Leider ist es – ich weiß nicht, warum – zu einer sehr, sehr dramatischen Diskussion zwischen den Kolleginnen und Kollegen von der SPD und den GRÜNEN auf der einen Seite und der CDU und der FDP auf der anderen Seite über die Frage gekommen, wie die Härtefallkommission zusammengesetzt sein soll. An diesem Punkt gibt es zwischen uns einen Dissens. Das ist völlig unstrittig. Die Kollegen auf der – von mir aus gesehen – linken Seite sagen, die Härtefallkommission soll mit so genannten Experten besetzt werden, mit Experten, die sich aus dem Umfeld der Kirchen und der Menschenrechtsorganisationen rekrutieren. Diese Leute sollen die Entscheidungen treffen, weil sie Ihrer Meinung nach unabhängiger sind und die Entscheidungen sachgerechter treffen können.
(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Es geht nicht um eine Entscheidung, sondern um eine Empfehlung! – Sabine Waschke (SPD), an Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) gewandt: Das hat er noch nicht verstanden!)
Frau Kollegin, wir brauchen nicht über die rechtlichen Voraussetzungen zu reden. Das können wir gerne einmal in einem Grundsatzseminar klären. Wenn Sie einen Zwischenruf machen wollen, dann nutzen Sie doch die parlamentarischen Möglichkeiten. Das Dazwischenblöken ist nämlich wirklich dämlich.
Es stellt sich dann die Frage, wie die Härtefallkommission besetzt sein soll. Ich sage ganz offen, dass die FDP-Fraktion der Meinung ist, dass diese Kommission demokratisch legitimiert sein muss.
Man kann darüber diskutieren, ob eine Expertenkommission aus dem humanitären Bereich demokratisch legitimiert ist. Für uns ist sie das nicht.Wir sehen, dass die Parlamentarier im Petitionsausschuss dieses Hauses hervorragend arbeiten. Der Petitionsausschuss ist mit Mitgliedern des Hessischen Landtags besetzt, die vom Volk dieses Landes frei gewählt sind.
(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Die Landespersonalkommission ist richtig „demokratisch“ legitimiert!)
Meine Damen und Herren, ich glaube schon, dass wir hier eine besondere Legitimation haben. Diese Legitimation berechtigt uns ja auch, Entscheidungen zu treffen.
Ein zweiter Grund spricht dafür, dass die Empfehlungen nicht von einer so genannten Expertenkommission, sondern von Mitgliedern dieses Hauses ausgesprochen werden sollen.
Mich ärgert, dass hier der Eindruck erweckt wird, als würden sich die Mitglieder des Petitionsausschusses dieses Hauses nicht sachgerecht und mit der nötigen Tiefe mit Entscheidungen im Zusammenhang mit Bleiberechtsregelungen befassen.
Deswegen möchte ich einmal eindeutig feststellen: Das Gegenteil ist der Fall. Da würde ich für jeden Kollegen in diesem Ausschuss meine Hand ins Feuer legen, weil ich genau sehe – das kann, denke ich, auch der Kollege Frömmrich bestätigen –, mit welcher Akribie man sich über Parteigrenzen hinweg mit den Fällen beschäftigt. Die Erfahrung, die ich – das sage ich ganz ehrlich – in den letzten eineinhalb Jahren als Neuling in diesem Haus sammeln konnte, hat mich zu der Überzeugung gebracht, zu sagen: Die Mitglieder dieses Ausschusses sind dazu geeignet, solche Entscheidungen zu treffen.
Meine Damen und Herren, es ist doch nicht so, dass sich die Mitglieder des Petitionsausschusses keinen Expertenrat holen würden. Es wird immer der Eindruck erweckt, wir würden im völlig luftleeren Raum diskutieren und Entscheidungen treffen. Nein, das Gegenteil ist der Fall. Natürlich holen wir uns auch Expertenmeinungen ein. Das kann ich jedenfalls für mich sagen; ich kenne auch andere Kollegen, die das machen.Wir haben die Möglichkeit, uns über das Auswärtige Amt und Menschenrechtsorganisationen ein Bild von den Heimatländern zu machen, und das nutzen wir auch. Der Petitionsausschuss hat bis jetzt hervorragend gearbeitet,und das zeigt,dass er die Voraussetzungen dafür besitzt und dafür geeignet ist, auch andere Arbeiten durchzuführen.
In der Diskussion ist das Bild gezeichnet worden, Frau Kollegin – jetzt will ich den Zwischenruf aufnehmen –, dass einzig und allein die von Ihnen genannten Experten eine Entscheidung treffen können. – Da brauchen Sie nicht den Kopf zu schütteln. Sie haben immer und immer wieder behauptet, dass es so sei. Stehen Sie doch heute dazu. Stehen Sie dazu, dass Sie das gefordert haben.Wenn Sie eine Nähe zu solchen Organisationen haben, ist das in Ordnung; dafür habe ich auch – das ist überhaupt keine Frage – Verständnis. Aber tun Sie doch jetzt nicht so, als ob Sie das nicht gesagt hätten.
