Tarek Al-Wazir

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Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mich gerade gefragt,was denn eigentlich der Wirtschaftsminister Posch zur Rede des Abg.Posch gesagt hätte. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, ich bin mir sehr sicher, dass Sie am Ende auch auf die Idee kommen werden, dass man den Klimawandel durch Steuersenkungen bekämpfen könnte – aber bitte sehr.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, worum geht es? – Wir müssen hier ein Grundproblem lösen.
Die Landesregierung hat die Arbeiten am Haushaltsentwurf 2009 verschoben. Der Finanzminister hat Anfang Oktober die Arbeit am Haushaltsentwurf sogar mutwillig eingestellt, obwohl er im Amt war.
Das ist in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland sicherlich ein einmaliger Vorgang.Wir haben nun die Situation, dass es am 01.01.2009 keinen Landeshaushalt geben wird. Damit kann die Landesregierung ab dem 01.01.2009 keine Bürgschaften mehr vergeben, und zwar für niemanden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, da geht es nicht nur um Opel. Da geht es generell um die Frage: Kann die Landesregierung weiterhin Bürgschaften vergeben? – Daher kann man sagen: Opel rettet Weimar, nicht andersherum.
Deswegen gibt es jetzt einen Gesetzentwurf von allen Fraktionen dieses Hauses, die sagen, dass man in der Phase zwischen dem heutigen Tage und dem Beschluss eines neuen Landeshaushalts einen Bürgschaftsrahmen gewähren muss, der es ermöglicht, dass das Land Hessen überhaupt noch das sinnvolle Instrument von staatlichen Bürgschaften benutzen kann. Das macht Sinn, weil kurzfristig auftretende Liquiditätsengpässe bei allen Firmen zum Problem werden können – nicht nur bei Opel, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Wir reden natürlich über die Tatsache, dass die Situation bei GM auf die 100-prozentige Tochter, die Adam Opel GmbH, Auswirkungen haben kann. Ich sage daher ausdrücklich:
Erstens. Aus unserer Sicht muss sichergestellt sein, dass Bürgschaften, die an Unternehmen gegeben werden – damit auch an Opel –, bei der Firma, an die die Bürgschaft vergeben wird, verbleiben. Das heißt in diesem konkreten Fall: Wir können auf keinen Fall zulassen, dass hessische Steuergelder – oder auch nur hessische Bürgschaften und damit die Übernahme eines Risikos – in letzter Konsequenz in den schwarzen Löchern von GM in Detroit verschwinden können.
Zweitens. Es gilt für jede Gewährung einer Bürgschaft, dass die Firma die Bücher aufmachen muss.Das bedeutet, dass wir sichergestellt haben wollen, dass man nicht eine völlig kranke Struktur künstlich am Leben erhält,sondern dass es um einen kurzfristigen Liquiditätsengpass geht, um eine im Kern gesunde Struktur zu erhalten.
Drittens. Wir sind der Auffassung, dass man an dem Beispiel GM und Opel sehr deutlich machen kann, dass die Krise von GM eine Krise der großen,Sprit fressenden und unökologischen Fahrzeuge ist.
Wir hätten diese Probleme nicht – auch die Firma Opel hätte diese Probleme nicht –, wenn man in den USA eine bessere Modellpolitik gemacht hätte. Die Firma Opel ist in den letzten Jahren, nachdem sie sich von Leuten, die neoliberales Gedankengut vertreten haben, wie beispielsweise Herr López, erholt hat, auf einem ganz guten Weg. Wir stellen als GRÜNE fest: Die Firma Opel ist der deutsche Hersteller, der den geringsten Flottenverbrauch hat. Wir sagen allerdings auch, dass auf diesem Weg weitergegangen werden muss;denn wer sich in diesem Jahr die Zulassungszahlen anschaut, muss einfach sehen, dass momentan Autos produziert werden, die niemand kauft, und das ist auch ein Teil des Problems.
Deswegen sagen wir ausdrücklich,dass auf dem Weg einer Ökologisierung der Fahrzeugflotten in der gesamten deutschen Autoindustrie weiter vorangeschritten werden muss.
Wir sagen auch:Wenn es um Opel geht,dann muss man im Zweifel als Landesregierung oder auch als Bundesregierung für den Fall,dass GM wirklich in die Insolvenz gehen sollte, was wir nicht wissen, prüfen, ob die Eigenständigkeit von Opel – 79 Jahre nach dem Kauf durch GM – wiederhergestellt werden könnte.
Es ist mir klar, dass in Rüsselsheim ungefähr genauso viele Leute für GM Autos entwickeln, wie dort Menschen Autos bauen.Andererseits ist es natürlich so, dass ein großer Teil des Problems dadurch entstanden ist, dass Opel Leistungen für GM erbracht hat, die GM dann nicht bezahlt hat.Daher stellt sich schon die Frage,ob man aus der Krise nicht auch eine langfristige Chance machen kann. Wann – wenn nicht in der großen Krise – soll denn ein solcher Schritt sonst möglich sein?
Liebe Kolleginnen und Kollegen, aus unserer Sicht ist es auch ganz wichtig, dass wir in diesem Gesetzentwurf sichergestellt haben,dass es bei der Gewährung von großen Bürgschaften während der parlamentslosen Zeit einen Vorbehalt des Hauptausschusses gibt.
Lieber Herr Kollege Hahn, da können Sie alle Ihre Bedingungen vorbringen und prüfen, ob Ihre Bedingungen, die in Teilen auch Bedingungen von anderen sind, erfüllt sind. Dann müssen Sie sich auch entscheiden, ob Sie Ja oder Nein sagen.So ist der Weg,meine sehr verehrten Damen und Herren.
Ich sage an den Wirtschaftsminister, den Finanzminister und den Ministerpräsidenten gerichtet: Sollten Sie am Ende mit Bürgschaftszusagen kommen, die diesen Bedin
gungen nicht entsprechen, dann müssen Sie sich der Gefahr bewusst sein, dass der Hauptausschuss sagt: Bestimmte Risiken werden hier nicht übernommen. – Deswegen kann ich der geschäftsführenden Landesregierung nur raten, sich die Debatten hier im Plenum und die interfraktionellen Gespräche sehr zu Herzen zu nehmen,wenn es um die Bedingungen einer Bürgschaft geht.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, deswegen haben wir diesen Gesetzentwurf mit eingebracht; und deswegen werden wir diesen auch beschließen. Das ist auch der Grund – Stichwort: Bedingungen –, warum wir den Änderungsantrag der Linkspartei ablehnen werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, was Sie in der letzten Woche gemacht haben, hat mich wirklich geärgert.
Herr Hahn, sagen Sie nicht: „Oh“. – Am Dienstagabend haben Sie im „Stadtgespräch“ auf die Frage, ob für Opel staatliches Geld gegeben werden soll, gesagt: „Die FDP wird niemals staatliches Geld für einen Autokonzern zur Verfügung stellen“.Am Mittwochnachmittag haben Sie in einer Telefonkonferenz der Fraktionsvorsitzenden gesagt: „Die FDP ist dabei“.Am Freitag haben Sie eine Presseerklärung gegeben, in der steht – passen Sie auf –:
In dieser durchaus als „nationale Herausforderung“ zu bezeichnenden Situation werden wir Liberale alle Anstrengungen unternehmen, um der Automobilindustrie, dem Rückgrat der deutschen Wirtschaft, unterstützend zur Seite zu stehen.
Zusätzlich haben Sie etwas gesagt, das ich ganz toll fand: „GM handelt als ,miese Heuschrecke‘.“ Das sagt Herr Hahn.
Ich könnte Ihnen vorlesen, was Herr Westerwelle Herrn Müntefering gesagt hat, als dieser den Begriff „Heuschrecke“ in die Debatte eingeführt hat. Lieber Herr Hahn, das wollen Sie lieber nicht hören.
Aber eine Firma, die die Adam Opel AG, später Adam Opel GmbH, 79 Jahre lang hält, ist nun wahrlich keine „Heuschrecke“, auch wenn sie in den letzten Jahren alles falsch gemacht hat, lieber Herr Kollege Hahn.
