Petra Fuhrmann

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Last Statements

Meine Damen und Herren! Manchmal ist es hier schon zum Lachen, heute zum Beispiel. Insofern kann ich sagen: Frau Lautenschläger, herzlichen Glückwunsch zu Ihrem runden Geburtstag. Sie haben es auf den allerletzten Metern doch noch geschafft. Ich muss ganz ehrlich zugeben: Ich habe schon nicht mehr daran geglaubt, dass die Sozialministerin irgendwann einmal etwas erklären darf.
Nur zur Statistik. Der Ministerpräsident hatte in der letzten Legislaturperiode acht, der Justizminister hatte vier, der Umweltminister drei, usw.
Allein Frau Lautenschläger hatte in den letzten fünf Jahren null Regierungserklärungen.
Insofern erleben wir heute eine Premiere, ein letztes Aufbäumen einer Sozialministerin, die eher nicht dadurch aufgefallen ist, dass sie sich besonders engagiert für die Lösung der sozialen Probleme des Landes Hessen eingesetzt hätte.
Frau Lautenschläger hat in der letzten Legislaturperiode fünf Jahre lang zu den Themen geschwiegen.Was hätte sie auch erklären sollen? Sie hat willfährig den Sozialabbau in Hessen fortgesetzt. Eine Landessozialpolitik gibt es faktisch nicht mehr. Jetzt, zum Schluss, kommt noch eine Regierungserklärung. Es geht aber nicht etwa um die Sozialpolitik des Landes Hessen in Gänze, sondern es wird ein durchsichtiger Versuch gestartet, in irgendeiner Form Keilchen zwischen andere Mehrheiten in diesem Landtag zu treiben. Ich sage Ihnen: Das ist ein hilfloser Versuch.
Selbstverständlich gibt es Unterschiede zwischen verschiedenen Parteien. Das Thema, das Sie hier benannt haben, gehört augenscheinlich dazu. Das ist die Existenzberechtigung von verschiedenen Parteien. Dann muss es Kompromisse geben. Das wird auf Landesebene genauso sein wie auf Bundesebene,wo wir leider in einer Koalition sind, die manchmal Gutes und manchmal nicht so Gutes macht.
Das ist schön, wenn Sie sich freuen, Frau Lautenschläger. Darüber freue ich mich.
Sie haben die Agenda und die Reform zum Erhalt der sozialen Sicherungssysteme in Deutschland begrüßt. Wenn ich zurückblicke – das sei gestattet – auf die Zeiten vor der rot-grünen Regierungszeit, bevor die Agenda beschlossen wurde,also auf die Regierungszeit von Helmut Kohl,dann kann ich Ihnen nur sagen: Ja, das Aussitzen von Herrn Kohl über 16 Jahre hat den sozialen Sicherungssystemen in Deutschland massiv geschadet.
Was ist denn nach der Wiedervereinigung bis zur Abwahl von Herrn Kohl im Jahr 1998 passiert? – Gar nichts. Die Wiedervereinigung wurde angeblich aus der Portokasse bezahlt. Die blühenden Landschaften im Osten – wir haben es alle noch im Kopf. Den Sozialversicherungssystemen wurden die gesamten sozialen Probleme der Einheit aufgelastet. Der Bundeshaushalt wurde so an die Wand gefahren, wie Sie heute den Landeshaushalt an die Wand gefahren haben. Während in allen anderen europäischen Ländern längst Reformen zum Erhalt der sozialen Sicherungssysteme eingeleitet worden sind, hat Helmut Kohl eines gemacht, nämlich nichts. Er hat es ausgesessen.
Also musste die Regierung Schröder zu rot-grünen Regierungszeiten handeln. Es wurde Zeit, dass gehandelt worden ist. Da gab es schmerzliche Einschnitte. Ich will nicht verhehlen, dass mir und vielen anderen Kolleginnen und Kollegen – meine Vorsitzende gehört dazu, aber eben auch viele andere – manche dieser Einschnitte nicht gefallen haben. Aber es gehört auch zur Wahrheit, dass die Ministerpräsidenten der CDU, insbesondere Herr Koch, in der Nacht der langen Messer, dem Vermittlungsausschuss, auf Einschnitten bestanden haben, die weder Rote noch GRÜNE hätten machen wollen.Auch das gehört zur Wahrheit. Aber ohne den konservativ dominierten Bundesrat ging damals nichts.
Sie begrüßen die Agenda 2010, meinen damit aber nur Hartz IV bzw. die Sie immer interessierende Frage: Optionsmodell oder Arbeitsgemeinschaften? – Die Agenda 2010 war aber sehr viel mehr als Hartz IV. Ein wesentlicher Punkt war das Vorziehen der Steuerreform. Die Bürgerinnen und Bürger sind insgesamt um 56 Millionen c entlastet worden. Der Eingangssteuersatz sank auf 15 %, der Spitzensteuersatz auf 42 %. Davon haben Sie heute nicht gesprochen.
Vor allem Familien mit Kindern haben profitiert. Ihnen kam auch zugute, dass die rot-grüne Bundesregierung endlich das Kindergeld angehoben hat, wie es unter Kohl jahrelang nicht passierte. Auch davon haben Sie nicht gesprochen.
Mit der Agenda 2010 wurde auch die Handwerksordnung geändert. Die Tatsache, dass viele Gesellen heute ihren eigenen kleinen Betrieb aufmachen können, hat ebenfalls einen positiven Effekt gehabt und ist ein Schritt in Richtung Europa.
Die Agenda 2010 hat den Startschuss zu einer Ausbildungsplatzoffensive gegeben. Am Ende stand ein verbindlicher Ausbildungspakt, in dessen Rahmen z. B. die Bundesregierung in ihren eigenen Behörden 20 % mehr Jugendliche ausgebildet hat,als diese massenweise auf der Straße standen. Davon haben Sie nicht gesprochen, Frau Lautenschläger.Hier ist die Regierung nicht einmal bereit gewesen, die eigenen Anstrengungen um 10 % zu erhöhen.
Die Agenda 2010 war auch ein riesiges Investitionsprogramm in Bildung und Forschung. Auch davon haben Sie nicht gesprochen, Frau Lautenschläger.
4 Milliarden c sind allein in den Ausbau von Ganztagsschulen geflossen.Was macht Hessen? Statt sich zu beteiligen, wurde herumgemäkelt. Koch hat gesagt: Das Geld wollen wir nicht, der Bund soll sich aus der Bildungspolitik heraushalten. – Die Kultusministerin hat das Geld erst für die Schulbibliotheken gewollt; dann wurden Mensen gebaut,damit diese verkorkste Reform G 8 kaschiert werden konnte. So war es nicht gedacht.
Deswegen sage ich Ihnen: Es ist ziemlich zynisch, wenn Sie die Agenda 2010 so reduziert loben. Sie sollten alles loben.
Ich komme zum Thema, lieber Herr Kollege.
Die Agenda 2010 war auch ein Programm zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Renate Schmidt z. B. hat mit dem Tagesbetreuungsausbaugesetz den Kommunen 1,5 Milliarden c mehr gegeben.Auch das ist die Agenda 2010, und auch davon haben Sie nicht gesprochen.
Aber jetzt komme ich zum Kern der Regierungserklärung, Herr Kollege, zum CDU-Antrag und zur Frage Hartz IV.
Ich sage Ihnen das Gleiche, was ich Ihnen die ganzen letzten fünf Jahre gesagt habe: Die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe war und ist richtig.
Beide Leistungen sind steuerfinanziert. Richtig ist auch: Wir haben heute weniger Arbeitslose und werden vielleicht erfahren, wenn die wissenschaftliche Untersuchung abgeschlossen ist, welche Arbeitsmarkteffekte letztendlich auf die Reformen zurückgehen – ganz eindeutig.
Aber, Frau Lautenschläger, wenn Sie anführen, es sei schon ein Zeichen für gute Arbeit, dass die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung nach oben gegangen ist, kann ich nur sagen: Na ja, da zählt jeder Jugendliche mit, der einen Ausbildungsvertrag hat, und jeder Job über 400 c. Also sagen diese Zahlen nicht unbedingt sehr viel aus.
Wir haben es nach anfänglichen, ziemlich schweren Kinderkrankheiten endlich geschafft, die Beratung und Vermittlung sicherzustellen und zu verbessern, und wir haben gemeinsam eine Lösung gefunden, die sicherstellt, dass in Zukunft Optionskommunen und Argen auch nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts weiter arbeiten können.
Für die Regierung Koch waren in dieser Debatte drei Punkte immer zentral: erstens, die Zumutbarkeit für die Annahme von Arbeit zu schleifen,zweitens das Absenken der Regelsätze und drittens die Organisationsfrage.
Herr Koch hat in dieser Kampagne, genau wie in früheren Kampagnen, die Sündenböcke gesucht und gefunden, nämlich die angeblich nicht Arbeitswilligen. Diese sollten sich, das sind sinngemäße Zitate,
auf ein sehr bescheidenes Leben, bis hin zur Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften, einstellen. Statt von Sozialhilfe in Saus und Braus zu leben, sollten sie lieber Krabben pulen. Das war ein wahrlich christlich mitfühlender Sozialpolitiker, der damals aus Wisconsin heimkehrte.
Er hört nicht zu,das macht nichts.Dann kann er es nachlesen.
Wo ist er? – Herr Koch,ich begrüße Sie.Sie sind aber nicht in meinem Rücken.
Dass die übergroße Mehrheit der Arbeitslosen sich alle Finger nach einer Arbeit leckte, dass es aber keine für sie gab, haben Sie immer bestritten. Sie und die CDU haben im Vermittlungsausschuss durchgesetzt, dass die Zumutbarkeitsregeln für die Aufnahme einer Arbeit verschärft wurden.
Sie sind auch heute noch dafür, dass Menschen für Hungerlöhne arbeiten sollen
Sie können mir ja widersprechen –, und Sie wollten im Zuge der Verlängerung des Bezugs des Arbeitslosengeldes für ältere Menschen eine kostenneutrale Version, was konkret geheißen hätte, dass die Jüngeren hätten bluten müssen.
