Ich habe nur diese vier Beispiele genannt. Herr Kahl, bei so einem Sachverhalt kann man alles tun, man kann aber nicht behaupten, das habe mit Hessen nichts zu tun.
Deshalb lautet meine Bitte – man kann politisch ja über vieles streiten –: Diejenigen, die jeden Tag auf der Straße stehen, Opfer wie Täter, und diejenigen, die von Amts wegen die Dinge zu untersuchen haben, haben zumindest einen Anspruch darauf, dass hier nicht durch permanente Nebelkerzenwerferei ein Thema verschleiert wird. Dieses Thema gehört – zumindest was ich in den letzten Jahren gesehen habe – unter dem Aspekt Einreisepraxis, unter dem Aspekt Förderung organisierter Kriminalität und unter dem Aspekt Finanzierung der Mafia zu den größten Skandalen. Man muss sich einmal vorstellen, seit drei Jahren war bekannt, dass die Plätze in der Schlange vor dem Konsulat für einen täglich steigenden Geldbetrag vergeben wurden. In dem Bericht steht: Die Schläger stehen da vorne und kassieren von jedem mindestens 50 c oder weiter vorne 200 c.
(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Deswegen ist es abgeschafft worden! Das ist alles mitgeteilt worden! – Weitere Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Meine Damen und Herren, Sie werden nicht in der Lage sein, dieses Thema wegzureden. Es ist großer Schaden entstanden. Es ist politisch zu bewerten, wer dafür verantwortlich ist.
Aber was nicht geht, ist, dass diejenigen, die die politische Verantwortung und die politische Begründung für diese Verhaltensweise über Jahre gefeiert haben – ich erinnere mich noch sehr gut, wie man diejenigen, die das kritisiert haben, beispielsweise den Kollegen Beckstein, lächerlich gemacht hat als Zwerge aus der Provinz –, sich heute wegducken können.
Wenn Sie ehrlich wären, müssten Sie sagen: Jawohl, wir wollten das so. Es tut uns Leid, dass es schief gelaufen ist. – Was machen Sie stattdessen? Eine jämmerliche Figur. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Minister Bouffier. – Meine Damen und Herren, da keine Wortmeldungen mehr vorliegen, sind wir am Ende der vierten Aktuellen Stunde. Ich bedanke mich bei Ihnen für das größtenteils freundschaftliche Miteinander in der Aussprache.
Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Planfeststellungsverfahren zur Erweiterung des Flughafens Frankfurt – Drucks. 16/3624 –
Dringlicher Antrag der Fraktion der FDP betreffend fehlende Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage der FDP zum Ausbau des Frankfurter Flughafens – Drucks. 16/3670 –
Die Redezeit beträgt 15 Minuten. Der Kollege Kaufmann hat für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Im gesamten Rhein-Main-Gebiet und darüber hinaus werden zurzeit die Pläne zur Erweiterung des Flughafens kritisch betrachtet und diskutiert. Nur hier im Landtag findet erstaunlich wenig statt. Wenn man darauf hinweist, erfährt man, dass seitens der Mehrheitsfraktion und über sie hinaus durchaus eher feindliche Ablehnung herrscht, obwohl es sich doch – ich dachte, in dieser Frage wären wir einig – um ein durchaus wichtiges, um nicht zu sagen das wichtigste Thema der Planung in der Landespolitik handelt.
Meine Damen und Herren, wenn wir die Presseerklärungen von CDU und FDP aus der vergangenen Woche auf unsere Äußerungen hin nachlesen, kann man nur feststellen: Da ist argumentationsloses Wutgeheul, aber kein einziges Sachargument zu finden.
Warum ist das so? – Es soll ganz offensichtlich der klare Blick auf die Antragsunterlagen vernebelt werden, damit die Leute sie sich nicht angucken.Dazu dient die Polemik. Meine Damen und Herren von CDU und kleiner CDU, wir werden uns – und mit uns die Gegnerinnen und Gegner des Flughafenausbaus – gewiss nicht von Ihrer Polemik abschrecken lassen; denn wenn ich Herrn Boddenberg zitieren darf,das „unglaubliche Gebräu von Polemik, Unwahrheiten und Verschwörungstheorie“ findet sich nicht bei uns. Es findet sich bei Ihnen, Herr Kollege.
