Protocol of the Session on January 31, 2006

Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mir jetzt die Gelegenheit, mich mit Herrn Dr. Spies insofern zu unterhalten, dass ich ihm verschiedene Angebote für eine Redezeit machen kann. Sie haben eine Kurzintervention beantragt.Aber aufgrund dessen,was wir an plausibler und transparenter Redezeitregelung haben, die jeder versteht, haben wir elf Minuten zusätzlich für Sie. Dann gehe ich in die geltende Redezeitregelung, und Sie bekommen aus den elf Minuten das Kontingent, das Sie brauchen. – Entschuldigung, dann haben Sie nicht das Wort.

(Frank Gotthardt (CDU): Kurzintervention oder Rede der GRÜNEN!)

Das ist doch unser Problem. Was hat Priorität? – Bitte schön, Herr Dr. Spies, zwei Minuten.

(Clemens Reif (CDU): Ich dachte, die Operation Spies sei erfolgreich beendet!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Man kann es ganz schnell auf den Punkt bringen. Herr Ministerpräsident, Sie haben an der Stelle etwas ganz Essenzielles nicht verstanden.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU: Oh!)

Es geht überhaupt nicht um die Frage, ob ich private Unternehmen mag oder nicht. Das spielt überhaupt keine Rolle. Sie haben an der Stelle nicht zugehört.

(Zurufe von der CDU)

Es geht auch nicht darum, dass Krankenhäuser ineffizient geführt werden sollten, dass bestehende Organisationsformen, die Effizienzmängel haben, erhalten werden sollten, dass schlecht geführte Krankenhäuser schlecht geführt bleiben sollten.Was für ein Unsinn.

(Minister Stefan Grüttner: Das ist doch alles falsch!)

Herr Ministerpräsident, es geht um eine ganz einfache Frage. Nur weil Sie Krankenhäuser nicht organisieren können, heißt das nicht, dass man es in öffentlichem Eigentum nicht tun kann.

(Beifall bei der SPD – Frank Gotthardt (CDU): Ein solcher Unfug! – Weitere Zurufe von der CDU)

Das Ergebnis Ihres Versuchs, sich aus der Verantwortung zu stehlen, ist, dass ein relevanter Teil des Umsatzes zukünftig nicht mehr zur Verfügung steht. So viel besser können die Privaten das aber nicht.

Lassen Sie mich eine letzte Bemerkung machen; zwei Minuten sind nicht viel. Herr Ministerpräsident, wenn Sie uns hier etwas von Netzwerken erzählen, sprechen Sie von einem Netzwerk, das 3 % des Krankenhausumsatzes betrifft.

Ein Netzwerk der kommunalen Krankenhäuser, in das man diese Universitätskliniken integriert hätte, hätte einen Marktanteil von 60 % und nicht von 3 %. Wenn Sie ein vernünftiges Netzwerk wollen, machen Sie ein öffentliches, statt die Zentren eines öffentlichen Krankenhausnetzwerks zu verticken.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Frau Kollegin Sorge für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr verehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Verehrter Herr Ministerpräsident,

(Demonstrativer Beifall bei der CDU)

dass Sie in dieser Debatte um die Privatisierung der Unikliniken Gießen und Marburg dem Kollegen Spies Plattheit und Ideologie vorwerfen

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das war doch umgekehrt!)

und hier nach vorne gehen und sich selbst mit dem Kollegen Spies eine ideologische Schlacht liefern, die an Plattheit wirklich nicht zu überbieten ist,

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

das ist diesem ganzen Thema wirklich nicht angemessen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Man kann fast sagen, nachdem Sie ja noch einmal 20 Minuten geredet haben: Wenn Sie noch zehn Minuten weitergeredet hätten, hätten Sie das Gegenteil des Kollegen Spies, der Kapitalismuskritik geübt hat, gemacht, nämlich, was weiß ich, Kapitalismusverherrlichung.Wenn Sie dann noch zehn Minuten weitergeredet hätten, hätten wir wahrscheinlich gehört, dass es im Kapitalismus überhaupt keine Krankheiten mehr gibt.

(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Meine Damen und Herren, es geht aber hier nicht um die Frage der Privatisierung von Krankenhäusern – genau das ist das Problem der Reden der Kollegen Koch und Spies gewesen –, sondern es ist die Debatte um die Privatisie

