Protocol of the Session on February 24, 2005

Es ist infam, wenn Kollege Dr. Jung weiter nichts sagen kann, als hier eine Statistik aufzuzeigen, wie sich die Entwicklung der Visa-Anträge aus der Ukraine darstellt.Dies hat er gemeinsam mit dem Plakat Ihrer Kampagne dargestellt, die Sie dazu machen.

(Zurufe von der CDU: Lesen Sie nicht den „Spie- gel“?)

Dort wird unterstellt –, das weisen wir ganz klar zurück – diejenigen, die aus der Ukraine kommen, seien potenzielle Verbrecher, und die, die aus China kommen, seien alles nette Leute.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Unruhe bei der CDU und der FDP)

Es wäre schon sehr wichtig, dass der Ministerpräsident oder Minister Grüttner auf die Fragen, die wir bezüglich China gestellt haben, antwortet. Es wäre sehr gut, wenn wir uns über das Problem der Visa-Erteilung, für die dieser Hessische Landtag nun alles andere als zuständig ist, in sachlicher Weise unterhalten würden und die Aktuelle Stunde nicht so nutzten, wie Sie es hier einseitig gemacht haben.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU und der FDP: Oh!)

Herr Kollege Kahl, Sie müssen langsam zum Schluss kommen.

Lassen Sie mich schließen: Wenn dann dieser Ministerpräsident als Letztes sagt, Kollege Fischer sollte die politische Verantwortung übernehmen, kann ich nur erwidern,

(Demonstrativer Beifall bei der CDU und der FDP)

für diesen Ministerpräsidenten und diese Landesregierung ist der Ausdruck „politische Verantwortung übernehmen“ ein Fremdwort.

(Beifall bei der SPD)

Das hat die Debatte zu vielen Punkten, für die Sie verantwortlich sind, gezeigt. Sie sind immer untergetaucht und waren nicht bereit, politische Verantwortung zu übernehmen. Das ist die Realität und die Doppelzüngigkeit, die heute in Ihren Äußerungen deutlich geworden ist.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kahl. – Das Wort hat der Innenminister, Herr Staatsminister Bouffier.

Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Lieber Herr Kollege Kahl, nachdem der Fraktionsvorsitzende der GRÜNEN sich sozusagen selbst versenkt hat,

(Beifall bei der CDU und der FDP)

habe ich es nicht für möglich gehalten, dass Sie so etwas wie eben hier vortragen.Aus Zeitgründen will ich nur auf zwei Punkte eingehen. Sie haben gesagt, der Ministerpräsident sei nicht auf seinen Brief eingegangen.

(Reinhard Kahl (SPD):Wenig!)

Herr Kollege Kahl, ich schätze Sie nun durchaus als ordentlichen Abgeordneten, deswegen möchte ich es nicht zu gemein machen. Der Ministerpräsident hat seinen Brief vorgelesen. Was wollen Sie denn eigentlich noch mehr?

(Beifall bei der CDU und der FDP – Reinhard Kahl (SPD):Teile!)

Vielleicht müssen wir das wiederholen. Sie hatten die undankbare Aufgabe, jetzt für die SPD irgendetwas sagen zu müssen. Es wäre viel besser gewesen, Sie hätten gar nichts mehr gesagt.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Der Ministerpräsident hat seinen Brief, der das Datum des 14.10. letzten Jahres trägt, vorgelesen. Damit es hier klar ist, wir streiten nicht über das Reisebüroverfahren, das ist unbestritten. Jetzt geht es darum, wie wir das ausgestalten. Ich habe jetzt gelernt, dass der „Spiegel“ schuld ist und wir sowieso an allem schuld sind. Ich zitiere den Ministerpräsidenten:

Wenn Deutschland von der wachsenden Reiselust chinesischer Touristen auch in Zukunft profitieren will, müssen die Weichen dafür rechtzeitig gestellt werden. Das gilt insbesondere auch für die Erteilung der notwendigen Visa, die selbstverständlich unter Berücksichtigung sicherheitsrelevanter Aspekte von der Botschaft in Peking und den Generalkonsulaten möglichst zügig ausgestellt werden sollten.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Und wenn die Mafia dann kommt, ist Fischer schuld!)

Ich habe das deshalb vorgelesen, damit Sie zumindest bei Ihrer nächsten Rede nicht mehr in Vergessenheit geraten lassen, dass der Ministerpräsident detailliert vorgetragen hat.

Die zweite Bemerkung können Sie bei Herrn Leyendecker nachlesen. Er hat geschrieben: Das Problem beginnt mit Joschka Fischer.

