Protocol of the Session on February 24, 2005

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Es geht nicht darum, wer damals mit im Saal saß, sondern es geht darum, wer eingeladen hat. Die Arbeitsgemeinschaft der Gießener Studentenverbindungen sagt, dass schon in den Neunzigerjahren bekannt gewesen sei, dass die Dresdensia-Rugia die rechteste Verbindung in der Stadt ist und Herr Gansel, besagter NPD-Abgeordneter aus Sachsen, bereits 1995, also ein Jahr vor der Rede, eine von ihm unterschriebene Erklärung für die DresdensiaRugia veröffentlicht hat, in der er die Liquidation deutscher Werte durch die Besatzer anlässlich des 50. Jahrestags des Kriegsendes beklagte. Herr Irmer wusste, wo er hingegangen ist, denn Herr Gansel war schon damals in

einer rechtsextremistischen Organisation als Funktionär tätig, nämlich in der Jungen Landsmannschaft Ostpreußen. Herr Irmer war also nicht bei irgendeinem Karnickelzüchterverein, sondern er war bei einer Burschenschaft auf Einladung eines Herrn, der in einer rechtsextremen Organisation Funktionär war.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Deshalb kann er heute nicht die Unschuld vom Lande spielen.

(Zurufe von der CDU)

Bodenlos und infam war nicht meine Erklärung, die ich am letzten Wochenende veröffentlicht habe, dass Sie sich endlich von Ihrem Abgeordneten trennen sollen, sondern bodenlos ist, dass Sie bis heute – wie Herr Irmer – so tun, als sei es ganz selbstverständlich, vor einer solchen Burschenschaft Reden zu halten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Nicht ich habe ihn in die Nähe von Rechtsextremen gebracht. Das macht Herr Irmer ganz alleine und freiwillig. Deswegen sollten Sie sich von ihm distanzieren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Wer meldet sich jetzt wieder zu Wort? Unter anderem Herr Hohmann, nach langem Hin und Her aus der CDU ausgeschlossen,als Sie endlich gemerkt haben,dass solche Abgeordnete für Sie nicht tragbar sind. Herr Hohmann, auch als Autor in Herrn Irmers Schmierenblatt bekannt, will ihm den Rücken stärken. Er tut es mit folgender Formulierung:

Man kann der CDU nur raten, Irmer unzweideutig zu unterstützen. Seine erfolgreiche politische Arbeit sollte der ganzen CDU ein Vorbild sein.

Das ist nicht die Einigkeit, die wir haben wollen. Dazu sagen wir ganz klar: Da trennen uns Welten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen.

Herr Irmer, immer da, wo es am rechten Rand zu stinken beginnt, findet man Sie. Geht man weiter, findet man Gestalten wie Herrn Hohmann und weitere Rechtsextreme. Der bildungspolitische Sprecher einer Partei, der unter dem Titel „Islam, eine Gefahr für Deutschland“ vor einer rechtslastigen Burschenschaft angeblich Werte vermittelt, dürfte auch für die CDU nicht mehr tragbar sein. Deshalb sage ich noch einmal: Da trennen uns Welten. Auch Sie sollten sich von Ihrem Abgeordneten trennen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zurufe von der CDU)

Vielen Dank. – Das Wort hat die Frau Kollegin Ruth Wagner, FDP-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich hatte die Ehre, mich am Ende des letzten Jahres bei zwei Anlässen für meine Fraktion klar von Äußerungen des Abg. Irmer abzugrenzen, die uns bekannt waren. Diese Äußerungen waren für uns inakzeptabel, und ich glaube, sie waren nicht nur CDU-Abgeordneten peinlich, sondern viele in der CDU glauben, dass sie eigentlich nicht mehr zum Spektrum dessen gehören, was wir gemeinsam vertreten.

Meine Damen und Herren, der Präsident des Amtes für Verfassungsschutz und der Innenminister haben eine eindeutige Stellungnahme zur Beurteilung dieser Burschenschaft abgegeben. Ich glaube, anlässlich dieses Vorganges muss man erneut sagen, dass die Burschenschaften mit ihrer großen Tradition Anlass haben, zu prüfen, welche Menschen sich gelegentlich unter ihrem Dach zusammenfinden.

(Beifall bei der FDP, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren, vor drei Jahren, noch als Ministerin, habe ich eine Rede vor einer Burschenschaft mit einer langen liberalen Tradition abgesagt, weil ich mir nicht sicher war, was sich dort mittlerweile entwickelt hat.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich bin sehr froh, dass die Arbeitsgemeinschaft Gießener Studenten-Verbindungen – meine Damen und Herren, das ist vorhin falsch zitiert worden – diese Verbindung ausgeschlossen hat. Damit hat sie ein klares Zeichen gesetzt.

(Gerhard Bökel (SPD): Sehr gut! – Zurufe von der SPD: Sehr richtig!)

