Herzlichen Dank, Herr Kollege Möller. – Für die SPDFraktion erteile ich Herrn Kollegen Weiß das Wort.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! In der letzten Woche hatte mein Patenkind Geburtstag. Sie liest gerne. Ich wollte ihr ein Buch schenken. Wenn man viel zu tun hat, dann kommt man meist nicht dazu, in eine Buchhandlung zu gehen und zu stöbern, sondern bestellt Bücher über das Internet. Da gibt es eine Ihnen allen bekannte Adresse, wo man Bücher und CDs kaufen kann. Wenn man auf die Startseite kommt, steht da: „Herzlich willkommen, Marius Weiß“. Da habe ich noch gar nichts eingegeben.
Der Anbieter weiß, was Sie sich in letzter Zeit angesehen haben,gibt dementsprechende Empfehlungen.Außerdem kann man bequem per Bankeinzug zahlen. Die Kontonummer ist vom letzten Einkauf noch gespeichert.
Das ist heutzutage ein ganz normaler Vorgang. Auf der Tribüne sitzen viele junge Leute, die kennen das mit Sicherheit alle. Millionen Kunden geht es wie mir. Aber so normal, wie der Vorgang ist, so erschreckend ist er auch. Er ist ein Beispiel dafür, dass wir im Zeitalter der Informationstechnologie Datenspuren hinterlassen und viele Informationen über uns preisgeben.Aber nicht nur Computer, sondern insbesondere Handys und viele andere Gegenstände unseres Alltags hinterlassen eine Datenspur. Bei der rasanten technologischen Entwicklung wird sich das eher noch beschleunigen als verlangsamen.
Dabei sind Informationen heutzutage bares Geld wert. Es war wohl nur eine Frage der Zeit, bis ein solcher Skandal ans Tageslicht treten würde, wie das jetzt in SchleswigHolstein der Fall ist, wo der dortigen Verbraucherzentrale eine CD mit sensiblen Daten von über 17.000 Verbrauchern zugespielt wurde. Dies ist offensichtlich nur die Spitze des Eisbergs. Der schleswig-holsteinische Datenschutzbeauftragte Thilo Weichert vermutet, dass bis zu 20 Millionen Kontodaten von Bundesbürgern im Umlauf sind. Das ist konservativ geschätzt. Darüber hinaus sind den Anbietern die Adressen von nahezu allen Bundesbürgern bekannt. Dem Missbrauch ist damit Tür und Tor geöffnet. Die Politik ist gefordert, dem Einhalt zu gebieten.
Wir dürfen dabei aber eines nicht durcheinanderbringen. Das Problem, vor dem wir hier stehen, ist das Vorhandensein einer Überwachungsgesellschaft, nicht eines Überwachungsstaates. Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Peter Schaar, hat dies in einer Rede in Chemnitz sehr schön differenziert:
Kennzeichen einer Überwachungsgesellschaft ist es –, im Unterschied zum Überwachungsstaat –, dass es eine sehr weitreichende Registrierung und Kontrolle auch geben kann, ohne dass alle Daten und Informationen in einer zentralen Schaltstelle zusammengeführt und ausgewertet werden.
Herr Kollege Greilich, ich hoffe, Sie haben gut zugehört. Dann werden Sie nämlich feststellen, dass Ihr Versuch ins Leere geht, aus dem neuesten Datenschutzskandal eine erneute Sozialismusdebatte zu konstruieren, wie Sie es letzten Donnerstag gemacht haben.
Damals haben Sie in Ihrer Pressemitteilung geschrieben, dass Datenklau und fehlendes Geschichtsbewusstsein über die SED zusammenhängen würden, weil beides etwas mit mangelnder Sensibilität gegenüber Gefahren für unsere Freiheit zu tun haben.
Das ist falsch, Herr Greilich. Sie vergleichen einen Überwachungsstaat mit einem sammelwütigen Ministerium für Staatssicherheit als zentraler Schaltstelle mit unserer drohenden oder sich schon gebildet habenden Überwachungsgesellschaft, in der unsere Sicherheit durch zu viel Freiheit, nämlich beim Datensammeln und beim Datenhandel, gefährdet ist. Sie haben das wohl gemerkt, denn Sie haben diesen Vergleich in Ihrer Rede nicht wiederholt. Dass Sie aber versucht haben, aus dem Datenschutzskandal überhaupt eine Sozialimusdebatte zu machen, passt zu dem, was wir heute schon erlebt haben, und das passt auch zu dem, was gestern hier geschehen ist, als Sie versucht haben, aus der Schulpolitik eine Sozialismusdebatte zu machen.Ich kann darüber inzwischen nur noch schmunzeln.