Am Montag haben Sie dann gemerkt, dass Sie irgendwie nicht mehr dabei sein wollen, und haben irgendwelche Bedingungen aufgestellt. Am Dienstag haben Sie Ihren Antrag eingebracht,und heute Morgen haben Sie den Gesetzentwurf für die Bürgschaft unterschrieben. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist die Gradlinigkeit eines Brummkreisels.
Deswegen geht Ihr Antrag an den Ausschuss. Das ist noch das Beste, was wir ihm antun können.
Zur Wirtschaftskompetenz der FDP möchte ich Ihnen einen Satz aus Ihrem Bundestagswahlprogramm 2005, Stichwort: Finanzmarktkrise, vorlesen. Diese haben wir
jetzt. Das ist ein Teil des Problems. Was sagt die FDP im Jahre 2005 dazu?
Ferner muss der politische Einfluss im Bankensektor reduziert werden. Das vergrößert die Chancen des Bankenstandorts Deutschland.
Ich frage mich, wie irgendjemand in diesem Land der Meinung sein kann, dass die FDP Wirtschaftskompetenz besitzt. Dass sie das nicht hat, ist in der letzten Woche sehr deutlich geworden. – Vielen herzlichen Dank.
Erster Vizepräsident Lothar Quanz:
Vielen Dank, Herr Al-Wazir. – Für die Fraktion DIE LINKE hat nunmehr Herr van Ooyen das Wort.
Vielen Dank, Herr Präsident. Die werde ich nicht brauchen.
Herr Kollege Hahn,wir wollen uns weder einen schlanken Fuß noch sonst irgendetwas Schlankes machen, sondern ich weise darauf hin, dass wir in der Telefonkonferenz am Donnerstag ausdrücklich darauf bestanden haben, dass der Hauptausschuss bei jeder Bürgschaft über eine bestimmte Summe Ja sagen muss. Das ist unsere Bedingung.
Zweitens weise ich darauf hin,dass das,was Sie gerade gesagt haben, nicht mit dem zusammenpasst, was Sie tun. Wenn Sie darauf hinweisen, dass es europarechtliche Probleme geben könnte,dann ist das Dümmste,was wir heute machen könnten,zeitgleich zu einem Gesetz einen Antrag
zu beschließen, in dem eine Firma explizit genannt wird. Wir können keine Lex Opel machen, Herr Kollege Hahn.
Wir können weder Auflagen für einen Bürgschaftsantrag beschließen, den es noch gar nicht gibt, lieber Herr Kollege Hahn; noch können wir explizit eine Firma nennen.
Deswegen ist es das Beste, was wir für die Beschäftigten der Firma Opel tun können – um die es eigentlich gehen sollte, nicht um den Wahlkampf der FDP –,
dass wir diesen Antrag schön in den Ausschuss geben. Dann werden wir sehen, was damit passiert. Aus meiner Sicht hat er aus guten Gründen mit dem Gesetz, das wir jetzt beschließen werden, nichts zu tun. – Vielen Dank.
Erster Vizepräsident Lothar Quanz:
Vielen Dank, Herr Al-Wazir. – Herr Kollege Kahl hat sich für die SPD-Fraktion zu Wort gemeldet.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Kollege Hahn hat für die FDP in Anspruch genommen, dass sie immer alles richtig macht.
Ich sage ausdrücklich:Lieber Kollege Hahn,wenn Sie sich einmal die Mühe machen würden,
die Umfragen aus dem Januar und Februar 2000 zu betrachten, wie viele Menschen sich nach dem Schwarzgeldskandal der CDU Neuwahlen gewünscht hatten, und sich daran zu erinnern, wie Sie dann abgestimmt haben, als von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Neuwahlen beantragt wurden,
dann kann ich Ihnen genau den Unterschied sagen. Wir haben nach dem Montag vor zwei Wochen als GRÜNE gesagt: Jetzt gibt es nur noch eine Lösung, nämlich Neuwahlen.
Das unterscheidet Sie und uns, lieber Kollege Hahn.
Zweitens.Herr Kollege Hahn,Sie haben am 17.12.2007 im Landesvorstand der FDP in Fernwald beschlossen, dass Sie niemals mit den GRÜNEN in irgendeiner Form, weder Ampel noch Jamaika, eine Koalition machen würden.
Ich habe neulich in der Zeitung gelesen, dass in Ihren Fraktionsräumen immer noch eine Jamaikafahne hängt, auf der steht:„Wir wünschen uns Jamaika hier – gern auch mit Tarek Al-Wazir.“ Insofern kann ich Ihnen nur sagen: Das fällt auf Sie zurück.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir begehen heute den Schlussakt der kürzesten Legislaturperiode in der Geschichte des Landes Hessen.Wenn wir zurückblicken:Vor einem Jahr haben wir uns alle auf eine Landtagswahl vorbereitet. Uns war klar, dass es im Vorfeld des 27. Januar eine harte Auseinandersetzung in der Sache geben würde, da nach fünf Jahren absoluter CDU-Mehrheit ein großer Teil der hessischen Bevölkerung vor allem von der Bil
dungspolitik und der ausgrenzenden Sozialpolitik der absoluten CDU-Mehrheit die Nase voll hatte.
Für uns GRÜNE standen mehrere Punkte im Vordergrund. Wir wollten in dieser Legislaturperiode wieder eine Umweltpolitik in Hessen erreichen, die ihren Namen verdient. Wir wollten endlich mit der Energiewende beginnen und mit der Blockade der erneuerbaren Energien Schluss machen.
Wir wollten keine neuen ineffizienten Kohlekraftwerke bauen. Wir wollten mit der risikoreichen Atomkraft Schluss machen und endlich auch die wirtschaftlichen Chancen nutzen, die in der Energiewende liegen.
Wir traten an für eine bessere Bildungspolitik, um Schluss zu machen mit Studiengebühren und mit immer mehr, immer schlechteren sogenannten Reformen. Die „Unterrichtsgarantie plus“ und die Art und Weise der Schulzeitverkürzung waren nur die Spitze des Eisbergs.
Wir stritten im Wahlkampf für eine andere Sozial- und Gesellschaftspolitik, die nicht auf Ausgrenzung, sondern auf Teilhabe und Integration setzt – die, um es kurz zu sagen, nicht Egoismus, sondern Fairness bedeutet.
Wir wollten Schluss machen mit der Politik der Arroganz der Macht, mit der Arroganz der absoluten CDU-Mehrheit.
Der Wahlkampf ist dann eskaliert.Fast könnte man sagen, es wurde ein wirklicher Kampf, der aus dem Ruder gelaufen ist. Wir als BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN legen aber Wert auf die Feststellung, dass nicht wir es waren, die diesen Kampf aus dem Ruder laufen ließen, sondern dass diese Eskalation von Roland Koch mit Unterstützung der „Bild“-Zeitung eingeleitet wurde.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Ergebnis der Wahl am 27. Januar hat alle überrascht, manche positiv, manche negativ,für manche war es eine Mischung aus beidem.Das Ergebnis war schwierig, weil keine der klassischen politischen Konstellationen, Rot-Grün oder Schwarz-Gelb, eine Mehrheit hatte.
Für uns stellte sich danach die entscheidende Frage: Was ist das unstreitige Ergebnis der Wahl am 27. Januar? Wir sagen: Die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler wollte einen Politikwechsel in Hessen, die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler wollte Roland Koch nicht mehr als Ministerpräsidenten.
Wir haben seit dem 28. Januar versucht, diesem Wählerauftrag einerseits und der schwierigen Situation andererseits gerecht zu werden. Der Landesvorstand der GRÜNEN hat bereits am 5. Februar beschlossen, mit allen im Landtag vertretenen Parteien Gespräche über die Frage
zu führen, wie es weitergehen soll, inhaltliche Gemeinsamkeiten und die Möglichkeit der Bildung handlungsfähiger Mehrheiten auszuloten.
Ich stelle fest, dass wir bis heute leider die Einzigen geblieben sind, die mit allen anderen Fraktionen geredet haben.Wir mussten feststellen,dass die CDU vom 27.Januar bis heute keinerlei Anstalten gemacht hat, aus dem völlig inakzeptablen Wahlkampf personelle Konsequenzen zu ziehen.
