Wir werden bei diesen Punkten unterschiedliche Mehrheiten bekommen. Ich appelliere noch einmal an alle, aus dieser Situation, die sich wahrscheinlich niemand gewünscht hat, das Beste zu machen – in einer Phase, von der wir nicht wissen, wie lange sie dauert.
Es war viel von „Jamaika“ die Rede.Ich will noch ein paar andere Farben ins Spiel bringen.Es gäbe z.B.auch die Bolivien-Variante: rot, gelb, grün. Es gibt die Albanien-Variante: schwarz und rot. Es gibt außerdem die Weißrussland-Variante: rot-grün und ein etwas andersfarbiges Rot.
Für die Mazedonien-Allianz, die es in Hessen einmal gab, gibt es ebenfalls keine Mehrheit.Insofern kann ich nur sagen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Es wäre der Sache wirklich nicht angemessen, wenn wir um 14.30 Uhr melden: „Jetzt hat es die Weißrussland-Variante gegeben“, und um 16 Uhr melden: „Jetzt deutet sich Jamaika an.“ Es wäre gut, wenn wir um 14.30 Uhr über die Studiengebühren und um 16 Uhr über G 8 reden würden und am Ende die Sache im Vordergrund stünde.Ich habe es am Samstag schon gesagt:Wir sind wild entschlossen, das Beste daraus zu machen – im Interesse des Landes Hessen und im Sinne der Inhalte, für die wir in dieses Parlament gewählt worden sind. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Danke sehr, Herr Al-Wazir, für diesen Beitrag. – Für die Fraktion DIE LINKE hat sich Herr Dr. Wilken zu Wort gemeldet. Bitte sehr, Sie haben das Wort.
Herr Präsident,meine Damen und Herren! Ihnen allen ist bekannt, dass das meine erste Rede vor diesem Haus ist. Daher kann ich Ihnen schon jetzt mitteilen, sie wird nicht so staatsmännisch ausfallen wie die meines Vorredners. Ich bedanke mich aber für die vielen Hinweise. Ob ich dem Rat folge, deutlich kürzer zu reden als meine Vorredner, wird sich noch zeigen.
Meine Damen und Herren, ich bin die ganze Zeit davon ausgegangen, dass wir Volksvertreter sind, muss aber lernen, dass manche meinen, wir seien Landeshaushaltsvertreter. Ich schließe mich dem so nicht an, sondern will mich grundsätzlich mit der Regierungserklärung von heute Morgen auseinandersetzen.
Herr Koch, Ihr Regierungsprogramm trifft die Bedürfnisse der Mehrzahl der hessischen Bürgerinnen und Bürger nicht, nein, viel schlimmer, es läuft ihren Bedürfnissen zuwider, es gefährdet sie sogar. Konsistenz und Schlüssigkeit – beides haben Sie angemahnt – reichen nicht aus, wenn es in die falsche Richtung geht, auch wenn es mit etwas moderateren Tönen geschieht, als wir von Ihnen gewohnt sind, hier im Hause und überall im Lande.
Sie haben betont, dass wir eine Rekordbeschäftigung in Hessen haben, dass die Arbeitslosigkeit zurückgegangen ist, und das ist gut so.Was sind das aber für Arbeitsplätze? In Hessen waren im Jahr 2007 weit über eine halbe Million Menschen im Niedriglohnsektor beschäftigt. Das ist über ein Viertel der gut 2,1 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in diesem Lande. Es reicht nicht aus,dass diese Menschen Arbeit haben.Es ist zynisch,dies als eine Auswirkung der Globalisierung zu beschreiben, wenn die einen zu Löhnen wie in China bezahlt werden, während sich ihre Vorgesetzten in den Chefetagen an Managergehältern in den USA orientieren.
Wir treten dafür ein – und wir haben dafür eine Mehrheit –, einen gesetzlichen Mindestlohn von 8,44 c in Hessen im Vergabegesetz zu verankern.
Diese Forderung ist nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs in der letzten Woche noch wichtiger geworden. Der Handlungsbedarf hat sich erhöht, weil ortsübliche Tariflöhne nicht mehr gezahlt werden sollen.
Wir treten selbstverständlich auch dafür ein, dass wir von Hessen aus eine Bundesratsinitiative zu diesem Thema starten, um einen gesetzlichen Mindestlohn in dieser Höhe bundesweit gesetzlich zu verankern.
Ein gesetzlicher Mindestlohn ist für uns zentraler Bestandteil unseres Gesamtkonzepts, um die Armut in diesem Land, auch hier in Hessen, zu bekämpfen. Selbstverständlich muss das mit Investitionsprogrammen gekoppelt werden,mit einer offensiven Wirtschafts- und Finanzpolitik, um die Arbeitslosigkeit weiter zu senken.
Ein Mindestlohn bringt außerdem mehr Geld in Umlauf, auch hier in Hessen, und stärkt damit die kränkelnde
Herr Koch, Sie haben in einem sehr allgemeinen Begriff von Angst besprochen, dass einige Mandatsträger in diesem Hause die Sorge von hessischen Bürgerinnen und Bürgern ausnutzten. Das ist eine sehr merkwürdige Sichtweise. Ich stimme Ihnen noch zu, dass es richtig ist, dass wir die Industriegesellschaft des 20. Jahrhundert sicher nicht wiederbekommen werden.Aber das erübrigt für uns doch nicht, nach Perspektiven und Möglichkeiten zu suchen, wie wir Arbeit und Leben im 21. Jahrhundert gestalten wollen.
