Protocol of the Session on June 4, 2008

Diesen Weg wollen wir weitergehen. Dazu erwarte ich von Ihnen dezidierte Vorschläge, wie wir uns gemeinsam um die Geringstqualifizierten und die Langzeitarbeitslosen kümmern, und nicht, dass Sie schöne Programme ankündigen, sie nicht finanzieren und gleichzeitig immer noch versuchen,

(Zuruf des Abg.Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Arbeitsplätze zu vernichten, entgegen allen Vorhersagen von Sachverständigen, die sich intensiv mit diesem Thema beschäftigen.

Eines kann man auch als Fazit ziehen: Interessanterweise glauben Ihnen das die Wählerinnen und Wähler nicht wirklich. Wenn Sie sich das Politbarometer Mitte Mai anschauen und Ihre persönliche Beliebtheit bei allen, dann ist die bei minus 1,2 schon ganz interessant.

(Norbert Schmitt (SPD): Gucken Sie einmal, was das Politbarometer vor der Hessenwahl gesagt hat! – Weitere Zurufe von der SPD)

Gucken Sie sich einmal Ihre Beliebtheit bei Ihren Wählerinnen und Wählern an. Mit minus 0,4 will ich Ihnen sagen: Nur Lafontaine war einmal mit minus 0,5 unbeliebter;das war,als er die Brocken in der SPD hingeschmissen hat.Vielleicht sollten Sie das einfach auch tun.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Norbert Schmitt (SPD): Und was sagt das Politbarometer zu Roland Koch? – Weitere Zurufe von der SPD)

Vielen Dank, Frau Staatsministerin. – Das Wort in der zweiten Runde erhält Herr Kollege Lenders für die FDPFraktion. Ich darf noch daran erinnern, die Redezeit beträgt fünf Minuten.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es bleibt dabei, unser Problem ist es nicht, dass die Bürger zu wenig verdienen. Unser Problem ist, dass der Staat den Bürgern so viel Geld aus der Tasche zieht, dass ihnen zum Leben zu wenig bleibt.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion, die Bürger brauchen mehr,vor allem mehr Netto vom Brutto. Genau das wollen wir machen.

(Zuruf des Abg.Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Die FDP will die Steuer- und Abgabenlast der Bürger senken.Das haben wir auf dem Bundesparteitag vergangenes Wochenende genau so beschlossen, und nicht das, was Sie uns heute Morgen unterstellt haben.

(Beifall bei der FDP – Zuruf des Abg.Mathias Wag- ner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Herr Kollege, in ihrem Antrag greift die SPD nun vor allem die Zeitarbeit an. Sie unterstellt, dass Mitarbeiter von Zeitarbeitsfirmen zu Dumpinglöhnen arbeiten müssten. Da ist dann wieder der unterschwellige Vorwurf der Ausbeutung. Die SPD argumentiert, dass durch gesetzliche Einschränkungen der Zeitarbeit die Nettoeinkommen der Geringverdiener steigen würden. Verehrte Kollegen, das ist Unfug. Die Zunahme der Zeitarbeit hat Kanzler Schröder – das ist eben schon angeklungen – erst durch die Agenda 2010 ermöglicht.

Mir stellt sich die Frage,warum der SPD-Kanzler und vormalige Juso-Chef Schröder das Instrument der Zeitarbeit gestärkt hat. Mir stellt sich auch die Frage, warum Peter Hartz, langjähriger Spitzenfunktionär der IG Metall, ihm dieses Konzept geschrieben hat. Meine Damen und Herren, die Antwort liegt auf der Hand. Die damalige rotgrüne Regierung – ja, meine Damen und Herren von den GRÜNEN, Sie waren dabei, es ist schön, dass Kollegin Hölldobler-Heumüller sich daran erinnert, aber bei der SPD will sich anscheinend keiner mehr an die Agenda 2010 erinnern, sie erinnert sich aber leider auch nicht an die richtigen Weichenstellungen;

(Beifall bei der CDU und der FDP)

damit stärken Sie nur die populistischen Argumente der Postkommunisten, Sie helfen nicht den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern –,

(Beifall bei der CDU und der FDP)

die damalige Bundesregierung hat angesichts der massiven Wirtschaftskrise begriffen,dass nur durch Flexibilisierung der Arbeitsmarkt in Deutschland in Bewegung kommen kann. Genau das ist auch eingetreten. Seit der Flexibilisierung des Arbeitsmarkts, und mithilfe der Zeitarbeit, ist die Arbeitslosigkeit in Deutschland und Hessen auf den niedrigsten Stand seit mehr als 15 Jahren zurückgegangen. Damit ist nicht nur theoretisch, sondern auch in historisch beispielloser Weise praktisch bewiesen, dass Zeitarbeit hilft und nicht schadet.