Für uns, meine Damen und Herren, ist das wichtig, was, um es mit dem Altbundeskanzler zu sagen, hinten herauskommt. Können wir eine sachgerechte Entscheidung für Menschen treffen, die sich in einer Notlage befinden, und können wir als Mitglieder des Parlaments sagen: „Sie sollen in Deutschland bleiben können, weil wir sie aus den verschiedensten Gründen, die ich genannt habe, nicht in ihr Heimatland zurückführen wollen“?
Es gibt noch zwei Punkte zu erwähnen, die für mich sehr wichtig sind. Das eine ist die Frage: Ist eine Zweidrittelmehrheit notwendig, um eine Entscheidung zu treffen? Da wurde ganz wild spekuliert, wie es zu diesem Quorum gekommen ist und ob es nicht auch eine einfache Mehrheit sein könnte, mit der die Empfehlung ausgesprochen wird. Für mich sind Härtefälle, wenn wir von den rechtlichen Voraussetzungen des Ausländergesetzes ausgehen, aber auch Härtefälle, die in der Härtefallkommission besprochen werden sollen, solche Fälle, bei denen offenkundig ist, dass es sich um einen Härtefall handelt.
Wenn aber etwas offenkundig ist, sollte es eigentlich nicht einer Zweidrittelmehrheit des Ausschusses bedürfen, sondern man sollte einen solchen Härtefall einstimmig feststellen. Für uns sind Härtefälle solche Fälle, die ins Auge stechen, bei denen man übereinstimmend über Parteigrenzen hinweg sagt: Das sind Fälle, bei denen wir nicht mit einer einfachen Mehrheit handeln können. – Ich glaube, es ist wichtig, dass es für diese Fälle eine große Mehrheit gibt, dass sie von einer großen Mehrheit getra
gen werden. Deshalb haben wir uns in der Diskussion für diese Formel ausgesprochen,und ich glaube,dass das richtig ist.
Ich will noch konkret auf den Antrag eingehen. In Nr. 1 wird gesagt, dass es der Landtag begrüßt, dass die Landesregierung beabsichtigt, eine Härtefallkommission im Sinne von § 23a des Aufenthaltsgesetzes einzurichten. Ich glaube, dass es richtig ist, in Hessen diesen Weg zu gehen. Ich begrüße es außerordentlich, dass die Landesregierung dazu bereit ist. Ich glaube auch, dass alle Kollegen von der CDU sehen, dass es solche Fälle gibt.
In Nr. 2 heißt es: Der Landtag spricht sich dafür aus, dass die Mitglieder des Petitionsausschusses als Mitglieder dieser Kommission berufen werden können. – Das ist der strittige Punkt, über den ich gerade gesprochen habe. Ich glaube, wie gesagt, dass die Mitglieder des Petitionsausschusses, wenn sie sich denn bereit erklären, hier mitzuarbeiten, hervorragend geeignet sind. Mich ärgert es etwas, dass hier so leicht im Raum steht, dass diese Personen nicht geeignet seien. Vielleicht können die Kolleginnen und Kollegen, die diesen Vorwurf erheben, einmal konkret belegen, woran sie es festmachen, dass die Mitglieder des Petitionsausschusses nicht geeignet sind.
Dann möchte ich die elfte Minute nicht voll machen, Herr Präsident. Aber lassen Sie mich einen abschließenden Satz sagen.
Es gab noch einen Punkt in der Diskussion, der mich sehr gewundert hat. Es ging ganz konkret um die Einrichtung einer Geschäftsstelle, über die die Härtefälle abgewickelt werden sollen. Ich bin der Meinung, dass wir die Petitionsakten in diesen Fällen grundsätzlich bearbeiten werden und dass sie dann weitergereicht werden sollten. Das sind dann keine Petitionsakten mehr; aber es werden Akten mit ungefähr dem gleichen Informationsgehalt sein. Ob die Geschäftsstelle, Herr Kollege Frömmrich, nun beim Ministerium oder beim Hessischen Landtag sitzt, ist für uns nicht „kriegsentscheidend“.
Es ist doch völlig klar, dass wir uns die gute Arbeit, die das Petitionsreferat in diesem Haus leistet, zunutze machen können.
Leider wurde in der Diskussion immer wieder so getan – ich habe die Pressemitteilung dabei –, dass der Weg einer Petition sehr langwierig sei. Mit welcher Geschwindigkeit der Petitionsausschuss arbeitet, ist, würde ich sagen, deutschlandweit einmalig.Er arbeitet wirklich schnell und zügig.
