Zur Sache. Es sind einige Bemerkungen gemacht worden, die ich nicht einfach übergehen kann. Herr Dr. Wilken, das Bundeskabinett hat gestern eine Vorlage des Bundesministers des Innern und der Bundesministerin der Justiz zum Thema Bundeskriminalamt beschlossen.
Selbstverständlich ist eine kritische Betrachtung eines solchen Gesetzentwurfs zu akzeptieren, hinter dem die Hessische Landesregierung ausdrücklich steht. Was ich aber für vollkommen verfehlt halte und was ich hier nicht unkommentiert durchgehen lasse, ist, diesen Gesetzentwurf, der in weiten Teilen gesetzliche Regelungen, die in fast allen Bundesländern in den Polizeigesetzen stehen, aufnimmt, in einen Zusammenhang mit der Nazizeit und der Stasi zu rücken. Das ist nicht nur falsch, es ist ungehörig und muss zurückgewiesen werden.
Ich sage einmal ein Wort an die SPD, insbesondere die Führung der SPD. Wenn wir uns in diesen Fragen nicht mehr einig sind, dann steht es um diesen Staat schlecht. Bei allem Verständnis für taktische Bündnisse, an der Stelle gibt es Grenzmarkierungen. Ich habe gesehen, wer das eben unterstützt hat und wer so getan hat, als wäre er nicht im Saal. Ich sage es sehr deutlich: Es gibt Grenzen. Wir können uns über vieles streiten, aber an der Stelle müssen wir uns als Demokraten einig sein. Deshalb habe ich das so deutlich gesagt.
Insbesondere die Kollegen der FDP wissen, dass wir in Hessen eine sehr kompetente Einrichtung für den Datenschutz im nicht öffentlichen Bereich haben. Man kann diese Einrichtung beim Regierungspräsidium Darmstadt auch als ein sehr kompetentes Zentrum bezeichnen. Wir haben seinerzeit den Datenschutz im nicht öffentlichen Bereich dort gemeinsam personell wie auch organisatorisch konzentriert. Die Arbeit ist sehr gut. In all den Jahren hat sie vom gesamten Haus immer ausdrückliches Lob und Zustimmung erfahren.
Aus diesem Grund sehe ich keinen unmittelbaren Anlass, dort etwas zu verändern. Wir streiten um etwas anderes. Wir streiten um die Frage, wie man das noch besser machen kann. Wir streiten nicht darum, dass Datenmissbrauch und kriminelles Handeln aufs Schärfste zu verurteilen sind und wir alles dafür tun müssen, dies zu verhindern. Darüber streiten wir nicht, darüber sind wir uns einig.
Überhaupt nicht einig bin ich mit der Forderung, dass alles zusammengelegt werden soll, und damit, dass das auch noch mit den Vorfällen bei der Telekom begründet wird. Herr Kollege Beuth hat es schon gesagt.Es ist das schlechteste Beispiel, das man überhaupt heranziehen kann. Es ist alles falsch. Das, was Sie fordern, gibt es genau in diesem Fall.
In Nordrhein-Westfalen gibt es die Zusammenlegung.Wo hat die Telekom ihren Sitz? – In Bonn. Wer ist denn zuständig für die Kontrolle der Telekom-Daten? – Der Bundesdatenschutzbeauftragte,kein Innenminister.Alles, was Sie fordern, ist bei der Telekom längst erledigt.Trotzdem ist offenkundig dort einiges gelaufen, was unsere Billigung nicht finden kann. Diese schnellen Forderungen kann man aufstellen. In der Sache bewegt das gar nichts. Denn gerade das ist bei der Telekom alles längst so, wie Sie es haben wollen,mit dem Ergebnis,das wir gemeinsam beklagen.
Die Landesregierung wird sich nicht auf diesen Weg begeben.Wir werden im Ausschuss sehr ausführlich darüber sprechen. Ich mache das jetzt im Stakkato.