Wir haben heute, ich sagte es bereits, weniger Arbeitslose in Deutschland. Aber wenn wir genauer hinsehen, und dazu sind wir verpflichtet, müssen wir auch erkennen – Frau Lautenschläger, da können Sie noch so lange herumdiskutieren –, dass wir eine massive Zunahme von prekären Arbeitsverhältnissen haben.Wir haben Menschen, die für einen Stundenlohn unter 5 c arbeiten müssen.Wir haben Menschen, die dauerhaft immer nur befristet beschäftigt werden. Wer will darauf eine Familie gründen oder eine halbwegs gesicherte Existenz begründen? Wir haben eine erhebliche Zunahme der Leiharbeit,und diese wird schlechter bezahlt als die Stammbelegschaften. Wir haben eine deutliche Zunahme von Minijobs, die Ganztagsarbeitsplätze verdrängen. Wir haben mehr WorkingPoor wie in den USA, also Menschen, die mehrere Jobs haben, damit sie sich überhaupt über Wasser halten können. Frau Lautenschläger, wenn Sie sagen, man solle die Augen aufmachen und würde blühende Landschaften sehen, dann weiß ich nicht, wo sie als Sozialministerin hinschauen.
Sehen Sie nicht,dass in jeder Kommune Tafeln entstehen? Überall entstehen Bedarfe, wo Menschen von dem, was sie bekommen, nicht einmal mehr Lebensmittel kaufen können. Wo schauen Sie hin? Machen Sie die Augen auf, und nehmen Sie wahr, dass wir Armut in diesem reichen Land haben.
Meine Damen und Herren, wir brauchen dringend einen gesetzlichen Mindestlohn, der verhindert, dass der Wettbewerb inzwischen über den niedrigsten Preis geht. Wir wollen, dass Menschen, die den ganzen Tag arbeiten, davon auch sich und ihre Familie ernähren können.
Hier sind es wieder die Christdemokraten, die das verhindern.
Sie behaupten, dass es Menschen gäbe, deren Arbeit eben nur einen Hungerlohn wert sei. Abgesehen von dem objektiven Zynismus, der in einer solchen Haltung zum Ausdruck kommt – Tatsache ist, dass sehr viele Menschen, die heute zu Niedriglöhnen arbeiten müssen, ausgebildete Fachkräfte sind, aber der Arbeitsmarkt ihnen keine Chance bietet.
Wir brauchen nicht nur den gesetzlichen Mindestlohn. Wir brauchen auch eine Begrenzung der Leiharbeit, und wir müssen dafür sorgen, dass Leiharbeitnehmerinnen und -arbeitnehmer nach der Einarbeitung genauso bezahlt werden wie die Stammbelegschaften, und müssen damit den schwarzen Schafen unter den Arbeitgebern Einhalt gebieten.
Meine Damen und Herren, bei diesen sozialpolitisch wichtigen Punkten, nämlich Mindestlöhnen und fairen Arbeitsbedingungen für gute Arbeit, sind sich drei Fraktionen hier sehr einig.
Ich komme zu dem dritten Punkt, der Ihnen bei der Reform sehr wichtig war, nämlich der Frage der Organisation. Sie haben von Anfang an sehr dogmatisch auf das Optionsmodell gesetzt, auch heute wieder. Ich sage Ihnen das Gleiche, was ich Ihnen in jeder Diskussion gesagt habe:Wir haben in Hessen sehr gute kommunale Arbeitsvermittlungen, wir haben sehr erfolgreich arbeitende Kreise, z. B. den Main-Kinzig-Kreis, den Sie immer anführen – er wird sozialdemokratisch regiert, das merkt man –, oder die Stadt Wiesbaden. Da ist der zuständige Sozialdezernent auch Sozialdemokrat.
Ich will die anderen gar nicht nennen, die es hervorragend machen. Aber ich sage Ihnen, unabhängig von der Organisationsform, das ist doch alles Blabla. Es sind genau die Kreise und Städte erfolgreich, die schon zuvor gute Arbeitsmarktpolitik gemacht haben, ob sie dann Optionskommunen oder Argen sind. Leider gibt es auch viele, die es eben nicht so gut können. Ich will das mehr als unrühmliche Beispiel der Bergstraße nicht weiter ausführen.
Wichtig ist, dass die Akteure vor Ort gute Arbeit leisten, dass sie gut vernetzt sind.Es ist kontraproduktiv,wenn die Landesregierung das immer Gleiche behauptet, die einen seien besser als die anderen. Frau Lautenschläger, im Übrigen fallen Ihnen auch die eigenen Statistiken auf die Füße. Sie haben einen Bericht vom 12. September 2008 gegeben,der auf Seite 16 einen Überblick enthält.Danach ist der Rückgang der Arbeitslosigkeit in Hessen im August gegenüber dem Vorjahr 15,3 % – sehr erfolgreich.
Im Rechtskreis SGB III beträgt er 24 %, im Rechtskreis SGB II, also bei den Langzeitarbeitslosen, nur 11 %. Diese unterschiedlichen Entwicklungen haben wir überall. Sie belegen, dass es für Langzeitarbeitslose eben schwieriger ist, auf dem ersten Arbeitsmarkt Fuß zu fassen.
Vergleicht man Arbeitsgemeinschaften und Optionskommunen, so ergibt sich ein deutlicher Vorteil für die Arbeitsgemeinschaften. Dort sinkt die Arbeitslosigkeit gegenüber dem Vorjahr um 12,5 %. Bei den Optionskommunen sind es lediglich 8,6 %. Deshalb sage ich Ihnen: Es kann gar nicht so schlecht sein, wenn die Akteure am Arbeitsmarkt, Arbeitsagentur und Kommune, gemeinsam am Problem arbeiten und an einem Strang ziehen.
Frau Lautenschläger, es ist auch gut, dass Sie dann nicht mehr Sozialministerin sind, damit diese einäugige Politik aufhört.
Für uns gilt nach wie vor, dass es gut und schlecht funktionierende Arbeitsgemeinschaften und gut und schlecht funktionierende Optionskommunen gibt. Eines steht fest,
und das will ich hier auch sagen: Dem Zentralismus der Arbeitsagentur muss man entgegentreten. Das werden wir auch tun. Gerade in Bezug auf § 16 Abs. 2 sage ich Ihnen – darüber haben wir vor der Sommerpause ausführlich diskutiert, das müssen wir heute nicht tun – nur so viel: Die Rüge des Bundesrechnungshofs kann ein Bundesminister nicht so einfach wegwischen, wie Sie das hier tun.
Meine Damen und Herren, ich komme zurück. Es war immerhin eine Regierungserklärung, die erste Regierungserklärung einer Sozialministerin. Deswegen möchte ich gerne Bilanz Ihrer Politik ziehen, Frau Lautenschläger, und zwar Ihrer Politik in Hessen. Sie haben in Ihrer Amtszeit vieles getan und sich dabei nicht mit Ruhm bekleckert. Sozialpolitisch waren die Jahre letztlich ein Desaster.
Ich erinnere an die „Operation sichere Zukunft“, die schon vom Namen her blasphemisch wirkt, vor allem auf die Menschen, die diese unsoziale Suppe auslöffeln mussten.
Ich erinnere mich sehr genau – das ist so ähnlich wie mit dem 11. September; da wissen auch alle Menschen, wo sie gerade waren, als diese Schreckensnachricht kam – an die Gesichter der Caritas-Vertreter, mit denen wir ein Gespräch über die allgemeine Sozialpolitik hatten. Da war ungläubiges Entsetzten in den Gesichtern ob der Tatsache, dass eine Regierung ohne vorherige Ankündigung der sozialen Infrastruktur im Lande derartig den Krotzen rumdreht und den Garaus gemacht hat.
Diese unrühmliche Aktion hat viele Träger von sozialen Einrichtungen betroffen, und zwar frei-gemeinnützige Träger, kommunale Träger, Frauenhäuser, Drogenberatung, Schuldnerberatung, Erziehungsberatung, Familienbildung – die Liste der Nullstellungen ist endlos.
Sie sind immer die Ersten, die nach schärferen Gesetzen oder Überwachung rufen, wenn es z. B. um einen schrecklichen Fall von Kindesmisshandlung geht. Aber Sie selbst haben Erziehungsberatungsstellen, Familienbildungsstätten und solchen Einrichtungen komplett die Mittel entzogen. Ich sage Ihnen: Sie handeln wie der Brandstifter, der nach der Feuerwehr ruft. Dieser Punkt wird unrühmlichst in die hessische Geschichte eingehen. Sie können sich von den Folgen nicht verabschieden.
Meine Damen und Herren, Sie haben bezüglich der Ausweitung der Arbeitszeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf 42 Stunden eine unrühmliche Führung innerhalb der Bundesländer übernommen. Die Schließung vieler Dienststellen hat dazu geführt, dass gerade teilzeitbeschäftigte junge Mütter entweder ihren Arbeitsplatz aufgeben oder überlange Arbeitswege hinnehmen mussten. Also hören Sie auf mit irgendwelchen Parolen, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sei wichtig; denn immer da, wo politisches Handeln gefragt ist, sind diese Parolen gekommen, aber das Handeln ging dagegen.
Meine Damen und Herren, Sie sind aus der Tarifgemeinschaft der Länder ausgetreten. Sie haben in Hessen ein Lohndiktat von 2,4 % gemacht. Ich kann nur sagen: Das ist eine Bilanz, die sich „sehen lassen kann“.
Die Aufzählung der Heldentaten ist nicht vollständig.Wir kommen zur Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten. Frau Lautenschläger, auch hier hat es Sie absolut nicht interessiert, dass junge Frauen im Zweifel bis 24 Uhr arbeiten müssen und wie sie dann nach Hause kommen. Alle in der Anhörung vorgetragenen Bedenken, z. B. der Kirchen, wurden weggewischt. Jetzt schreibt Herr Grüttner einen, wie ich finde, sehr scheinheiligen Brief, dass man doch nicht gewollt habe, dass am Karfreitag in der Nacht noch ein Feuerwerk ist. – Das hätten Sie wissen können; das wurde nämlich genau in der Anhörung vorgetragen.
Ein weiterer Punkt ist die Kinderbetreuung. Das ist ein Feld, in dem Sie sich gerne als führend bezeichnen. Hier gilt: Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast.