Die FDP kommt mir im Moment ein bisschen vor wie der bekannte Biologiestudent, der vor einer großen Prüfung brutalstmöglich auf Lücke setzt und nur alles über Würmer lernt. In der Prüfung wird er gefragt: „Sagen Sie, was wissen Sie denn über Elefanten?“ Darauf der Student: „Der Elefant ist ein großes graues Tier, es hat vorne einen langen Rüssel. Der Rüssel sieht ein bisschen aus wie ein Wurm. Bei den Würmern gibt es 10 Millionen Arten, über alle fünf Kontinente verteilt.“
Ich möchte mich dagegen mit dem ganzen Elefanten beschäftigen und nicht nur mit dem Rüssel. Dieser schwerfällige Elefant ist nämlich unsere Datenschutzgesetzgebung. Unser Datenschutzrecht ist mehr als 30 Jahre alt und hat mit der Entwicklung der Informationstechnologie nicht Schritt gehalten. Ein Beispiel: Daten wie Namen, Anschrift, Geburtsjahr und Beruf dürfen heute zu Werbezwecken weitergegeben werden, wenn der Betroffene nicht ausdrücklich widerspricht. Das ist ganz legal. Das muss sich ändern.
Meiner Ansicht nach sollte es ein generelles Verbot des Datenhandels zu gewerblichen Zwecken ohne vorherige aktive Einwilligung des betroffenen Bürgers bzw. Kunden geben. Dazu brauchen wir schärfere Strafen. Im Moment ist der Bußgeldrahmen auf 250.000 c beschränkt. Angesichts der Menge der Daten und deren gehandeltem Wert ist das viel zu wenig. Auch die Strafvorschriften müssen verschärft werden. Im Moment droht für illegalen Datenhandel maximal eine Strafe von zwei Jahren Gefängnis. Auch das ist viel zu wenig. Bigamie wird in Deutschland schwerer betraft.
Ich kann mir vorstellen, einen schweren Verstoß gegen das Datenschutzrecht zu einem Verbrechenstatbestand zu machen. Bisher ist es nur ein Vergehen. Wir brauchen schärfere Gesetze zur Abschreckung. Aber wir brauchen auch ein verändertes Bewusstsein in der Bevölkerung.
Damit komme ich zum Schluss meiner Rede. Die Bürger sollten bei der Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten höchste Vorsicht walten lassen und generell auf Geschäfte verzichten, die ein Einverständnis zur Datenweitergabe voraussetzen. Hoffentlich hat dieser Skandal wenigstens etwas Gutes,indem er bei den Menschen mehr Sorgfalt im Umgang mit den Daten bewirkt. Der Missbrauch wird erst aufhören, wenn er sich nicht mehr lohnt. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Durch die verstärkte Nutzung des Internets sowie der neuen Medien ergeben sich grundsätzlich neue Chancen der Kommunikation und Information, aber auch verstärkte Gefahren für die Freiheit des Einzelnen. Neue Techniken ermöglichen es Behörden, aber auch Arbeitgebern, eine totale Überwachung mit relativ geringem technischem Aufwand zu betreiben. Der gläserne Mensch ist möglich geworden.
Umso wichtiger sind der Datenschutz und der Schutz der Privatsphäre. Ausgelöst durch irritierende Vorgänge im Zusammenhang mit Mitarbeiterbespitzelungen bei Firmen wie Lidl, Aldi, Telekom und anderen, sind viele von uns aufgeschreckt.
Gerade die Betriebe stellen eine besondere Herausforderung dar. Jetzt rächt sich, dass ein schon seit Langem von vielen Experten geforderter besonderer Datenschutz in den Betrieben von konservativer und marktliberaler Seite als Gängelung der Wirtschaft abgelehnt wurde.
Hier brauchen wir, vor allem auf Bundesebene, dringend gesetzliche Maßnahmen, um zu einem wirksamen Datenschutz zu kommen.Dazu zählen vor allem unangemeldete Kontrollen in den Betrieben, eine Stärkung des betrieblichen Datenschutzes, der betrieblichen Datenschutzbeauftragten sowie eine Verschärfung der Strafvorschriften.
Wir begrüßen es ausdrücklich, dass die GRÜNEN die Initiative ergreifen, um hier ein Informationsfreiheitsgesetz einzubringen, das es in anderen Ländern bereits gibt. Dieses Begehren werden wir unterstützen.
Wenn aber nach dem Bundesdatenschutzgesetz, worauf Herr Kollege Weiß bereits hingewiesen hat, die unbefugte Erhebung,Verarbeitung und Weitergabe von Daten lediglich mit Geldbuße bis zu 250.000 c bestraft werden kann – also mit einem Betrag, den z. B. die Telekom aus ihrer
Notwendig ist aber auch die Herstellung eines kritischen Datenschutzbewusstseins, insbesondere bei Jugendlichen. In den Schulen muss eine besondere Aufklärungsarbeit über die Folgen des problemlosen Umgangs mit den eigenen Daten, insbesondere im Internet, erfolgen.
