Protocol of the Session on June 5, 2008

(Beifall bei der SPD Vizepräsident Dieter Posch: Herzlichen Dank,Frau Kollegin Waschke.– Für die CDU- Fraktion erteile ich Frau Kollegin Apel das Wort. Elisabeth Apel (CDU):

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Majestät, ich freue mich, dass wir heute Morgen über ein eminent wichtiges Thema reden. Ich hatte bis vorhin eigentlich die Hoffnung, dass es sich um ein Thema handelt, bei dem wir uns fraktionsübergreifend einig sind. Ich habe von der Kollegin Waschke allerdings gehört, es müsse Schluss sein mit Populismus. Die SPD fühlt sich in der Solidarität mit den Milcherzeugern verpflichtet, und die SPD will keinen Quotenausstieg.

Frau Kollegin Waschke, wenn Sie hier von Populismus und von der Solidarität der SPD sprechen, empfehle ich Ihnen, bei Gelegenheiten ein Gespräch mit Ihrem Fraktionskollegen in Brandenburg zu führen, mit Udo Folgart, der auch Milchpräsident des Deutschen Bauernverbandes ist. Herr Folgart fordert einen schnellen Ausstieg aus der Quote, weil er im Jahr 2008 mit noch deutlich höheren Auszahlungspreisen als im Jahr 2007 rechnet.

(Zuruf des Abg. Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Er fordert, dass sich die Politiker frühzeitig auf einen Quotenausstieg vor 2015 festlegen. Das sagt ein Sozialdemokrat. In Hessen dagegen fordert eine Sozialdemokratin, dass es keinen Ausstieg aus der Quote gibt und dass mit dem Populismus Schluss gemacht wird.– So viel zu der fraktionsübergreifenden Zustimmung.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Herr Schmitt, Sie können gern hierher kommen und etwas zum Lieferstreik der Milchbauern sagen.

Zunächst einmal möchte ich den Bauern, die am Milchlieferboykott beteiligt sind, meinen großen Respekt aussprechen.

(Beifall bei der CDU)

Ihr Lieferboykott hat in der Öffentlichkeit eine großartige Resonanz erfahren. Es wird tagtäglich in den ersten Meldungen der Nachrichtensendungen über den Lieferboykott berichtet. Es wird aber auch geschildert, welche Not dahintersteht, wenn Bauern Hunderttausende von Litern Milch wegschütten.

Dahinter steht ihre Sorge, ob sie ihre Betriebe in Zukunft weiterführen können, wenn sie in hessischen Mittelgebirgslagen, also in kleinräumigen Strukturen, weiterhin unter Weltmarktbedingungen produzieren sollen. Unsere Betriebe verfügen aufgrund der natürlichen Gegebenheiten – der Topografie und des Klimas – eben nicht über vergleichbare Produktionsbedingungen wie Großbetriebe in Ostdeutschland, in Dänemark, in Frankreich oder gar in den USA und in Argentinien.

Die Milchproduktion ist bei uns also schon allein aufgrund der natürlichen Gegebenheiten teurer als in den günstigen Lagen in Europa oder auf anderen Kontinenten. Deshalb brauchen wir hier eine andere Sensibilität, was die Milcherzeugung in den Mittelgebirgsregionen betrifft.

(Beifall bei der CDU)

Wir brauchen hier eine Preisfindung, bei der die Erzeuger und die Vertreter der Nachfragerseite auf Augenhöhe über den Preis verhandeln.Das war bisher leider nicht immer der Fall.

Ich habe den Eindruck, dass aufgrund des Milchlieferboykotts beim Handel und den Molkereien die Bereitschaft gestiegen ist, mit den Milcherzeugern auf einer Augenhöhe – sozusagen unter gleichwertigen Partnern – über die Notwendigkeiten einer angemessenen Preisfindung zu diskutieren.Das ist ein großartiger Erfolg dieses Milchlieferboykotts. Ich habe die Hoffnung, dass sich auf dieser Grundlage in den kommenden Jahren die Situation ergibt, dass unsere Landwirte trotz der schwierigen Bedingungen,unter denen sie hier produzieren müssen,ihre Betriebe werden halten können.

Wir brauchen eine flexible Mengensteuerung, die es ermöglicht, auf unterschiedliche Nachfragesituationen des Markts zu reagieren. Wenn auf dem Markt viel Milch nachgefragt wird, muss den Bauern zeitlich befristet eine höhere Milchlieferquote zugesagt werden.