Sie sagen, Sie lägen im Ländervergleich ganz vorne, aber Sie rechnen in Ihre Statistiken jeden Platz in der Tagespflege voll ein, wohl wissend, dass es manchmal nur um ein paar Stunden Betreuung, und das auch nur manchmal, an ein paar einzelnen Tagen in der Woche geht. Fakt ist, dass Sie die Kommunen beim Ausbau der Kinderbetreuung weitgehend alleine gelassen haben. Über den Betriebskostenzuschuss in Höhe von 50 Millionen c haben wir hier mehrfach diskutiert.
Meine Damen und Herren, ich glaube, die Zeit ist reif für einen Neustart in der Sozialpolitik. Fünf Jahre nach dem Kahlschlag muss Hessen sozialpolitisch wieder stark gemacht werden. Wir brauchen einen Regierungswechsel, um den Politikwechsel hin zu einer wirkungsvollen Landessozialpolitik endlich möglich zu machen.
Hessen braucht Investitionen in Prävention, in Beratungsleistungen, in akute Hilfen, und das werden wir tun. Wir werden ein verlässliches Sozialbudget mit einem festen Finanzrahmen einführen und den von Ihnen geschliffenen Einrichtungen wieder Hilfen des Landes, und zwar originäre Hilfen des Landes, für die notwendigen Aufgaben geben.
Die Bekämpfung der Kinderarmut haben Sie vorhin stiefmütterlich behandelt. Dieser Punkt wird ganz oben auf der Agenda der nächsten Zeit stehen.Wir werden uns für einen eigenen Kinderregelsatz einsetzen, der genau die Bedarfe berücksichtigt, die Kinder haben. Zumindest aber muss der Regelsatz für die Kinder schnell erhöht werden.
Hier spreche ich die zusätzlichen Töpfe für das Mittagessen, Nothilfetöpfe – hier ein Topf und da ein Topf – an. Aber strukturelle Probleme, und das Problem der Kinderarmut ist ein dringendes und schlimmes strukturelles Problem, müssen strukturell gelöst werden und nicht mit einem Flickenteppich.
Ich denke an meine Nachbarstadt Bad Homburg. Dort ist in Zukunft der Besuch eines Kindergartenganztagsplatzes frei. Alle Kinder bekommen ein Mittagessen für 1 c. In Frankfurt gibt es einen Essenszuschuss, aber die dürfen keinen Antrag bei Ihrem Nothilfefonds stellen. Andere Kommunen sind so pleite, dass sie sich weder das eine noch das andere jemals leisten können. – Das ist keine Landessozialpolitik.
Ein weiteres wichtiges Feld der Sozialpolitik ist die Behindertenpolitik. Es wird uns in dieser Plenarwoche gelingen, dass das betreute Wohnen beim Landeswohlfahrtsverband bleibt und dass nicht nach Kassenlage gearbeitet wird. Es besteht Handlungsbedarf beim Gleichstellungsgesetz für Behinderte. Wir wollen, dass Barrierefreiheit nicht nur bei Landesbehörden, sondern auch bei Kommunen die Regel ist.
Ein weiteres Feld – das sagte ich bereits – ist die Kinderbetreuung. Der Betriebskostenzuschuss wird sozusagen durch einen Stufenplan ersetzt.Wir werden nicht alle Versäumnisse Ihrer Regierung aufholen können. Aber wir stellen uns der Aufgabe. Eine gute Bildungspolitik in der Kindertagesstätte, eine gute Bildungspolitik in der Schule sind die beste Prävention vor Armut, die wir überhaupt machen können.
Wir werden in der Arbeitsmarktpolitik die Scheuklappen der jetzigen Regierung absetzen und alle gleichermaßen fördern und vernetzen.Wir werden die Arbeitsmarktprogramme des Landes bündeln, evaluieren und dann zielgerichtet neu einsetzen.
Das Land Hessen wird sich ganz klar für einen gesetzlichen Mindestlohn positionieren. Es darf keine Hungerlöhne und keine Dumpinglöhne geben. Es wird eine Bundesratsinitiative für gesetzliche Mindestlöhne geben.
Natürlich. Herr Boddenberg, da Sie mit allen Geldern in den vergangenen Jahren so umgegangen sind, wird man mit Umschichtungen arbeiten müssen. Das ist schon jetzt klar. Sie haben den Haushalt in der Tat an die Wand gefahren. Das ist leider Ihre Bilanz.
Wir brauchen in Hessen einen Ausbildungspakt, der diesen Namen auch verdient; denn ich finde es unerträglich, dass Altbewerberinnen und Altbewerber nach wie vor auf der Straße stehen, obwohl sich die Konjunktur Gott sei Dank belebt und viele Firmen, die früher nicht ausgebildet haben, jetzt froh wären, wenn sie es getan und jungen Menschen eine Chance gegeben hätten.
Wir brauchen einen Neustart in der Seniorenpolitik. Wir werden das Heimgesetz novellieren.Wir werden den Ausbau der Pflegestützpunkte schnell vorantreiben. Nachdem die bisherige Landesregierung Hessen sozialpolitisch dermaßen ruiniert, die soziale Infrastruktur komplett und schwer beschädigt, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern des Landes finanzielle Einbußen in nicht unerheblicher Höhe zugemutet, die Kinderbetreuung nicht in den notwendigen großen Schritten ausgebaut und in den Wahlkämpfen insbesondere Bürgerinnen und Bürger ausländischer Herkunft stigmatisiert und in empörender Weise ausgegrenzt hat, wird dieser Neustart umso wichtiger.
Wir setzen auf Prävention, vor allem bei Kindern und Jugendlichen, und wir wollen gleiche Bildungschancen für alle Kinder. Es kann nicht sein, dass arme Kinder inzwi
schen fast zwangsläufig von höheren Bildungsabschlüssen ausgeschlossen sind.
Kurzum: Die Paarung Hessen und Sozialpolitik soll und wird wieder einen positiven, an den Bedürfnissen und an den Rechten der Menschen orientieren Klang bekommen – einen guten Klang, wie es ihn früher in Hessen gab. Das haben die Frauen und Männer in diesem Lande nach mehr als sieben und mehr als kargen Jahren eindeutig verdient. Die Zeit der CDU ist abgelaufen. Die Zeit ist reif für die soziale Moderne.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Frau Schott, der Antrag, den Sie gestellt haben, greift zutreffenderweise ein Problem auf, aber eben nur einen kleinen Aspekt des großen Problems der wachsenden Kinderarmut in unserem Land. Ich glaube, dass Sie recht haben, wenn Sie sagen, wir müssten uns diesem Problem viel stärker widmen.
Die Kinderarmut ist eines der drängendsten sozialpolitischen Probleme, denen wir uns stellen müssen.Wir haben in Deutschland inzwischen 1,9 Millionen unter 15-jährige Kinder, die auf Grundsicherungsniveau leben. Sie wachsen in relativer Armut auf und leiden an einer Unterversorgung, gerade auch bei der Einschulung. Das haben Sie zutreffend dargestellt.
Wir haben natürlich auch Mangelzustände, was die musische Bildung, die Mitwirkung in Sportvereinen oder die Teilnahme an Veranstaltungen angeht.Von all diesen Aktivitäten sind Kinder aus finanziell schlecht gestellten Familien vielfach ausgeschlossen. Deshalb ist es für uns ganz wichtig, dass wir der frühen Förderung und den Bildungschancen einen besonderen Stellenwert einräumen und die Kinderbetreuung massiv ausbauen. Das ist für uns ein ganz wichtiger Punkt.
Wir haben gegen den Widerstand der Union eine dauerhafte und deutliche Bundesbeteiligung und auch den Rechtsanspruch auf Betreuung für alle Kinder ab einem Jahr durchgesetzt. Hinzukommen müssen natürlich flexiblere und dem Bedarf angepasste Öffnungszeiten, eine bessere pädagogische Frühförderung und eine individuelle Förderung. Da ist die Bundesfamilienministerin genauso wie die Landesfamilienministerin gefordert, entsprechende Gesetzesvorhaben voranzubringen.
Ein weiterer Aspekt ist der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit der Eltern. Auch hier sind der Abbau der Arbeitslosigkeit und mehr Beschäftigung ein Schlüssel, um die Kinderarmut künftig einzugrenzen oder zu verhindern.
Ich bedanke mich, dass der Vertreter der FDP klatscht. – Dazu ist der Mindestlohn, den die SPD fordert und über den wir vielleicht später noch diskutieren werden, ein ganz wesentlicher Beitrag.
Wer den ganzen Tag arbeitet, muss von dem, was er verdient, auch leben können. Der von uns im Jahr 2005 eingeführte Kinderzuschlag ist eine wirksame finanzielle Unterstützung der Familien, die von Armut bedroht sind. Diese Hilfe wurde vor der Sommerpause noch weiterentwickelt, sodass jetzt rund eine halbe Million Kinder und ihre Eltern gezielt unterstützt werden.
Gerade um die Bildungschancen der Kinder aus einkommensarmen Familien zu verbessern, prüft die SPDBundestagsfraktion – ich sage dazu, sie prüft mir ein bisschen zu langsam, aber sie prüft –, ob zusätzliche Hilfen, wie etwa das Schulstarterpaket oder kostenloses Schulessen, eingeführt werden sollen. Sie befasst sich dabei auch mit der Höhe und den Anpassungsmechanismen der Transferleistungen beim Arbeitslosengeld II. Außerdem prüft sie, ob ein eigener Kinderregelsatz eingeführt werden soll.
Ich sage dazu ganz klar meine Position: Ja, wir brauchen einen eigenen Kinderregelsatz, der von der Sozialhilfe abgekoppelt ist.
Insofern ist auf der Bundesebene schon vieles in der Pipeline. Denn es wurde erkannt, dass bei den Kindern aus Familien mit geringem Einkommen oder bei Familien, die Hartz IV beziehen, oft Not herrscht, wenn nach den Sommerferien eingeschult wird. Dies gilt insbesondere dann, wenn mehrere Kinder in die Schule gehen. Der Bedarf reicht von A wie Anspitzer bis zu Z wie Zeichenblock. Die Liste, die den Eltern mitgegeben wird und auf der steht, was sie für ihre Kinder besorgen müssen, ist lang. Das kann sich ganz schnell relativ heftig summieren.
Die Materialliste ist also lang. Schätzungsweise werden in jedem Schuljahr 60 c allein für die normale Ausstattung benötigt. Darin sind noch nicht einmal die Arbeitshefte enthalten. Das wissen alle, die Kinder in der Schule haben oder hatten.
