse häufiger operativer Eingriffe in mehr als 20 Kliniken. Die Ergebnisse der Eingriffe wie Operation der Halsschlagader, Brustkrebsoperation, Entfernung der Gallenblase, Eingriffe an Hüftund Kniegelenken unterschieden sich hinsichtlich der Komplikation und der Misserfolge nicht in Abhängigkeit von öffentlicher oder privater Trägerschaft. Sie waren nicht besser und nicht schlechter.
Ähnliche Ergebnisse sind in einer Publikation der BKK aus dem Jahr 2006 nachzulesen.Tun Sie das bitte.
Im Geschäftsbericht der HELIOS-Kliniken des Jahres 2007 wurde eine Umfrage in den eigenen Kliniken und in Referenzkliniken unterschiedlicher Trägerschaften speziell hinsichtlich pflegerischer Versorgung veröffentlicht. Auch hier gab es keine signifikanten Unterschiede.
Wer nun dem skeptisch gegenübersteht, der sei auf ein Interview mit einem ehemaligen, sehr kompetenten hessischen Sozialminister in der „FAZ“ vor etwa einem Jahr verwiesen. Ich zitiere daraus Fragen und die entsprechenden Antworten.
Mit dem Hinweis auf die zunehmende Anzahl von Kliniken in privater Rechtsform wird gefragt:
Bedauern Sie das?
Antwort:
Nein, aber ich warne davor, dass sich die öffentliche Hand ganz aus diesem Sektor zurückzieht.
Frage:
Dann müssen kommunale Kliniken aber effizienter arbeiten, oder?
Antwort:
Allerdings.
Frage:
Werden Privatkliniken an Personal sparen?
Antwort:
Nein. Sie haben aber andere hierarchische Strukturen und zahlen für Führungspersonal höhere Gehälter als ein kommunales Haus, für geringer qualifiziertes Personal weniger. Sie können flexibler reagieren. Wenn eine OP-Schwester dringend gebraucht wird, muss diese eben mit einem entsprechenden Honorar angeworben werden.
Dieser ausgewogenen Bewertung von Armin Clauss, einem erfahrenen Sozialpolitiker, der lange Ihre Fraktion führte, kann ich mich nur uneingeschränkt anschließen.
Meine Damen und Herren, wir wollen hier an guten Lösungen arbeiten. Hessen soll nicht nur bei den Krankenhausinvestitionen in Gebäude und Großgeräte spitze sein, sondern auch in der Personalausstattung eine Spitzenposition einnehmen.Dies verbessert ihre Wettbewerbsposition gegenüber anderen Kliniken und stärkt insgesamt den Standort Hessen. Daran wollen wir gemeinsam arbeiten. – Vielen Dank.
Erster Vizepräsident Lothar Quanz:
Vielen Dank, Herr Dr. Bartelt. – Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Frau Schulz-Asche jetzt das Wort.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Spies – auf die anderen Redner werde ich später noch eingehen –, Sie haben zwar gesagt, dass Sie den Entwurf der FDP wohlwollend und differenziert prüfen wollen. Ich meine aber doch eine gewisse Ironie in dem Moment erkannt zu haben, als Sie die Daten des DEHOGA als interessensgeleitet beiseite gewischt haben.
Ich meine, das ist kein guter Ausgangspunkt, um sich diesem Problem zu nähern.
Was wirklich schwierig ist, das gebe ich ganz offen zu, ist, dass auch ich einen inneren Konflikt spüre, einerseits als Mediziner und andererseits als – –
Nach der Beendigung dieses Satzes, sofort. – Ich gebe zu, dass auch ich als Mediziner und jahrzehntelanger mittelständischer Unternehmer diesen Konflikt spüre. Wenn wir dies abwägen wollen, dann sollten wir unvoreingenommen in die Diskussion gehen. – Verehrter Herr Dr. Spies, es war einmal ein Bundespräsident aus Ihren Reihen, der gesagt hat: „versöhnen statt spalten“. Das sollte auch die Richtlinie bei den folgenden Beratungen sein.