Nun müssen wir uns fragen, warum so viele Arbeitsplätze in der Zeitarbeit geschaffen wurden.Tatsache ist, dass die Lohnkosten in den ausleihenden Unternehmen, die für Leiharbeiter entstehen, in vielen Fällen nicht geringer sind als für reguläre Beschäftigte. Die hessischen Unternehmer benötigen ein flexibles Arbeitsrecht, um auf konjunkturelle Schwankungen reagieren zu können. Frau Ypsilanti, das haben Sie eben richtig erkannt.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Ein Grund für den Rückgriff auf Leiharbeiter ist das deutsche Arbeitsrecht.

(Petra Fuhrmann (SPD):Weg mit dem Arbeitsrecht – typisch FDP!)

Das starre deutsche Arbeitsrecht und insbesondere der Kündigungsschutz sind eine hohe Barriere für die Schaffung fester Arbeitsverhältnisse. Hätten wir in Deutschland ein so moderates Arbeitsrecht wie in der Schweiz, hätten wir auch eine Arbeitslosenquote wie in der Schweiz, und die liegt unter 3 %.

(Beifall bei der FDP – Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Würden wir in Deutschland den Kündigungsschutz reduzieren, würden mehr direkte Arbeitsplätze in Unternehmen entstehen. Meine Damen und Herren von der SPD, bevor Sie die Zeitarbeit kritisieren und dort Arbeitsplätze vernichten, sorgen Sie doch zuerst einmal dafür, dass durch Veränderungen im Arbeitsrecht überhaupt neue Arbeitsplätze entstehen können. Wenn Sie das nicht machen, schicken Sie die Beschäftigten aus der Zeitarbeit direkt in die Arbeitslosigkeit. Das ist in meinen Augen die unsozialste aller politischen Maßnahmen. Deshalb lehnen wir den Antrag der SPD-Fraktion ab. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Abg. Lenders. – Für die Fraktion der SPD erhält Frau Fuhrmann das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Lautenschläger, wir haben heute wieder einmal das immer Gleiche von Ihnen gehört, nämlich das CDU-Programm, das heißt: weniger soziale Sicherheit, ein Niedriglohnsektor, und der Staat bzw. alle Bürgerinnen und Bürger zahlen die Aufstockung auf Dauer, damit Menschen menschenwürdig leben können. Das ist das CDU-Programm, und das ist absolut unsozial.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg.Axel Winter- meyer (CDU))

Menschen müssen von ihrer Arbeit, wenn sie ganztags arbeiten, auch leben können. Das ist ein ganz einfacher Grundsatz, der eine hohe Gültigkeit haben muss. Menschen müssen von ihrer Arbeit leben können und nicht von drei bis vier Jobs, wie wir das in den USA von den Working Poor kennen. Das sind Menschen, die vier Jobs haben, sich aber immer noch keine Krankenversicherung und immer noch keine eigene Wohnung leisten können. Solche Verhältnisse wird es mit der SPD in Deutschland nie geben.

(Beifall bei der SPD – Mark Weinmeister (CDU): Das will doch gar keiner!)

Wenn Sie von der CDU sich die Landschaft anschauen und sehen, dass wir Tariflöhne haben, die zum Teil bei 2,80 c, bei 3,50 c, bei 4,20 c, für ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer in der Weiterbildungsbranche bei 10 c liegen, dann sagen Sie doch nicht ernsthaft, es gebe hier keinen Regelungsbedarf. Es gibt einen Regelungsbedarf.

(Zurufe von der CDU)

Es gibt einen dringenden Regelungsbedarf, was die Mindestlöhne betrifft. Es gibt einen dringenden Regelungsbedarf, was die Begrenzung von Zeit- und Leiharbeit betrifft.

(Axel Wintermeyer (CDU): Sind Sie seit gestern sauer auf die Gewerkschaften? – Jörg-Uwe Hahn (FDP):Versagen die Gewerkschaften?)

Ich habe mir die Rede von Frau Lautenschläger angehört. Sie hat von den Umfragen geredet. Ich weiß nicht, wie die für die CDU vor dem 27.Januar aussahen.Es ist auch sehr spannend:Herr Koch taucht neuerdings bundesweit überhaupt nicht mehr auf. Aber davon reden Sie natürlich nicht.

