Protocol of the Session on April 24, 2008

Alles in allem mutet auch dieser Antrag wieder wie eine inhaltlich zwar richtige, aber handwerklich schlecht umgesetzte Maßnahme an.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Wenn ich als Land erfolgreiche Präventionsprojekte umsetzen will – diesen Ansatz unterstützen wir nachhaltig – und dafür lokale Bündnispartner suche, dann muss ich diesen auch etwas anbieten können. Ich muss zumindest ihre Fachlichkeit anerkennen und sie entlasten.

Zur Erinnerung und zur Wiederholung,damit der nun neu gelernte Ansatz auch in das Langzeitgedächtnis übergehen kann: „Operation sichere Zukunft“ bedeutete Geld für die Niederräder Pferderennbahn und für Schlösser, aber kein Geld für Integrationsmaßnahmen, kein Geld für die Erziehungsberatung,kein Geld für Schuldnerberatung oder für Qualifizierungskurse.

(Beifall bei der SPD – Michael Boddenberg (CDU): Was für alte Kamellen! – Zuruf des Abg. Mark Weinmeister (CDU))

Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Ich komme zum Ende. – Sie haben alle Ansätze auf null gefahren und haben die Träger in eine düstere Zukunft geschickt. Jetzt möchten Sie, dass sie wieder Kooperationspartner vor Ort werden. Da frage ich mich, wie Sie das machen wollen. Ich freue mich auf die Diskussion im Ausschuss. – Danke schön.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN – Michael Boddenberg (CDU): Das ist sieben Jahre her! – Mark Weinmeister (CDU):Alles Worthülsen! – Michael Boddenberg (CDU): Wo ist denn der Siebel, ist der gerade auf Schlossbesuch?)

Nächster Redner ist Abg. Greilich für die FDP.

(Zurufe von der SPD: Das war die erste Rede!)

Frau Künholz, ich bitte um Entschuldigung. Meinen Glückwunsch zur ersten Rede.

(Allgemeiner Beifall)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Frau Kollegin Künholz, wenn man Sie eben gehört hat, konnte man das Gefühl gewinnen, dass Sie nicht Bestandteil, sondern Opfer der Propagandamaschine Ihrer eigenen Partei geworden sind.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Zurufe von der SPD: Oh!)

Offenkundig ist Ihnen entgangen, was es in den letzten Jahren in Hessen gegeben hat, obwohl Sie berichtet haben, der Jugendhilfeausschuss im Lahn-Dill-Kreis habe sich an dem Thema nicht beteiligt oder beschlossen, man wolle sich nicht beteiligen. Wenn Sie wissen wollen, warum,dann überlegen Sie einmal,was es für Mehrheiten im Lahn-Dill-Kreis gibt.Vielleicht liegt es daran.

(Zuruf des Abg. Gerhard Merz (SPD))

Liebe Frau Künholz, das „Netzwerk gegen Gewalt“ gibt es in Hessen mindestens seit dem Jahr 2004, und es hat – das ist Anlass unseres Antrags – gute Arbeit geleistet,gute Ansätze gezeigt. Die wollen wir weiterentwickeln, und deswegen haben wie diesen Antrag eingebracht.

(Beifall bei der FDP)

Das eigentliche Problem, um das es geht, ist in der Tat die Jugendkriminalität. Jugendkriminalität ist eine Tatsache, die häufig versucht wird dadurch wegzudiskutieren, dass man alles in Watte packt und meint, das Ganze sei kein ernst zu nehmendes Thema.Damit relativiert man das tatsächlich vorhandene Gewaltproblem, das wir insbesondere auch bei der extremistischen Gewalt zu beobachten haben.