Wir mussten feststellen, dass die FDP keinerlei Anstalten gemacht hat, ernsthaft über eine Koalition aus SPD, FDP und GRÜNEN zu verhandeln. Im Übrigen, Herr Kollege Hahn: Wer fünfmal am Tag erklärt, das Schlimmste, was passieren kann, sei die Beteiligung der Linkspartei, der muss irgendwann einmal sagen, was er selbst dafür getan hat, dass es nicht so weit gekommen ist.
Wir mussten feststellen, dass die Linkspartei von Anfang an sagte, dass jedwede formale Koalition für sie nicht infrage komme. Auch darin bestand eine der Schwierigkeiten der Situation.Ich erinnere noch einmal an den Auftrag des 27. Januar: Die Mehrheit wollte einen Politikwechsel und einen anderen Ministerpräsidenten. Das war offensichtlich weder mit der CDU noch mit der FDP zu erreichen. Deswegen haben wir uns entschieden, der SPD Verhandlungen über eine rot-grüne Minderheitsregierung anzubieten.
Die Geschichte des sogenannten ersten Anlaufs ist bekannt.
Wir GRÜNEN waren alles andere als erfreut über die im März offenbar gewordene mangelnde innerparteiliche Kommunikation in der SPD. Ich wiederhole aber hier und heute , was ich schon am 7. März gesagt habe. Ich finde die Entscheidung von Dagmar Metzger aus inhaltlichen Gründen zwar falsch, aber ich sagte und sage ausdrücklich,dass sie natürlich das Recht hatte,diese Entscheidung zu treffen.
Nach dem gescheiterten ersten Anlauf kam es dann zu der Situation der geschäftsführenden CDU-Regierung bei wechselnden Mehrheiten im Parlament. Wir als GRÜNE haben uns vorgenommen, das Beste aus der Situation zu machen – im Sinne unserer Inhalte.Wir haben dabei einiges erreicht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es war richtig, dass wir beschlossen haben, dass das Land für eigene Liegenschaften in Zukunft zu 100 % Ökostrom bezieht. Es ist gut, dass wir jetzt eine richtige Härtefallkommission für Flüchtlinge haben. Es war richtig, das Bürokratiemonstrum „Unterrichtsgarantie plus“ abzuschaffen. Es war richtig, dass mehr Referendare an die Schule kamen. Es ist richtig, dass die BAT-Lehrkräfte in den Sommerferien nicht mehr zum Arbeitsamt geschickt werden. Es war richtig, dass erste Schritte zur Entschärfung der Schulzeit
verkürzung, G 8, gegangen wurden, und es war und bleibt richtig, dass die Studiengebühren abgeschafft wurden.
Ein Politikwechsel ohne Regierungswechsel muss jedoch zwangsläufig unvollständig bleiben. Ich erinnere nur an die Spielchen des geschäftsführenden Ministerpräsidenten bei dem Gesetz zur Abschaffung der Studiengebühren und an die Weigerung des Innenministers, den Landtagsbeschluss zum Wiedereintritt des Landes in die Tarifgemeinschaft der Länder auszuführen. Deswegen war für uns klar, dass diese Situation nicht ewig so weitergehen konnte.
Wir haben von der SPD vor dem zweiten Versuch zur Bildung einer Regierung Sicherungen verlangt, weil wir das, was wir im März erlebt haben, nicht noch einmal erleben wollten. Ich sage ausdrücklich: Am 30. September haben drei der vier Abgeordneten, die sich vor zwei Wochen gegen eine rot-grüne Regierung gestellt haben, in geheimen Probeabstimmungen für eine solche Regierung gestimmt. Wäre das anders gewesen, hätten wir als GRÜNE gar nicht erst mit Koalitionsverhandlungen begonnen.
Die Ergebnisse des Koalitionsvertrages können sich aber in der Sache auch jetzt noch sehen lassen.
Wir haben aufgezeigt, wie der dringend nötige Aufbruch in der Bildungspolitik in Hessen aussehen könnte.Wir haben aufgezeigt, wie wir Hessen endlich aus seiner Außenseiterrolle herausführen und zum Vorreiter bei der Energiewende machen könnten. Wir haben aufgezeigt, wie eine Politik aussehen könnte, die Fairness und Gerechtigkeit zur Leitlinie hat. Um der Sache willen ist es deshalb verdammt schade, dass dieses Programm nicht seit zwei Wochen praktisch umgesetzt wird, sondern wir jetzt in eine neue Wahl gehen.
Wir wollten einen Politikwechsel, und an uns, liebe Kolleginnen und Kollegen,ist er nicht gescheitert.Vielleicht haben wir zu lange auf andere vertraut.Vielleicht haben wir die Auswirkungen persönlicher Verletzungen und politischer Meinungsverschiedenheiten in der SPD unterschätzt. Nachher ist man immer schlauer. Ich sage aber: Die Frage, wie es bei der SPD aussieht, muss sich die SPD selbst beantworten.Ich glaube allerdings,dass sie sich besser mit der Frage beschäftigen würde, was in Hessen in den nächsten Jahren verändert werden muss und wie das geschehen kann, als dass sich ihre Mitglieder wechselseitig mit Parteiausschlussverfahren überziehen.
Wir haben uns bemüht, den kalten Krieg, der im Hessischen Landtag überlebt hatte, ein wenig zu entschärfen, vielleicht sogar zu beenden. An manchen Punkten hat auch die CDU ihr Kommunikationsverhalten verändert. Wir haben allerdings vermutet, dass das viel mit der fehlenden Mehrheit für die Regierung und weniger mit neuen Erkenntnissen zu tun hatte, Herr Ministerpräsident. Würde es einen Nachhaltigkeitsrat geben, wenn Sie Ihre Mehrheit nicht verloren hätten, Herr Koch? – Sicherlich nicht. Hätten Sie erklärt, dass Sie Hessen zum Musterland für erneuerbare Energien machen wollten? – Sicherlich nicht.
Deshalb ist dann auch die Frage, was sich in diesem Jahr an der Regierungspolitik real verändert hat: Nichts. Weiterhin wird der Bau von Windrädern durch die Regierungspräsidien blockiert, weiterhin wird eine kommunale Förderung der Solarenergie blockiert. Es gibt weiterhin kein Erneuerbare-Wärme-Gesetz, weiterhin wird der Neubau eines völlig ineffizienten großen Kohlekraftwerks am Standort Staudinger unterstützt. Die Worte, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU-Fraktion, hörten wir wohl, allein es fehlten die Taten.
Deswegen will ich noch etwas zum Werben der CDU um uns GRÜNE sagen. Herr Koch, noch im Januar war ich in Ihren Augen ein Kommunistenfreund, den man stoppen muss. Dann war die CDU-Mehrheit weg, und am Valentinstag, am 14. Februar, haben Sie entdeckt, dass die GRÜNEN inhaltlich ganz vernünftig sind, und haben uns in der Folge zu einem integralen Bestandteil des bürgerlichen Lagers erklärt. Kaum haben wir angefangen, mit der SPD über eine Koalition zu verhandeln, waren wir in Ihren Augen wieder die größten Arbeitsplatzvernichter, Feinde der Wirtschaft, ein Sicherheitsrisiko – also quasi der Untergang des Abendlandes.
Lieber Herr Koch, offensichtlich wissen Sie selbst nicht so genau,was Sie wollen,außer dem einen:Sie wollen auf der Regierungsbank sitzen bleiben. Sie wissen ganz genau, dass Sie das wollen.
Lieber Herr Ministerpräsident,das wissen auch die Leute. Deswegen ist es aus meiner Sicht alles andere als sicher, dass Sie dort sitzen bleiben werden.
Zwei Monate vor einer Wahl in Hessen ist nur eines sicher: Man weiß nicht, wie sie ausgeht.
Warten wir also einmal ab, was am 18. Januar 2009 zwischen 8 und 18 Uhr geschieht.
Herr Koch, wenn es um die Ergebnisse des Koalitionsvertrages ging, haben Sie am allerlautesten zum Thema Flughafen geschrien. Dabei haben wir doch nichts anderes gemacht, als das hineinzuschreiben, was Sie jahrelang versprochen haben und was Fraport selbst beantragt hat, nämlich das Nachtflugverbot.