Sehr verehrter Herr Kollege Dr. Spies, ich stimme Ihnen insofern zu, dass man die Qualität der Datenerhebung prüfen sollte. Ich stimme Ihnen aber nicht zu, wenn Sie sagen, dass man von vornherein davon ausgehen sollte, dass etwas, was vom Staat produziert worden ist, besser ist als das, was von einem Interessensverband privater Unternehmen produziert worden ist. Die CDU-Fraktion hält sicherlich unverrückbar an ihrem Ziel fest – unsere Haltung ist hierzu ganz klar –, möglichst viele Menschen davon zu überzeugen, gar nicht erst mit dem Rauchen zu beginnen oder mit dem Rauchen aufzuhören. Wir sind auch der Meinung, dass der Nichtraucher vor dem Passivrauchen geschützt werden sollte. Uns ist auch bewusst, dass in Deutschland jährlich 110.000 Menschen an den Folgen des Tabakkonsums sterben – davon 3.000 Nichtraucher – und dass die mit Abstand häufigste Todesursache, die Gefäßerkrankungen, in kausalem Zusammenhang mit dem Tabakkonsum steht.
Weiterhin wissen wir, dass der Beginn des Rauchens im Jugendalter eine ganz besondere Gefahr darstellt. Es ist daher erfreulich, dass der Anteil jugendlicher Raucher stetig zurückgeht. Im Jahre 2001 waren es noch 28 %; im Jahre 2007 waren es nur noch 18 %.Dazu haben sicherlich auch die zahlreichen Nichtraucherschutzgesetze der Länder beigetragen. Dass Rauchverbote in Gaststätten hierbei eine Rolle spielen können, sieht man an einer jüngst veröffentlichten Umfrage aus den USA, denn im Bundesstaat Massachusetts werden die Rauchverbote seitens der Kommunen sehr unterschiedlich geregelt. Dort, wo es Rauchverbote gibt, ist der Anteil jugendlicher Raucher deutlich geringer. Er ist um 40 % geringer als in den Kommunen, in welchen dies nicht der Fall ist.
Herr Rentsch, so viel als Anregung für Sie und als Antwort auf Ihre Frage, wen man denn eigentlich schützen sollte. Natürlich geht das weit über die Kneipenbesucher hinaus.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Deutschland ist auf einem sehr guten Weg. Durch die Einführung von Nichtraucherschutzgesetzen in 14 Bundesländern ist man
dabei,den Anteil der Raucher deutlich zu reduzieren.Das ist ein Ergebnis von Aufklärung sowie einer jahrzehntelangen Diskussion. Ich kann mich noch gut an meine Schulzeit erinnern und daran, dass besonders die Schulen, die von Lehrern der 68er-Generation geprägt waren, die Einführung von Raucherzimmern für Schüler geradezu als Emanzipation von der bürgerlichen Repression gefeiert haben.
Diese Zeit ist glücklicherweise vorbei; und Hessen war im Jahre 2005 das erste Bundesland, das ein Rauchverbot für Schulen und Schulgelände eingeführt hat. In Bezug auf den Erfolg und die Akzeptanz des Nichtraucherschutzgesetzes gibt es eine einzige Ausnahme. Das haben die Daten des DEHOGA gezeigt: 93 % der Eckkneipenbesitzer haben Umsatzeinbußen zu verzeichnen gehabt. 20 % dieser Eckkneipenbesitzer haben Umsatzeinbußen von mehr als 50 % zu verzeichnen gehabt; zwei Drittel der Eckkneipen seien in ihrer Existenz gefährdet. Das sind menschliche Schicksale, derer wir uns wirklich annehmen sollten. Wir sollten in unsere Überlegungen einbeziehen, dass viele Besitzer von kleinen Einraumgaststätten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht die Spur einer Chance hätten. Wir sollten uns bewusst sein, dass Gaststättenbesitzer gegenüber ihrer Klientel oft eine soziale Kontrollfunktion ausüben.Wir sollten auch wissen,dass in manchen Straßenzügen die Eckkneipe das einzige Lebenssignal des Stadtbildes darstellt.
Die Existenzbedrohung im kleinen speziellen Segment des Gaststättengewerbes führte natürlich zu Prozessen. Da es immer um die Abwägung grundsätzlicher Rechtsgüter ging, wie den Gesundheitsschutz, die Persönlichkeitsrechte sowie die unternehmerische Freiheit, ist es ganz natürlich, dass oberste Instanzen angerufen worden sind. Die obersten Gerichte der Bundesländer wurden 20mal angerufen. Das Bundesverfassungsgericht wurde fünfmal angerufen, dort werden die Beratungen am 11. Juni dieses Jahres beginnen. Erste Entscheidungen in Rheinland-Pfalz und in Sachsen haben dazu geführt, dass das Rauchen in inhabergeführten Einraumgaststätten ohne Angestellte wieder erlaubt wurde.
