Protocol of the Session on April 24, 2008

Wir als GRÜNE haben in der letzten Legislaturperiode schon unser Konzept „Zukunftsenergie für Hessen“ vorgelegt, in dem wir aufgezeigt haben, wie, wenn der politische Wille ab dem Jahr 2008 vorhanden ist, wir es schaffen können, bis zum Jahr 2028 durch einen Mix aus Energiesparen, Energieeffizienz und der Nutzung erneuerbarer Energien auf Strom aus dem Atomkraftwerk Biblis sowie auf Strom aus Kohle- und Gaskraftwerken zu verzichten. Das würde nicht nur die Risiken der Nutzung der Atomkraft beseitigen, sondern auch positiv dem Klimawandel entgegenwirken.

Wir haben in einem zweiten Konzept mit dem Titel „Zukunftsenergie ist Klimapolitik“ auch sehr deutlich gezeigt, wie es machbar ist, dass wir bis zum Jahr 2020 den CO2Ausstoß des Bundeslandes Hessen insgesamt um 40 % gegenüber 1990 reduzieren können. Das wäre unser Beitrag zur Erreichung des globalen Ziels, den Temperaturanstieg auf 2 ˚C zu begrenzen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Landtagsfraktion der GRÜNEN hat letzte Woche 20 Eckpunkte vorgelegt, wie aus unserer Sicht in den nächsten Jahren konkrete Maßnahmen zur Erreichung dieses Ziels aussehen müssen. Ich sage sehr deutlich: Wir haben das Ziel, bis zum Jahr 2020 den Ausstoß von Treibhausgasen insgesamt um 40 % zu reduzieren.Wir brauchen dazu eine Wende in der Energiepolitik des Landes Hessen.Was wir nicht brauchen, ist der Neubau von ineffizienten Großkohlekraftwerken. Das ist der absolut falsche Weg.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Wir wollen, dass das Land bei dem Bezug von Ökostrom für seine eigenen Liegenschaften und Gebäude Vorbild ist.Wir wollen, dass alle Stromeinspar- und Wärmeschutzpotenziale in unseren eigenen Einrichtungen genutzt werden. Wir wollen aber auch – das gilt für das Land Hessen und für das,worauf wir direkt Einfluss haben –,dass in der Beschaffungspolitik der Klimaschutz und die Energieeffizienz die oberste Priorität haben. Das geht von Elektrogeräten bis hin zum Fuhrpark des Landes. Wir glauben, dass wir in Hessen bei der Schaffung eines ErneuerbareWärme-Gesetzes vorangehen müssen. Wir glauben ferner, dass wir auch bei der Fortschreibung des Landesentwicklungsplans Energieeffizienz und die Nutzung erneuerbarer Energien zum verbindlichen Ziel erklären müssen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben auch in anderen Bundesländern sehr interessante Entwicklungen. Gestern hat das Stadtparlament in Mainz – wenn auch ein Jahr zu spät, aber immerhin – erklärt, dass es gegen das neue geplante Großkohlekraftwerk auf der Ingelheimer Aue ist.

(Horst Klee (CDU): Die beschließen jeden Tag etwas anderes!)

Herr Klee, das ist ein guter Beschluss. Es ist auch sehr gut, dass die CDU ihre Meinung in diesem Punkt geändert hat. Noch schöner wäre es, wenn die Mainzer SPD ihre Meinung zu diesem Punkt auch ändern würde. Vielleicht machen die hessischen Genossen ihren Einfluss einmal geltend.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Wir haben aber auch auf hessischem Gebiet eine Zukunftsentscheidung zu treffen, nämlich zu der Frage, ob wir wirklich ein neues Großkohlekraftwerk ohne Auskoppelung von Wärme und in einer Dimension,wie es bisher in der Welt nicht existiert, wollen, oder ob wir dies nicht wollen.

Ich sage ganz deutlich für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wir sind der Meinung, dass am Standort Staudinger das geplante Großkohlekraftwerk im wahrsten Sinne des Wortes von gestern ist. Wir wollen generell auf neue Kraftwerke auf der Basis von Kohle verzichten. Es ist wichtig, das noch einmal festzuhalten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Wir legen großen Wert darauf, dass wir als Hessischer Landtag am heutigen Tag unseren Willen sehr deutlich bekunden, eine Energiewende in Hessen einzuleiten. Das ist ein Signal an E.ON. Das ist ein Signal an die E.ONHauptversammlung, die nächste Woche stattfindet. Das ist auch ein deutliches Signal an den E.ON-Chef Dr.Wulf Bernotat, der nach der Wahl gesagt hat:Wenn eine Mehr

heit dieses Landes das Großprojekt nicht will, dann wird E.ON es nicht gegen die Mehrheit der Politik durchsetzen. – Ich glaube, E.ON sollte diese Signale jetzt endlich verstehen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir glauben aber auch, dass es richtig ist, dass das Regierungspräsidium beim Raumordnungsverfahren darauf dringt, dass weitere Alternativenprüfungen zum Teil dieses Raumordnungsverfahrens werden. Aus unserer Sicht ist es sehr einfach machbar, dass neben den vom Vorhabenträger eingebrachten Varianten alle Alternativen geprüft werden. Das steht jetzt auf der Tagesordnung.