Herr Kollege Weiß, Sie haben gesagt, in anderen Ländern gebe es vorbildliche Regelungen. Wir haben in diesem Hause, als Sie ihm noch nicht angehörten, mehrfach darüber diskutiert. Jedenfalls ist eines nicht richtig: Die Regelung der Europäischen Kommission ist in ganz Deutschland nicht umgesetzt, in keinem einzigen Bundesland. Deswegen ist das Verfahren der Europäischen Kommission gegen alle Bundesländer gerichtet, auch gegen die, die – in welcher Kombination auch immer – versucht haben, das zusammenzuführen. Das führt im Ergebnis nicht wirklich weiter.
Dritte Bemerkung. Diese ist für mich die entscheidende Bemerkung. Ich habe nie gesagt, dass ich mich grundsätzlich dagegen wende. Was aber sein muss, ist: Wer Eingriffsbefugnisse bekommt, muss sie auch verantworten. Nach allen Datenschutzgesetzen gibt es die Befugnis bei Privaten, ob Unternehmen oder Bürger, sich nicht nur höchstpersönlich Unterlagen anzuschauen, sondern auch in irgendeiner Weise Maßnahmen zu ergreifen.
Wir haben bisher noch nie eine gescheite Antwort darauf bekommen, wie ein, nach hessischer Rechtslage, unabhängiger Datenschutzbeauftragter, der keine Exekutivkompetenz hat, sondern ein Beratungsgremium ist, gegenüber einem Dritten – ob das nun die Firma Lidl ist oder die Firma Meier – eine Berechtigung dafür bekommt, sich Zugang zu den Unterlagen zu verschaffen, irgendetwas anzuordnen und anzuweisen. Das kann man wollen, das muss dann aber auch verantwortet werden.
Dann haben wir genau das Problem, das wir bisher nicht lösen konnten, zwischen exekutiver Verantwortung, legislativer Verantwortung und Rechtsstaatsprinzip. Das Ganze nennen wir in der Fachsprache den sogenannten ministerialfreien Raum. Ich will Sie damit im Einzelnen jetzt nicht quälen. Eines aber ist richtig:Wenn Sie sich die anderen Länder anschauen, die diese Kunstkonstrukte zwischen Fachaufsicht und Rechtsaufsicht und gar keiner Aufsicht haben, stellen Sie fest, diese haben die Sache bisher nicht gelöst.
Herr Präsident,ich komme zum Ergebnis.– Man kann solche Überschriften schnell backen, das Problem liegt tiefer. Ich biete Ihnen an, im Ausschuss sehr detailliert darüber zu sprechen. Wenn es eine intelligente Lösung dafür gibt, dieses bisher ungelöste Rechtsproblem zu lösen, dann bin ich offen für eine gegebenenfalls offene Gesetzesfindung.
Eines aber geht nicht. Wer Bürger mit seinen Entscheidungen belastet, der muss – und wenn es der Datenschützer ist – dafür auch geradestehen. Genau das haben wir bisher in der Bundesrepublik noch nicht lösen können.
Unter dem Strich:Datenschutz ist und bleibt ein wichtiges Anliegen, das sieht die Landesregierung so wie alle Fraktionen des Hauses. Aber gerade diese schwierige Rechtsmaterie ist wenig geeignet für Schnellschüsse. Im Übrigen können wir gemeinsam festhalten: Sowohl der Datenschutzbeauftragte wie auch das Regierungspräsidium
Darmstadt als Behörde für den nicht öffentlichen Datenschutz haben hervorragende Arbeit geleistet. Das, was zu beklagen ist, betrifft Hessen bisher jedenfalls nicht. – Vielen Dank.
Der Dringliche Antrag der FDP-Fraktion betreffend Einrichtung eines unabhängigen Kompetenzzentrums Datenschutz soll vereinbarungsgemäß an den Innenausschuss zur abschließenden Beratung überwiesen werden. Wird dem widersprochen? – Das ist nicht der Fall.Dann wird so verfahren.
Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend eine Aktuelle Stunde (Milchstreik – faire Preise für gesunde Lebensmittel) – Drucks. 17/291 –
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat die heutige Aktuelle Stunde beantragt, weil wir die Forderungen der Milchbauern nach fairen Preisen für gesunde Lebensmittel unterstützen.
Natürlich ist es gewöhnungsbedürftig, wenn man sieht, dass Lebensmittel weggeschüttet werden.Allerdings muss man wissen: Wenn Bauern ihre Produkte wegschütten, dann ist das ein allerletztes Druckmittel aus einer Existenzkrise heraus, um kostendeckende Preise zu erreichen und die Existenzen zu sichern.