Bildung muss für alle erschwinglich sein. Bildung ist kostspielig,über Jahre hinweg.Frau Schott,ich denke,insofern ist das, was Sie gesagt haben, auch vollkommen richtig.
Es stellt sich die Frage, wie die Eltern, die vom Transfer oder von Niedriglöhnen leben – Letztere möchte ich aus
drücklich einbeziehen –, die Kosten angesichts der knappen Regelsätze aufbringen sollen. Sie erinnern sich alle: Damals wurde die sogenannte Pauschalierung eingeführt. Einmalleistungen wurden abgeschafft. Der Eckregelsatz sieht monatlich genau 18,20 c dafür vor. Mit diesem Betrag sollen auch Zeitungen, Zeitschriften, Bücher und sonstige Bildungsmaterialien erworben werden. Dieser Betrag reicht dafür schlichtweg nicht aus.
Mit dem Inkrafttreten des Sozialgesetzbuches XII im Jahre 2005 wurde das Regelsatzsystem reformiert. Das Beispiel mit dem Schulbedarf wie anderes auch zeigt, dass das den tatsächlichen Bedürfnissen heute nicht mehr entspricht. Deshalb begrüßt die SPD-Landtagsfraktion ausdrücklich die Bundesratsinitiative, die das Land Rheinland-Pfalz im Oktober 2007 gestartet hat. Sie hat zum Ziel, diese Lücke im System wieder zu schließen.
Rheinland-Pfalz hat vorgeschlagen, Empfängerinnen und Empfängern des Arbeitslosengeldes II oder der Sozialhilfe zweimal jährlich eine zusätzliche Pauschale in Höhe von 20 % des Regelsatzes genau für den Schulmittelbedarf zu gewähren. Je nach Alter des Kindes läge der Betrag zwischen 83 c und 111 c. Damit könnte der größte Teil des Bedarfs abgedeckt werden. Die Gesamtkosten für den Bund würden ungefähr 124 Millionen c betragen.
Das ist eine sehr gute Idee. Zudem wäre das eine Lösung, die sehr schnell eingeführt werden könnte. Deswegen begrüße ich diese Bundesratsinitiative.
Das Problem ist nur, dass die von der Union geführten Länder trotz der Erkenntnis, dass die Regelsätze nicht ausreichen, nicht zustimmen. Mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten werde ich jetzt wiedergeben, was Herr Ministerpräsident Müller gesagt hat. Er sagte, eine Änderung der Regelungen sowohl im Sozialgesetzbuch II als auch im Sozialgesetzbuch XII sei unverzichtbar. Hört, hört, das hat er gesagt. Trotzdem konnten sich die von der Union geführten Länder nicht dazu durchringen, dem Gesetzentwurf des Landes Rheinland-Pfalz im Bundesrat zuzustimmen. Vielmehr wird dieser wichtige Gesetzentwurf seit Monaten von den von der Union geführten Ländern im Bundesrat blockiert. Das Problem wird ausgesessen. Es werden Anträge dazu gestellt.
Frau Lautenschläger, doch, das ist leider so. Ich finde es sehr schade,dass Sie nicht die Kraft hatten,zusammen mit Frau Dreyer aus Rheinland-Pfalz gegen Herrn Rüttgers und Herrn Müller an einem Strang zu ziehen und diese wichtige Bundesratsinitiative im Sinne der bedürftigen Familien durchzusetzen.
Ich muss noch eines sagen. Frau Müller-Klepper, ich war schon etwas verwundert, von Ihnen eine Pressemeldung lesen zu können, in der Sie genau das Entsprechende fordern. Sie sollten ab und zu mal mit Frau Lautenschläger über das Verhalten der CDU-geführten Bundesländer im Bundesrat sprechen. Das wäre wahrscheinlich sehr erkenntnisreich.
Insofern wurde jetzt angekündigt, es werde zu einer Regelung kommen. Sie wird aber erst ein Schulhalbjahr später in Kraft treten können. Ich hoffe, wenigstens diese Re
gelung wird dann einhellige Zustimmung finden. Ich hoffe, bei diesem sozialpolitischen Problem wird kein Hin- und Herschiebebahnhof eröffnet. Vielmehr muss endlich eine Lösung gefunden werden.
Wir alle wissen, dass es hinsichtlich der finanziellen Ausstattung der Schulkinder keinen weiteren Aufschub geben darf. Ich hoffe deswegen, dass Sie die Blockade im Bundesrat möglichst schnell beenden.
Frau Schott, ich möchte aber auch noch Folgendes sagen. Es reicht nicht aus, ein Problem aus der Gesamtproblematik der Kinderarmut zu bekämpfen. Es reicht nicht aus, nur über einen Fonds zu sprechen. Vielmehr müssen wir ein Bündel an Maßnahmen schnüren. Es genügt nicht, in jeder Stadt, in jeder Kommune, in jedem Kreis oder meinetwegen auch in jedem Bundesland eine Teilproblemlösung für ein grundsätzliches Problem zu suchen.
Vielmehr müssen wir strukturelle und bundeseinheitliche Lösungen anstreben und durchsetzen. Sicherlich können wir über kurzfristige Zwischenlösungen sprechen. Ich habe bereits im Dezember vergangenen Jahres ein ZehnPunkte-Programm der SPD gegen Kinderarmut vorgelegt. Darin sind genau diese grundsätzlichen Veränderungen skizziert.
Über diese und andere Maßnahmen sowie über die Finanzierung, die Sie vorgeschlagen haben – ich muss Ihnen sagen, sie ist nicht sonderlich seriös –, wird in den kommenden Monaten konkret zu sprechen sein. Ich freue mich auf diese Gespräche und danke Ihnen sehr für Ihre Aufmerksamkeit.
In Anbetracht der fortgeschrittenen Zeit will ich es relativ kurz machen. Frau Ministerin, ein paar Punkte müssen aber doch noch gesagt werden. Ihr Mittagessensfonds ist keine Erfindung der CDU-Landesregierung, sondern er ist entstanden aufgrund von Haushaltsanträgen von GRÜNEN und SPD, die genau dies mehrfach eingefordert haben. Sie haben dann endlich gehandelt. Da war das Problem schon ein paar Tage bekannt.
Zweiter Punkt. Ich finde es auch sehr wichtig – das haben wir hier auch schon diskutiert –: Der Fonds ist in der Ausstattung, wie Sie ihn eingerichtet haben, erstens zu niedrig,weil er sich ausschließlich auf Schulen und nicht auch auf Kindertagesstätten und Horte bezieht. Das heißt, das Geld wird vermutlich keineswegs ausreichen. Zweitens ist gegen eine unbürokratische Lösung absolut nichts zu sagen, Frau Lautenschläger. Dagegen hat niemand etwas.
Aber es ist sehr wohl etwas dagegen zu sagen, dass die Kommunen, die das unglaubliche sozialpolitische Problem, nämlich hungrige Kinder in den Schulen, bereits erkannt und schon eigene Haushaltsmittel eingestellt hatten, keinen Antrag auf Unterstützung aus diesem Fonds des Landes stellen dürfen. Das ist zutiefst ungerecht. Die Stadt Frankfurt etwa hat dieses Problem ganz schnell angepackt und hat 1 Million c Haushaltsmittel eingestellt. Diese 1 Million c kann Sie bei diesem Landesfonds nicht beantragen. Es ist also ein verfehlter Fonds und insofern auch ein schlechtes Beispiel.
Nächster Punkt, zur strukturellen Lösung im Bund. Ich habe das meiste meiner Redezeit dafür verwendet, zu sagen, dass wir genau diese strukturellen Veränderungen brauchen und dass es uns nicht hilft, wenn wir da und dort einen Fonds haben. Gleichwohl müssen wir, wenn solche Herausforderungen an uns gestellt werden,auch die haushaltsmäßigen Voraussetzungen schaffen, um eventuell, hoffentlich nur für eine Übergangszeit, Lösungen für drängende soziale Probleme zu finden.
Letzter Punkt. In aller Kürze zu der Schnodderigkeit, mit der Sie, Herr Kollege Bauer bzw. auch Herr Rentsch, in Teilen gesprochen haben. Ich möchte Ihnen nur eines ans Herz legen. Wer immer sagt, man müsse die bevorzugen, die jeden Morgen aufstehen und arbeiten gehen, diffamiert damit in einer unglaublichen Weise einen wachsenden Teil der Bevölkerung, der jeden Morgen aufsteht und zur Arbeit geht, der ganztägig arbeitet und weder sich noch seine Familie von dem Geld ernähren kann.Insofern ist die logische Folge – –
Sie, der jetzt gerade neben Herrn Hahn sitzt, sind der größte Schnösel.
Absoluter Schnösel.
Ich nehme den Ausdruck mit dem größten Bedauern zurück. – Meine Damen und Herren, ich möchte aber noch einmal auf den Sachverhalt zu sprechen kommen. Ich finde es eine unglaubliche Schnöseligkeit, wenn gesagt wird, dass Menschen ganztags arbeiten und angeblich von ihrem Geld leben können und vom Staat nichts zurückbekommen. Das ist eine Schnöseligkeit, weil inzwischen Millionen von Menschen die ganze Woche von morgens bis abends arbeiten und von dem Geld nicht mehr leben können. Das wissen Sie. Deswegen treten wir als SPD ganz klar für Mindestlöhne ein. Ich würde mich freuen, wenn diejenigen, die das heute in die Debatte eingeführt haben, sich dieser Forderung anschließen würden. Das wäre gut so.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Bundesministerium für Arbeit vertritt die Auffassung, dass im Rahmen des § 16 Abs. 2 Satz 1 SGB II nur solche Eingliederungsleistungen erbracht werden sollen, die im Einzelfall erforderlich sind, um die Leistungen des SGB III zu ergänzen oder zu unterstützen. Ich sage hier: Ich teile diese Auffassung ausdrücklich nicht.
Es hat die Arbeitsagenturen im April mit der Geschäftsanweisung Nr. 13, die gerade angesprochen wurde, angewiesen, ab sofort lediglich einzelfallbezogene ergänzende Hilfen für die unmittelbare Arbeitsmarktintegration oder Existenzgründung zu gewähren.Trotz guter Intention, die teilweise – da werden Sie mir auch zustimmen, Herr Dr. Jürgens – rechtswidrige bzw. unzulässige Förderpraxis in der einen oder anderen Kommune zu beenden, ist diese Anweisung aber zu Recht auf breite Kritik gestoßen.