Wir haben ebenfalls beantragt – weil wir sehr aufmerksam verfolgt haben, dass auch die CDU gemerkt hat, dass eine Wahl stattgefunden hat und die Mehrheitsverhältnisse jetzt andere sind –,dass wir als Landtag ein deutliches Signal setzen sollten, dass die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien nicht von gestern ist, sondern im Gegenteil die Zukunft, und dass auch der Energiebedarf des Landes Hessen aus Ökostrom gedeckt werden sollte.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Ich bin sehr dankbar dafür, dass alle Fraktionen Anträge zu diesem Thema eingebracht haben. Wir sollten uns im Ausschuss sehr vertieft Gedanken darüber machen, wie die zukünftige Energiepolitik des Landes Hessen aussehen soll. Ich werde im Ausschuss natürlich noch einmal auf die einzelnen Punkte eingehen. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, ich will nur vorneweg sagen: Sie haben in Ihrem Antrag stehen, Staudinger werde dazu führen, dass es ein Weniger an CO2 geben werde.Ich empfehle Ihnen, die jetzige CO2-Erzeugung der Blöcke 1 bis 3 und der bestehenden Kohle- und Erdgasblöcke 4 und 5 zusammenzurechnen;das sind insgesamt ungefähr 5 Millionen t CO2. Dann sollten Sie sich anschauen, was bei dem Bau des Blocks 6 an CO2-Emission emittiert würde, da wären wir bei 7,5 bis 8 Millionen t.Allein an diesem Punkt kann man schon sehen, dass das, was da geplant ist, keine Zukunft haben darf.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der SPD und der LINKEN)

Wir als GRÜNE haben den CDU-Antrag sehr aufmerksam gelesen. Wir stellen fest, dass die CDU versucht, immerhin einmal ein 40-%-Ziel anzudenken.Liebe Kolleginnen und Kollegen,uns wäre es noch viel lieber,wenn es wirklich Ihr Ziel wäre und Sie es nicht nur prüfen lassen wollten. Wir als GRÜNE haben es schon längst geprüft. Es ist unser Ziel. Ich will aber ausdrücklich feststellen, dass selbst Ihr jetziges 15-%-Ziel mit den bisherigen Maßnahmen der Energiepolitik unseres Landes nicht zu erreichen ist.

(Beifall des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Deswegen müssen wir bei Energieeffizienz, bei Energieeinsparung und bei der Nutzung erneuerbarer Energien

(Michael Boddenberg (CDU): Und bei den Kosten!)

jetzt wirklich Dampf machen,und zwar im wahrsten Sinne des Wortes erneuerbaren Dampf. – Herr Kollege Boddenberg, keinen Kohledampf. Sie sind herzlich eingeladen, Ihre bisherige Politik zu überdenken.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Wir haben ebenfalls mit Interesse zur Kenntnis genommen, dass das Wort Repowering, also der Ersatz bestehender Windkraftanlagen, im CDU-Antrag auftaucht.

(Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD: Ah! – Zuruf des Abg. Michael Bod- denberg (CDU))

Herr Kollege Boddenberg, das ist schon ein Fortschritt. Sie sind verantwortlich für die Wahlkampagne gegen die sogenannten Windkraftmonster. Neue Anlagen sind in aller Regel größer als die alten und auch höher. Aber immerhin ist hier ein Anflug von gewisser Reue zu spüren. Das können wir ausdrücklich begrüßen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Es ist wirklich an der Zeit, dass sich dieses Parlament jenseits der politischen Verhältnisse und jenseits von Koalitionsspekulationen die Frage stellt, was unsere Verantwortung als gewählte Abgeordnete im Jahr 2008 für uns, für unsere Kinder und für unsere Kindeskinder ist. Wenn Sie diese Frage mit den jetzt vorhandenen Erkenntnissen und mit den jetzt vorhandenen Lösungen, die technisch machbar sind, und die auch ökonomisch Sinn machen – –

