Wenn Sie sich diese Probleme klarmachen, ist völlig eindeutig: Die Forderung, das auf Länderebene zu regeln, ist absoluter Unsinn.
Meine Damen und Herren,zu dem Antrag der FDP sagen wir deshalb Nein.Er passt in die Tradition blau-gelber Anträge mit auffälliger Gedankenschwäche. Da haben wir schon eine ganze Latte.Da ging es um bunte Taxis.Es ging um sonntäglichen Pornoausleih. Da ging es um Autowaschanlagen am Sonntag und um Raucherkneipen. Das alles brauchen wir genauso wenig wie den Antrag,dass die Länder über die Erbschaftsteuer entscheiden. Entsprechend werden wir uns verhalten.
Noch ein letzter Satz zu dem Dringlichen Antrag der CDU. Dieser Dringliche Antrag ist in unseren Augen, außer in Punkt 1, der im Wesentlichen nichts weiter als eine Sachverhaltsbeschreibung ist, auch nicht zielführend. Deswegen können Sie dafür auch nicht auf unsere Zustimmung hoffen. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Kaufmann. – Das Wort hat Herr Kollege van Ooyen für die Fraktion DIE LINKE.
Frau Präsidentin, meine verehrten Damen und Herren! Kollege Frank Kaufmann,vielen Dank für den Hinweis zu dem Begriff der Gerechtigkeitssteuer. Ich denke, darum geht es wirklich. Das, was die FDP vorlegt, hat etwas mit dem Grundgedanken des Neoliberalismus zu tun, den wir gestern hier schon einmal gehört haben, wozu eine Nachfrage, ich glaube, aus den Reihen der CDU, kam. Ich habe aufgrund der gestrigen Nachfrage eine Beschreibung des Neoliberalismus herausgesucht. Ich zitiere:
Der Neoliberalismus hat eine Wirtschaftsform geschaffen, in dem Hedgefonds unkontrolliert arbeiten, sogenannte Geierfonds riesige Gewinne auf Kosten unverschuldeter afrikanischer Länder machen
(Michael Boddenberg (CDU): Schon wieder dieses schlimme Wort „Gewinne“! Was ist ein Hedgefonds? – Jörg-Uwe Hahn (FDP):Wer hat Ihnen das aufgeschrieben?)
und in denen der Börsenwert eines Unternehmens umso höher steigt, je mehr Arbeitnehmer wegrationalisiert werden. Ein solches Wirtschaftssystem ist krank,unsittlich und ökonomisch falsch.Neoliberalismus führt überall dazu, dass es wenigen besser und vielen schlechter geht. Selbst in Ländern, die vom Weltexport profitieren, wächst die Kluft zwischen Arm und Reich.
(Beifall der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE) – Michael Boddenberg (CDU): Was ist ein Hedgefonds, Herr Kollege?)
Herr Präsident, meine Damen und Herren, es wird Sie nicht überraschen,dass wir dem Antrag der FDP nicht folgen können.Vielmehr setzt sich die LINKE für eine sozial gerechte Reform der Erbschaft- und Schenkungsteuer ein und hält es ebenso für unerlässlich, dass diese Steuern bundesweit einheitlich erhoben werden. Einen Länderwettbewerb um die geringste Erbschaftsteuer lehnen wir ab.
Er würde zu einem weiteren Ausbluten der öffentlichen Haushalte führen und insbesondere die finanzschwächeren Bundesländer zusätzlichen Belastungen aussetzen.Im Übrigen halten wir den Gedanken der Umverteilung zur
Hermann-Ulrich Viskorf, Richter am Bundesfinanzhof, geht in seinen Thesen zur Reform der Erbschaftsteuer davon aus, dass dank fehlender Gesetzesregelungen im Jahr 2002 von 800.000 Sterbefällen nur 60.000 besteuert wurden. Im Jahr 2005 wurden 200 Milliarden c vererbt, aber nur 4 Milliarden c versteuert. Die Länder erzielen durch die Kfz-Steuer mehr Einnahmen als durch die Erbschaftsteuer, so das „Handelsblatt“.
Im internationalen Vergleich finden wir bei der Höhe der Erbschaftsteuer die USA mit 35,91 % und Japan mit 24,79 %. Im Jahre 2004 hatte Deutschland im europäischen Vergleich das zweitniedrigste Aufkommen an Erbschaft- und Vermögensteuer, zusammengenommen. So betrug das Steueraufkommen aus der Erbschaft- und Schenkungsteuer in Deutschland zuletzt etwa 4 Milliarden c, während es in Frankreich ca. 12 Milliarden c beträgt.Der Zugewinn aufgrund einer Erbschaft erfolgt leistungsfrei. Ihre Vokabel war doch immer:
Leistung muss sich lohnen.– Herr Hahn,das hat etwas mit Feudalismus zu tun, den Sie hier wieder begründen wollen.