Dort gibt es wirklich Überlegungen dazu, wie man den alten Traditionen verpflichtet bleibt.

Meine Damen und Herren, unsere Position gegenüber den bekannten Äußerungen von Herrn Irmer – schriftlich und mündlich vorgetragen – ist klar. Heute will ich aber deutlich sagen – das gehört einfach auch zur Redlichkeit –, dass wir nicht wissen, was Herr Irmer im Jahre 1996 vor dieser Burschenschaft vorgetragen hat. Ich meine, deshalb entspricht es ordentlichem Rechtsbewusstsein, dann auch nicht zu beurteilen, was ich nicht kenne.

(Beifall bei der FDP)

Aber, verehrter Herr Irmer, diese Diskussion ging schon länger.

(Gerhard Bökel (SPD): So ist es!)

Wenn schon damals bekannt war, dass es eine Schräglage – so will ich wenigstens sagen – bei dieser Burschenschaft gab, dann muss man genau überlegen, wo man redet und ob man sich in eine solche Gefahr begibt oder nicht.

Verehrter Herr Bökel, ich will Ihren Zwischenruf gleich aufnehmen. Im Jahre 1993 sind bei den Kommunalwahlen in Hessen überall republikanische Fraktionen, ja NPDFraktionen, entstanden.

(Michael Denzin (FDP): Schon 1989!)

Auch im Jahre 1993. – Jedenfalls, in der Legislaturperiode zwischen 1995 und 1999 haben SPD und GRÜNE entschieden, dass es keinen Verfassungsschutzbericht mehr gab, während sie gleichzeitig Geld ausgegeben ha

ben – zu Recht –, um bei Jugendlichen die Neigungen zur NPD und rechtsextremistischen Ideen zu bekämpfen. Meine Damen und Herren, die Hessische Landeszentrale für politische Bildung hat politische Arbeit mit Jugendlichen gemacht – aber Sie haben es nicht erlaubt, dass wir einen Bericht des Innenministeriums erhielten,

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

in dem wir nachlesen konnten, ob die Behörden des Landes Hessen tatsächlich verfassungswidrige Gruppierungen überwachen.

Meine Damen und Herren, das haben wir erst 1999 wieder eingeführt.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Deshalb konnten Sie heute vom hessischen Innenminister einen Bericht über den Stand der Dinge in diesem Bereich hören.

Trotzdem, verehrter Herr Irmer, das habe ich Ihnen nicht nur hier gesagt, sondern vor kurzem auch persönlich: Wenn Sie Reden unter dem Titel „Der Islam als Gefahr für Europa“ halten, dann stellen Sie sich auch innerhalb Ihrer eigenen Gruppierung in eine Situation, in der Sie einen Generalverdacht gegen den Islam insinuieren. Herr Gotthardt, darüber müsste die CDU ernsthaft nachdenken. Sie haben unter Bezugnahme auf die christlichen Wurzeln, die viele Ihrer Kolleginnen und Kollegen auf Bundes- und Landesebene haben, einen Prozess begonnen – Sie wollen den, Sie fordern ihn ein –, der sagt, wir müssen den Islam eingliedern.Meine Damen und Herren, dann müssen Sie endlich auch mit Herrn Irmer reden und ihn davon abhalten, dass er sich bewusst in die Gefahr des Abgleitens,in die Nähe von Extremisten und der NPD begibt.

(Beifall bei der FDP, der SPD und bei Abgeordne- ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das ist ein Warnsignal für Sie.

Frau Kollegin Wagner, Sie müssen langsam zum Schluss kommen.

Ich sage meinen letzten Satz. Sie müssen sich die Worte genau anschauen. Herr Hohmann sagt, die CDU müsse Herrn Irmer stützen, weil er doch christlich-konservative, patriotische Gedanken habe, die den Kernbereich der CDU beträfen. Meine Damen und Herren, das mag richtig sein, das habe ich hier in zwei Reden vorgetragen. Aber Herr Jung, Herr Koch, Sie bekommen ein Problem, wenn diese christlich-konservative, patriotische, ich sage bewusst: demokratische und rechtsstaatliche Auffassung in die Kante abgleitet, woraus NPD und Republikaner ihre idiotischen – so sage ich jetzt einmal – Ideen schöpfen, die darin gipfeln, dass jemand sagt, die Dresdner Bombennacht ist ein Holocaust. Meine Damen und Herren, das ist Ihre staatsbürgerliche Pflicht.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, zur Debatte habe ich keine weiteren Wortmeldungen.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Regierung ist sprachlos!)

Nach § 81 unserer Geschäftsordnung hat jetzt der Kollege Bökel das Wort zu einer persönlichen Bemerkung.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Sowohl der parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion als auch Frau Wagner – sie hat das noch konkreter getan – haben meine frühere Regierungsmitverantwortung angesprochen. Ich fühle mich sehr betroffen.

(Zurufe von der CDU: Oh!)