Außerdem waren wir der Meinung, dass man aus rechtsstaatlichen Gründen darauf bestehen sollte, dass vor der Schaffung irreversibler Fakten, nämlich der Rodung des Waldes, das Hauptsacheverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof beendet ist.
Herr Boddenberg, wir GRÜNEN haben uns in der ganzen Zeit an nichts anderem als unseren Inhalten orientiert. Genau damit gehen wir auch in den Wahlkampf, der jetzt beginnt und der am 18. Januar 2009 mit der Landtagswahl enden wird.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Bürgerinnen und Bürger bekommen jetzt wieder das Wort. Die Fragen, die
sie sich am 18. Januar 2009 stellen müssen, sind sehr einfach. Eine lautet: Braucht Hessen die Energiewende? – Wir meinen, Hessen braucht sie dringender denn je. Erst letzte Woche wurde eine Untersuchung veröffentlicht,der zufolge sich Hessen bei dem Einsatz erneuerbarer Energien auf einem beschämenden 14. Platz im Vergleich der 16 Bundesländer befindet.
Da frage ich: Glaubt denn irgendjemand, dass die angebliche Begeisterung der hessischen CDU für die erneuerbaren Energien anhält, falls sich am 18. Januar 2009 eine Mehrheit für die CDU und die FDP ergeben würde?
Ich komme zur nächsten Frage: Braucht Hessen eine andere Bildungspolitik? – Wir meinen, Hessen braucht sie dringender denn je. Liebe Kolleginnen und Kollegen, erst gestern wurde Hessen mit den Ergebnissen der dritten PISA-Studie in Folge bescheinigt, dass es bei einem Vergleich der Bundesländer bestenfalls mittelmäßig ist. Beim Schwerpunktthema Naturwissenschaften befinden wir uns nach fast zehn Jahren Verantwortung der CDU für das Kultusministerium auf einem beschämenden 12. Platz bei 16 Bundesländern. Herr Banzer erklärt zu diesem Ergebnis, dass er sich darüber freut. Mit dieser Form der Schönrednerei knüpft er langsam an seine Vorgängerin Karin Wolff an.
Ist denn irgendjemand der Meinung, die hessische CDU könne im Bildungssystem Reformen durchführen, sollte es mit der FDP am 18. Januar 2009 wieder zu einer Mehrheit kommen?
Herr Präsident, ich komme zum Schluss meiner Rede. – Braucht Hessen mehr Fairness bei der Sozialpolitik und im gesellschaftlichen Umgang? – Wir meinen, Hessen braucht dies dringender denn je. Die brutalstmöglichen Kürzer bei den Frauenhäusern und den Schuldnerberatungsstellen werden nicht mehr auf einmal vom Saulus zum Paulus werden, wenn sie denn wieder die Mehrheit haben.Wir jedenfalls glauben nicht, dass dies der Fall sein wird.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, deswegen werden wir in die Auseinandersetzung um die Sache gehen. Da ist klar, dass wir, die hessischen GRÜNEN, auch weiterhin die ökologische und moderne Stimme der Vernunft sein wollen. Bei uns entscheidet der Inhalt. Wir sind auch in der Lage,das,was wir wollen,umzusetzen.Deswegen gilt auch für die Neuwahl und die nächste Legislaturperiode: Machen wir das Beste daraus. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Kollegin Wissler hat in einem Interview mit der Zeitung „Junge Welt“ auf die Frage,was sie dazu sagt,dass der rechte Flügel der Hessen-SPD die Forderung durchgesetzt hat, DIE LINKE müsse auf das Grundgesetz schwören und sich von der DDR distanzieren, gesagt:
Wir haben bisher schon mehrfach deutlich gemacht, wie wir zur DDR und zum Grundgesetz stehen, wir brauchen keinen Aufarbeitungsprozess. Umgekehrt könnten wir ja auch von der SPD fordern, ihre eigenen Fehler aufzuarbeiten... Oder dafür, dass die SPD für die Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht verantwortlich ist.
Ich habe einmal auf die Internetseite der Partei DIE LINKE geschaut, die ihren Sitz im Karl-Liebknecht-Haus am Rosa-Luxemburg-Platz in Berlin hat. Auf der Internetseite der Partei DIE LINKE wird gesagt:
Die Erinnerung an Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg, die beiden aus der Sozialdemokratie hervorgegangenen Mitbegründer der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD), die im Januar 1919 von rechten Freikorpssoldaten ermordet wurden, hat das Jahrhundert der Extreme überlebt.
Das deutet darauf hin, dass es eine zumindest sehr eingeschränkte historische Sicht ist, da selbst auf der Internetseite der LINKEN gesagt wird, wer nun wirklich für die Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht verantwortlich ist.
Ich zitiere Heinrich August Winkler:
Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, die beiden Führer der KPD, waren entschiedene Gegner der „bürgerlichen“ Demokratie, wie sie in Deutschland aus der militärischen Niederlage und der Revolution hervorging. Die Ordnung, für die sie kämpften, konnte aber schon deswegen nicht demokratisch sein, weil sie nicht die geringste Chance hatte, eine Mehrheit zu finden. Die Erhebung einer linksradikalen Minderheit,
da ging es um den Spartakusaufstand –
der sich Luxemburg mit sehr viel größerem inneren Widerstreben als Liebknecht anschloss, musste niedergeworfen werden – wenn auch gewiss nicht mit den Gewaltexzessen, für die in hohem Maße der sozialdemokratische Volksbeauftragte Gustav Noske verantwortlich war.Aber auch Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht hatten zu der Gewaltes
kalation beigetragen, deren Opfer sie im Januar 1919 wurden.
Ich möchte von meiner Seite noch hinzufügen: Es war ein hinterhältiger Mord – nichts anderes. Ich finde, wenn diese Debatte zu irgendetwas beitragen kann, dann vielleicht dazu, dass die Union heute sagt, dass eine Interpretation, wie sie noch im Jahre 1962 unter der Regierung Adenauer im Bulletin des Presse- und Informationsamts der Bundesregierung zu lesen war, dass nämlich die damaligen Ereignisse eine standrechtliche Erschießung gewesen seien, der historischen Wahrheit ebenfalls widerspricht.
Frau Wissler, ich habe am Montag dem „Spiegel“ entnommen, dass in Ihrer Wohnung ein Bücherregal steht, in dem zweieinhalb Reihen durch die dicken blauen Schwarten der Marx/Engels-Gesamtausgabe belegt sind. Sie sagten hierzu, ein theoretisches Fundament sei nun mal in der Politik wichtig. Dem stimme ich ausdrücklich zu.Aber es gibt nicht nur eine Wahrheit; und Geschichte wurde schon immer unterschiedlich interpretiert. Daher glaube ich,dass man sein Geschichtsbild nicht allein den Büchern von Bernt Engelmann sowie Veröffentlichungen im PahlRugenstein Verlag entnehmen sollte.
Herr Minister Bouffier, nicht allein. – Karl Marx hat einmal gesagt, die Philosophen hätten die Welt lediglich unterschiedlich interpretiert, es komme aber darauf an, sie zu verändern. Daher ist es immer gut, Bücher zu lesen, aber eben nicht nur bestimmte.
Liebe Kollegin Wissler, wenn man im Vorstand der Partei sitzt, die heute ihren legitimen Sitz im Karl-LiebknechtHaus hat, dann hat man eine besondere Verantwortung und sollte schauen, was aus den theoretischen Anleitungen real geworden ist. Daher sind wir der Meinung, dass die Partei DIE LINKE eine ganz besondere Verantwortung dafür hat, die Geschichte der DDR sauber zu interpretieren sowie genau zu wissen, welche dramatischen Fehler aufgrund theoretischer Anleitungen erwachsen sind.
Frau Wissler, damit Sie am Wochenende etwas zu lesen haben, schenke ich Ihnen ein Buch mit dem Titel: „Geboren am 13. August. Der Sozialismus und ich“. Es ist ein Buch,das sich mit einer Lebensgeschichte in der DDR befasst. Der Autor ist Jens Bisky. Sie können Ihren Parteivorsitzenden, Herrn Lothar Bisky, fragen, ob sein Sohn recht hat. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gab ein Wort – es war, wenn ich es richtig gehört habe, das einzige Wort, das von allen Rednerinnen und Rednern gebraucht wurde –, das die Debatte bestimmt hat: Das war das Wort „Deeskalation“. Das hat gerade im Hessischen Landtag einen Grund, wie man weiß, wenn man die Vorgeschichte der Auseinandersetzung über den Bau der Startbahn West mit allem, was folgte, kennt.