Der Zugewinn aufgrund einer Erbschaft erfolgt leistungsfrei und ist allein durch das Glück der Geburt in einer begüterten Haushaltssituation bestimmt. In den kommenden Jahren werden laut Berechnung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung rund 2,2 Billionen c Vermögen vererbt. Es gibt keinen nachvollziehbaren Grund, warum auf diese Mittel verzichtet werden sollte.
Eine sozial gerechte Reform der Erbschaftsteuer sollte nach unseren Vorstellungen die folgenden Eckpunkte haben: erstens eine Gleichbehandlung aller der Steuer zugrunde liegenden Vermögensvorteile, d. h. eine realitätsnahe Bewertung aller Vermögensarten und eine Korrektur bei der Bewertung der Betriebsvermögen. Zweiter Eckpunkt sollte eine Gleichbehandlung aller steuerpflichtigen Erben sein, unabhängig vom Verwandtschaftsgrad zum Erblasser. Das heißt, wir wollen eine Steuerklasse und nicht drei und eine Vereinheitlichung der Freibeträge. Nur Erben, die älter als 60 Jahre sind, Kinder, Ehe- und Lebenspartner erhalten einen höheren Freibetrag. Drittens. Wir wollen keine Privilegierung des Betriebsvermögens, die auch der Bundesfinanzhof für gesetzwidrig hält. Das bedeutet, dass die Sondervorschriften zur steuerlichen Behandlung des Betriebsvermögens, wie Bewertungsabschlag oder gesonderter Freibetrag entfallen sollen.
Wie eine Veröffentlichung des DIW aus dem November vergangenen Jahres erneut belegt, existiert in Deutschland eine gravierend ungleiche Verteilung der Vermögen, was sich in den vergangenen Jahren weiter verschärft hat. So besitzt das reichste Zehntel der deutschen Bevölkerung fast 60 % des Gesamtvermögens.
Hingegen haben die 70 % der Bevölkerung am unteren Ende der Vermögensverteilung lediglich einen Anteil von weniger als 10 % am Gesamtvermögen. Diese Zahlen sprechen für sich, auch wenn diejenigen mit den höheren Vermögen einen großen Teil der Steuern zahlen. Es täte ihnen gar nicht weh, wenn sie mehr davon zahlen würden. Das wäre für sie keine größere Belastung.
Es ist so eine Vokabel, die immer einmal wieder fällt, dass alle Steuerflüchtlinge sind und sich dann in Liechtenstein ansiedeln würden.
Oder Österreich. Es gibt noch genügend ehrliche Leute in diesem Land, die auch ehrlich Steuern zahlen würden.
Nein. – Diese Zahlen sprechen nicht nur für sich. Sie haben auch weitreichende Effekte für die politische Teilhabe der Menschen in unserem Land. Die ungleiche Vermögens- und Einkommensverteilung wird von immer mehr Menschen als ungerecht erkannt. Die Menschen fühlen ihre Leistungen nicht anerkannt und erleben zudem, wie sich die Spitzenkräfte und Spitzenverdiener in der Wirtschaft einer Besteuerung nach deutschen Steuergesetzen entziehen. Diese Entwicklung bedroht den sozialen Zusammenhalt und ist Teil der steigenden Abwendung von den demokratischen Prozessen in unserem Land, wie wir es an der sinkenden Wahlbeteiligung ablesen können.
Eine Steuerpolitik, die von der großen Mehrheit der Bevölkerung als gerecht betrachtet wird, ist ein wichtiges Element für die Demokratie und die demokratische Teilhabe. Gerade weil die Erbschaft- und Schenkungsteuer aufgrund der zu versteuernden Vermögen und der daraus zu erzielenden Steuereinnahmen eine solche Bedeutung hat, weil sie leistungslos erworbene Vermögen besteuert und damit auch dem so häufig beschworenen Leistungsgedanken nicht entgegensteht, weil sie für den sozialen Zusammenhalt des demokratischen Gefüges unseres Landes eine solch herausragende Bedeutung hat,
halten wir es für falsch, sie dem Wettbewerb der Länder unterzuordnen. Es bleibt vielmehr der Verdacht, dass damit eher der vollständigen Abschaffung der Weg geebnet werden soll, als der Finanzautonomie der Länder gedient wird. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr van Ooyen. – Das Wort für die Landesregierung erhält Herr Staatssekretär Dr.Arnold.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Reaktion auf die Ausführungen meiner Vorredner hat gezeigt, dass die Emotionalität bei dem Thema
Steuererhöhung bzw.-senkung sehr hoch ist.Ich versuche, auf möglichst sachlicher Basis einige Punkte zu bewerten. Zunächst möchte ich das Aufkommen der Erbschaftsteuer in Deutschland und in Hessen bekannt geben. Im Jahr 2002 lagen die Einnahmen der Erbschaftsteuer in Hessen bei 250 Millionen c,2005 bei 415 Millionen c und 2007 bei 422 Millionen c. Das Gesamtaufkommen in Deutschland lag bei 4,2 Milliarden c.