Erst wirft uns die CDU – im Besonderen in Person des Kollegen Boddenberg – vor, dass wir uns am Flughafen vor Ort umschauen, und versucht, uns lächerlich zu machen. Anschließend werden wir als Schreibtischtäter beschimpft. Für etwas müssen Sie sich entscheiden. Haben wir nun Kenntnisse der Situation vor Ort, oder sind wir Schreibtischtäter? Beides zusammen passt nicht. Meine Damen und Herren von der CDU, das zeigt nur, wie erbärmlich Sie argumentieren.
Haben Sie sich wenigstens einmal Band 1 – es ist doch nicht so schwierig, bis eins kann jeder zählen – der 60 Aktenordner angeschaut und in den Antrag von Fraport geschaut? Das hätten Sie tun sollen. Denn dann hätten auch
Sie nicht Weniges zu kritisieren. Denn obwohl 60 Aktenordner viel klingt, sind die Unterlagen völlig unzureichend und zu unvollständig, um das Thema vernünftig zu bearbeiten. Meine Damen und Herren, das klingt zunächst einmal merkwürdig. Doch es muss festgestellt werden: Es fehlt vieles in den Unterlagen, was im Landtag im zuständigen Fachausschuss schon des Öfteren Diskussionsgegenstand war. Es fehlt ein klarer und belastbarer Nachweis der mit der beantragten Maßnahme tatsächlich verbundenen technisch maximal erreichbaren Kapazität an Flugbewegungen. Dazu steht nichts in den Unterlagen.
Es fehlt zweitens eine auf diesem Ergebnis beruhende zutreffende Bewertung der daraus folgenden Belastung für die Region in Form von Fluglärm, sonstigen Immissionen und dem zwangsläufig ansteigenden Verkehr am Boden.
Es fehlt drittens ein vollständig nachvollziehbarer Nachweis der Vereinbarkeit der geplanten Landebahn mit dem genehmigten und langfristig zu erwartenden Betrieb des Chemiewerks Ticona.Wir alle kennen das Thema, und wir wissen, wie das vor sich gehen soll.
Es fehlt viertens eine methodisch einwandfreie Ermittlung der Fluglärmbelastungen auf der Grundlage der Erkenntnisse der Lärmwirkungsforschung nach dem Stand der Rechtsprechung und vielleicht auch nach dem Entwurf des Fluglärmschutzgesetzes der Bundesregierung. Stattdessen wird ein eigenes Werk präsentiert, wie sich Fraport die Bewertung des Fluglärms aus eigener Sicht vorstellt.
Es fehlt fünftens eine realitätsorientierte Aussage zur Bewältigung der erkannten Folgeprobleme, insbesondere des Verkehrs am Boden in Form von Schienen- und Straßenverkehr.
Meine Damen und Herren, alle diese Probleme sind schon mehrfach diskutiert worden.Wir haben im Landtag nicht die erste Debatte zu dem Thema. Es regt sich aber niemand darüber auf, dass hier ein Antrag von einer Landesbehörde als vollständig bezeichnet und als in das Verfahren weiterzugeben klassifiziert wird, obwohl alles das, was dringend benötigt wird, um die Sache zu beurteilen, schlicht und einfach nicht vorhanden ist.
Schauen wir uns doch die Belastung durch den ansteigenden Fluglärm, die durch die Planung entstehen wird, genau an. Meine Damen und Herren, es genügt doch nicht, wenn man den Berechnungen immer wieder die Zahl von 660.000 Flugbewegungen zugrunde legt, die die Fraport ihrerseits zugrunde legt. Niemand bestreitet, dass mit der vorgesehenen Baumaßnahme, wenn sie verwirklicht würde, 660.000 Flugbewegungen im Jahr abzuwickeln sind. Die entscheidende Frage ist aber doch: Wie groß ist die Zahl der Flugbewegungen, die mit einer solchen Konfiguration abgewickelt werden könnte?