Frau Kollegin Apel, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Ich komme gleich zum Schluss. – Wenn die Nachfrage auf dem Markt nachlässt, muss die erhöhte Milchlieferquote wieder zurückgefahren werden.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Ich hoffe, dass auch die Verbraucherinnen und Verbraucher aus diesem Milchlieferboykott eines mitgenommen haben: Die Milcherzeugung bei uns – oder allgemein die landwirtschaftliche Produktion – ist ein hochwertiges

Gut, das es zu erhalten gilt. Es eignet sich nicht für Dumping- und Lockvogelangebote in Supermärkten.

(Beifall bei der CDU sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Frau Kollegin Apel, ich darf Sie bitten, zum Schluss zu kommen.

Ich komme zum Schluss. – Wir alle haben eine hohe Verantwortung gegenüber der Kulturlandschaft, aber auch gegenüber den Landwirten, die diese Kulturlandschaft erhalten. Wir müssen versuchen, dies auch den Verbrauchern nachhaltig nahezubringen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Herzlichen Dank. – Für die Landesregierung spricht jetzt Herr Minister Dietzel.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! „Milch ist mehr wert“, habe ich vorgestern, in der Fragestunde, schon einmal gesagt. Dieser Satz ist heute genauso gültig und wird es sicherlich auch noch in den nächsten Monaten und Jahren sein.

Die Milchbauern machen sich Sorgen, wie sie ihre Betriebe in Zukunft weiterführen können. Sie haben sich zu diesem Milchlieferstreik und zu Demonstrationen entschlossen, um der Öffentlichkeit zu zeigen, wie groß die Probleme in den Betrieben sind. Die Bauern haben in den letzten Jahren teilweise in erheblichem Maß investiert,um ihre Betriebe für die nächsten Jahre und Jahrzehnte fit zu machen und den jungen Landwirten die Chance zu geben, sie weiterzuführen.

Ich muss aber auch eindeutig sagen: Wenn man mit den Landwirten spricht, erkennt man, dass es innerhalb der Familien große Probleme gegeben hat, was diesen Milchlieferboykott angeht. Zum Beispiel wollte der Sohn die Wanne aufmachen und die Milch in die Gülle fließen lassen, während der Vater das verhindern wollte, weil er die nach dem Krieg in unserem Land herrschende Not miterlebt hat.

Ich denke, es ist trotzdem richtig. Wenn ein Landwirt Milch wegschüttet, ist das sicherlich ein Zeichen höchster Not. Deswegen meine ich, dass all diese Aktionen richtig und gut waren.

Aber wenn wir uns in diesem Zusammenhang über Preise unterhalten, müssen wir – zugegeben – sagen: Das ist eine Marktfrage, ein Problem von Angebot und Nachfrage. Es hat mich schon etwas traurig gemacht, dass die Milchquote bei der Europäischen Union ab dem 1.April dieses Jahres noch einmal um 2 % erhöht wurde.Als darüber abgestimmt wurde, wie im nächsten Jahr verfahren wird – ob sie weiter heraufgesetzt wird –, haben nur Deutschland und Österreich dagegen gestimmt.Die anderen 25 Länder

hatten offensichtlich nichts dagegen, neue Milchquoten auf dem Markt festzulegen, was übrigens auch dazu führt, dass wir in diesen Bereichen einen weiteren Marktdruck haben.

Man muss auch den politischen Aspekt sehen: Die Globalisierung ist bei der Milch angekommen. Im vergangenen Jahr hat es weder in Australien noch in Neuseeland geregnet. Daher haben die Chinesen dort keine Milch mehr aufkaufen können. Also haben sie sie in MecklenburgVorpommern gekauft. Daraufhin ist in Deutschland der Milchpreis nach oben gegangen. Jetzt hat es in Australien wieder geregnet. Die Auswirkungen können Sie sich vorstellen.

Wenn man mit Molkereivertretern redet, geht es auch um die Frage, dass der Euro gegenüber dem Dollar zurzeit so stark ist, dass aus der Europäischen Union kaum Milch und Milchprodukte auf den Weltmarkt kommen.