Das tut auch die Geschäftsstelle hier im Hessischen Landtag. Deswegen bin ich der Auffassung – das ist aber, wie gesagt, nicht „kriegsentscheidend“ –, dass das Petitionsreferat dieses Hauses für diese Arbeit hervorragend geeignet wäre. – Vielen Dank.
Meine Damen und Herren,ich teile Ihnen mit – ich mache das nicht gern während einer Debatte; aber das muss erledigt werden –, dass noch ein Dringlicher Antrag der Fraktion der CDU eingegangen ist: Antrag Drucks. 16/3445. – Die Dringlichkeit wird bejaht. Das ist dann Tagesordnungspunkt 108, der zusammen mit Tagesordnungspunkt 106 aufgerufen werden könnte. – Es gibt keinen Widerspruch.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir diskutieren heute darüber, ob es in Hessen ab dem nächsten Jahr eine Härtefallkommission geben wird, die diesen Namen auch verdient.
Schon der Mehrheitsbeschluss dieses Hauses vom Oktober macht deutlich, dass die von CDU und FDP beabsichtigte Konstruktion der Härtefallkommission hier noch einmal ganz genau debattiert werden sollte. Denn die Mehrheit in diesem Hause will eine Härtefallkommission, die diesen Namen eigentlich nicht verdient.
Aber das durfte man natürlich nicht offen sagen, insbesondere nachdem die Länder der Südschiene, an denen sich Hessen ja sonst so gerne orientiert, diese Frage wesentlich offener regeln. Außerdem ist der öffentliche Druck zu groß geworden.
Deswegen hat Hessen einen Sonderweg gewählt,den kein anderes Bundesland beschritten hat. Niedersachsen lasse ich an dieser Stelle einmal außen vor, weil die Niedersachsen im Augenblick sowieso mehr von Hessen abschreiben, als ihnen gut tut.
CDU und FDP haben die Hürden für die Annahme eines Härtefalls, Herr Kollege Rentsch, so hoch gehängt wie sonst kein anderes Bundesland. Der Beschluss der Härtefallkommission, dem Innenminister die Aufenthaltsgewährung aufgrund eines Härtefalles zu empfehlen, muss mit einer Zweidrittelmehrheit gefasst werden. Dieses Quorum ist willkürlich festgelegt und hat im Zuwanderungsgesetz überhaupt keine Grundlage. Eine Zweidrittelmehrheit wird nur verlangt, wenn beispielsweise die Verfassung geändert werden soll.Sie stellt daher eine sehr hohe Hürde dar, und das für ein Gremium, Herr Kollege Rentsch, das nicht einmal abschließende Entscheidungen trifft. Die Härtefallkommission hat nämlich nur über eine Empfehlung an den Innenminister zu entscheiden. Ob er dieser Empfehlung folgt oder nicht, ist seine Verantwortung und seine Entscheidung. Darum frage ich mich wirklich allen Ernstes:Wofür brauchen wir eine Zweidrittelmehrheit?
In der Anhörung,die die SPD und die GRÜNEN zur Härtefallkommission durchgeführt haben, sprach die Vertreterin der AGAH von einem „Zufallstreffer“, wenn ein Fall als Härtefall anerkannt wird.
Nein, die Redezeit wurde schon reduziert. – Auch die im Verordnungsentwurf festgehaltenen Ausschlussgründe legen es nahe, dass eine Härtefallkommission in Hessen eigentlich nicht gewollt ist. Der Entwurf der Rechtsverordnung der Landesregierung sieht vor, dass die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 23a des Aufenthaltsgesetzes generell ausgeschlossen sein soll, wenn ein Ausländer nicht in der Lage ist, seinen Lebensunterhalt ausreichend zu sichern.
Dies regelt das Aufenthaltsgesetz so nicht,sondern es zielt immer auf eine Einzelfallbetrachtung ab. Sie kehren also die Systematik des Bundesgesetzes an dieser Stelle zulasten der Hilfesuchenden um.
Eine Härtefallkommission, die ihren Namen auch verdient, soll über Schicksale von Flüchtlingen entscheiden, über Einzelfälle. Meine Damen und Herren, menschliche Schicksale kann man nicht an der Tatsache festmachen,ob ein Flüchtling von Sozialhilfe abhängig ist oder nicht.Welches Menschenbild verbirgt sich dahinter eigentlich?
Was ist denn mit Kriegsinvaliden, mit allein erziehenden Müttern, mit unbegleiteten Jugendlichen, mit Traumatisierten, mit Behinderten, mit Kranken, mit Alten? Allen diesen Menschen werden wir nach Ihrer Diktion in Hessen von vornherein nicht helfen können.