Es kann nicht sein, dass durch Umgehung oder Aufstockung von Regelinstrumenten gefördert wird, was eigentlich aus anderen Töpfen gefördert werden müsste und sollte.Es kann aber auch nicht sein,dass notwendige wirksame und wirtschaftlich sinnvolle Maßnahmen mit einem Schlag beendet werden müssen, zumal es hier um Menschen geht, die multiple Vermittlungshemmnisse haben, und daran – darauf ist zu Recht hingewiesen worden – auch noch Kofinanzierungen hängen.
Fakt ist: Der Paragraf über die weiteren Leistungen ist keineswegs ein glasklarer bzw. ein unstrittiger Paragraf. Seit Ende letzten Jahres tobt eine Kontroverse über die Anwendung dieses Paragrafen. Weder zwischen Bund und Ländern noch in der Kommentierung oder der einschlägigen Rechtsprechung gibt es eine einheitliche Rechtsauffassung, was unter diesem Begriff zu verstehen ist. Während die Bundesländer – auch Frau Lautenschläger – durchaus die Auffassung vertreten, dass es sich bei § 16 quasi um eine Generalklausel handelt, die den zugelassenen kommunalen Trägern und Argen grundsätzlich ermöglicht, nach freiem Ermessen über Eingliederungsmaßnahmen zu entscheiden, nimmt der Bund eine sehr viel restriktivere Haltung ein und bezieht sich dabei auch auf einen Bericht des Bundesrechnungshofs.
Er hat festgestellt: Die Mehrzahl der geprüften Grundsicherungsstellen gewährte auch weitere Leistungen, die keine innovativen Förderansätze enthielten, sondern lediglich die Voraussetzungen oder den Förderumfang arbeitsmarktpolitischer Regelinstrumente des Arbeitsförderungsrechts in unzulässiger Weise abwandelten. Als Beispiel nannte er die Gewährung von befristeten Lohnkostenzuschüssen, ohne die Beschäftigungszeit festzulegen – das ist eine Umgehung des SGB III –, oder die Berufsbildung Jugendlicher in außerbetrieblichen Einrichtungen, die aber in manchen Fällen einfach notwendig sind.
Leider ist die Anweisung in der jetzigen Form kein Beitrag zur Herstellung von Rechtssicherheit und zu einer positiven Weiterentwicklung der Förderung im SGB II. Ich glaube, das ist ganz deutlich geworden. Sie gefährdet vielmehr massiv die Qualität der Integrationsförderung, die wir haben, und auch die wirtschaftliche Verwendung von Eingliederungsmitteln. Aus der Praxis wissen wir, dass § 16 Abs.2 sehr stark genutzt wurde – wesentlich stärker als manches andere Instrument der Bundesagentur. Denn es bot die Möglichkeit, die besonderen Problemlagen und überaus vielfältigen Lebenslagen aufzugreifen und die besonderen Bedarfe des Forderns und Förderns von Migrantenfrauen, Langzeitarbeitslosen, aber vor allem auch benachteiligten Jugendlichen und anderen Menschen zu erfüllen.
Als Beispiel verweise ich auf die intensive sozialpädagogische Betreuung oder die Nachbetreuung bei der Arbeitsaufnahme. Herr Dr. Jürgens, Sie haben ein Beispiel genannt. Für diese gab es lange überhaupt kein Instrument, und jetzt gibt es ein nach Ansicht vieler Träger nicht ausreichendes Instrument im SGB II. Auch die Möglichkeiten der SGB-III-Instrumente sind für viele Zielgruppen schlicht unpassend. Das wissen wir aus der Vergangenheit. Sie sind nicht unbedingt den multiplen Problemlagen angepasst.
Kurz kann man sagen: Der § 16 war der rettende Strohhalm für viele schwierige Problemlagen und Fälle. Der BA-Vorschlag der Aneinanderreihung oder Kombination von SGB-III-Regelinstrumenten ist in vielen Fällen nicht praktikabel und zielführend. Hinzu kommt, dass die Regelleistungen im SGB III nur in einem Teil der Fälle überhaupt mit dem SGB II kompatibel zu machen sind. Zum Beispiel gibt es bei der Förderung von Erwerbstätigen Zuschüsse zur Verbesserung des Qualifizierungsniveaus. Das ist nicht das, was in der Regel gebraucht wird. Persönliche Hilfen sind im SGB II schlicht nicht vorgesehen. Erwerbstätige mit Niedrigeinkommen oder sogenannte Aufstocker stellen aber inzwischen eine größer werdende Gruppe dar.
Generell sehe ich die Trennung der Regelkreise SGB II und SGB III insbesondere für die Klientel des SGB II als problematisch an. Es bleibt zu hoffen, dass mit der für 2009 geplanten Reform die arbeitsmarktpolitischen Instrumente auch Leistungen der Eingliederung in dieser Hinsicht klarer regeln werden. Die Intention des SGB II ist eben nicht ausschließlich auf die direkte Integration in Arbeit beschränkt. Das SGB II nimmt darüber hinaus auch auf personen- oder gruppenbezogene Problemlagen Bezug und soll Hilfen zur Verminderung oder Beseitigung dieser bieten.
Insbesondere da, wo die Integrationsplanung in sehr kleinteiligen Schritten notwendig ist – um es etwas klarer zu sagen: wo man viele kleine Maßnahmen unterstützen muss –, sind unterschiedliche Hilfeeinrichtungen und Kooperationspartner erforderlich. Da brauchen wir einen flexibel nutzbaren Spielraum, um weitere Leistungen ansetzen zu können. Man sagt auch:Wir brauchen einen guten Instrumentenkasten.Deshalb vertrete ich die Ansicht, breite Spielräume zu lassen, statt sehr enge Grenzen zu setzen.
Die Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag eine Reform des SGB II vereinbart. Das soll zum 01.01.2009 in Kraft treten. Da ist unter anderem auch vorgesehen, die Leistungen zur Eingliederung – also § 16 SGB II – neu zu ordnen. Einem Eckpunktepapier zufolge ist Folgendes geplant:
Erstens. Einführung eines Rechtsanspruchs auf das Nachholen des Hauptschulabschlusses. Diesen Punkt finde ich sehr gut.
Zweitens. Einführung eines Vermittlungsbudgets, das den persönlichen Ansprechpartnern ein breites Spektrum für flexible, bedarfsgerechte und unbürokratische Einzelfallhilfen eröffnet.
Drittens. Ein Experimentiertopf zur Erprobung lokaler und zeitlich begrenzter – das ist logisch, denn manchmal braucht man bestimmte Instrumente dann doch nicht – innovativer Projekte und für Personen mit Migrationshintergrund eine stärkere Förderung der Sprachkurse.
Angesichts dieser Reformpläne fragt man sich dann leider erst recht,was diese Anweisung jetzt soll,wenn das Gesetz voraussichtlich genau das ermöglichen wird,was jetzt zum 30. Juni beendet werden soll. Das halte ich für kontraproduktiv.
Auch deshalb plädieren wir dafür, dass diese Geschäftsanweisung zurückgenommen wird und die Fortsetzung zumindest bis zur Verabschiedung neuer Gesetze erfolgen kann. Denn wir brauchen auf alle Fälle auch Projektförderung in dem Bereich. Wir brauchen die Hauptschulabschlusskurse. Wir brauchen Produktionsschulen und andere Maßnahmen, und wir brauchen auch Sprachkurse für Migrantinnen und Migranten.
Es muss dringend erhalten bleiben, was für die Zielgruppen zum Erfolg geführt hat – auch dann, wenn die Mittel, die dafür jetzt aufgewandt worden sind, unter Umständen nicht in das vorgesehene Schema gepasst haben.Das müssen wir dann korrigieren. Das Geld ist eindeutig dann sinnvoll angelegt, wenn z. B. von 45 Absolventinnen und Absolventen 42 einen Hauptschulabschluss nachmachen. Das ist ein riesiger Erfolg, wenn man die Klientel im Auge
hat. Es ist ärgerlich, wenn solche Erfahrungen nicht genutzt werden bzw. beendet werden sollen.
Ich darf für die SPD festhalten: Für uns steht der Mensch in der Arbeitsförderung im Mittelpunkt. Wirksame Maßnahmen sind zielgruppenorientiert und flexibel. Sie greifen multiple Vermittlungshemmnisse auf und bieten vielschichtig angepasste Hilfsmöglichkeiten.Wir wollen auch Hilfen aus einer Hand.
Wir wollen eine Arbeitsmarktpolitik für alle,für jede Zielgruppe. Das heißt dann auch, dass die Leistungen und Integrationsprozesse passgenau, flexibel und angepasst an die individuellen Lebenssituationen der Betroffenen sowie an die regionalen Besonderheiten zu sein haben.
Wir brauchen bundeseinheitliche Standards und dezentrale Gestaltungsspielräume. Ich würde mir wünschen, dass die laufende Neuorientierung eine breite Flexibilität bei der Beachtung der bundeseinheitlichen Standards ermöglichen wird. – Ich darf mich bedanken.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Lautenschläger, wir haben heute wieder einmal das immer Gleiche von Ihnen gehört, nämlich das CDU-Programm, das heißt: weniger soziale Sicherheit, ein Niedriglohnsektor, und der Staat bzw. alle Bürgerinnen und Bürger zahlen die Aufstockung auf Dauer, damit Menschen menschenwürdig leben können. Das ist das CDU-Programm, und das ist absolut unsozial.
Menschen müssen von ihrer Arbeit, wenn sie ganztags arbeiten, auch leben können. Das ist ein ganz einfacher Grundsatz, der eine hohe Gültigkeit haben muss. Menschen müssen von ihrer Arbeit leben können und nicht von drei bis vier Jobs, wie wir das in den USA von den Working Poor kennen. Das sind Menschen, die vier Jobs haben, sich aber immer noch keine Krankenversicherung und immer noch keine eigene Wohnung leisten können. Solche Verhältnisse wird es mit der SPD in Deutschland nie geben.
