Protocol of the Session on September 24, 2008

Ich möchte jetzt auf die Aussage Heinrich Heidels mit der Gängelung der Kommunen zu sprechen kommen. Ich finde es faszinierend, was hier als Gängelung der Kommunen bezeichnet wird. Die Kommunen sollen das Recht kriegen, den Bau von Windkraftanlagen auf ihrem Gemeindegebiet zuzulassen, wenn sie das wollen. Aber es gibt Ausschlussgebiete. Auf 98 bis 99 % der Flächen des Landes ist der Bau von Windkraftanlagen verboten.Wenn das keine Gängelung ist, was dann? Das ist wirklich Gängelung. Da wird den Kommunen etwas verboten. Da wird vor allen Dingen denjenigen etwas verboten, die mit der Energiewende längst begonnen haben. Diese Landesregierung hat das verschlafen. Das ist doch völlig verrückt.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Ursula Ham- mann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Hier reden die Leute im Landtag darüber, dass alle diese Dinge angeblich nicht gemacht werden können, während manche Kommunen so etwas schon umgesetzt haben. Schauen Sie sich doch einmal das neue Kreishaus des

Main-Kinzig-Kreises an. Dieses Kreishaus wird fast zu 100 % mit Erdwärme geheizt. Da wird die Kühlung der Computer über einen Wärmetauscher vorgenommen.Dadurch werden 60.000 l Erdöl im Jahr eingespart. Das wirkt sich auf den CO2-Ausstoß aus.

Sie reden davon, in Hessen gebe es für Wasserkraftwerke keine Potenziale mehr.Genau neben diesem Kreishaus ist eine Wasserkraftanlage mit 0,7 MW geplant.Das ist für einen kleinen Fluss nicht gerade wenig. Sie soll in den nächsten zwei Jahren gebaut werden.

Herr Kollege Grumbach,entschuldigen Sie bitte die kurze Unterbrechung. Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Kollegin Apel?

Ich würde das jetzt gerne vortragen. Sie kann dann am Schluss meiner Rede fragen.

Reden Sie doch einmal mit den Leuten vor Ort. Gehen Sie nach Frankfurt. Frankfurt ist eine der Städte, die das mit völlig unterschiedlichen Mehrheiten geschafft hat. Das geschah mit Rot und Grün. Da haben fast alle Parteien zusammengewirkt. Schwarz und Grün haben da auch etwas unternommen.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die GRÜNEN waren immer dabei!)

Die GRÜNEN waren immer dabei.

(Michael Boddenberg (CDU): Die SPD auch?)

Die SPD war nicht immer dabei. – Sie hat es bis heute geschafft, für eine Großstadt eine vorbildliche Energiepolitik zu machen. Wir streiten uns in der Stadt nicht darüber, welche Versäumnisse es gegeben hat. Vielmehr streiten wir darüber, was wir besser machen können. Wir befinden uns längst in dem Wettlauf.

Ich komme damit zu dem Punkt, an dem die Welt völlig auseinanderfällt. Dort baut die größte deutsche private Bank ein Hochhaus nach dem Vorbild der zweitgrößten deutschen Privatbank. Die hat nämlich ein solches in Frankfurt schon gebaut. Es wird mit Geothermie beheizt. Mit der Energieeinsparung zusammen werden faktisch 30 % – –

(Michael Boddenberg (CDU): Das ist dann auch noch eine Privatbank!)

Ich habe nichts dagegen. Sie haben Probleme damit, dass andere vernünftig sind, nicht ich.

(Michael Boddenberg (CDU): Nein!)

Da werden Häuser gebaut, die mit einem Drittel des Energieverbrauchs auskommen. Da wird mit modernen Energien geheizt.

Sie können das im Netz nachlesen. Das können Sie aber auch erfahren, wenn Sie Norbert Walter zuhören. Die Berater dieser Bank raten ihren Kunden, in Erdwärme und Windenergie zu investieren.Denn wir alle wissen,dass die Rohstoffpreise bei den Energien so steigen werden, dass nicht nur die Privaten ein Problem haben werden, sondern auch die Volkswirtschaft darunter leiden wird, wenn wir keinen schnellen ökonomischen Umstieg in diese Energieformen haben werden. Das sagt Norbert Walter.

Das können Sie auf der Website der Deutschen Bank nachlesen.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Was macht die CDU? – Sie kümmert sich nicht darum.