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Herr Kollege Boddenberg, wenn Sie sich einmal ansehen, dass der Ölpreis mittlerweile bei 120 $ pro Fass liegt, und wenn Sie betrachten, dass Importkohle innerhalb eines Jahres um 25 % teurer geworden ist,dann ist klar,dass wir hier die Aufgabe haben, die Energiewende jetzt einzuleiten, mit der Blockade erneuerbarer Energien jetzt Schluss zu machen, keine ineffizienten Kraftwerke auf Kohlebasis mehr in die Landschaft zu stellen, sondern Ernst zu machen mit einer zukunftsweisenden und – in dem Fall kann ich sagen – mit einer grünen Energiepolitik. – Vielen herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Al-Wazir. – Nächste Wortmeldung, Herr Kollege Grumbach für die SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Bei den Stereotypen über bestimmte Völker gibt es einen netten Vergleich. Sie alle kennen vielleicht über die Spanier das Mañana-Prinzip: Was du heute nicht erledigen kannst, besorge lieber morgen. – Es gibt ein noch viel spöttischeres Prinzip über die Schotten: Ein Schotte, gefragt, was er vom Mañana-Prinzip halte, antwortet, er könne es nicht verstehen, weil es für so etwas Hastiges in Schottland kein Wort gebe.

Ich erzähle das deswegen, weil ich den Eindruck habe, dass das, was Herr Kollege Al-Wazir gerade beklagt hat, nämlich dass wir über den Zeitpunkt hinweg sind, überhaupt noch etwas zu stoppen können – wir können es nur noch bremsen –, etwas mit dem Prinzip „Wir können uns alle Zeit der Welt lassen“ zu tun hat. Die Landesregierung war Teil dieses Prinzips Mañana, oder besser noch schottisch:Wir können es irgendwann im nächsten Jahrhundert erledigen.

An der Stelle ist es unsere zentrale Aufgabe,das Tempo zu beschleunigen. Ich habe voller Vergnügen in der Ge

schäftsführungserklärung des Ministerpräsidenten gehört, dass eine neue Energiepolitik angekündigt wird. Die spannende Frage ist aber: Was steht darin? – Darin steht: Lassen wir uns einmal uns unterhalten.

Meine Damen und Herren, mit Verlaub, noch eine Konferenz, noch ein Round-Table-Gespräch, noch ein Symposium ist nicht das, was wir brauchen. Das hat es alles schon gegeben. Vielmehr geht es darum, jetzt endlich in Taten umzusetzen, was es schon an Maßnahmen gibt, und sich dann darüber zu unterhalten, was man hinter den 40 oder 50 % noch machen kann.Denn die reichen noch nicht aus, sondern sind nur der Zwischenschritt im Jahr 2020 oder wann auch immer. Ich glaube, das ist unsere Aufgabe, und da müssen wir eine ganze Menge nachholen.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Zwei Sätze zum Status.Wir liegen ziemlich am Ende. Hessen ist Schlusslicht, Drittletzter oder Zweitletzter, je nachdem, welches Feld der regenerativen Energieversorgung man betrachtet, Hessen liegt bei 30 % dessen, was Bundesdurchschnitt ist. Ein Land wie Sachsen-Anhalt – Hochblüte der Wirtschaft, Hochtechnologie, gigantische ökonomische Kapazitäten – hat es geschafft, 30 % seines Stromverbrauchs auf regenerative Energien umzustellen. Die Hessen haben das nicht geschafft.

Die spannende Frage ist, woran das liegt. Das liegt erstens an der Vernachlässigung von allem außer der Biomasse. Ich sage immer wieder voller Begeisterung: Wenn der Bauernverband etwas gesagt hat,hat die Landesregierung nachgezogen, und es war gut so.

(Norbert Schmitt (SPD): Es war nicht gut, aber gut! – Heiterkeit des Abg. Heinrich Heidel (FDP))

Heinrich, schreib dir das zugute. – Zweiter Punkt, und das ist der wichtigere Punkt: Blockade all dessen, was darüber hinausgeht. Hier war ich nicht so begeistert von dem CDU-Antrag, weil er im Prinzip nichts über die Aufhebung der Blockade sagt. Er beschreibt nur aus ferner Sicht, was alles war.

Unser Antrag und auch der Antrag der GRÜNEN unterscheiden sich darin, dass wir sagen: Nein, diese Blockaden müssen weg. Wir kündigen hier an, wir werden ein Gesetzgebungsverfahren einleiten, das relativ klare Vorgaben für die Landesplanung macht, Vorgaben für die Regionalplanung macht, dass der Umbau auf erneuerbare Energien Bestandteil sein muss, und zwar nicht erst in zehn Jahren, sondern ab heute.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der LINKEN)

Damit bin ich bei einem kritischen Punkt, und darüber werden wir relativ schnell und relativ hart reden müssen. Es werden gerade Regionalpläne diskutiert. Man kann sie natürlich jetzt einfach durchlaufen lassen und aufs nächste Mal verweisen. Nein, liebe Kolleginnen und Kollegen, das nächste Mal ist bereits zu spät.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LIN- KEN)