Meine Damen und Herren, zu diesem Zeitpunkt ist das Handeln des Landesgesetzgebers zwingend und dringend erforderlich. Unterschiedliche Rechtslagen führen nicht nur zu Wettbewerbsverzerrungen. Noch wichtiger ist es, dass die Politik Verantwortung zeigt, und sie darf sich am Ende nicht hinter Gerichtsentscheidungen verstecken. Wir müssen jetzt handeln. Wir brauchen eine pragmatische Regelung, so wie es der Diskussionsvorschlag der FDP anregt, und zwar: Die Duldung des Rauchens in inhabergeführten Einraumgaststätten ohne Angestellte ist etwas, worüber wir diskutieren sollten und was wir als mögliches Endergebnis in unsere Überlegungen einbeziehen sollten. Das reduziert vor allen Dingen die Gefahr, dass das Nichtraucherschutzgesetz, bezogen auf Restaurantbetriebe, von den Gerichten ausgesetzt und am Ende ganz ausgehebelt und verworfen wird. Das wollen wir nicht. Dem müssen wir jetzt als Landesgesetzgeber vorbeugen.
Die Bundesländer haben hierbei eine besondere Verantwortung, da dem Bund eine umfassende gesetzgeberische Kompetenz fehlt. Ich gehe natürlich davon aus, dass die Bundesjustiz-, die Bundesgesundheitsministerin sowie der Bundessozialminister dies unter Berücksichtigung des
Arbeitsschutzes sorgfältig und gewissenhaft geprüft haben.Wir vertrauen unseren Koalitionspartnern in Berlin.
Daher sollten wir versuchen, in den Beratungen über den Gesetzentwurf der FDP das Nichtraucherschutzgesetz so anzupassen, dass es erstens gerichtsfest gesichert ist, zweitens die Politik, der Gesetzgeber, Herr des Handelns bleibt sowie dass in der Gesellschaft hierüber nach Möglichkeit ein Konsens erzielt werden kann,damit viele Eckkneipen überleben können und damit sich Schritt für Schritt mehr und mehr Besitzer dafür entscheiden, dass ihre Gäste über die Dinge des Alltags,vielleicht auch über Entscheidungen des Hessischen Landtags, nebelfrei diskutieren können. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Große Koalition in Berlin hatte die schwierige Aufgabe, einen Kompromiss zwischen sehr unterschiedlichen Konzepten zur Finanzierung der gesetzlichen Krankenkassen zu finden.
Ein Element des bereits in Kraft getretenen Gesetzes ist die Einführung des Gesundheitsfonds zum 01.01.2009. Dieses Gesetz zeigt schon jetzt Erfolge.Aber es sind auch noch einige sehr wichtige kritische Fragen zu klären. Daher erfordert die Diskussion differenzierte Stellungnahmen – einerseits zum Gesetz, andererseits zu den vorliegenden Anträgen.
Ich möchte stichpunktartig vier positive Entwicklungen des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes hervorheben.
Meine Damen und Herren, die gesetzlichen Krankenkassen sind weitgehend entschuldet. Im Jahr 2003 betrug der Schuldenstand aller gesetzlichen Krankenkassen bundesweit 6 Milliarden c. Heute bestehen Reserven in Höhe von 3,2 Milliarden c. Dies ist ein Erfolg an sich.
Meine Damen und Herren, auch im System der GKV wurden von allen großen Krankenkassen zahlreiche Wahltarife eingeführt, die von den Bürgerinnen und Bürgern angenommen werden. Sie müssen sich in sich in der Krankenkasse tragen – so schreibt es das Gesetz vor. Dies führt zu mehr Gestaltungsmöglichkeiten für den Bürger.
Dritter Punkt. Herr Rentsch hat gesagt, dies führe zu einer Minderausstattung der Finanzmittel der Krankenkasse.Dies ist nicht der Fall.Denn gerade durch diese modifizierte Pauschale werden die Einnahmen der Krankenkassen kalkulierbar. Man kann darüber streiten, ob das zu viel oder zu wenig ist, aber letztendlich nutzt das dem Patienten.
Der vierte, der politische Punkt: Im Zuge des politischen Kompromisses zwischen CDU und SPD ist das Gespenst der einheitlichen Zwangsversicherung, beschönigend Bürgerversicherung genannt, vom Tisch.
Die dort vorgesehene faktische Abschaffung von privaten Versicherern hätte dazu geführt, dass alle Leistungsanbieter – ob Krankenhäuser, niedergelassene Ärzte, Apotheken oder pharmazeutische Industrie – in erhebliche Schwierigkeiten gekommen wären. Das hätte zu Mangelversorgungen, erhöhten Beiträgen und Insolvenzen der Leistungsanbieter geführt.
Dies zu verhindern ist ebenfalls ein politischer Erfolg.
