Herr Kollege van Ooyen, wenn Sie sich die Fälle anschauen, um die es bei der Rückführung ging, stellen Sie fest, dass es immer junge Männer gewesen sind, die arbeitsfähig waren, die in einer Lebenssituation waren, wo sie keine Angehörigen hier hatten. Da haben die Gerichte in vielen Fällen einer Rückführung zugestimmt. Ich glaube,das sind genau diese Männer,die Afghanistan jetzt braucht, die das Land mit aufbauen – und nicht die Alten und Schwachen, die zurückgeblieben sind. Die können diese Arbeit nicht leisten.
Ich habe für jeden Verständnis, der hierbleiben will, der den Unterschied zwischen Afghanistan und der Bundesrepublik kennengelernt hat. Ich glaube, das müssen wir nicht diskutieren. Aber wir müssen als Bundesland eine klare Entscheidung treffen, wie wir mit diesen Menschen umgehen.Die Antwort der FDP ist – wie auch der Kollege Bellino es für die CDU angekündigt hat – so gewesen, dass wir im Petitionsausschuss und in der Härtefallkommission jeden Fall einzeln und separat abgewogen haben. In vielen Fällen haben wir gesagt: Ja, wir wollen diese Menschen hierbehalten, möglicherweise weil sie krank waren oder weil es um die familiäre Situation ging. Da haben wir gesagt: Ja, wir lassen sie hier. – Herr van Ooyen, ich sage Ihnen aber auch: Wir werden es nicht zulassen, dass in Hessen Menschen zurückbleiben, die dieses Land und seine Gutmütigkeit ausnutzen. Das haben wir in vielen Fällen auch gehabt.
Das gab es nicht nur im Sozialbereich, sondern auch in vielen Bereichen des Strafrechts. Denn wir haben es bei vielen dieser Afghanen, die zurückgeführt worden sind, eben nicht mit Waisenknaben zu tun, sondern mit Leuten, die es faustdick hinter den Ohren haben.Auch das gehört zu einer Politik, die auf der einen Seite humanitär ist, auf der anderen Seite aber diesen Menschen auch klare Grenzen aufzeigt. Denn bei der Gastgeberfunktion, die dieses Land in den letzten Jahren in großer Zahl ausgeübt hat und weiter ausübt – das wissen wir, wenn Sie den Bürgerkrieg in Jugoslawien oder Afghanistan nehmen –, muss man auch ganz klar sagen: Wir lassen es nicht zu, dass diese Gastfreundschaft ausgenutzt wird.
Deshalb glaubt die FDP, dass ein genereller Abschiebestopp an dieser Stelle nicht weiterhilft. Wir haben einen Mechanismus, eben den Petitionsausschuss und die Härtefallkommission, die jeden Fall sehr aufwendig abwägt und schaut, welche Schicksale dahinterstecken. Aber ich glaube nicht, dass wir erstens den Betroffenen und zweitens unserem Land und unserer Bevölkerung etwas Gutes tun, wenn wir generell einen Abschiebestopp für alle Menschen geben, die aus Afghanistan kommen. Damit verfehlen wir das Ziel, das Land wieder aufzubauen. Das muss unser gemeinsames Ziel sein.Aber wir würden auch bewirken, dass unsere Gastfreundschaft in anderen Ländern missinterpretiert wird.Das wird es mit der FDP nicht geben, und deshalb werden wir den Antrag ablehnen. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Rentsch. – Nun hat sich Herr Kollege Bellino noch einmal zu Wort gemeldet. Herr Bellino, Sie haben noch eine Minute und 27 Sekunden Redezeit.
Frau Präsidentin, das ist fast wie eine Kurzintervention. Ich brauche die Redezeit vielleicht nicht, aber ich möchte noch einmal auf das angesprochene Hamburger Verhältnis zu sprechen kommen.