(Beifall bei der FDP – Zurufe von der SPD)

Deswegen ist es wichtig, auf zwei Ebenen gegen diese Jugendkriminalität vorzugehen. Das erste und ein sehr wesentliches Mittel ist, dass es dann, wenn etwas passiert ist, Strafverfolgung geben muss, die wirksam sein muss. Darüber haben wir in den letzten Monaten, auch schon vor der Wahl, sehr trefflich diskutiert, dass in der Tat Strafverfolgung bei Jugendkriminalität nur dann wirkt, wenn sie erstens schnell ist und zweitens auch entsprechend vollzogen wird.Hierbei gab es in Hessen Defizite.Ich hoffe,dass wir diese sehr schnell werden abstellen können.

(Beifall bei der FDP)

Die zweite Säule ist die Frage der Prävention. Dort ist sehr gute Arbeit im „Netzwerk gegen Gewalt“ geleistet worden. Diese Arbeit muss insbesondere lokal und regional ausgebaut werden. Ich will in Erinnerung rufen, dass es diverse lokale Präventionsräte gibt. Nicht überall ist der Lahn-Dill-Kreis. Dort wird entsprechend gut gearbeitet. Herr Beuth hat schon verschiedene Einzelprogramme genannt. Ich will das nicht wiederholen, um die Angelegenheit hier nicht in die Länge zu ziehen.

Ich will nur zusammenfassen: Das Reden über Jugendkriminalität und über das, was man dagegen tun könnte, reicht nicht. Was notwendig ist, ist konkrete Arbeit. Die fordern wir hier ein.Wir wollen die Landesregierung in ihrem Vorhaben unterstützen und wollen dafür sorgen, dass dies insbesondere stärker in die Region und vor Ort getragen wird.

Frau Künholz, ich habe die Hoffnung, wenn Sie sich mit dem vertraut gemacht haben, was schon vor unserer Zugehörigkeit zum Landtag geschehen ist, dass Sie uns dann bei unserem Ansinnen auch entsprechend unterstützen werden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Nächste Wortmeldung, Frau Kollegin Schott für die Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Das „Netzwerk gegen Gewalt“ ist eine gute Einrichtung.Ich finde es ungemein wichtig,Präventionsarbeit zu machen, und ich finde es richtig, sie auszubauen. Dass man sie noch intensiver ausbauen muss und sie mit Mitteln ausfüllen muss, ist eben hinlänglich beschrieben worden.

Ich möchte aber den Blick noch einmal auf einen ganz anderen Punkt lenken. Wir müssen uns doch auch fragen: Woher rührt denn die Gewalt? Die Stressforschung weiß längst – wir alle wissen das aus persönlicher Erfahrung auch –, dass wir dann, wenn uns eine Situation in Stress versetzt und der Stress nicht aufhört, mit Nervosität und anschließend mit Gewalt reagieren können. Die Bereitschaft zu Gewalt steigt mit zunehmendem Stress.

Wenn es uns hier drinnen zu laut, zu aggressiv und zu stressig wird, dann gehen wir eben raus, einen Kaffee trinken, ein paar Schritte gehen, eine Zigarette rauchen, oder was immer der jeweilige Mensch,den es gerade betrifft,an Bewältigungsmechanismen hat.

Ein drei- bis vierjähriges Kind in einem Kindergarten in einer Gruppe mit 25 anderen Kindern kann nicht rausgehen. Ein Kind in einer Familie, in der Aggression oder Stress herrscht, kann nicht rausgehen. Ein Schüler oder eine Schülerin, die in einer Gruppensituation sind, der sie sich nicht gewachsen fühlen und unter der sie leiden,kann nicht gehen, denn in diesem Moment wird er oder sie zum Schulschwänzer. Spätestens dann wird es auffällig, und spätestens dann treten diese Mechanismen ein.