Meine Damen und Herren, das Problem, das wir hier haben, ist, dass Sie die Fragestellung noch heute falsch stellen. Die Fragestellung lautet nicht, was wir uns sozusagen leisten wollen, sondern die Fragestellung lautet: Wir haben in Deutschland gemeinsame Ziele beim Klimaschutz vereinbart, und wir haben gemeinsam die Verantwortung – das haben alle richtig gesagt –, dafür zu sorgen, dass die steigenden Energiepreise nicht dazu führen, dass Leute, die niedrigere Einkommen haben, z. B. ihre Heizung nicht mehr bezahlen können.

Das heißt aber, dass das bereits heute bei den steigenden Preisen nicht mehr über Subventionen zu erledigen ist, sondern nur dadurch, dass wir neue Technik einsetzen, die die gleiche Heizleistung mit weniger Energie ermöglicht. Dafür ist aber öffentliches Geld nötig, um das anzuschieben, weil wir die Geschwindigkeit der Renovierung, der Innovation ohne öffentliche Finanzierung nicht bekommen. Das ist der Punkt. Den sehen Sie nicht.

Bei Staudinger wird es noch spannender. Herr Baake hat in der Anhörung an einer Stelle ganz präzise formuliert: Ich mache einfach einmal Folgendes. Ich tue so, als bekämen wir die erneuerbaren Energien nicht schneller hoch, als wir sie in der konservativsten Schätzung haben. Zweitens tue ich so, als bekämen wir nicht mehr als 11 % Einsparungen beim Strom hin. Ich nehme alle Atomkraftwerke, alle fossilen Kraftwerke, die abgeschrieben sind und deren Laufzeiten 40 Jahre überschreiten, vom Netz. Dann bliebe mir eine Stromlücke von rechnerisch 57 Terawattstunden. Wenn ich den Kraftwerkpark mit seinem bestehenden Ausstoß betrachte, habe ich noch Luft für 21 Millionen t CO2 im Jahr, um die Klimaschutzziele einzuhalten. Das bedeutet 368 g/kWh. Das ist ein Wert, der nur noch von Gaskraftwerken und erneuerbaren Energien zu erreichen ist, von Kohlekraftwerken nicht mehr.

Wer also heute ein neues Kohlekraftwerk baut, sorgt bereits dafür, dass er entweder in fünf Jahren den Autofahrern,den Industrieunternehmen und wem auch immer extreme zusätzliche Auflagen machen muss. Oder aber er nimmt heute schon in Kauf, dass die gemeinsam vereinbarten Klimaschutzziele, auf die wir uns alle geeinigt haben, bereits gerissen werden.

(Zuruf von der CDU)

Das ist die falsche Fragestellung. Das ist unverantwortlich, was Sie machen.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Meine Damen und Herren, deswegen lautet die Aufgabenstellung nicht:Was meine ich,was ich mir als politische Partei an Kurswechsel zumuten kann? Vielmehr lautet die Aufgabenstellung:Was müssen wir politisch tun,damit wir sowohl Klimaschutz zeitgerecht erreichen als auch dafür sorgen können, dass die nicht abreißend ansteigenden Energiepreise die Menschen nicht in eine Situation treiben, wo sie Energie nicht mehr bezahlen können? Das ist die zentrale Aufgabe. Der müssen wir uns stellen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dann reden wir nicht über irgendwelche Maßnahmen, sondern wir reden von einem neuen Fortschritt, und wir reden nicht von einer Sparte der Energie, über die wir philosophieren. Wir reden nicht nur von Biomasse, nur von Windenergie, von Wasserkraft oder sonst was, sondern wir reden in der Tat von einer Umstellung unserer gesamten Wirtschaft. Wir reden davon, dass wir den Beispielen folgen, die es in Hessen auch gibt.

Im Landtag habe ich schon einmal erwähnt, es gibt in Darmstadt eine chemische Firma, die Merck heißt. Die produziert Enzyme, die es ermöglichen, das, was sie vor 15 Jahren gemacht hat, mit 20 % des Wassers und 25 % der Energie zu produzieren, weil sie eine andere Form der Produktion gewählt hat. Sie macht deswegen Gewinn und ist deswegen in diesem Bereich konkurrenzfähig, weil sie nämlich allen Konkurrenten bei der Frage voraus war.