(Zurufe von der CDU und der FDP: Richtig!)

Was hat sich an dem Reisebüroverfahren denn verändert? – Früher gab es das auch schon. Früher gab es aber auch die Bonitätsprüfung, früher gab es die Prüfung, ob diese Leute wieder zurückkehren, und früher gab es die Prüfung, ob die Kameraden einen halbwegs nachvollziehbaren Reisezweck angegeben haben.

(Zuruf der Abg. Priska Hinz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Nachdem Joschka Fischer die Verantwortung übernommen hat,sind die letzten drei Punkte entfallen.Da wir hier Gäste haben, will ich einmal sagen, wie zu Tausenden die

Begründung lautete: Besichtigung Kölner Dom. – Ich will nicht darüber streiten, dass meistens Dom mit h geschrieben wurde – das kann man noch übersehen.

(Unruhe bei der SPD und der CDU)

Aber wenn Tausende solcher hektographierter Anträge stellen und das alles bekannt war – wem auch immer, das kann man alles nachlesen –, dann, lieber Herr Kahl, kann ich nicht verstehen, wie der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion – also nicht irgendwer – hier im Hause vortragen kann, das habe mit Hessen nichts zu tun. Ja, sagen Sie einmal, wo leben Sie denn eigentlich?

(Reinhard Kahl (SPD): Deswegen haben wir die Fragen gestellt!)

Ich nehme doch an, dass Sie Zeitung lesen.

(Zurufe von der CDU: Nein!)

Oder lesen Sie die Zeitung nur selektiv?

(Zurufe von der CDU)

Da Ihr Fraktionsvorsitzender mich jetzt so interessiert ansieht, beschränke ich mich auf vier Beispiele.Verfahren in Wiesbaden: In 364 Fällen erschleicht eine Briefkastenfirma Visa und treibt die Leute in die Schwarzarbeit.

Polizeipräsidium Frankfurt am Main in den Jahren 2001 bis 2003:Vier Ermittlungsverfahren wegen Menschenhandel, bei denen Täter und Opfer ukrainische Staatsangehörige waren. Das Verfahren wurde außerdem auch wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung exemplarisch geführt. Unter Juristen wissen wir, dass es dabei nicht nur um Kleinkram ging.

(Michael Denzin (FDP): Was heißt „unter Juristen“? Das wissen andere auch? – Allgemeine Heiterkeit)

Ich will dem Volkswirt nicht zu nahe treten. – Meine Damen und Herren, es ist eine sehr ernst zu nehmende Geschichte. Herr Al-Wazir, Sie haben doch eben tatsächlich vorgetragen – außer dem einen Fall, den Sie zitiert haben – –

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich habe Ihren Brief zitiert! – Zurufe von der CDU und der FDP: Oh!)

Dann halte ich es für meine Pflicht, darauf hinzuweisen, dass das Polizeipräsidium Frankfurt am Main allein für dieses Verfahren ermittelt hat – durch noch nicht rechtskräftiges Urteil, es ist in Revision nachweislich –, dass 35 Frauen der Zwangsprostitution zugeführt wurden.

(Zurufe von der CDU und der FDP: Aha! – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wie sind die hier hereingekommen? Das will ich wissen!)

Es handelt sich um sieben Frauen aus der Ukraine, die als Touristinnen nach Deutschland eingereist waren, einige mit Visa, einige ohne Visa.

(Jürgen Walter (SPD): Und der Rest?)

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main teilt mit, dass wir ein Verfahren mit Einschleusungen in 87 Fällen haben – ich rede vom Jahr 2004. Mittlerweile ist das – deswegen kann ich es hier vortragen – alles Gegenstand öffentlicher Gerichtsverhandlungen. Die Anklage lautet in diesen Fällen: In der Zeit von 2001 bis 2002 haben mehrere tausend Personen – in der Anklage ist die Rede von 4.000 Personen – unberechtigtermaßen Visa erschlichen. Dazu ist ein

eigenes Reisebüro gegründet worden. Die Angeschuldigten hatten überhaupt nicht geplant, das angebotene touristische Programm durchzuführen.– Ich verkürze jetzt einmal: Später wurde der größte Teil dieser Personen in angrenzenden Schengen-Staaten bei unerlaubter Erwerbstätigkeit, d. h. Schwarzarbeit, aufgegriffen.

(Ruth Wagner (Darmstadt) (FDP): Da sagt Herr Kahl, das habe mit Hessen nichts zu tun!)