Wenn Sie von der CDU sich die Landschaft anschauen und sehen, dass wir Tariflöhne haben, die zum Teil bei 2,80 c, bei 3,50 c, bei 4,20 c, für ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer in der Weiterbildungsbranche bei 10 c liegen, dann sagen Sie doch nicht ernsthaft, es gebe hier keinen Regelungsbedarf. Es gibt einen Regelungsbedarf.
Es gibt einen dringenden Regelungsbedarf, was die Mindestlöhne betrifft. Es gibt einen dringenden Regelungsbedarf, was die Begrenzung von Zeit- und Leiharbeit betrifft.
Ich habe mir die Rede von Frau Lautenschläger angehört. Sie hat von den Umfragen geredet. Ich weiß nicht, wie die für die CDU vor dem 27.Januar aussahen.Es ist auch sehr spannend:Herr Koch taucht neuerdings bundesweit überhaupt nicht mehr auf. Aber davon reden Sie natürlich nicht.
Ich stelle jedenfalls fest: Sie haben die gleiche Arroganz an den Tag gelegt – von der FDP braucht man in der Frage gar nicht zu sprechen – wie vor dem 27. Januar.Aber Ihre Regierung ist am 27. Januar für diese Arroganz abgewählt worden, auch wenn Sie das bisher noch nicht begreifen wollen.
Letzter Punkt. Heute wird mit der Mehrheit des Hauses das Verhalten der Landesregierung im Bundesrat, was die Absicherung von Mindestlöhnen betrifft, ganz klar gerügt, und das ist auch gut so.
Ein allerletzter Punkt. Frau Lautenschläger, Kinderzuschläge entheben uns grundsätzlich und ausdrücklich nicht der Notwendigkeit, das Problem von Tariflöhnen, von Mindestlöhnen, von Dumpinglöhnen, von Hungerlöhnen, wie immer Sie es nennen wollen, zu regeln. Deswegen wird Ihr Verhalten im Bundesrat heute hier gerügt. – Danke schön.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Kern der Hartz-Reformen, also die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe, war richtig. Ich glaube, da sind wir uns ausnahmsweise in diesem Hause alle einig.
Jede und jeder Arbeitsuchende soll moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt erhalten. Die Hilfen sollen passgenau und schnell erfolgen, individuell sein, und die materielle Absicherung soll gewährleistet sein.
Jetzt hat uns das Bundesverfassungsgericht – Herr Dr. Jürgens hat darauf hingewiesen – ein Urteil beschert, das die gemeinsame Aufgabenwahrnehmung in den sogenannten Arbeitsgemeinschaften als verfassungswidrige Mischverwaltung verbietet und dem Bund aufgegeben hat, bis zum Jahr 2010 eine Neuregelung vorzulegen. Hartz IV hat für viele langzeitarbeitslose Menschen Jobperspektiven eröffnet. Was zuvor von engagierten sozialdemokratischen Landräten und Oberbürgermeistern in Hessen schon im Rahmen der Hilfe zur Arbeit oder im Rahmen des Landesprogramms „Arbeit statt Sozialhilfe“ gemacht worden ist, wurde jetzt in Argen und Optionskommunen fortgeführt.
Wir sind nach wie vor der Auffassung, dass die Organisationsfrage eine nachrangige Frage ist und dass der Mensch im Mittelpunkt stehen muss. Wichtig für die Betroffenen ist,dass sie eine Anlaufstelle haben – das hat Herr Dr.Jürgens richtig gesagt – und dass passive Geldleistungen,Arbeitsförderung und soziale Hilfen in einer Hand gebündelt vorhanden sind.
Es war falsch, dass die CDU-geführte Landesregierung einseitig auf das Optionsmodell gesetzt hat. Frau Lautenschläger hat möglichst viele Schilder mit der Aufschrift „Optionskommune“ an hessischen Landratsämtern angebracht, aber darüber wurde vergessen, was eigentlich Aufgabe des Landes ist. Wir sind hier nicht im Deutschen Bundestag, sondern im Hessischen Landtag.
Die Landespolitik ist verantwortlich dafür, dass der Prozess der Zusammenlegung, egal in welcher Organisationsform, vernünftig begeleitet wird und die Rahmenbedingungen, die vom Land zu bestimmen sind, eingehalten werden. Die Landesregierung ist dafür verantwortlich, dass ein ausreichendes Kinderbetreuungsangebot zur
Verfügung steht, weil nur die Menschen in Arbeit vermittelt werden können, die eine gute Kinderbetreuung vorfinden.
Ich will aber daran erinnern, dass diese Landesregierung dem Bereich Kinderbetreuung Jahr für Jahr 50 Millionen c entzogen und anschließend mit dem BAMBINI-Programm in die Kassen der Kommunen gegriffen hat,um ihr Versagen zu kaschieren. Die Landespolitik ist dafür verantwortlich, dass kein ausreichendes Angebot an sozialer Infrastruktur zur Verfügung steht, sodass Menschen, die überschuldet sind, oder Menschen, die ein Suchtproblem haben, schwer in Arbeit zu vermitteln sind. Was hat Frau Lautenschläger getan? Sie hat – Stichwort „Operation düstere Zukunft“ – 30 Millionen c aus dem Sozialetat gestrichen – bei den sogenannten freiwilligen sozialen Leistungen, die für die Sozialstruktur in Hessen unverzichtbar sind.
Die Landespolitik hat außerdem die Aufgabe, die für die Arbeitsvermittlung und Qualifizierung zuständigen Institutionen bei ihrer Arbeit zu unterstützen. Was ist hier getan worden – außer Schilder mit der Aufschrift „Optionskommune“ anzubringen? Ein runder Tisch für genau diese Optionskommunen wurde eingerichtet und ein Pseudotreffen mit den Arbeitsgemeinschaften durchgeführt.
Meine Damen und Herren, die Landespolitik muss dafür sorgen, dass gesicherte Erkenntnisse und Zahlen vorliegen, auf deren Grundlage man Fehlentwicklungen erkennen und korrigieren kann.Was ist hier von der Landesregierung getan worden? Nichts, keine Zahlen. Herr Dr. Jürgens hat schon darauf hingewiesen. Im Zweifelsfall war die Software oder die Bundesagentur für Arbeit für das Fehlen von Statistiken verantwortlich.
Es ist wirklich erstaunlich – ich will es hier noch einmal zitieren –: Wir haben im Sozialausschuss im Rahmen der Beantwortung eines Berichtsantrags zum Thema Vogelgrippe von Frau Lautenschläger mitgeteilt bekommen, dass es in Hessen insgesamt 2.130.525 Hühner gab und dass davon 45.353 in 63 Haltungen lebten, die zwischen 500 und 1.000 Tiere umfassten. Im Rahmen der Beantwortung der Große Anfrage der SPD-Fraktion zur Umsetzung von Hartz IV konnte uns die Landesregierung aber nicht sagen, wie viele Arbeitslose in welcher Kommune in Arbeit vermittelt wurden, und sprach trotzdem beharrlich von den Vorzügen der Optionskommunen. Sie konnte uns nicht sagen,ob und in welchem Umfang in den hessischen Kommunen, ob optierend oder nicht, die Schuldnerberatung, die Suchtberatung und die Familienberatung angeboten wurden. Auf die Frage, in welchen Bereichen es 1-c-Jobs gibt – das ist ja auch eine wichtige Frage –, wurde ebenfalls keine Antwort gegeben. Stand heute, Mai 2008, haben wir noch immer keine vernünftigen Antworten, was die Umsetzung des SGB II in Hessen betrifft.
Noch eine Minute, Frau Präsidentin.
Jetzt ist eine halbe Minute um.– Ich bin dafür,die Debatte zu entschleunigen. Die Zeit ist nicht knapp. Wir sollten eine sachliche Diskussion führen. Wir sollten abwarten, was die Arbeitsgruppe an Ergebnissen bringt, und wir sollten klar an dem Kernstück der Reform festhalten,dem Prinzip der Hilfe aus einer Hand, der prinzipiellen Verantwortung des Bundes, der Verantwortlichkeit der Kommunen –wirklich auf Augenhöhe mit dem Bund.Wir sollten auch einfordern, dass die hessische Arbeitsmarktpolitik wieder einen eigenständigen Beitrag in Form zielgruppenspezifischer Programme leistet. Das ist bisher nicht geschehen.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Prinzip „Gut gemeint ist nicht gut gemacht“ trifft hier eindeutig zu. Ich habe diesen Antrag überschrieben mit „Stümperei der Landesregierung“, und ich denke, dass das auch wirklich der Fall ist.
Wir hatten in der letzten Wahlperiode Anträge von den Fraktionen der SPD und der GRÜNEN zum Haushalt, um das Mittagessen für Kinder aus Hartz-IV-Familien und anderen Geringverdienerfamilien mit zu unterstützen, damit kein Kind hungern soll. Diese Anträge wurden von der absoluten Mehrheit der CDU im Haushaltsausschuss komplett abgelehnt, um dann in der dritten Lesung einen eigenen Antrag einzubringen.Allein dieses Verfahren ist wieder einmal für den alten Landtag typisch gewesen.
Dann hat die Landesregierung diesen Fonds in Höhe von 5 Millionen c aufgelegt, und die „Rundschau“ hat am 17. April getitelt: „Nichtstun zahlt sich aus“. – Damit hat die „Frankfurter Rundschau“ den Nagel auf den Kopf getroffen.
Es kann unmöglich sein, dass die Kommunen, die sich dieses gesellschafts- und sozialpolitischen Problems, nämlich hungernde Kinder in Ganztagsschulen, angenommen und gehandelt haben, jetzt leer ausgehen und keine Anträge an diesen Härtefallfonds richten können.Das ist ein Skandal.
Wir wollen nicht die belohnen, die zugesehen haben, dass Kinder mit knurrenden Mägen in der Schule sitzen, und die gesagt haben: Warten wir doch einmal ab, wann das Geld vom Bund oder vom Land kommt.– Das ist eine völlige Fehlsteuerung. Dieser grobe Webfehler in dem Konzept muss dringend beseitigt werden.
