Sie wissen, dass die jungen Frauen zwar mit besonders guten Abschlüssen die Schule verlassen, aber wir müssen feststellen, dass im Berufsleben 30 % aller Arbeitnehmerinnen zu Niedriglöhnen beschäftigt werden.Im Vergleich aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer stellen die Frauen 70 % der zu Niedriglöhnen Beschäftigten. Das ist ein Skandal.
Im internationalen Vergleich ist Deutschland hinsichtlich des Anteils der Beschäftigten mit Niedriglöhnen mittlerweile führend. Diese zweifelhafte Führungsposition würde ich gerne wieder abgeben.
Eine andere Entwicklung, die uns beunruhigen muss, vor der wir ebenfalls immer gewarnt haben – leider bestätigt sich jetzt unsere Warnung –:Auch im Minijobsektor findet eine negative Entwicklung statt. In diesem Sektor arbeiten die meisten Niedriglöhner. Die Minijobs sind weiter auf dem Vormarsch. Der Anteil der Minijobs an der Gesamtbeschäftigung hat sich von 2,6 % im Jahre 1995 auf 7,1 % im Jahr 2006 verdreifacht.
Dazu kommt, dass die Löhne und Gehälter im Minijobsektor gesunken sind. Wenn wir uns heute über die Rentenkassen unterhalten, müssen wir auch wissen, dass viele Arbeitsplätze für Vollzeiterwerbstätige in Minijobs umgewandelt worden sind.Was heißt das für unsere Sozialkassen? Auch darüber müssen wir reden, meine Damen und Herren.
Wir wollen noch einmal darauf hinweisen, dass die Politik nicht zulassen darf, dass sich die Löhne auf dem Arbeitsmarkt im freien Fall befinden. Deshalb müssen wir handeln. Unser Appell an Sie von der CDU und der FDP lautet an dieser Stelle: Geben Sie Ihre Fundamentalopposition gegen die Einführung von Mindestlöhnen auf.
Herzlichen Dank, Frau Kollegin Ypsilanti. – Das Wort hat Margaretha Hölldobler-Heumüller für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben in diesem Plenum ein seltsames Phänomen. Die Partei, die am lautesten schreit, weil die LIN
Wir haben nämlich das wachsende Auseinanderklaffen der Einkommensentwicklung und die Zunahme der Zahl der Jobs mit Niedriglöhnen zu verzeichnen. Kollegin Ypsilanti hat die Zahlen dankenswerterweise vorgetragen. Die CDU-Fraktion hat zu dieser Entwicklung in den letzten Jahren soziale Kälte ohne Ende hinzugefügt. Von daher gesehen waren Sie der größte Wahlhelfer der LINKEN und dürfen sich jetzt nicht beschweren, dass die da sind, wo sie sind.
Die LINKE ist nicht gewählt worden, weil irgendjemand möchte, dass das Kommunistische Manifest umgesetzt wird. Da bin ich sehr sicher. Die LINKE ist auch nicht gewählt worden – das belegen Wählerumfragen –, weil man ihr an dieser Stelle Lösungen zutraut. Die LINKE ist gewählt worden, weil sie Radau macht, weil sie laut und deutlich sagt, wo die Missstände sind. In einem Interview mit der „Frankfurter Rundschau“ hat Kollege van Ooyen deutlich gesagt, dass die LINKE nicht bereit ist, hier Verantwortung zu übernehmen, dass sie die anderen für zuständig hält, Lösungen zu finden.
(Michael Boddenberg (CDU): Die wollen weiter herumpoltern – wie Lafontaine! Der ist auch dauernd weggelaufen!)
Wir alle, die wir in diesem Hause sitzen, müssen uns aber fragen, warum eine Partei gewählt wird, die keine Lösungen parat hat und der auch niemand Lösungsvorschläge zutraut. Die Bürgerinnen und Bürger spüren die Veränderung des sozialen Klimas in den letzten zehn Jahren deutlich. Die Bürgerinnen und Bürger fühlen sich nicht gesehen, nicht gehört und nicht verstanden. Deshalb sind wir alle gefragt, etwas zu verändern.
Der Bericht belegt deutlich, dass inzwischen jeder Fünfte im Niedriglohnbereich arbeitet. Jetzt werden Sie sicher daherkommen und sagen: Über diese 9,61 c pro Stunde kann man sicher diskutieren. – Der Bericht belegt zudem, dass entgegen allen Vorurteilen viele Menschen mit abgeschlossener Berufsausbildung im Niedriglohnsektor arbeiten. Der Bericht belegt außerdem, dass Frauen überproportional benachteiligt werden, und ich kann mir an dieser Stelle den Hinweis nicht verkneifen, dass dieser Zustand manchmal durch Tarifverträge – und damit unter Mitwirkung der Gewerkschaften – auch noch vertraglich zementiert wird.
Der Bericht belegt schließlich die große und wachsende Zahl der Minijobber, die im Niedriglohnbereich arbeiten.
Bevor wir über die Höhe des Mindestlohns streiten – ich nehme an, dass Sie diese Karte ziehen werden –, möchte ich sagen, es gibt inzwischen tarifliche Mindestlöhne, die
weit unter 9,61 c pro Stunde liegen.Kollegin Ypsilanti hat schon darauf hingewiesen: Es ist die Frage zu stellen, ob diese Löhne eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben überhaupt noch ermöglichen.