Wir müssen doch zur Kenntnis nehmen, dass wir in Hessen mehr als 600.000 Menschen haben, die arm sind. Das sind über 130.000 ALG-II-Bezieher. Das sind über 300.000 Sozialgeldbezieher. Das sind 50.000, die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung beziehen, und, und, und. Um diese Situation endlich einmal ordentlich erfassen zu können, stimmen wir auch zu, dass wir dringend einen Armuts- und Reichtumsbericht für Hessen brauchen, damit wir die entsprechenden Maßnahmen ergreifen können.
Eine wichtige Maßnahme – das ist unsere feste Überzeugung – ist selbstverständlich, Arbeits- und Ausbildungsplätze zu schaffen, aber Arbeits- und Ausbildungsplätze, von denen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dann auch leben können. Diejenigen, die von ihrer Arbeit oder von ihrer Arbeitslosigkeit nicht leben können, müssen schnelle und direkte Hilfe bekommen. Wir treten dafür ein, dass wir für diese Gruppen eine Hessencard einrichten, mit der öffentliche Verkehrsangebote, Kultureinrichtungen, Kitas, Schulspeisung, Lernmittel usw. kostenlos nutzbar sind.Wir wissen selbstverständlich,dass das alles Geld kostet. Wir haben auch rechnen gelernt, selbst wenn wir angeblich nicht so den hohen Bildungsgrad wie GRÜNE oder grüne Wähler haben.
Wir wissen aber auch, dass die öffentlichen Kassen gezielt geleert worden sind. Sehr geehrter Herr Hahn, wenn Sie jetzt im Raum wären, würde ich Ihnen das direkt sagen.
Wenn Sie einer Senkung der Gewerbesteuer das Wort reden, dann führt das zu einem weiteren Ausbluten der öffentlichen Kassen. Frankfurt am Main hat eine Gewerbesteuereinnahme durch den Wegzug der Börse verloren. In Eschborn zahlt sie deutlich weniger Gewerbesteuer.
Das ist ein unmittelbarer Gewinn, den in Höhe von 47 Millionen c die Aktionäre der Deutschen Börse einheimsen, und die sind dem öffentlichen Haushalt verloren gegangen. So können wir keine Steuerpolitik machen.
Meine Damen und Herren, wir haben ein Gutachten vorliegen, das wir Ihnen gern zur Verfügung stellen, des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung – IMK –, das immerhin auch die offiziellen Wirtschaftsgutachten in Deutschland mit erstellt. Hiernach liegt das
mögliche Aufkommen einer bundesweit wieder zu erhebenden Vermögensteuer allein für Hessen nach Länderfinanzausgleich bei 1,6 Milliarden c jährlich.
Das sind ca.10 % des hessischen Steueraufkommens – bei einer Bedingung, wenn wir, wie bei unseren westlichen Nachbarn üblich, von einem Freibetrag von einer halben Million Euro ausgehen und alle Beträge darüber mit 1 % besteuern.Wir müssen,um mit der öffentlichen Hand wieder gerechte Politik machen zu können, zu einem gerechten Steuersystem in Deutschland zurückkehren.
Ich sage es ganz deutlich:Wir als LINKE schrecken nicht davor zurück, zumindest befristet und kurzfristig, so lange, bis wir wieder ein gerechtes Steuersystem haben, auch die Verschuldung zu erhöhen,damit wir gerechte Politik machen können.
(Beifall der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE) – Michael Boddenberg (CDU): Bei Ihnen gibt es nichts anderes, außer Schulden zu machen!)
Damit sind die notwendigen Programme zu finanzieren. So kostet z. B. die Umwandlung aller 1-c-Jobs – das sind nach Angaben der Bundesagentur in Hessen ca. 10.000 – in öffentlich geförderte sozialversicherungspflichtige tariflich entlohnte Stellen 35 Millionen c jährlich.Wenn wir bedenken, dass dann weitere Bedürftigkeitsleistungen in den Haushalten entfallen würden, berechnen wir deutlich weniger, eher in Richtung 20 Millionen c. Das sind Rechenbeispiele, die wir gerne mit Ihnen diskutieren wollen. Deswegen sind wir als Fraktion mit Ihnen in diesem Hause.
Lassen Sie mich noch ein paar Bemerkungen zur Bildungspolitik machen. Wir werden nachher ausführlich über Bildung und Studiengebühren diskutieren. Herr Koch, Sie haben heute Morgen gesagt, dass Sie bei G 8 nachbessern wollen – hat lange gedauert –, dass Sie es parallel zu G 9 entwickeln und zulassen wollen. Wir sagen ganz klar: Wenn wir auf der einen Seite G-9-Schulen und auf der anderen Seite G-8-Schulen haben, dann ist das ein weiterer Schritt zur Elitebildung in dem hessischen Schulsystem, und das geht nicht.
(Beifall bei der LINKEN – Michael Boddenberg (CDU): Dann machen wir sozialistische Einheitsschulen daraus!)
Sie kennen unsere Programme sehr gut. Wir treten für eine Gemeinschaftsschule ein, in der alle Kinder bis zur 10. Klasse gemeinsam lernen.
Frau Merkel hat eine solche Gemeinschaftsschule besucht. Ich habe nicht den Eindruck, dass sie da zu wenig gelernt hat.