Die Argumentation der Landesregierung ist, dass es bei dem Fonds nicht darum geht, flächendeckend für eine ausreichende Mittagessenversorgung zu sorgen, sondern dass es erst einmal nur um Hilfe in Notlagen geht. Diese Einschätzung teile ich ausdrücklich. Was aber sichergestellt werden muss, ist, dass flächendeckend die Versorgung in Notlagen erfolgt. Es kann nicht sein, dass das
Land einen Härtefonds einrichtet, der nicht sicherstellt, dass in ganz Hessen an allen Schulen solche Anträge gestellt und beschieden werden können. Sie haben hier ein Windhundprinzip eingeführt, und Sie bestrafen die Kommunen, die schon gehandelt haben. Das ist ein Skandal, und das ist Stümperei.
Es spielt für die Kinder und ihre Eltern selbstverständlich überhaupt keine Rolle, woher das Geld kommt – ob die Kommune,das Land oder der Bund die Mittel bereitstellt. Wichtig ist,dass das Geld in den Fällen bereitgestellt wird, in denen es notwendig ist. Es ist wichtig, dass dann, wenn das Land einen Fonds auflegt, auch sichergestellt wird, dass das Geld genau da ankommt, wo es am dringendsten gebraucht wird.
Sie haben das Geld jetzt ohne jede Vergaberegel an die Karl Kübel Stiftung übergeben, und Sie haben beschlossen, dass die Schulen die bedürftigen Schülerinnen und Schüler auswählen. Das Prinzip ist unbürokratisch und vom Grundsatz her auch nicht falsch.Aber Sie machen es sich wirklich zu einfach, wenn Sie den Topf hinstellen und nach dem Windhundverfahren sagen: Nun stellt einmal schön Anträge. – Was ist denn dann, wenn die Lehrerinnen oder Lehrer Notlagen nicht erkennen oder wenn das Geld ausgeschöpft ist? All diese Fragen haben Sie überhaupt nicht beantwortet.
Sie haben im Sozialausschuss gesagt, dass Sie nichts über die regionale Verteilung wissen, Frau Ministerin. Sie haben auch gesagt, Sie wissen nicht, wo der größte Bedarf besteht. Ich glaube, wenn man sich die Verteilung der Sozialhilfequote in Hessen anschaut, dann kann man eine ungefähre Ahnung davon bekommen, dass es einen größeren Bedarf in der Stadt Offenbach gibt als in meinem Heimatkreis, nämlich dem Hochtaunuskreis. Das wird mit Sicherheit so sein.
Ich sage Ihnen Folgendes. Wir fordern Sie dringend auf, dass Sie mit den Kommunalen Spitzenverbänden eine Vereinbarung anstreben, wie diese Mittel verteilt werden und inwieweit sich die kommunale Seite auch selbst beteiligt. Denn ich glaube, dass wir uns alle darüber einig sind, dass 5 Millionen c nicht ausreichen werden, um allen, die es nötig haben, einen Zuschuss zum Mittagessen zu geben.Ich denke,es ist überfällig,dass sowohl für Schulen als auch für Kindertagesstätten Mittel aus einem solchen Fonds abgerufen werden können. Deswegen hatten wir einen Haushaltsantrag von 8 Millionen c vorgesehen. Im Zweifel hätte auch ein Teil nachgelegt werden müssen.
Kehren Sie um. Sehen Sie zu, dass Sie vernünftige Vergaberegeln haben. Machen Sie eine Vereinbarung mit den Kommunalen Spitzenverbänden. Wenn der Bund irgendwann einsteigt, ist das umso besser. Dann kann man einen solchen Haushaltstitel auch sehr gern wieder einschränken bzw. streichen. Aber im Augenblick ist es überfällig, dass den Kindern geholfen wird, und zwar nicht nur an Schulen, die melden, sondern an allen Schulen, wo eine solche Notlage besteht. – Ich bedanke mich.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Bei der Frage „unbürokratisch“ stimme ich Ihnen zu. Unbürokratisches Handeln ist etwas Schönes, aber nicht unprofessionelles und ungerechtes Handeln, Frau Ministerin. Das ist hier der Fall.
Ich habe mich auf die Ausführungen des Kollegen Rentsch gemeldet, der sich wieder relativ ideologiebelastet geäußert hat. Lieber Herr Kollege Rentsch, ich habe überhaupt kein Problem damit, zuzugeben, dass es in diesem Land Wohlstandsverwahrlosung gibt. Die gibt es seit Jahren mit zunehmender Tendenz. Das ist völlig richtig.
Die Partei der Besserverdienenden ist die Partei der FDP.
Ich benutze jetzt einmal ein Klischee. Es tut mir fürchterlich leid, aber wenn beide Elternteile zusammen auf den Golfplatz gehen, bin ich nicht der Auffassung, dass das Kind das Mittagessen aus einem Härtefonds des Landes bezahlt bekommen sollte. Diese Meinung vertrete ich allerdings entschieden.
Meine Damen und Herren, Herr Kollege Rentsch, wenn Sie das wollen, dann sprechen wir über die Finanzierung des Ganzen. Wir haben hier einen Fonds von 5 Millionen c. Der reicht vorne und hinten nicht. Das werden wir sehen. Der Bedarf ist größer. Unser Antrag belief sich auf 8 Millionen c. Ich bin nicht sicher, ob dieser Betrag überhaupt jemals ausgereicht hätte, weil wir nämlich auch die Kindertagesstätten als Begünstigte in dem Fonds haben wollten. Das ist ausdrücklich ein Härtefonds für Kinder aus Familien, die Hartz IV beziehen, oder aber für Niedrigverdiener, die knapp über dem Satz liegen, denn denen geht es genauso miserabel. Die haben ein Problem, die Schulspeisung zu bezahlen. Die Eltern, von denen ich gerade gesprochen habe, können das Mittagessen ohne Zweifel bezahlen. Das sollen sie auch.
Zweiter Punkt. Wenn Sie hier ständig die Bundesebene ansprechen: Wir haben beantragt, dass die Bundesebene den Kinderregelsatz dringend überprüft. Das wird auch passieren.
Herr Kollege Rentsch, wenn Sie der Auffassung sind, dass wir die Schulspeisung für alle Kinder kostenlos zur Verfügung stellen sollten, was die logische Folge Ihrer Forderung wäre, dann frage ich:Wo ist das Finanzierungskonzept der FDP-Fraktion? Ansonsten kann man darüber selbstverständlich reden.
Nein, Herr Präsident, ich möchte nicht. Ich bin nämlich gerade bei meinem letzten Satz. – Es muss eindeutig ein unbürokratischer Härtefonds für diejenigen sein, die es brauchen,aber nicht unprofessionell und ungerecht.So ist es hier aber leider gehandhabt. – Danke schön.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, diejenigen, die die hessische Landespolitik ein bisschen länger als die vergangenen beiden Monate lang beobachtet haben,haben verstanden,warum ich eben laut gelacht habe, als Herr Kollege Rock gesagt hat: „Sie wissen, dass sich die Hessische Landesregierung hier nicht mit Ruhm bekleckert hat“. – Herr Kollege Rock, ich kann zumindest für mich sagen, dass ich noch immer von der Wendehalsigkeit Ihrer Partei begeistert bin. Ich bin auch wirklich fassungslos, da ich festgestellt habe, dass Sie nun plötzlich das erkennen, was wir in Hessen bereits seit neun Jahren vortragen. Seit neun Jahren tragen wir Ihnen vor, was Sie in der Sozialpolitik alles falsch machen. Seit neun Jahren hat dies niemand begriffen, doch die CDU hat nun nach der Wahl offensichtlich einiges begriffen.
Die FDP hat zwischenzeitlich auch begriffen, dass dies alles Mist war.
Wo liegt das Problem?
Sie vermissen Frau Ypsilanti? Es gibt Termine,die lassen sich nicht aufschieben. – Meine Damen und Herren, ich fand die Krokodilstränen, die die Partei der Besserverdienenden oder die Pünktchenpartei aufgrund der Beteiligung der SPD auf Bundesebene vergossen hat – –
Herr Kollege, ich habe das Mikrofon. – Diese Partei, der die Entstaatlichung, der Sozialabbau, die Entlastung der Unternehmen sowie die Belastung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nie weit genug gehen können, hat aufgrund der wachsenden Armut in diesem Land Krokodilstränen vergossen.
Herr Kollege Rentsch, wenn ich mein eigenes Wort kaum noch verstehe, dann rufen Sie ein bisschen zu laut dazwischen.
Dann rufen Sie eben ein bisschen leiser dazwischen. – Meine Damen und Herren, ich möchte heute über ein ernsthaftes Problem sprechen, nämlich über Armut. Arm ist nicht, wer hungert, sondern wer vom sozialen Leben ausgeschlossen ist. So definiert die Armutsforschung den Begriff „relative Armut“. Armut bedeutet in Hessen gemäß der Definition der Europäischen Union, von 730 c im Monat leben zu müssen.
Gemäß dieser Definition haben wir in Hessen rund 230.000 Bedarfsgemeinschaften – davon leben rund 80.000 Haushalte mit Kindern in „relativer Armut“. Das sind 320.000 Erwachsene und 130.000 Kinder, die von Transfereinkommen leben müssen. Arm sein bedeutet, wenig Geld zur Verfügung zu haben. Es bedeutet oft aber auch schlechtere Ernährung und weniger Bewegung. Arme Kinder haben weniger Hilfe bei schulischen Problemen. Sie müssen oft auf Ausflüge und Kindergeburtstage verzichten, weil es am Geld mangelt. Das ist aber ein anderes Thema, über das wir in Kürze debattieren werden. Sie müssen auch häufig in der Kindertagesstätte oder in der Schule auf ein warmes Mittagessen verzichten.
Während beim Bund – das hat Herr Kollege Rock richtig gesagt – bereits am dritten Bericht gearbeitet wird, stochern wir in Hessen noch im Nebel. In 13 von 16 Bundesländern – außer in Bremen, im Saarland und in Hessen – gibt es bereits seit den Neunzigerjahren Armuts- und Reichtumsberichte, die Berichte zur sozialen Lage sind und die zeigen, dass auch in Hessen ein Armuts- und Reichtumsbericht wirklich überfällig ist.
Das ging in den letzten Jahren allerdings nicht. Frau Lautenschläger sagte stets in der ihr eigenen Art – ich zitiere –: „Wir brauchen kein neues Berichtswesen. Wir brauchen
keinen neuen Armuts- und Reichtumsbericht, sondern wir müssen schauen,wenn wir Zielvereinbarungen haben, wie diese im Detail umgesetzt werden.“ 13 von 16 Bundesländern und der Bund sehen das anders.Wir sehen das auch anders.