Herr Innenminister, wir sind gern bereit, uns mit allen in diesem Haus über die Frage auseinanderzusetzen, was eskalierend und was deeskalierend wirkt.Aber, Herr Innenminister, Sie sollten sich einmal selbstkritisch fragen, ob Ihre Rede ein Beitrag zur Deeskalation war.
Herr Bouffier, ich glaube, an dem Punkt, als Sie gesagt haben: „Herr Kahl, jetzt sagen Sie doch einmal, dass mit den LINKEN nichts geht, solange die ihr Büro nicht räumen“, haben Sie bewiesen, dass es Ihnen nicht um Deeskalation geht, sondern um eine ziemlich kleine, billige parteipolitische Münze.
Gerade angesichts der hessischen Geschichte finde ich das unangemessen. Ich sage Ihnen: Ich war als Kind des Öfteren im Hüttendorf im Flörsheimer Wald, unter anderem deshalb, weil mein Stiefvater dort Sanitäter aufseiten der Demonstranten war. Bei uns auf dem Küchentisch stand eine Kiste, in der Polaroidfotos von verletzten Demonstranten abgelegt wurden.
Ich weiß, wie es war, wenn damals der andere – aus Sicht der Demonstranten war der andere immer der Polizist – nur noch als Gegner wahrgenommen wurde. Ich weiß, wie das damals war. Als ich 1995 ins Parlament kam und innenpolitischer Sprecher wurde, hatte ich natürlich auch Termine bei der Polizei, unter anderem mit sogenannten Aufsteigern, also Polizisten in Ausbildung, die schon länger im Dienst waren.
Damals habe ich erstmals gemerkt, dass es auch in der heutigen Generation der Polizistinnen und Polizisten ein Startbahntrauma gibt. Die haben gesagt: Nie wieder dürfen uns die Politiker,nur weil sie nicht in der Lage sind,die Probleme zu lösen, immer wieder in diese Konflikte hineinschicken. – Da ist mir noch einmal klar geworden, welch eine Tragik – auch aus heutiger Sicht – dieser Konflikt um die Startbahn West eigentlich war.
Herr Kollege Beuth, wenn Sie Kurt Oeser schon erwähnen, müssten Sie auch sagen, dass es Kurt Oeser war, der die Hüttenkirche im Dorf im Flörsheimer Wald geweiht hat.
Demnach wäre auch Kurt Oeser einer dieser Rechtsbrecher, so, wie Sie es heute gesagt haben.
Wir müssen unseren Beitrag dazu leisten,dass dieser Konflikt nicht eskaliert.Ich sage Ihnen ausdrücklich:Ich finde, es gibt in der Auseinandersetzung Unterschiede. Einer der Unterschiede zwischen heute und damals ist, dass 1981 keine Ausbaugegner im Hessischen Landtag saßen und dass diejenigen,die gegen den Ausbau waren,das Gefühl hatten,sie seien ohnmächtig.Das ist übrigens ein gro
ßer Unterschied zu heute. Es gibt in diesem Parlament auch Leute, die sagen: Ich halte diesen Ausbau für falsch. – Deshalb muss man sich überlegen, ob die Protestformen von damals heute noch tragen oder nicht.
Aber, Herr Innenminister, ich hielte es für völlig falsch, wenn man versuchte, den Weg der Deeskalation, den wir alle miteinander gehen müssen,zu verlassen,nur weil man eine Fraktion, die Sachen macht, die man selbst nicht für richtig hält und die die eigene Fraktion auch nicht machen würde, in ein schlechtes Licht rücken möchte.
Herr Innenminister, wenn die Aussage mit dem Rechtsbruch ernst gemeint ist, der da täglich stattfinden soll, dann frage ich Sie, ob es richtig ist, dass die Polizei bisher – ich finde: zu Recht – deeskalierend wirkt. Ist es dann richtig, dass z. B. die Polizei letzte Woche, als dort ein Blindgänger aus dem Weltkrieg entschärft wurde, ausdrücklich gesagt hat, sie greife nicht ein, auch wenn die Bewohner heraus- und nachher wieder hineingingen? Herr Innenminister, ich sage ausdrücklich: Ich finde es richtig,dass sich alle darum bemühen,dass dieser Konflikt nicht eskaliert. Herr Innenminister, ich finde, Ihr Beitrag war keiner zur Deeskalation. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bitte Sie, den Weg der Deeskalation nicht zu verlassen.
Erster Vizepräsident Lothar Quanz:
Herr Al-Wazir, danke schön. – Als Nächster erhält Herr Hahn, der Fraktionsvorsitzende der FDP, das Wort.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN macht auch nach diesem Vormittag einen weiteren Versuch, Sachpolitik in diesem Hause zu betreiben. Ich hoffe, das Haus wird diesem Ansinnen folgen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben am 27. Januar eine Landtagswahl gehabt, die das Ende der absoluten CDU-Mehrheit bedeutete. Ich denke, so viel dürfte unstrittig sein.
Ich weiß, es gab unterschiedliche Wahlergebnisse unterschiedlicher Parteien. Manche haben verloren, manche haben gewonnen.
Aber, Herr Kollege Reif, am Ende des 27. Januar war klar: Es gibt keine absolute Mehrheit der CDU mehr. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das hat die Türen für eine neue Energie- und Klimaschutzpolitik im Lande Hessen aufgemacht. Es hat die Türen für ein Ende der Blockade der erneuerbaren Energien aufgemacht. Das ist ausdrücklich gut so. Wir als GRÜNE können nur sagen: Endlich ist es passiert.
Bei einem Blick zurück müssen wir konstatieren, wo wir als Bundesland Hessen stehen. Hessen hat beim Klimaschutz und bei den erneuerbaren Energien einen der letzten Plätze in Deutschland. Um es ganz deutlich zu sagen: Der Länderarbeitskreis Energie hat errechnet, dass Hessen beim CO2-Ausstoß pro Kopf das einzige aller 16 Bundesländer ist, das seit 1990 einen Anstieg der CO2Emissionen pro Kopf zu verzeichnen hat. Im Vergleich dazu:Thüringen hat minus 53 % – dann kommen noch et
liche andere ostdeutsche Bundesländer; das hat etwas mit dem Zusammenbruch einer völlig ineffizienten DDR-Industrie zu tun –, aber auch beispielsweise Rheinland-Pfalz minus 11 %, Bayern minus 8 %, Baden-Württemberg minus 8 %, Nordrhein-Westfalen minus 7 %, das Saarland minus 2,5 %,Bremen minus 0,3 % – und Hessen hat einen Anstieg der CO2-Emissionen pro Kopf im Vergleich zu 1990 von 3,4 % zu verzeichnen. Das ist der letzte Platz für Hessen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist ein beschämender letzter Platz.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das korrespondiert mit dem Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung, also dem Anteil des Ökostroms in den verschiedenen Bundesländern.Das sind die Zahlen von 2005.Seitdem hat sich nicht viel getan, jedenfalls nicht im Bundesland Hessen, in anderen Ländern schon. MecklenburgVorpommern hat inzwischen 35 % des Stromanteils aus erneuerbaren Energien, Schleswig-Holstein 28 %, aber auch Sachsen-Anhalt 25 % – das sind die Zahlen von 2005; die sind inzwischen noch einmal sehr viel besser geworden – und Hessen 3,64 %. Schlechter als wir sind nur noch die Stadtstaaten – das kann man gut begründen, weil die flächenmäßig ein Problem haben, was Windenergie, Biomasse und Ähnliches angeht – und das Saarland.Auch dies ist ein beschämender Platz für Hessen. Wir müssen eine Aufholjagd beginnen, was die Senkung des CO2-Ausstoßes angeht und was die Förderung der erneuerbaren Energien in Hessen angeht.