Ich stelle jedenfalls fest: Sie haben die gleiche Arroganz an den Tag gelegt – von der FDP braucht man in der Frage gar nicht zu sprechen – wie vor dem 27. Januar.Aber Ihre Regierung ist am 27. Januar für diese Arroganz abgewählt worden, auch wenn Sie das bisher noch nicht begreifen wollen.

Letzter Punkt. Heute wird mit der Mehrheit des Hauses das Verhalten der Landesregierung im Bundesrat, was die Absicherung von Mindestlöhnen betrifft, ganz klar gerügt, und das ist auch gut so.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der LINKEN)

Ein allerletzter Punkt. Frau Lautenschläger, Kinderzuschläge entheben uns grundsätzlich und ausdrücklich nicht der Notwendigkeit, das Problem von Tariflöhnen, von Mindestlöhnen, von Dumpinglöhnen, von Hungerlöhnen, wie immer Sie es nennen wollen, zu regeln. Deswegen wird Ihr Verhalten im Bundesrat heute hier gerügt. – Danke schön.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Fuhrmann. – Für die Fraktion DIE LINKE erhält Frau Schott das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich kann nicht verstehen,dass man sich immer wieder diesen Unsinn über Leiharbeit anhören muss. Leiharbeit schafft keine Arbeit. Es gibt jede Menge Möglichkeiten und Projekte, Arbeit zu schaffen. Aber schauen wir uns einmal an, was Leiharbeit macht.

Es gibt einen Arbeitgeber, der einen Arbeitnehmer braucht. Statt sich an die Bundesagentur zu wenden oder eine Zeitungsanzeige aufzugeben, über die er diesen Arbeitnehmer finden kann, wendet er sich an eine Leiharbeitsfirma und beschäftigt auf diese Weise jemanden, dem er in der Regel deutlich weniger zahlt als dem Stammpersonal.Was hat daran Arbeit geschaffen?

Ich glaube, ich habe die Menschen vergessen, die bei der Leiharbeitsfirma arbeiten und vermitteln. Aber dafür haben wir meines Wissens die Bundesagentur.Also schaffen wir uns hier irgendwie ein Gremium, das mit anderer Leute Arbeit Geld verdient, die dafür deutlich weniger Geld verdienen als ihre Kollegen, die die gleiche Arbeit machen,und permanent auf dem Schleudersitz sitzen.Damit wird Angst geschürt in der Bevölkerung und bei den Kollegen; denn morgen kann es ihnen genauso gehen. Ich kann nicht erkennen, wo da ein Arbeitsplatz geschaffen wird.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP):Aber das ist doch nicht unser Problem, wenn Sie das nicht erkennen können, Frau Kollegin!)

Dann müssen wir uns hier anhören, wenn Arbeitnehmer aus solchen Arbeitsverhältnissen eingestellt werden, dass angeblich die Leiharbeit den Arbeitsplatz geschaffen hat. Was ist das für ein hanebüchener Unsinn? Das ist doch gebogen bis zum Geht-nicht-mehr. Der Arbeitsplatz war da, wir haben nur eine Agentur zwischengeschaltet, nämlich die Leihfirma.Nichts anderes haben wir getan.Wo ist dort das Schaffen von Arbeitsplätzen?

Wir schaffen nichts anderes als einen Billiglohnsektor, einen Ausbeutungssektor. Die Leute haben Arbeitsbedingungen, die zum Teil menschenunwürdig sind, und das wissen wir in diesem Hause. Das können wir nicht wegreden. Aber das sollen wir loben. Wir sollen loben, dass Menschen freitags nicht wissen, wo sie montags arbeiten werden.Wir sollen loben, dass Menschen nicht wissen, ob sie in der nächsten Woche noch dieselbe Arbeit haben. Wir sollen loben, dass diese Menschen nicht wissen, wie sie an den Arbeitsplatz gelangen sollen, weil es dort einen Wildwuchs gibt, der unbeschreiblich ist und der ihnen Dinge abverlangt, die wir in keinem regulären Arbeitsverhältnis haben würden. Das sollen wir hier ernsthaft loben? Dafür habe ich überhaupt kein Verständnis.

Wir brauchen Leih- und Zeitarbeit möglicherweise in einem ganz geringen Rahmen, aber nicht in dem Ausmaß, das wir zurzeit in diesem Land haben, nicht in diesem Wildwuchs, den wir haben und der sich ständig ausbreitet und nur dazu führt, dass wir reguläre Beschäftigungsverhältnisse verlieren. – Danke.