Meine Damen und Herren, ich weiß, dass es schwierig ist, alle Last den Schulen aufzubürden. Aber ich denke, dass der Unterricht im Umgang mit diesem Thema, was das Internet angeht, in den Schulen besser aufgehoben ist als im Elternhaus; denn viele Eltern können aus ganz unterschiedlichen Gründen nicht mehr nachvollziehen, wie lange und in welcher Art und Weise ihre Kinder im Internet surfen und welche Daten sie täglich von sich aus preisgeben.
Im Übrigen ist aber Datenschutz – wirklich im Sinne von Schutz – zunächst einmal die originäre Aufgabe des Parlaments. Es ist also unsere Aufgabe. Das verwirklicht sich nicht von alleine in den allgemeinen Datenschutzgesetzen und -richtlinien, sondern vor allem in den Einzelgesetzen. In ihnen ist das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Bürger auszuformen. Jedes einzelne Gesetz muss daraufhin überprüft werden, ob es dem Rechtsanspruch der Bürger gerecht wird, ob es ihn einengt oder verletzt.
Die langjährige vorbildliche Arbeit des Hessischen Datenschutzbeauftragten, den wir heute Nachmittag sicher wieder in seinem Amt bestätigen werden – davon gehe ich aus –, kann uns viele nützliche Informationen bringen, auch für die inhaltliche Arbeit im privatwirtschaftlichen Bereich. Dies sollten wir nutzen.Aber ob dies auch zu einer organisatorischen Zusammenführung zweier staatlicher Stellen führen soll, darüber muss nach unserer Meinung noch intensiv diskutiert werden. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich begrüße es ausdrücklich, dass wir uns in der Aktuellen Stunde sozusagen aus aktuellem Anlass über das Thema Datenschutz austauschen. Ich habe den Eindruck, dass die Debatte stark im Fluss ist. Wir müssen zwei Punkte auseinanderhalten.
Zum einen formulieren die Freien Demokraten nun schon seit Jahren das Begehren, den Kontrollbereich privater Datenschutz mit den Kontrollbereich über den öffentlichen Datenschutz zusammenzulegen. Ich habe mehrfach darauf hingewiesen, dass ich nicht glaube, dass das wirklich zielführend ist. Ich bleibe bei dieser Haltung.
Allein die Tatsache, dass das, was jetzt unter dem Stichwort „Datenschutzskandal“ beklagt wird, in SchleswigHolstein geschehen konnte, obwohl es dort ein unabhängiges Datenschutzzentrum gibt, zeigt das. Die Bürgerinnen und Bürger Schleswig-Holsteins waren von dem wirklich oder vermeintlich illegalen Datenhandel genauso betroffen wie die Bürger in Hessen.
An der Frage nach der Organisation entzündet sich eine Scheindiskussion. Das ist eine absolute Scheindiskussion; denn sie führt nicht wirklich weiter.
Im Grunde genommen muss man sich anderen Fragestellungen zuwenden. Ich will auf zwei Punkte kurz eingehen. Ich glaube, wir befinden uns eher am Anfang der Debatte, als dass wir schon zu einem Ergebnis gekommen wären.
Sie ist auch parteipolitisch gesehen höchst interessant. Wenn ausgerechnet der Bundeswirtschaftsminister, an sich nicht sozialistischer Neigungen verdächtig – das muss man sagen; Herr Kollege Glos ist nicht sozialistischer Neigungen verdächtig –,fordert,den Datenhandel generell zu verbieten, muss ich sagen: Das klingt kräftig und entschlossen. Dass es wirklich klug ist, bezweifele ich.
Sie mögen daran erkennen, dass ich weit entfernt bin von den üblichen Gräben entlang der Grenzen zwischen den Parteien. Ich will mich kurz fassen: Wenn wir wirklich weiterkommen wollen, setze ich auf das, was Frau Bundesjustizministerin Zypries, jedenfalls nach meiner Kenntnis, in die Debatte eingebracht hat.
Der Bundesinnenminister wird in Kürze, unter Mitwirkung der Länderinnenminister, eine Konferenz dazu veranstalten.Wenn wirklich etwas dabei herauskommen und die Konferenz nicht nach dem Motto „Es ist schön, dass wir einmal darüber gesprochen haben“ durchgeführt werden soll, sollten wir uns meiner Meinung nach auf zwei oder drei Punkte konzentrieren.
Das eine ist – das halte ich wirklich für bedenkenswert –, dass wir das Regel-Ausnahme-Verhältnis nach § 28 des Bundesdatenschutzgesetzes, das die Leitlinie für die Länderdatenschutzgesetze vorgibt, umkehren. Dort heißt es, einfach ausgedrückt: Wer nicht widerspricht, dass seine Daten zu gewissen Marktzwecken etc. genutzt werden können, stimmt quasi zu.