Damit kann ich auch ganz kurz den Antrag der GRÜNEN – es tut mir leid, dass ich ihn hier so scharf bewerten muss – bearbeiten.
Gehen Sie doch einmal von der Mär ab, dass sich die privat Versicherten nicht mit den Versicherten allgemein solidarisch zeigten.
Alle Leistungsanbieter sind auf die betriebswirtschaftliche Quersubventionierung durch die Einnahmen aus den Privatversicherungen angewiesen.
Kein einziger Betrieb – ob ein niedergelassener Arzt oder ein Krankenhaus – wäre in der Lage, wirtschaftlich zu existieren, wenn er diese Einnahmen nicht hätte.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN, ich glaube,Sie haben diesen Antrag auch nur eingebracht,um die SPD hier etwas in Gewissenskonflikte zu bringen: ob sie diesem Antrag zustimmt oder zu dem hält, was in Berlin beschlossen wurde. Das ist legitim. Das ist in Ordnung. Auch die FDP hat hier versucht, uns ein bisschen zu ärgern.Auch das ist legitim. Das belebt die Debatte.
Während Sie von der FDP immer angeboten haben, zwischen CDU und GRÜNEN Brücken zu bauen, möchten wir Ihnen das herzliche Angebot unterbreiten, in dieser Frage mit unserem Antrag eine Brücke zwischen FDP und GRÜNEN zu bauen.
Wir verstehen aber auch die Sorgen, die im vorliegenden Antrag der FDP, in Stellungnahmen von Landtagen und Landesregierungen von Baden-Württemberg und Bayern zum Ausdruck gebracht werden. Bis November dieses Jahres muss vom Gesundheitsministerium geklärt werden, welche finanziellen Auswirkungen die Einführung des Gesundheitsfonds für die Kassen in einzelnen Bundesländern haben und wie die Belastungsobergrenze von 100 Millionen c im Jahr pro Bundesland eingehalten werden kann, und es muss der bundeseinheitliche Beitragssatz berechnet und genannt werden. Die Fortsetzung der Spekulationen über einen vergleichsweise hohen Beitragssatz verunsichert Arbeitnehmer und -geber in ihrer Funktion als Beitragszahler.
Wie Sie wissen, werden die vom Gesundheitsfonds eingezogenen Beiträge der Versicherten, ihrer Arbeitgeber, der Rentenversicherungsträger sowie die staatlichen Zuschüsse an die Krankenkassen verteilt. Das ist eine Pauschale von etwa 160 c pro Mitglied – modifiziert um Zuund Abschläge, in Abhängigkeit von Alter, Geschlecht sowie chronischen Erkrankungen der Mitglieder. Diese Gelder werden an die Kassen verteilt. Nach Gutachterberechnungen von Rürup und Wille – publiziert im Januar 2007 – zahlen die Hessen demnach 59 bis 64 Millionen c mehr ein, als ihre Krankenkassen im Land erhalten. Der Redner der FDP hat vorgetragen,
dass von einem Kieler Institut eine dreistellige Millionenzahl publiziert worden sei. Diese Differenz kommt dadurch zustande – das kann ich Ihnen erklären –, dass hierbei der bisherige RSA mit einbezogen worden ist. Die Zahlen von Rürup und Wille betreffen die neuen Zahlen, also diejenigen, die zusätzlich daraufgesattelt werden.
Nach der Konvergenzregelung wären die Belastungen begrenzt und durch Zahlungen des Gesundheitsfonds zu einem kleinen Teil vorübergehend gemildert. Gemäß dem aktuellen Gutachten von Wasem, Buchner und Wille würden die hessischen Krankenkassen einen kleinen Ausgleich erhalten. Es ist für uns trotzdem alarmierend, wenn der Vorstandsvorsitzende der Techniker Krankenkasse, Herr Klusen, in einem „FAZ“-Interview vom 23.02.2008 zu dem Schluss kommt: „Hessen wird zu den Verlierern zählen.“ Wenn dem so wäre – jedoch wäre hierbei schon der Eindruck gefährlich –, wäre das dem Bürger wirklich schwer zu vermitteln. Hessen ist im Länderfinanzausgleich nicht nur der größte Geber; Hessen würde zugleich zum Subventionierer der Krankenkassen der gesamten Nation.
Dies muss verhindert werden. Deshalb muss es begrenzt werden. Daran sollten wir gemeinsam arbeiten.Am Ende darf es nicht eintreten, dass die Kassen der Nehmerländer den Patienten bessere Leistungen sowie den Leistungserbringern höhere Honorare zahlen können als die der Geberländer.