Das ist die Zahl, die man zugrunde legen muss, wenn man richtig beurteilen will, welche Auswirkungen die Planung hat.
Meine Damen und Herren, das ist umso notwendiger, als höchstrichterlich entschieden wurde, dass eine Zielgröße der Planfeststellung – in dem Fall, über den wir reden: 660.000 – keine bindende Wirkung hat, sondern eine Baumaßnahme, wenn entsprechend der Planfeststellung gebaut wurde – in dem Fall die Landebahn und das Flugha
fensystem –, so benutzt werden kann, wie es die technischen und die Sicherheitsbestimmungen ermöglichen, und zwar auch dann,wenn es deutlich mehr ist,als der Planung zugrunde gelegt worden ist.
Die Stadt Offenbach am Main hat einen Prozess mit der Feststellungsfrage verloren, ob der derzeitige Betrieb des bestehenden Systems am Flughafen rechtmäßig sei. Damals war von 320.000 Flugbewegungen als maximaler Benutzbarkeit der jetzt bestehenden Konfiguration die Rede. Einige, die damals schon hier waren, können sich erinnern; andere können es im Papier nachlesen. In der 9. Legislaturperiode gab es eine große Anhörung des Landtages zu der Frage Startbahn 18 West.
Heute wissen wir, dass es 460.000 sind. Deswegen war die Stadt Offenbach zu Recht der Meinung, dass, wenn 320.000 Flugbewegungen Planungsgrundlage waren und es jetzt 460.000 sind, etwas nicht stimmen kann.
Da sagt das Bundesverwaltungsgericht: Falsch, was genehmigt ist, ist genehmigt und kann benutzt werden. Meine Damen und Herren, Herr Boddenberg, das sollte auch Ihnen zu denken geben.
Deshalb ist es wichtig, jetzt zu klären – ich gebe zu, dass dies im Streit ist –, welche maximale Bewegungszahl mit der Konfiguration möglich ist. Auf diese Zahl muss man die Belastungsbewertung abstellen. Nur dann kann man die Belastung richtig bewerten.
Meine Damen und Herren, wenn wir schon bei der Belastung, insbesondere durch Fluglärm, sind, dann reden wir doch einmal über den Fluglärm in der Nacht.Wir kennen die Kritik schon. Ich darf sie noch einmal wiederholen. Jeder normale Mensch schläft länger als von 23 bis 5 Uhr, zumindest wollen das viele in der Bevölkerung. Insoweit ist die angeblich gesicherte Nachtruhe von 23 bis 5 Uhr für sie zu kurz. Daher wäre es das Minimum, eine Nachtruhe von 22 bis 6 Uhr zu fordern.
Davon abgesehen, die zweite entscheidende Nagelprobe, zu der überhaupt noch nichts geklärt ist: Aus den Reihen der CDU hört man immer wieder – man kann es auch in diversen Erklärungen nachlesen –, dass Nachtflugverbot und Ausbau untrennbar zusammengehören. Aber kein Mensch tut etwas, um das Nachtflugverbot abzusichern. Meine Damen und Herren, wenn das wirklich gelten sollte, müsste zunächst ein Nachtflugverbot kommen. Das müsste sozusagen bis zur höchsten Instanz durchgeklagt und rechtsfest sein.
Dann kann man sagen: Jetzt sind wir sicher, dass wir die versprochene Voraussetzung auch erfüllen können. Das tut kein Mensch. Im Gegenteil, es wird sozusagen an Bedingungen angeknüpft. Ein Nachtflugverbot soll ausgesprochen werden, wenn die Bahn in Betrieb geht. Was ist aber, wenn die Konfiguration, wie Fraport sie plant und Sie sie sich wünschen, in Betrieb gegangen ist, und dann ein Nachtflugverbot vor Gericht scheitern sollte? Es gibt durchaus eine ganze Reihe von Hinweisen, dass das nicht ausgeschlossen ist – um es ganz vorsichtig zu sagen.Wenn