Trotzdem bin ich der Meinung, dass eine Lösung nur von den Marktpartnern gefunden werden kann, die jetzt offensichtlich miteinander reden.Wir Politiker können hier moralische Unterstützung geben, indem wir unsere Meinung deutlich vertreten, dass der Milchpreis nicht angemessen ist. Das habe ich von den Mitgliedern aller Fraktionen in diesem Landtag gehört. Das wird nicht nur hier, sondern auch in den Fraktionen anderer Landtage und Parlamente so sein.

In Hessen haben wir Politiker die Möglichkeit, die Landwirte z. B. durch Investitionsförderung und Beratung zu unterstützen. Allerdings sage ich auch immer: Eine Entscheidung für den Betrieb muss der Betriebsleiter selbst fällen.Wir wollen nur eine optimale Beratung anbieten.

Es geht sicher auch um die Frage, ob man bei der Europäischen Union mit dem Ziel interveniert, dass die Quote nicht weiter erhöht wird. Ich weiß, dass es zu der Frage, wie es mit der Quote weitergeht, auch im Bauernstand unterschiedliche Meinungen gibt. Aber ich sage: Wir haben im Augenblick eine Quote, und der Preis ist trotzdem im Keller.

Ich meine, man muss mit den Bauern ehrlich umgehen. Innerhalb der Europäischen Union gibt es keine Mehrheit für die Meinung, die Milchquote nach dem 30. März 2015 beizubehalten. Also müssen wir unsere Bauern darauf vorbereiten, dass dann Schluss ist. Ich denke, dies wird in den Betrieben zu betriebswirtschaftlichen Entscheidungen führen, ob Investitionen getätigt werden müssen oder ob – Milchquote – und, wenn ja, zu welchen Preisen dazugekauft wird. Das muss dann kalkuliert werden, weil die absolute Mehrheit der europäischen Länder 2015 aus der Milchquote aussteigen will.

Meine Damen und Herren,was wichtig ist:Wir müssen die Verbraucher mitnehmen. Herr Al-Wazir hat ein prima Beispiel mit der Upländer Bauernmolkerei bei uns in Nordhessen gebracht.Vor zwei Jahren begann das Projekt mit der fairen Milch.Der Aufsichtsratsvorsitzende hat mir mitgeteilt, es ist eine Marktbefragung durchgeführt worden. Ergebnis der Marktbefragung: Der Absatz wird zurückgehen. – Ergebnis des Marktes: Der Absatz ist nach oben gegangen, weil die Verbraucher die Landwirte unterstützen wollten und wussten, dass diese 5 Cent Aufschlag direkt an die Bauern durchgereicht wurden.

Meine Damen und Herren, wie ich sagte, ist im Augenblick bei den Verhandlungen offensichtlich Bewegung im Spiel, vielleicht auch deswegen, weil man sich vor drei Tagen in der Schweiz geeinigt hat, 6 bis 8 Rappen – das sind

4 bis 6 Cent – mehr zu zahlen, oder weil heute eine große Handelskette bekannt gegeben hat, dass der Milchpreis um 10 Cent und der Butterpreis um 20 Cent ansteigen wird.

Das löst das Problem aber nicht. Es löst nur dann das Problem, wenn wirklich sichergestellt ist, dass dieses Geld direkt zu den Bauern durchgereicht werden kann.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der SPD)

Deswegen ist es für uns wichtig, dass man schnellstens zu einer Lösung kommt,damit die Bauern eine gute Zukunft sehen. Ich bin fest davon überzeugt, dass die Verbraucher mitmachen.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank, Herr Staatsminister Dietzel. – Damit ist die Aktuelle Stunde abgehalten.

Bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, möchte ich darauf hinweisen – ich bin darum gebeten worden –, dass jetzt die Informationsstände der Initiative Organspende Hessen und der Deutschen Stiftung Organtransplantation vorne in der Lobby sind.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 50 auf:

Antrag der Fraktion der SPD betreffend eine Aktuelle Stunde (Für Lkw-Verbote auf Bundesstraßen kämpfen – Verkehrsminister Rhiel erneut gescheitert) – Drucks. 17/292 –

Für die SPD-Fraktion erteile ich Frau Kollegin Pfaff das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Verwaltungsgericht Kassel hat das ganztägige Durchfahrverbot für mautpflichtigen Fernverkehr auf fünf Bundesstraßen in Nord- und Mittelhessen gekippt. Nach einer ganzen Reihe von gerichtlichen Niederlagen hat die geschäftsführende Landesregierung