Es ist bei dieser Diskussion wenig hilfreich, wenn ein im Auftrag der Bundesregierung tätiger Gutachter sagt, dass
er von der Konvergenzregelung eigentlich nicht viel halte. Es ist auch nicht richtig, wenn der Vorsitzende der Bundes-AOK, Herr Ahrens, sagt, man könne den Gesundheitsfonds auch ohne Konvergenzregelung einführen. Dies widerspricht dem, was in Berlin beschlossen worden ist.Es widerspricht auch der Geschäftsgrundlage der Großen Koalition in Berlin. Wir vertrauen natürlich darauf, dass die Bundesgesundheitsministerin uneingeschränkt vertragstreu ist.
Wir vertrauen auch darauf, dass die missverständlichen und zum Teil widersprüchlichen Eindrücke, die durch die Gutachten hervorgerufen worden sind, geklärt werden können. Hier müssen wir in den weiteren Ausschussberatungen gemeinsam aufpassen, Regierung und Parlament, dass die Interessen der Beitragszahler ausreichend berücksichtigt werden. Bei der Wahrung der Landesinteressen ist auch der Fortgang der Diskussion über eine länderübergreifende Haftung bei Insolvenzen von Krankenkassen zu beobachten.
In diesem Zusammenhang müssen wir auch den Vorschlag der Bundesgesundheitsministerin sehr kritisch beachten, Teile der Umsatzsteuer, die den Ländern zustehen, dem Gesundheitsfonds zuzuführen, damit dieser dann allein für die Krankenhausfinanzierung, einschließlich der Investitionen, zuständig sein soll. Wir halten das von der Sache her für problematisch. Wir halten es aber auch deshalb für problematisch, weil dies zu einer neuen Umverteilung zulasten Hessens führen würde, da gerade das Bundesland Hessen in den letzten Jahren sehr viel mehr für die Krankenhausfinanzierung getan hat als der Durchschnitt der Bundesländer.
Ein dringender Klärungsbedarf durch das Bundesgesundheitsministerium besteht bei der Berechnung des bundeseinheitlichen Beitragssatzes. Nach Berechnungen des Instituts für Gesundheitsökonomie in München, bestätigt durch die Berechnungen der großen Ersatzkrankenkassen TKK, KKH und BEK, würde der Beitragssatz 15,5 % betragen. Der derzeitige Durchschnittssatz beträgt 14,8 %. Das würde für 80 % der Bundesbürger eine Beitragserhöhung bedeuten.
Die Bundesregierung bezeichnet dies als unseriöse Spekulation.Das muss aber geklärt werden.Wir haben durchaus Verständnis dafür, dass die Berechnungen Daten erfordern, die jetzt noch nicht vorliegen können. Das wissen wir – gerade aufgrund von externen Fachberatungen, wie etwa über die Einbeziehung chronischer Erkrankungen in den Morbiditätsausgleich. Im zuletzt erschienenen Ärzteblatt wurde unter Experten darüber gestritten, ob Decubitalgeschwüre hier einzubeziehen sind. Das erfordert jedoch Zeit. Letztlich muss die Spekulation beendet werden, damit auch die Unsicherheit beendet sein wird.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir hoffen sehr, dass der heutige Durchschnittssatz nicht überschritten wird, denn nur dann können Wettbewerbselemente entwickelt werden. Ein niedriger Beitragssatz mit Zusatzprämien, Beitragsrückerstattungen sowie einem differenten Leistungsspektrum führt zu einem Wettbewerb, der den jetzigen Wettbewerb durch unterschiedliche Beiträge ersetzen kann. Ein zu hoher Beitragssatz würde dies verhindern. Das wollen wir nicht.
Meine Damen und Herren, die folgenden Punkte müssen vom Bundesgesundheitsministerium unter Mithilfe von externem Sachverstand gelöst werden: keine ungerechtfertigten Belastungen für Hessen sowie die Beitragsstabilität. Erst wenn hierzu zuverlässige Aussagen aus Berlin vorliegen, können wir die Auswirkungen für die Bürgerinnen und Bürger in Hessen bewerten. Die formulierte Bewertung des Gesundheitsfonds, wie sie uns aufgrund des Antrags der FDP vorliegt, ist für uns – zumindest zum jetzigen Zeitpunkt – nicht zustimmungsfähig, da sie zu pauschal und abschließend ist.
Wir setzen auf sachliche Ausschussberatungen, damit die hessischen Beitragszahler – mit oder ohne Einführung des Gesundheitsfonds – nicht zu den Verlierern zählen werden. – Besten Dank.