Wenn wir uns nicht anschauen, was dazu führt, und wenn wir nicht bereit sind, an den Wurzeln zu arbeiten, d. h. bessere Situationen für Kinder und Jugendliche zu schaffen – kleinere Gruppen in den Kindergärten, mehr Betreuung, mehr Zuwendung zum einzelnen Kind, kleinere Klassen, kleinere Schulen –, werden wir immer Präventionsarbeit leisten und in der Folge, wenn die Präventionsarbeit gescheitert ist, mit der tatsächlichen Gewalt, mit der Kriminalität von Jugendlichen zu kämpfen haben.

Wenn wir das nicht mehr wollen, müssen wir die Lebensbedingungen von Kindern positiv verändern. Wir müssen ihnen Perspektiven geben. Was nützt es 14-, 15- oder 16Jährigen, wenn sie tolle Gewaltpräventionsprogramme haben, aber ganz genau wissen, dass sie in diesem Leben keine Chance haben, weil sie aus Elternhäusern kommen, die es ihnen nicht ermöglichen,sie so zu unterstützen,dass sie Schulabschlüsse erzielen können, mit denen sie auf dem Ausbildungs- und dem Arbeitsmarkt eine reale Chance haben?

(Michael Boddenberg (CDU): Jeder hat eine Chance, Frau Kollegin!)

Natürlich hat jeder eine Chance.Aber wer die stärksten Ellbogen hat,hat die größte Chance.Wer am lautesten dazwischenschreit, so wie Sie, hat am ehesten die Chance, dass er gehört wird.

(Beifall bei den LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

Solange wir uns gegenseitig niederbrüllen, werden wir den Stresspegel hier im Raum erhöhen und damit die Gewaltbereitschaft. Ich finde es unglaublich nett, wenn Sie mich unterbrechen, und gehe dann auf Sie ein.

(Michael Boddenberg (CDU): Das werde ich auch weiterhin tun!)

Wenn ich dabei lauter werde, liegt das schlicht daran, dass Sie auch lauter werden. Das erzeugt Gewalt. Gewalt erzeugt Gegengewalt, usw.

(Beifall bei den LINKEN – Michael Boddenberg (CDU): Bei mir hält es sich in Grenzen! Ich weiß nicht, wie es bei Ihnen ist!)

Ob sich das bei Ihnen in Grenzen hält, wage ich ernsthaft zu bezweifeln; denn solche Übergriffe sind Formen verbaler Gewalt und damit grundsätzlich abzulehnen.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Sie müssen sich einmal an die freie Meinungsäußerung gewöhnen! Das ist keine Gewalt!)

Freie Meinungsäußerung ist sicherlich ganz in Ordnung. Aber Sie sollten sich vielleicht einmal mit Sprachforschung auseinandersetzen, wo Gewalt beginnt, und auch mit Gewaltforschung. Vielleicht reden wir dann weiter über Gewalt.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das war ein gewaltiger Einwurf von Ihnen!)

Ich bin sicher, wir müssen an den Stellen ansetzen, bei denen die Ursachen für Gewalt liegen. Dann brauchen wir weniger Geld für Prävention.Wir brauchen weniger Geld für Strafvollzug. Wir brauchen weniger Geld für andere aufwendige Maßnahmen. Wir können das Geld nur einmal ausgeben, auch wenn Sie immer glauben, wir würden es gerne dreimal ausgeben. Ich würde es aber gerne da ausgeben, wo wir vermeiden, dass das Elend entsteht, das wir nachher bekämpfen müssen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

Das Wort hat der Innenminister.

Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Zunächst ein Wort an Sie, Frau Abg. Schott.Auch schlechte persönliche Chancen können nie eine Begründung und Berechtigung für Gewalt darstellen.

(Beifall bei der CDU – Marjana Schott (DIE LINKE): Das habe ich auch nicht gesagt!)

Es kann eventuell manches erklären, aber eine Berechtigung von Gewalt kann davon nicht abgeleitet werden. Deshalb will ich mich auch nicht mit den Vokabeln von struktureller Gewalt und Gegengewalt beschäftigen.

(Zuruf von der SPD:Wer hat das denn gesagt?)