Das ist der Grund, warum wir im Umweltausschuss über alle Fraktionen hinweg – ich habe gesagt, der 27. Januar hat vieles möglich gemacht – beschlossen haben, dass der Umweltausschuss eine Anhörung zum Thema Energie durchführt. Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Anhörung hat stattgefunden. Sie lief über drei Tage. Es sind insgesamt 1.000 Seiten Papier an Stellungnahmen eingegangen. Es gab viele, viele Sachverständige und Anzuhörende. Bei der Vielzahl der Stellungnahmen und der Vielzahl der Anzuhörenden gab es unterschiedliche Meinungen zu den unterschiedlichsten Dingen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, eines kann man feststellen:Alle Experten – ich wiederhole:alle Experten – waren der Meinung, dass die erneuerbaren Energien ausgebaut werden müssen.Der einzige Streit ist gewesen,wie schnell und zu welchen Kosten. Unter dem Strich kann man sagen: Kein Experte hat die bisherige Energiepolitik der Regierung Koch für gut befunden.
Wir haben eine große Aufgabe. Wir müssen bis zum Jahr 2020 – das hört sich weit weg an, das ist aber nicht mehr lange hin, das sind noch elf Jahre – als Bundesrepublik Deutschland unseren CO2-Ausstoß um 40 % gegenüber 1990 senken. Eine zweite Wiedervereinigung wird es nicht geben, die einen Zusammenbruch einer ineffizienten Struktur beinhaltet.
Als Land Hessen müssen wir von diesen 40 % ganz besonders viel erbringen, weil – ich hatte es schon gesagt – wir das einzige Land sind, das einen Anstieg hat. Lieber Herr Wirtschaftsminister, insofern gilt das für uns. Wenn
wir das für uns ernst meinen, müssen wir minus 43 % im Vergleich zu 1990 schaffen.
Sagen Sie nicht „lächerlich“,das ist das Ziel der Bundesregierung, verkündet von der Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel. Nur damit das einmal klar ist.
Wir müssen das nicht nur als Selbstzweck sehen, sondern weil wir unseren Beitrag dazu leisten müssen, dass die Erderwärmung auf höchstens 2 °C begrenzt wird.Wenn uns dies nicht gelingt, werden wir Probleme bekommen, von denen sich heute noch niemand eine Vorstellung machen kann.
Noch eine Feststellung aus der Anhörung: Herr Rhiel, Sie sind auch Wirtschaftsminister; der Erdölpreis hat sich im Schnitt pro Fass von 30 $ im Jahr 2003 auf 120 $ im Jahr 2008 vervierfacht. Der Kohlepreis hat sich seit 1996 verdreifacht, mit ansteigender Tendenz.
Anfang 2008 hat eine Tonne Kohle 63 c gekostet, sie liegt jetzt bei ungefähr 95 c.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch wenn die Brennstoffkosten bei der Atomkraft nur einen geringen Teil ausmachen, die Kosten für Uran haben sich in den vergangenen sechs Jahren versiebzehnfacht. Dabei handelt es sich übrigens auch um einen endlichen Rohstoff – das nur nebenbei, jenseits aller Sicherheitsrisiken und Endlagerprobleme.
Es ist deshalb nicht nur ein ökologisches,sondern auch ein ökonomisches Gebot der Stunde, dass wir jetzt auf die erneuerbaren Energien umsteigen, auch im Bundesland Hessen.
Wir stellen als Ergebnis der Anhörung fest: Die erheblichen Potenziale in den Bereichen Energieeinsparung, Energieeffizienz und Ausbau erneuerbarer Energien sind in den letzten Jahren sträflich vernachlässigt worden. Das Land Hessen ist in den letzten Jahren von einer Vorreiterrolle in der Umweltpolitik zu einem Bremser, zu einem Land geworden, das letzte Plätze innehat.
Wir stellen fest, dass wir eine Wende in der Energiepolitik des Landes hin zu einer zukünftigen umwelt- und sozial verträglichen Energieversorgung brauchen. Wir haben uns schon in kleinen Punkten auf den Weg gemacht. Das Land Hessen wird in Zukunft seinen eigenen Strombedarf aus zertifiziertem Ökostrom decken.
Lieber Herr Wirtschaftsminister, wenn Sie wissen, was ein zusätzlicher Umweltnutzen ist – das haben wir dem Staatssekretär Dr. Walter Arnold auch noch einmal ganz besonders dargelegt –, nämlich wie viel Prozent aus wie vielen Anlagen kommen müssen, die höchstens wie alt sein dürfen, dann wissen Sie, dass das CO2-mäßig etwas ändert.
Wir müssen das Stromeinspar- und Wärmeschutzpotenzial, das wir haben, nutzen, und zwar durch kraftvolle Schritte auch einer Landesregierung, als Ergänzung zu den Programmen der Bundesregierung,die es bereits gibt.
Aus unserer Sicht brauchen wir im Land Hessen ein Gesetz zur erneuerbaren Wärme, damit wir endlich auch an den Altbestand herankommen.Wenn Sie einmal nach Baden-Württemberg schauen, stellen Sie fest,dass es Länder gibt, die uns dabei weit voraus sind. Das ist übrigens keine parteipolitische Frage.Sie wissen,wer in Baden-Württemberg regiert.
Liebe Kollegin Apel, wenn ich Sie da so lächeln sehe: Uns ist aufgefallen, dass unser Gesetzentwurf aus der letzten Wahlperiode zur Gebäudedämmung im Nachbarschaftsrecht, also zur Erleichterung der Dämmung bei Grundstücken mit Grenzbebauung, den wir Satz für Satz aus der baden-württembergischen Bauordnung abgeschrieben haben, der für Sie damals noch der Untergang des Abendlandes war, heute als Gesetzentwurf der Hessischen Landesregierung vorliegt. Da merken wir, es scheint ein gewisser Umdenkungsprozess in Gang gekommen zu sein. Wir würden ihn allerdings gerne beschleunigen, und zwar massiv beschleunigen.
Aus unserer Sicht brauchen wir einen Vorrang für erneuerbare Energien auch im Landesentwicklungsplan. Wir wollen eine Energie- und Klimaschutzagentur des Landes, die wirklich kraftvoll vorangeht, anstatt nur auf andere Länder zu schauen.
Was wir nicht brauchen, ist eine Zementierung der bisherigen ineffizienten Struktur der Energieversorgung mit ineffizienten Großkraftwerken auf die nächsten 50 Jahre hinaus. Da bin ich beim Kraftwerk Staudinger.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben sehr ineffiziente Kohlekraftwerke, teilweise sehr alte, ineffiziente Kohlekraftwerke. Liebe Kollegin Beer, was E.ON bei Staudinger plant, ist ein weiteres ineffizientes Kohlekraftwerk, weil es nämlich faktisch heißt, wenn Sie Wirkungsgrade von 46 bis 48 % sehen, dass weiterhin über die Hälfte der eingesetzten Energie dazu benutzt würde, den Main zu heizen und Wolken über Hanau zu produzieren. Das kann nicht richtig sein.
Aus Sicht von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wird es in Zukunft auch in Hessen Mindestwirkungsgrade geben müssen, die die Kraftwerke erreichen müssen; ansonsten sind sie in Zukunft nicht mehr genehmigungsfähig. Das gilt in Zukunft, wenn E.ON nicht von selbst dazu kommt, zu merken, dass es sich auf einem Holzweg befindet.
Es handelt sich um einen Entschließungsantrag.Wir stimmen heute auch über Punkt 4 ab, nämlich über die Frage, wie der Landtag zum Thema Staudinger steht. Ich möchte noch einmal ausdrücklich Herrn Bernotat,den Vorstandsvorsitzenden von E.ON, zitieren, der auf der Hauptversammlung von E.ON am 30.April 2008 sagte:
Wenn die hessische Landespolitik, in welcher Konstellation oder in welcher zukünftigen Regierung auch immer, das Kraftwerk ablehnt, dann können wir gegen diese politische Position eben das Kraftwerk nicht bauen. Das ist meine Aussage, und die steht auch.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir finden, dass sich Herr Bernotat an diese Worte, die er in vollem Bewusstsein gesprochen hat, auch halten sollte.