Wir werden nachher vonseiten der CDU und der FDP wieder hören: Das geht nicht, Deutschland muss wettbewerbsfähig sein, die Arbeitsplätze dürfen nicht gefährdet werden. – Uns geht es an dieser Stelle nicht um eine pauschale Unternehmerschelte. Unternehmer schaffen Arbeitsplätze, Unternehmer müssen Gewinne machen, sonst können sie nämlich keine Arbeitsplätze mehr schaffen.
Danke, Herr Boddenberg. – Das haben wir schon immer gesagt,aber es ist auch auf die erhebliche gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmern hinzuweisen.Ich spreche z. B. die Frage der Schaffung von Ausbildungsplätzen an. Wenn die Unternehmer heutzutage jammern, dass sie keine Fachkräfte mehr haben,kann ich nur fragen:Warum haben sie keine Fachkräfte ausgebildet? Wir haben die Unternehmer seit Jahren händeringend darum gebeten.
Die soziale Gerechtigkeit läuft aus dem Ruder. Das wird noch eindrucksvoller an den Zahlen deutlich, die das Statistische Bundesamt zur Verfügung stellt, das doch wohl sehr unverdächtig ist, parteipolitisch angehaucht zu sein. Der Anteil am Gesamteinkommen, der durch abhängige Arbeit verdient wird, ist seit dem Jahr 2000 von 72 % auf 64 % gesunken. Da das Gesamteinkommen natürlich 100 % beträgt, lässt sich ableiten, dass der Anteil, der durch Gewinne verdient wird, im gleichen Zeitraum gestiegen ist, nämlich von 27 % auf 36 %.
Das zeigt, dass die Schere immer mehr auseinandergeht. Das ist eine Entwicklung, die nicht sein kann.Wir müssen uns fragen, woran das liegt. Die Löhne bleiben seit Jahren hinter dem Wirtschaftswachstum und dem Produktivitätszuwachs zurück. Da stehen wir im EU-Durchschnitt durchaus schlecht da.Die Preis- und die Lohnentwicklung klaffen immer weiter auseinander. In letzter Zeit steigen speziell die Preise für Lebensmittel und für Energie ganz erheblich. Die Produktionskosten in Deutschland können dem Vergleich mit denen in anderen westlichen EU-Ländern standhalten. Es liegt also nicht daran, dass die Produktionskosten zu hoch sind. Deutschland ist trotz des starken Euros nach wie vor Exportweltmeister. Wir sind verpflichtet, dafür zu sorgen, dass an diesem Wachstum alle teilhaben.
Wir fordern: Wer 40 Stunden pro Woche arbeitet, muss von dem Lohn auch leben können. Deswegen unterstützen wir die Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn. Wir wollen einen branchen- und regionalspezifischen Mindestlohn.
Ich komme zum Schluss. – Da die Wirtschaft ihrer Verantwortung nicht nachkommt und zu meinem Erschrecken
auch die Kirchen bei den Pflegedienstleistungen keinen Mindestlohn einführen wollen, muss die Politik an dieser Stelle handeln.
Wir brauchen eine Bürgerversicherung, damit alle an den Soziallasten beteiligt werden. Wir GRÜNE wollen, dass es bei den Lohnnebenkosten ein progressives Anwachsen gibt, damit die unteren Lohngruppen weniger belastet werden. Das sind unsere politischen Aufgaben. Daran können wir gemeinsam arbeiten, um eine größere soziale Gerechtigkeit in unserem Land herzustellen.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Als neuer Abgeordneter in diesem Haus wundere ich mich über die inhaltsvollen Anträge, die zur Aktuellen Stunde gestellt werden. Ich bin froh, dass meine Vorredner, vor allem Frau Ypsilanti, ein paar Anhaltspunkte zu der eigentlichen Zielrichtung dieses knapp formulierten Antrags geliefert haben.Das hat dann doch etwas von einer Märchenstunde.
„Konsequenzen aus dem IAQ-Report ziehen – Ausweitung des Niedriglohnsektors stoppen“ – so heißt Ihr Antrag. Ich will auf die einzelnen Punkte, die den Inhalt der Studie betreffen, gar nicht weiter eingehen. Das haben meine Vorrednerinnen bereits getan. Ich will auch die Fakten überhaupt nicht infrage stellen.
Aber die Studie stellt nur den aktuellen Sachverhalt dar. Sie sagt jedoch nichts über die Ursachen für die Ausweitung des Niedriglohnsektors aus. Im Übrigen verbindet sie das mit den Antragstellern und Frau Ypsilanti.
Meine Damen und Herren von der SPD,mir schwant,dass Ihnen diese Studie nur zu einer erneuten Debatte über Ihr Lieblingsthema Mindestlohn verhelfen soll. Ja, ich bin durchaus lernfähig und vermute, dass uns dieses Thema bis zur Bundesstagswahl noch des Öfteren beschäftigen wird.
Wenn Sie schon so viele Zahlen und Statistiken bemühen, um Ihre Thesen zu untermauern, sage ich Ihnen: Zu den Fakten gehört, dass es in Hessen bereits seit vielen Jahren Tarifverträge gibt, die für allgemein verbindlich erklärt werden. Zum Beispiel ist das beim Einzelhandel der Fall. Die von Ihnen so oft erwähnte Kassiererin hat also de facto einen Mindestlohn – einen Mindestlohn, der von den Tarifpartnern ausgehandelt wurde.
Genau diese sind dafür zuständig. Wie kommen Sie eigentlich darauf, dass der Gesetzgeber besser weiß, in welcher Gehaltsgruppe wer wann wie viel verdienen soll?