Der spannende Punkt ist, was aktive Politik machen kann. Merck hat es allein gemacht. Dabei haben weder die rotgrüne noch die schwarz-gelbe, noch die ganz schwarze Landesregierung etwas dazu getan.Aktive Politik bedeutet, dass heute im Inland Vorreitermärkte geschaffen werden müssen, die wir brauchen, um die Produkte einzuführen, mit denen wir im Inland und nach außen bestehen können.

Das ist der Punkt, an dem sich aktive Politik von dem unterscheidet, einfach einmal die Kommunen und Unternehmen machen zu lassen, sondern wo wir uns selber mit ehrgeizigen Programmen und bestimmten präzisen Forderungen in die Lage versetzen, etwas zu tun.

Lassen Sie mich das Ganze schlicht in Zahlen bringen. Die Verbesserung der Energie- und der Materialproduktivität um nur 20 % – das ist das, was auch das Minimalziel der Bundesregierung ist – würde bundesweit zu einer Nettozunahme von Arbeitsplätzen in der Größenordnung von einer Million führen.Würden wir das in Hessen schaffen, wären das vielleicht 80.000, 90.000 Arbeitsplätze. Ich beschreibe nur.

Wir reden nicht davon, ob wir heute über irgendetwas nachdenken, was wir nicht tun, sondern wir reden nur noch darüber, was wir mehr tun können.Wenn wir zu wenig tun, zahlen nicht nur wir dafür. Unsere Einkommen wären vielleicht dazu in der Lage.

(Frank Gotthardt (CDU): Sie wollen, dass keine Wasserkraftwerke und Kohlekraftwerke gebaut werden!)

Unsere Kinder zahlen beim Klima, und die Menschen, die auf Energiepreise angewiesen sind, die sie zahlen können, zahlen. Ich sage:Es ist Zeit für eine Energiewende in Hessen. Die Zeit ist reif. – Danke.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Grumbach. – Nächste Rednerin ist Frau Kollegin Schott für die Fraktion DIE LINKE.

(Frank Gotthardt (CDU): Frau Kollegin Apel wollte noch fragen!)

Ach so. Herr Grumbach, Frau Kollegin Apel wollte Ihnen noch eine Frage stellen. Wollen Sie die noch beantworten? Von der Zeit her könnten Sie das noch.

(Gernot Grumbach (SPD): Ich kann auch wieder zum Rednerpult kommen! Es ist zwar ungewöhnlich, aber gern!)

Herr Grumbach, Sie behaupteten eben, die CDU habe den Ausbau der Wasserkraftenergiegewinnung blockiert oder behindert. Können Sie sagen, weshalb das Landesprogramm zum Ausbau der Wasserkraftanlagen in Hessen im Jahre 1997 unter Ihrer Regierungsverantwortung eingestellt wurde?

Weil die Mittel nicht abgeflossen sind. Man könnte auch sagen, was man hätte machen müssen. Man hätte nämlich die Förderrichtlinie an die veränderten Bedingungen anpassen müssen. Aber das haben Sie nicht mehr gemacht. Das wissen Sie sehr genau.

(Beifall bei der SPD – Mark Weinmeister (CDU): Warum haben Sie es nicht gemacht?)

Vielen Dank noch einmal. – Jetzt hat aber Frau Kollegin Schott für die Fraktion DIE LINKE das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn wir uns darüber einig sind, dass wir Klimaschutzziele erreichen müssen, dann, finde ich, ist es eine unserer Aufgaben, und zwar eine der wichtigsten, in unserer Bevölkerung dafür zu werben. Was wir hier tun, ist aber, eine permanente Verunsicherung zu erreichen. Immer dann, wenn ich mit Menschen darüber rede, die diese Klimafrage erörtern, höre ich: Ja, es besteht doch die Gefahr, dass irgendwann das Licht ausgeht; es besteht die Gefahr, dass der Strom so teuer wird, dass wir ihn nicht mehr bezahlen können.

Wenn ich in der Anhörung richtig zugehört habe, besteht diese Gefahr aus wissenschaftlicher Sicht nicht. Wir können sehr wohl die ganze Welt mit erneuerbaren Energien versorgen.Technisch ist es möglich.Wissenschaftler haben das gerechnet, und es ist nicht widerlegbar.

Es ist auch so möglich, dass wir uns nicht in Abhängigkeiten von einer bestimmten politischen Region begeben. Wir müssen es nur politisch wollen. Wenn wir es wollen, können wir es erreichen. Wir können es sogar relativ schnell erreichen.Auch das war zu hören.

(Beifall bei der LINKEN – Zurufe von der CDU)