Herr Kollege Hahn hat mir einen Brief geschrieben, der einen schönen Satz beinhaltet:„Ich hätte nie gedacht,dass ausgerechnet mir das einmal aus der Feder rutscht, aber ich muss Joseph Martin Fischer recht geben.“ Er spielt dort darauf an, dass sich Joschka Fischer Gedanken über die Frage macht, wie lange wir noch Kohlekraftwerke brauchen.
Lieber Herr Staatsminister Rhiel, ich sage ausdrücklich: Die GRÜNEN waren nie der Meinung, dass man existierende Kohlekraftwerke vorzeitig abschalten sollte.
Aber wir sind der Meinung, dass man keine neuen, ineffizienten Kohlekraftwerke jetzt bauen sollte, die dann für 50 Jahre die Struktur prägen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie sagen, Joschka Fischer hat recht, dann empfehle ich Ihnen das ganze Interview. Dann überlegen Sie sich vielleicht doch, ob Sie immer noch dieser Meinung sind. Ich zitiere aus dem Magazin der Deutschen Umwelthilfe:
Verschwendung und Unvernunft, mit der wir bisher gelebt haben, sind so nicht mehr haltbar.
Er sagt zur Frage, wie der Ölpreis sich entwickelt hat:
Endlich verschwinden die versteckten Subventionen, und die ökologische Wahrheit kommt in den Preisen zum Vorschein. Nur so wird sich etwas verändern.
Achtung an alle hier im Haus:
Da helfen auch keine neuen Subventionsversprechen à la Pendlerpauschale. Wenn die Lawine runterdonnert, nützt es nichts, den Regenschirm aufzuspannen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, da sollten Sie einmal sagen,Joschka Fischer hat recht.– Er sagt dann weiterhin, die entscheidenden Defizite der Atomenergie sind und bleiben ungelöst: die Sicherheitsproblematik mit dem Potenzial einer Katastrophe, das Proliferationsrisiko und die Entsorgung. Es ist doch kindisch, zu glauben, wir könnten Atommüll, der Hunderttausende von Jahren strahlt, administrativ verbuddeln. – Da sagen wir ausdrücklich, Joschka Fischer hat recht.
Ob die FDP immer noch der Meinung ist, bin ich gespannt, zu hören.
Ich gucke auf die Uhr; letzter Satz, Frau Präsidentin. – Wir wollen die Hochrisikotechnologie der Atomkraft beenden. Wir wollen endlich den Einstieg in die erneuerbaren
Energien, und wir wollen keine ineffizienten Kohlekraftwerke in diesem Bundesland. Es wird Zeit, dass wir endlich damit beginnen. – Vielen Dank.
Herr Staatsminister, das kann so nicht stehen bleiben. Ich halte fest: Für die Solarstromförderung zahlt ein durchschnittlicher Haushalt in der Bundesrepublik Deutschland mit durchschnittlichem Verbrauch heutzutage 1 c im Monat. Die Mehrwertsteuererhöhung, Herr Staatsminister, der Sie im Bundesrat zugestimmt haben, macht bei derselben Stromrechnung übrigens 1,50 c pro Monat aus. Das nur nebenbei.
Gleichzeitig haben wir GRÜNEN das ErneuerbareEnergien-Gesetz durchgesetzt
ja, liebe Andrea, gegen Müller, Clement und Tacke, wenn du es genau wissen willst –, das die erste Subvention in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland ist, die Jahr für Jahr sinkt.Wenn wir das bei der Steinkohle geschafft hätten, wäre uns viel erspart geblieben, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Das jährliche Sinken der Subvention sorgt dafür, dass die Anlagen wirklich jedes Jahr effizienter werden. Das führt dazu, dass wir im Jahr 1995, als die ersten Fotovoltaikanlagen – Solarsteinzeit im Vergleich zu heute – auf den Markt kamen, einen Preis von 2 DM/kWh hatten und bei den modernsten Anlagen inzwischen bei einem Preis von 33 Cent/kWh sind. Wenn man innerhalb von 13 Jahren in anderen Bereichen ähnliche Effizienzsprünge hinbekommen hätte,liebe Kolleginnen und Kollegen,dann würde es uns allen besser gehen.
Herr Wirtschaftsminister, im Übrigen hat diese Subvention nicht dafür gesorgt, dass Gazprom oder sonst wer reicher geworden ist, sondern dass 40.000 Arbeitsplätze in Deutschland entstanden sind.Unser Land,das keinen einzigen Hersteller von Fotovoltaikanlagen mehr hatte, als wir 1998 an die Regierung kamen, ist bei dieser Technologie inzwischen Weltmarktführer. Wer an die Firma SMA denkt, der weiß, dass sich das auch in Hessen abspielt.
Deshalb finde ich es nicht gut, dass ein Wirtschaftsminister, von dem wir erwarten können, dass er auch langfristig denkt, hier so tut, als seien quasi das letzte halbe Jahr und auch die Anhörung spurlos an ihm vorübergegangen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich finde, dieses Haus sollte aus der Energieanhörung, die wir gemeinsam gemacht haben, mehr lernen, als in den Redebeiträgen der Abgeordneten der CDU und der FDP sowie des Vertreters der Landesregierung gerade zum Ausdruck gekommen ist.
Herr Staatsminister, Sie haben gerade gesagt, dass die Population seit 1999 abnimmt. Hat das etwas mit dem damaligen Regierungswechsel und Ihrem Amtsantritt zu tun?
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will erst einmal zum geschätzten Kollegen Rudolph zwei Sachen sagen.
Erstens. Auch wir sind dafür, dass die Beamtinnen und Beamten die 3 % bekommen. Übrigens habe ich niemanden in diesem Haus gehört,der nicht der Meinung ist,dass die 3 % auch übertragen werden sollen.
Das Einzige, worüber wir uns jetzt auseinandersetzen, ist die Frage, ob das für alle heute, Ende September, rückwirkend zum 1. Januar geschehen soll. Das ist der einzige Punkt. Dass jemand, der im Dienste des Landes Hessen steht, an der Einkommensentwicklung teilhaben soll, das haben wir immer gesagt, und das ändert sich überhaupt nicht durch das, was hier beschlossen oder auch nicht beschlossen wird. Dieser Meinung sind alle.
Zweitens.Lieber Kollege Rudolph,Sie haben gesagt,nach der Vorstellung der GRÜNEN würde irgendwer etwas weniger bekommen. Dazu sagen wir ausdrücklich: Das stimmt nicht, sondern alle bekommen mehr, und zwar rückwirkend.
Um es jetzt einmal konkret zu machen, lieber Günter: Du hast als Beispiel die Polizeibeamten genannt. Die Justiz
vollzugshauptsekretärin mit A 8 bekommt nach unseren Vorstellungen rückwirkend 512 c. Der Polizeioberkommissar bekommt rückwirkend 311 c zusätzlich, und der Studienrat mit A 13 bekommt rückwirkend 242 c.Es geht also nicht darum, dass irgendwer weniger bekommen soll. Es ist wichtig, das in dieser Debatte noch einmal festzustellen.
Wenn ich mich recht erinnere, habe ich in der ersten Sitzung nach der Sommerpause in der ersten Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung ausdrücklich gesagt, dass ich nicht verstehe,warum von einer Vollbremsung sofort auf Vollgas umgestiegen werden soll. Wer es hören wollte, konnte es hören. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich sage ausdrücklich: Die Fraktion der GRÜNEN ist in dieser Frage, ob in der Regierung oder in der Opposition, immer stringent gewesen. Wir haben im Jahre 1996 die Debatte über die Frage eröffnet, wann eigentlich mit dem Ausgleich des Haushalts begonnen werden soll. Ich kann mich noch daran erinnern, dass der heutige Abg. Wagner damals Mitautor eines Papiers war, in dem er die damals revolutionäre Forderung aufgestellt hat, innerhalb von zwei Legislaturperioden auf Bundesebene zu einem Haushaltsausgleich zu kommen. Wir sind auf dem Bundesparteitag der GRÜNEN mit dieser Forderung kläglich untergegangen. Drei Jahre später war sie Gegenstand der Regierungspolitik von Bundesfinanzminister Hans Eichel.