Deshalb ist und bleibt es ein Armutszeugnis der Landesregierung, der Forderung von SPD und GRÜNEN, von Kirchen, Gewerkschaften und Wohlfahrtsverbänden immer eine Absage erteilt zu haben. Armut in einem vergleichsweise reichen Land wie Hessen stellt ein ernst zu nehmendes soziales Problem und eine ständige Herausforderung für die Politik dar. Natürlich wird das Problem Armut nicht durch einen Armutsbericht gelöst. Aber der Bericht ist eine unerlässliche Informationsquelle, um politische Entscheidungen sachgerecht zu treffen
und die Effektivität und Wirksamkeit von Maßnahmen überprüfen zu können. Analysen, Prognosen und Handlungsempfehlungen von Armuts- und Reichtumsberichten sind daher ein unverzichtbares Steuerungselement für die Planung und Weiterentwicklung von Sozialpolitik, wenn man denn steuern will. Das haben wir in den letzten Jahren nicht erkennen können.
Der Bericht sollte eine Bestandsaufnahme von Einkommensarmut in Hessen liefern. Er sollte Wege zur Bekämpfung von Einkommensarmut und sozialer Ungleichheit aufzeigen und insbesondere die Situation von Kindern und Jugendlichen und deren Familien behandeln. Den Berichten der Bundesregierung zufolge ist die Armut in Deutschland kontinuierlich gestiegen. Herr Rock, was Sie gesagt haben, stimmt: Das ist bedrückend. Im gleichen Zeitraum ist aber auch der gesellschaftliche Reichtum – Herr Rock, über den haben Sie nicht gesprochen –, nämlich das Bruttoinlandsprodukt und der Reichtum durch Erbschaften usw., gestiegen.
Deshalb genügt es meines Erachtens nicht, nur die Einkommensentwicklung am unteren Ende zu betrachten, sondern man muss auch die Einkommensentwicklung am oberen Ende betrachten. Ein solcher Bericht muss sich auch mit der Verteilung von Geld bzw. Einkommen befassen.Wer Armut bekämpfen will, kann nicht auf Mildtätigkeit setzen, sondern muss auch über das Steuersystem nach- bzw.umsteuern,damit genügend Mittel für Bildung, für Betreuung und für eine nachhaltige Sozialpolitik zur Verfügung stehen. Davon höre ich von der FDP leider nie etwas.
Meine Damen und Herren,Armut hängt nicht ausschließlich mit der finanziellen Situation zusammen. Es gibt Menschen, die arm sind, weil sie aus Unwissenheit oder wegen mangelnder Sprachkenntnisse, wegen psychischer oder sozialer Labilität z. B. nicht mit Geld umgehen können. Ihre Einkommen zu erhöhen, würde diese Probleme nicht lösen. Das heißt, hier sind Unterstützungsstrukturen gefragt, die die Landesregierung im Rahmen der „Operation düstere Zukunft“ nachhaltig abgebaut hat.
Herr Klee, sicher. In jeder meiner Reden werden Sie das hören, bis ans Ende Ihrer Tage.
Meine Damen und Herren, die Wahrheit hört man nicht gerne. Die schlimmsten Untaten verjähren nie, Herr Kollege Klee. Das war eine schlimme Untat.
Armut ist mehr als Geldmangel. Wer wenig Geld hat, ist vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen und ist deshalb auch arm an Teilhabe.Wer mit ALG II oder mit Niedriglöhnen alle notwendigen Ausgaben, wie Strom, Telefon, Fahrkarten, Essen, Kleidung und Haushaltsanschaffungen, bestreiten muss, für den sind weder Urlaub noch Kino noch ein kühles Radler im Biergarten möglich. Es gibt Menschen, die aus Kostengründen bei Krankheit nicht zum Arzt gehen, die kein Buch in der Stadtbibliothek ausleihen oder sogar ihre Wohnung nicht ausreichend heizen, um Geld zu sparen. Es gibt Kinder – das hatten wir bereits –, die mit knurrendem Magen in der Schule sitzen, die an Schulausflügen nicht teilnehmen, oder Familien, denen die 6 c, die man für eine Schultüte im Kindergarten bezahlt, absolut wehtun.
Meine Damen und Herren, das ist insofern eine große Herausforderung für die Politik und insbesondere auch für die Landespolitik. Das Ziel muss sein, allen Menschen die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen. Wer Armut bekämpfen will, muss Arbeitslosigkeit und mangelnde Bildung – das sind die wichtigsten Faktoren – bekämpfen. Wer Menschen aus dem Alltag zwischen Fernseher und Suppenküche holen will,muss sich um Jobs kümmern und Gelegenheiten für ein lebenslanges Lernen bieten. Gerade Alleinerziehende haben wegen mangelnder Kinderbetreuung – wieder ein Bezug zu dem vorvorherigen Punkt – immer noch geringere Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Das ist durch staatliche Transferleistungen nicht zu kompensieren. Wir brauchen deshalb dringend mehr Krippenplätze und Ganztagsangebote. Ich glaube, dazu besteht inzwischen Einigkeit in diesem Hause.
Arm ist auch, wer nicht arbeiten kann, weil ihm oder ihr die Deutschkenntnisse und die Bildung fehlen und infolgedessen den Kindern in der Schule nicht geholfen werden kann.
In Deutschland wird Bildung noch immer vererbt. Ob jemand studiert oder nicht,hängt klar von der sozialen Herkunft ab. Bei der 18. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks kam heraus:Während von 100 Akademikerkindern 83 den Hochschulzugang schaffen,sind es von 100 Arbeiterkindern nur 23. – Herr Klee, da können Sie den Kopf schütteln. Das sind Erhebungen.
Meine Damen und Herren, es war am Anfang ein bisschen rummelig. Deswegen bin ich mit meiner Rede nicht ganz im Zeitplan. Ich möchte nur noch drei Punkte nennen.
Wir brauchen eine bessere Bildungspolitik. Wir müssen mehr für die Gesundheit von armen Menschen tun. Wir müssen einen Armuts- und Reichtumsbericht schaffen, der alle Lebenslagen berücksichtigt. Ich sage Ihnen: Wir müssen versuchen, in diesem Bericht extreme und auch
verdeckte Armut zu erfassen. Nach dem Bericht der Bundesregierung kommen auf drei Sozialhilfeempfänger noch einmal eineinhalb bis zwei Sozialhilfeberechtigte, die ihre Ansprüche nicht geltend machen. Auch um die müssen wir uns kümmern. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir einen Aktionsplan gegen Armut in Hessen auf solidem wissenschaftlichem Fundament brauchen. Dazu brauchen wir die Daten. Ich bezweifle, dass es sinnvoll ist – das werden wir in der Ausschussberatung diskutieren –, einen zweijährigen Rhythmus, wie die GRÜNEN es vorschlagen, zu vereinbaren. Ich denke, einmal in der Legislaturperiode wäre eine gute Grundlage. Das heißt nicht, dass man nicht kürzere Berichte oder Einzelberichte zu bestimmten Lebenslagen auch in kürzeren Abständen erstellt.
Der allerletzte Satz. – Wir werden diesem Gesetzentwurf nach Beratung im Ausschuss mit einigen Änderungen zustimmen, weil wir glauben, es ist an der Zeit, dass endlich auch in Hessen gehandelt wird. – Danke schön.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Rentsch, Ihre Rede hat mir gut gefallen. Allerdings muss ich sagen: Ich hoffe, dass die FDP noch einen echten Überblick über ihr Daumenkino hat, also über ihre Gutscheinhefte.
Für alles Mögliche gibt es neuerdings Gutscheine.
Meine Damen und Herren, wir erleben heute einen seltsam gewendeten Antrag der CDU-Fraktion. Ich bin über diesen Antrag wirklich erstaunt gewesen. Sie haben den neuen Wein in den alten Schläuchen gebracht oder vielmehr einen Wein, der vor der Wahl der CDU noch nicht geschmeckt hat. Ich kann mich erinnern, dass wir im vergangenen Jahr im Sozialpolitischen Ausschuss über das Thema Familienzentren aufgrund eines Antrags der GRÜNEN diskutiert haben. Dieser Antrag wurde von der CDU unisono abgelehnt. Ich bezweifle insofern heute schon noch,ob Sie hinter diesem Thema stehen.Bei Ihnen persönlich weiß ich es noch nicht, Frau Müller-Klepper. Wie es bei den Kolleginnen und Kollegen aussieht, werden wir sehen.
Die Vernetzung der Arbeit von Kindertagesstätten mit anderen Institutionen der Familienberatung und -unterstützung könnte im Prinzip längst Standard sein, wenn die CDU-Landesregierung in den vergangenen Jahren nicht all dies verhindert hätte. Stichwort: „Operation düstere Zukunft“ – dazu komme ich noch. Es ist schon heuchlerisch, wenn jetzt in diesem Antrag eine Landesregierung, die das soziale Netz zerschlagen hat,die gerade die Unterstützungsangebote für Familien, die Familienbildungsstätten, die Erziehungsberatung und die Schuldnerberatung komplett auf null gesetzt hat bzw. sich komplett davon zurückgezogen hat, als geschäftsführende Landesregierung dazu ein Konzept vorlegen soll, liebe Frau Müller-Klepper.
Liebe Frau Müller-Klepper, das ist schon Chuzpe. Um ein Projekt Familienzentren aufzulegen, brauchten wir in Hessen erst einmal wieder ein soziales Netz, das geknüpft werden müsste, das von Ihnen zerstört wurde. Davon sind wir momentan noch meilenweit entfernt. Die konzeptionelle Weiterentwicklung der Arbeit von Kindertagesstätten setzt voraus, dass diese Familienzentren auf inhaltliche und gesetzliche Grundlagen gestellt werden. Sie muss auch – das ist der Punkt, um den Sie sich in Ihrem Antrag komplett herummogeln – auf finanzielle Füße gestellt werden.
Es reicht nicht aus, wie es bei der Erprobung des Bildungs- und Erziehungsplans passiert ist, dass man ein schönes Modellprojekt macht und das Land ein bisschen finanziert und ein bisschen wissenschaftliche Begleitung und Fortbildung anbietet. Nein, hier braucht es eine klare finanzielle Ausstattung. Gute Familienzentren wird es nicht zum Nulltarif geben.