rung einer bzw. zweier Universitätskliniken. Das ist ein ganz deutlicher Unterschied.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In diesem ganzen Verfahren haben wir ja verschiedene Fragen thematisiert. Meiner Ansicht nach müssen wir diese verschiedenen Fragen und die Risiken, die bei einer Privatisierung eines Universitätsklinikums entstehen, auch seriös behandeln. Genau das haben wir in den letzten Monaten bzw. im ganzen letzten Jahr leider nicht erlebt, denn das Privatisierungsverfahren war und ist alles andere als ein gründliches Verfahren gewesen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben nämlich bereits in der ersten Hälfte des letzten Jahres unsere Fragen nach genauen Regelungen und Auswirkungen nicht beantwortet und sich schon in der zweiten Hälfte und im Sommer letzten Jahres in Widersprüche verstrickt und sämtliche Einwände in all den Anhörungen der Expertinnen und Experten einfach ignoriert. Dann haben Sie in der Beratung über das Uniklinikengesetz und auch bei der Einsichtnahme in die Verträge eine Hektik und ein Chaos verbreitet, das auf alles andere als ein gründliches und durchdachtes Privatisierungsverfahren schließen lässt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, in den letzten zwei Monaten haben Sie bei dem von Ihnen selbst produzierten Zeitdruck gleich zweimal einen Rückzieher gemacht. Diese kleinen Rückzieher aber sind nur zum Teil auf Druck von Opposition und Öffentlichkeit entstanden; zum anderen Teil waren diese Rückzieher Ihrem eigenen Dilettantismus zuzuschreiben. Denn die Verschiebung der Entscheidung des Haushaltsausschusses vom Dezember letzten Jahres auf Januar dieses Jahres war keine Konzession an die Opposition, sondern Sie haben schlicht und ergreifend urplötzlich gemerkt, dass zu dem eigentlich geplanten Zeitpunkt das Bieterverfahren formal noch gar nicht abgeschlossen war. Das ist doch wirklich peinlich, Herr Koch und Herr Corts. Solche Dinge müssen einem doch wirklich vorher auffallen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Diese ganze Hektik in dem Verfahren merkt man auch sehr deutlich den verhandelten Verträgen an.Darauf gehe ich später noch ein. Dass Sie sich für solche Dinge aber noch nicht einmal schämen, sondern weiter Ihre Sprechblasen sprechen und dies in Ihren Presseerklärungen begründen, zeigt nun wirklich, wie weit Ihnen die Arroganz der Macht inzwischen zu Kopf gestiegen ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Hierzu passt dann auch die Bejubelung durch die CDUFraktion im letzten Dezember-Plenum, wo die CDU in vorauseilendem Gehorsam wie die Lemminge über ein überzeugendes Angebot der Rhön-Klinikum AG beschließen wollte, ohne zu diesem Zeitpunkt überhaupt Kenntnisse über dieses Angebot gehabt zu haben. Das ist doch wirklich affig, meine Damen und Herren von der Regierungsfraktion. Das ist unnötig und wirklich alles andere als sachdienlich.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Immerhin kann man Ihnen zugute halten, dass Sie am 20. Dezember bemerkt haben, dass Ihre geplante Hauruck

Methode,nämlich den Landtag am 26.Januar entscheiden lassen zu wollen, obwohl die wesentliche Entscheidung des Wissenschaftsrats erst auf 27. Januar, also für einen Tag später, terminiert war, doch wirklich absurd gewesen wäre.

Jetzt haben wir mit der heutigen Sondersitzung oder auch der regulären Plenarsitzung, wie immer man es nennt, zur Klinikprivatisierung wenigstens die Entscheidung des Wissenschaftsrats abwarten können.Aber auch das ist aus mehreren Gründen eine Farce, denn die Landesregierung hat die Verträge mit der Rhön-Klinikum AG bereits unterschrieben. Nachbesserungswünsche des Wissenschaftsrats wären also in diesem Verfahren überhaupt nicht mehr möglich gewesen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Gesetz wurde sogar bereits im Dezember verabschiedet. Allein dies hatte schon den Anforderungen des Wissenschaftsrats widersprochen, denn dieser hat ja ganz explizit in der Anhörung die Möglichkeit einer Gesetzesmodifizierung nach dem Bekanntwerden der Verträge und vor allem auch nach dem Votum des Wissenschaftsrats gefordert. Für ein gründliches Verfahren wäre nach der erfolgten Gesetzesänderung demzufolge eine weitere Anhörungsrunde der Experten nötig gewesen.Das haben Sie aber nicht nur ignoriert, sondern Sie haben im Dezember im Haushaltsausschuss sogar auch noch abgelehnt, nochmals wenigstens den Generalsekretär des Wissenschaftsrats vor dem heutigen Plenum zu den Ergebnissen der Beratungen des Medizinausschusses zu hören.

Der eigentliche Skandal ist aber, dass Sie mit diesem Verfahren dem Wissenschaftsrat ganz explizit die Pistole auf die Brust gesetzt haben.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): So ist es!)

Nachbesserungen waren im Verfahren nicht mehr möglich, und Sie haben ganz eindeutig den Wissenschaftsrat mit den vollendeten Tatsachen so unter Druck gesetzt, dass es wirklich eine hohe Hürde gewesen wäre, seine in der Anhörung vertretene Position weiter aufrechtzuerhalten. Dieser Umgang mit dem Wissenschaftsrat ist wirklich unsouverän und ziemlich unfein, Herr Koch und Herr Corts.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Methoden, mit denen Sie in dem Privatisierungsverfahren gearbeitet haben, sind aber nicht nur in Bezug auf den Wissenschaftsrat chaotisch und unprofessionell. Die Kritik eines unterlegenen Bieters haben Sie sehr schnell mit dem Argument, das Verfahren sei ordnungsgemäß abgelaufen und die Angebote seien ordnungsgemäß geprüft, zurückgewiesen. Das kann man aber angesichts der Performance, die Sie vorher hingelegt haben, wirklich nur schwer glauben, und es bleiben auch viele Ungereimtheiten.

Der Wissenschaftsminister wies beispielsweise in einer Presseerklärung darauf hin, dass nur die Angebote bewertet und verglichen wurden, die bis zum 13. Dezember eingegangen waren. Im Haushaltsausschuss haben wir aber im Januar erfahren, dass es noch am 16. Dezember Nachbeurkundungen gegeben hat,und zwar auf Veranlassung des Landes. Hier haben Sie in Ihrer Presseerklärung eindeutig die Unwahrheit gesagt oder zumindest bewusst mit Halbwahrheiten gearbeitet. Herr Corts, das kann man doch wirklich kein korrektes und durchdachtes Verfahren nennen.