Wir halten es durchaus für interessant, was sich in Hamburg zurzeit zwischen der GAL und der CDU anbahnt und auch umgesetzt wird. Das sollte man ruhig weiter beobachten. Aber man täuscht sich, wenn man darauf hinweist, dass dort ein genereller Abschiebestopp vereinbart worden sei. Dem ist nicht so. Es hat zwar in der einen oder anderen Zeitung so gestanden, das ist aber verkürzt wiedergegeben worden. Man hat sich dort darauf verständigt, dass man bei Familien mit Kindern einen vorübergehenden Abschiebestopp angehen will. Darum geht es, und darüber brauchen wir in Hessen gar nicht zu sprechen; denn das machen wir hier sowieso nicht.
Das haben wir in der vergangenen Periode nicht gemacht, und ich bin der festen Überzeugung, dass wir dies auch in Zukunft nicht machen werden.
Abschließend bin ich Herrn Rentsch sehr dankbar, da er noch einmal auf die Arbeit im Petitionsausschuss und in der Härtefallkommission hingewiesen hat und deutlich gemacht hat, dass wir uns in diesen Fällen, über die wir uns unterhalten haben, bei diesen arbeitsfähigen, in der Regel auch ordentlich ausgebildeten jungen Männern
auch noch jeden einzelnen Fall angeschaut haben: Können wir dies, wollen wir dies? Wenn Sie in die Protokolle einsteigen, werden Sie sehen, dass wir uns sehr häufig aus humanitären Gründen auch zugunsten des Petenten ausgesprochen haben. Dabei wird es auch bleiben.
Frau Präsidentin, meine Damen, meine Herren! Ich will mich den Bemerkungen der Kollegen Bellino und Rentsch anschließen. Ich halte es nicht für richtig, hier einen allgemeinen Abschiebestopp zu erlassen. Die Faktenlage ist so: Den gibt es in keinem einzigen Land, aus wohlerwogenen Gründen.
Ich glaube,es war Frau Öztürk,die von meiner Reise nach Kabul in anderem Zusammenhang berichtet hat. Ich stehe da zu jedem Wort.Weil das so ist,sind die hessischen Ausländerbehörden außerordentlich sensibel im Umgang mit diesem Thema.
In Hessen sind im vergangenen Jahr genau 29 afghanische Staatsbürger zurückgebracht worden – 29 Einzelfälle, die anhand der Rechtsprechung und der Beschlusslage der Innenministerkonferenz geprüft wurden. Wir haben schon vor Jahren gesagt,mit uns braucht niemand darüber zu diskutieren, ob wir Kinder oder Familien dorthin zurückführen; das tun wir nicht.Wir wollen aber auch in Zukunft die Möglichkeit bewahren, z. B. alleinstehende Männer, Straftäter und insbesondere Gefährder, also Menschen, von denen die zuständigen Behörden der Überzeugung sind, dass sie in diesem Land eine Gefahr darstellen, zurückzuführen.
Meine Damen und Herren, ich bin erstaunt – nein, ich bin nicht erstaunt, ich bin ein bisschen betrübt darüber, dass die SPD-Landtagsfraktion hier nicht der SPD-Bundestagsfraktion folgt, die nicht weniger intensiv, wie alle anderen auch, um diese Themen ringt. Denn es geht in der Tat um Menschen. Ich verstehe nicht, warum wir uns nicht die Chance erhalten – gerade wenn wir so sensibel mit dem Thema umgehen –, in Einzelfällen, insbesondere in denjenigen Einzelfällen, wo die Interessenlage der Bundesrepublik Deutschland so ist, dass wir sagen, einen solchen Menschen möchten wir hier nicht haben, und wenn es nach Prüfung des Einzelfalls verantwortet werden kann,ihn nach Afghanistan zurückzuschicken,warum wir dies generell ausschließen sollen.
Ich habe ein bisschen den Verdacht, der Antrag der LINKEN hat etwas mit ihrer Afghanistanpolitik zu tun.