Meine Damen und Herren, wenn es weiterhin zu unseren erklärten Zielen gehört, den Haushalt zu konsolidieren und die Nettoneuverschuldung auf null zurückzuführen, dann ist für Steuersenkungen derzeit kein Platz. Bei allem Verständnis für diese Ansätze sage ich ganz deutlich: Auf diese Steuer können und wollen wir in Hessen auch nicht verzichten.
Was die Frage der Umsetzung der Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts anbelangt, nämlich dafür zu sorgen, dass die verschiedenen Vermögensarten gleichartig besteuert werden, ist es wichtig, dies bis zum Ende des Jahres durchzuführen. Die Arbeitsgruppe unter Leitung von Ministerpräsident Roland Koch und Finanzminister Peer Steinbrück hat einige Besonderheiten herausgearbeitet. Dazu gehören nicht nur die Besonderheiten für die Landund Forstwirtschaft, sondern – Herr Abg. Blum, da bitte ich jetzt besonders um Ihre Aufmerksamkeit – auch die Frage, ob die Erben von Unternehmen nicht in eine Liquiditätsfalle hineingeraten. Hierzu gibt es sehr akribische Besonderheiten in der Frage, welche Verschonungsregeln für diese Erben tatsächlich definiert worden sind.
Anhand eines Beispieles möchte ich verdeutlichen, dass die Annahme, die künftige Höherbewertung von Betriebsvermögen führe automatisch auch zu einer höheren Besteuerung,so nicht richtig ist.Hierbei sind zwei Ebenen zu betrachten. Auf der einen Seite haben wir die Bewertung des zu vererbenden Vermögens. Da wird es höhere Betriebsvermögensansätze geben, keine Frage.
Die zweite Ebene, nämlich die Ebene der Verschonungsregelung, ist entscheidend und sagt etwas über die Frage, welche Steuern tatsächlich zu zahlen sind, aus. Ohne Sie jetzt mit einer steuerlichen Detaildebatte zu langweilen, möchte ich Sie dazu einladen, mir zu einem Beispiel zu folgen. Dieses Beispiel stelle ich Ihnen auch gerne zur Verfügung.
Ich habe einmal ein fiktives Unternehmen angenommen mit einem jährlichen Umsatz von 10 Millionen c, 40 Mitarbeitern und einem Gewinn im Jahr von 1 Million c. Es handelt sich um einen Gewinn von 10 % nach Steuern, es ist also ein sehr lukratives Unternehmen. Bei 10 Millionen c Umsatz, 40 Mitarbeitern und 1 Million c Gewinn sind ca. 90 % aller Unternehmen erfasst, die wir betrachten können. Nach dem jetzigen Ansatz im Gesetzentwurf mit 4,5 % Basiszinssatz und einem Risikozuschlag,den ich jetzt nicht bei 4,5 % kalkuliert habe, sondern mit 1 % höher, damit ich zu einem Kapitalisierungssatz von 10 % komme, ergibt sich rechnerisch bei einem Ertrag von 1 Million c ein Unternehmenswert von 10 Millionen c für dieses Unternehmen.
Jetzt sage ich Ihnen, was dieses Unternehmen an Erbschaftsteuer zu zahlen hat. Von diesem Unternehmenswert geht der Verschonungsabschlag von 85 % ab, also 8,5 Millionen c, damit bleibt eine Bemessungsgrundlage von 1,5 Millionen c. Der persönliche Freibetrag des Erben liegt bei 400.000 c. Das ergibt einen steuerpflichtigen
Erwerb von 1,1 Millionen c, bei einem Steuersatz von 19 % sind dies 209.000 c Erbschaftsteuer. Das zahlt dieser Erbe einmal zum Zeitpunkt der Übernahme und dann nie wieder