Dementsprechend ist das ein Zeichen dafür, was dort los ist.Wir wollen in Hessen viele Milchbauern behalten und nicht nur einige wenige Intensivbetriebe haben, weil wir die Bauern für die regionale Erzeugung des Grundnahrungsmittels Milch brauchen. Wir brauchen ihre Arbeit für die Erhaltung der Landschaft, für die Erhaltung der Regionen und für die Artenvielfalt.
Wenn man sieht, dass 80 % der Verbraucherinnen und Verbraucher nach Umfragen Verständnis für den Streik haben und auch bereit sind, mehr für ihre Milch zu bezahlen, dann sagen wir ausdrücklich: Das ist gut. Das muss dann aber auch Konsequenzen an der Ladentheke haben.
Ich weise ausdrücklich darauf hin, dass es schon seit Jahren möglich ist, freiwillig faire Preise zu bezahlen, und zwar in Kombination von drei hessischen Unternehmen. Man kann heute schon in eine Filiale der Kette Tegut ge
hen und dort von Alnatura eine Milch kaufen, die von der Upländer Bauernmolkerei zu fairen Preisen hergestellt worden ist.
Ich mache selten vom Rednerpult aus Werbung für Unternehmen, auch wenn es drei hessische Unternehmen sind, aber ich sage ausdrücklich: Auch die Verbraucherinnen und Verbraucher müssen sich ihrer Macht an der Kasse des Supermarktes bewusst werden.
Wir als Politiker können nicht direkt in die Preise am Markt eingreifen, aber wir können an den Einzelhandel appellieren, den Forderungen der Milchbauern nachzukommen und faire Preise zu bezahlen, damit die Bauern einen kostendeckenden Preis für ihre Produkte bekommen, und nicht die Marktmacht – vor allem die der Discounter – dazu zu benutzen, Milchprodukte zu Dumpingpreisen anzubieten.
Dasselbe gilt aus unserer Sicht aber auch für die Molkereien, die sich bewusst werden müssen, dass ihre Genossen bzw. ihre Mitglieder, nämlich die Bauern, kostendeckende Preise für ihre Produkte brauchen, weil die Produktion in Hessen und in Deutschland ansonsten nicht mehr gewährleistet ist.
Wir finden es gut, dass der Bauernverband heute hier ist. Wir finden es gut, dass er auch die Milchkönigin mitgebracht hat. Aber wir GRÜNEN sagen ausdrücklich, dass der Bauernverband sich die Frage stellen muss, ob es diesen Streik gegeben hätte,wenn es nur den Bauernverband gegeben hätte, und ob es am Ende einen Grund hat, dass sich der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter sozusagen neben dem Bauernverband organisiert hat.Wir finden es ausdrücklich richtig,wenn der Bauernverband jetzt auf den fahrenden Zug aufspringt. Aber wir glauben, wenn es nur den Bauernverband gegeben hätte, wäre der Zug nie ins Fahren gekommen. Das sollte dem Bauernverband für die Zukunft eine Lehre sein.
Deswegen muss von den Vertreterinnen und Vertretern der Bauern klare Kante gegenüber dem Einzelhandel gezeigt werden. Wir sagen ausdrücklich, auch die Politik ist gefragt. Denn wenn ich mir betrachte, wie in den letzten Jahren in Hessen Landwirtschaftspolitik betrieben wurde, Herr Staatsminister Dietzel, dann stelle ich fest, dass die Förderpolitik, die sich immer nur auf die sogenannten Wachstumsbetriebe gestürzt hat, die Forderung nach Abschaffung der Milchquote und Ihre erste Reaktion darauf nicht im Sinne von fairen Preisen für gesunde Lebensmittel waren.
Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. – Dementsprechend sind wir alle miteinander dazu aufgerufen, sehr genau zu betrachten, wie Agrarpolitik in diesem Land gemacht wird mit dem Ziel, faire Preise zu bezahlen für gesunde Lebensmittel und dafür zu sorgen,dass die Existenz der Milchbauern in Hessen gesichert wird. – Vielen Dank.