Sie nicken. – Denn das, was hier mit großem Tremolo vorgetragen wurde, gilt für weite Teile der Welt.
Doch, dort schon. – Da ich das nun schon seit vielen Jahren verantworte, habe ich mir auch diesen Fall sehr genau angesehen, von dem die Rechtsanwältin und jetzige Abgeordnete spricht.
Meine Damen und Herren, eines geht nicht. Wir können nicht Entscheidungen der obersten Gerichte, wenn sie politisch passen, hier feiern und, wenn sie der einen oder anderen Seite des Hauses nicht passen, einen Aufruf des Landtags am Ende mit neuer Mehrheit beschließen. Ich frage Sie allen Ernstes:Wollen Sie nach der Entscheidung des obersten hessischen Verwaltungsgerichts, die aufgrund einer Vorentscheidung des Bundesamtes in Zirndorf ergangen ist – das ist keine hessische Behörde – und die sich genau mit diesem Fall beschäftigt, als Hessischer Landtag ein Signal an dieses oberste hessische Verwaltungsgericht geben, wie ich es hier gehört habe? Wollen das allen Ernstes alle SPD-Abgeordneten? Wollen das die GRÜNEN tatsächlich? Ist das Ihre Botschaft, nachdem ein Gericht in einem konkreten Fall nach sorgfältigster Prüfung beschlossen hat: „Wir halten dies so für richtig“?
Da mag man persönlich anderer Meinung sein. Aber es macht einen gewaltigen Unterschied, Herr Dr. Spies, ob der Hessische Landtag als erste Gewalt der dritten Gewalt mitteilt: „Das passt uns nicht“.Wenn Sie das tatsächlich hier einführen wollen, dann sollten Sie es tun. Aber das hat es im Hessischen Landtag noch nie gegeben.
Wenn Sie das tun wollen, dann tun Sie es. Es ist eine konkrete Entscheidung. Es ist ein klassischer Eingriff der ersten Gewalt in die Unabhängigkeit der dritten Gewalt.
Nein. Sie merken jetzt, wohin Sie sich begeben haben. – Ich frage Sie als Minister und Exekutive.Wenn ich Ihrem Wunsch folgen würde, dann müsste ich die hessischen Ausländerbehörden anweisen, eine Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs zu missachten. Genau darum geht es.
(Beifall bei der CDU und der FDP – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Wir leben in einem Rechtsstaat!)
Herr Innenminister, entschuldigen Sie kurz: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Dr. Jürgens?
Es ist eine Entscheidung,die die Landesregierung und der zuständige Minister selbst treffen müssen. Da hilft mir auch kein Landtagsbeschluss – genauso wenig, wie er mir in menschlich schwierigen Fragen hilft. Das muss ich selbst verantworten, und ich tue das wie die anderen Kol
legen in der Innenministerkonferenz seit Jahren.Aber ich sage Ihnen in aller Offenheit: Ich würde es sehr bedauern, wenn der Hessische Landtag tatsächlich dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof einen solchen Beschluss servierte. Ich kann das nicht verhindern, vielleicht haben Sie dafür die Mehrheit. Ich werde dem nicht folgen. – Vielen Dank.
Es ist vorgeschlagen, den Dringlichen Antrag der Fraktion DIE LINKE betreffend Abschiebestopp für afghanische Staatsangehörige, Drucks. 17/22, an den Innenausschuss zu überweisen. – Frau Kollegin Schott, zur Geschäftsordnung.
Es ist vorgeschlagen, über den Antrag sofort abzustimmen. Erhebt sich dagegen Widerspruch? – Das ist nicht der Fall. Dann verfahren wir so.
Wer diesem Dringlichen Antrag die Zustimmung geben möchte, den bitte ich nun um das Handzeichen. – Das sind SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und LINKE. Gegenstimmen? – CDU und FDP. Damit ist dieser Antrag angenommen.