Liebe Kollegin Beer, ich bin seit 1995 in diesem Parlament. Seit dieser Zeit habe ich immer wieder erlebt: Am Ende der mittelfristigen Finanzplanung war der Haushalt immer ausgeglichen – der Termin verschiebt sich aber jedes Jahr um ein Jahr.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind auch in Oppositionszeiten hier ausdrücklich die Linie gefahren, unterschiedliche Gehaltsgruppen unterschiedlich zu behandeln. Ich erinnere daran, dass wir, als die CDU im Herbst 2003 mit absoluter Mehrheit beschlossen hat, die Sonderzahlungen komplett auf 60 % zu kürzen, hier den Vorschlag eingebracht haben, bei bestimmten Gruppen auf unter 60 % zu gehen und bei bestimmten Gruppen bei 70 % zu bleiben – unter dem Strich zwar das gleiche Einsparvolumen, aber eine, wenn Sie so wollen, andere Behandlung von einfachem und mittlerem Dienst als von gehobenem und höherem Dienst. Das hat die CDU damals leider abgelehnt.
Ich muss aber noch einmal feststellen:Wir waren und sind in dieser Frage stringent. Herr Ministerpräsident, ich fände es gut, wenn Sie das einmal darstellen würden, denn die Tatsache, dass Sie rückwirkend eine Gehaltserhöhung um 3 % geben wollen, ist faktisch das Eingeständnis, dass der hessische Sonderweg gescheitert ist. Faktisch haben Sie sich auf denselben Prozentsatz wie den der TdL geeinigt.Wir sagen ausdrücklich, dass die hessischen Beschäftigten, auch die Beamtinnen und Beamten, an der Einkommensentwicklung teilhaben sollen, wir vertreten aber schon die Auffassung, dass das nicht bei allen Gehaltsgruppen zum selben Zeitpunkt geschehen muss.
Lieber Günter, SPD und GRÜNE haben in Hessen ja schon gemeinsam regiert. Ich meine, mich zu erinnern, dass es 1996 oder 1997 war, als im Gesetz- und Verordnungsblatt stand, dass das Ergebnis des Tarifabschlusses
für die hessischen Beamtinnen und Beamten ganze drei Monate später in Kraft tritt. Kann das so gewesen sein?
Insofern meinen wir es sehr ernst. Geld hat keine politische Farbe. Geld ist entweder da, oder es ist nicht da. Momentan ist es so, dass wir davon nicht genug haben. Deswegen glauben wir, die Besoldung für alle Besoldungsgruppen, bis zu B 9, rückwirkend zum 1. Januar zu erhöhen, wäre falsch. Wir würden das übrigens auch dann für falsch halten, wenn die CDU-Fraktion hier noch die absolute Mehrheit hätte.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hatte im Vorfeld der Debatte gehofft, dass bestimmte Sachen nicht eintreten und dass man es wenigstens an diesem Punkt einmal lassen kann,
politische Taktik zu betreiben. Ich verstehe, dass hier eine aufgeregte politische Situation herrscht. Aber ich finde schon, liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist ein Unterschied, mit Verlaub, ob eine Fraktion wirre Leute zu einer Stellungnahme im Hessischen Landtag bittet oder ob ein Kind fast totgeschlagen wird.
Ich hatte gehofft, aber es war offensichtlich nicht möglich. Ich finde, das, was im Schwalm-Eder-Kreis passiert ist, zeigt – das muss uns alle aufschrecken –, dass wir in diesem Land ein Rechtsextremismusproblem haben, und nicht erst seit Kurzem, sondern seit Längerem und nicht nur irgendwo anders, sondern auch in Hessen. Das ist hier ganz besonders deutlich geworden.
Ich finde, dass es spätestens jetzt für alle an der Zeit wäre, das einzusehen. Ich kann mich erinnern, es ist jetzt schon acht Jahre her, dass Benno Hafeneger von der Uni Marburg seine Untersuchung veröffentlicht hat. Dort ging es darum, wie es mit rechtsextremistischen Tendenzen, und zwar völlig unorganisiert, in bestimmten Bereichen aussieht, vor allem bei männlichen Jugendlichen in ländlichen Räumen, vor allem in Nord- und Mittelhessen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben ein Problem. Ich finde es ausdrücklich richtig, dass die Leute, die dort im organisierten oder auch nicht organisierten Neonazismus unterwegs sind, mit allen Mitteln, die Strafverfolgungsbehörden,die Polizei und Justiz haben,verfolgt werden, dass in solchen Bereichen mit der vollen Härte, die das Gesetz hergibt, reagiert wird.
Ich sage ausdrücklich: Es geht diesen Leuten genau darum, das Gewaltmonopol des Staates in diesen Bereichen außer Kraft zu setzen. Deswegen müssen wir mit allen Mitteln dafür sorgen, dass das Gewaltmonopol des Staates durchgesetzt wird und Menschen vor Gewalttaten geschützt werden.
An diesem Punkt ist es natürlich so, dass wir uns überlegen müssen, mit welchen Mitteln das geschehen kann. Da müssen sich alle hier überlegen, ob ihre Haltung beispielsweise zum Verfassungsschutz stringent ist. Denn wenn wir da ein Problem haben, muss auch jemand hingucken. Dass man mit diesen Erkenntnissen etwas machen muss, ist auch völlig klar.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, insofern ist in diesem Bereich nicht alles in Ordnung.Wir haben sinkende Zahlen in der Statistik der rechtsextremistischen Straftaten. Wir haben bei Gewalttaten ein etwas anderes Bild. Liebe Kolleginnen und Kollegen, daher dürfen wir uns nicht zurücklehnen und sagen, Hessen hat im Vergleich zu Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern eine niedrigere statistischere Belastung. Es ist, mit Verlaub, dem 13jährigen Mädchen, das fast zu Tode geprügelt wurde, ziemlich egal, wie das in der Statistik aussieht.
Wir haben in Hessen ein Problem, und dieses Problem müssen wir angehen. Jeder Fall ist einer zu viel, selbst wenn es woanders noch mehr sind.
Ich warne auch davor, zu glauben, dass das ein Problem ist, das nur mit Polizei und Justiz in den Griff zu bekommen ist. Stattdessen müssen wir uns überlegen, was in der Schule passieren muss. Wir müssen uns überlegen, was in der Jugendarbeit passieren muss. Wir müssen uns überlegen, dass am Ende genau diesem Problem nur zu begegnen ist, wenn diese Leute, die so etwas versuchen, auf den geballten Widerstand der Bevölkerung in ihrer überwältigenden Mehrheit treffen. Das bedeutet Zivilcourage. Da hilft mir keine Polizei. Das bedeutet wirklich Zivilcourage, und das bedeutet auch, dass wir uns überlegen müssen, wie wir z. B. Bürgermeister, Jugendarbeiter oder Lehrer, die merken, sie haben ein Problem, unterstützen können, wie wir ihnen helfen können, die richtigen Gegenmaßnahmen einzuleiten.
Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin. – Insofern haben wir alle miteinander viel zu tun. Ich sehe die Anträge, die auf dem Tisch liegen. Frau Kollegin Schott hat den Wortlaut des Antrags der LINKEN vorgetragen. Gegen diesen Wortlaut spricht nichts.Gegen den Antrag der SPD spricht nichts, und gegen den Antrag von CDU und FDP spricht bis auf einen kleinen Punkt – Stichwort: so tun, als sei alles in Ordnung – auch nichts.
Deswegen werden wir GRÜNE allen Anträgen, bis auf diesen kleinen Punkt, unsere Zustimmung geben, weil es hier wirklich kleinkariert wäre, zu sagen: Der Antrag ist von den Falschen gestellt,deshalb lehnen wir ihn ab.– Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will mich bemühen, jenseits der Gesetzentwurfsexegese fünf Minuten lang über den eigentlichen Hintergrund dessen zu reden, worüber wir hier gerade debattieren.
Wir haben es mit einem weiteren Kapitel der Reparatur der desaströsen Fehler der Regierung Koch zu tun.
Herr Innenminister, der Fehler war, Angestellte und Beamte von der Einkommensentwicklung im öffentlichen
Dienst abkoppeln zu wollen. Der grobe Fehler war dann, Tariferhöhungen per Gesetz – wie im letzten Jahr – zu beschließen.