Das können Sie doch nicht ignorieren. Eine Abgeordnete des Deutschen Bundestags, die aus dieser Stadt kommt, wurde,nachdem sie ein volksverhetzendes Blatt angezeigt hat, das allein in Hessen 11.000 Abonnenten hat
(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Wie viele hat der „Wetzlar Kurier“?) – Gegenruf des Abg. Frank Gotthardt (CDU): Oh, oh, Herr Kollege Wagner! Das war es wieder!)
und das nach meiner festen Überzeugung volksverhetzend ist, in dessen Ausgabe vom Freitag in absolut inakzeptabler Weise bedroht. Ich bedauere es sehr, dass die Möglichkeiten, solche Zeitungen nicht unter das Volk zu lassen, begrenzt sind. Aber das sind die rechtlichen Spielregeln. Das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Darmstadt läuft.
Ich erinnere in diesem Zusammenhang an den Verfassungsschutzbericht des Landes Hessen, den wir veröffentlicht haben. Dort können Sie über die Zeitung „Vakit“ eine Menge nachlesen. Dort wird in übelster Form Propaganda betrieben. Es ist übrigens die neuntgrößte Zeitung in der Türkei. Das ist nicht irgendein Randblättchen.
Meine Damen und Herren, deshalb eine vorletzte Bemerkung. Herr Kollege Al-Wazir, Sie haben davon gesprochen, sie hätten in Großstädten vielleicht an der einen
oder anderen Stelle ein Problem. Das ist wohl wahr, aber es ist verkürzt. Sie haben überall ein Problem, auch auf dem flachen Land. Deshalb ist das nicht nur ein Thema der Großstädte.
Ich lade sie ein – aber sie wissen es wahrscheinlich schon –, sich anzuschauen, wie viele Gemeinden sich mit diesen Themen plagen, von den Kindergärten angefangen über die Schulen bis zu Fragen des täglichen Zusammenlebens. Wir haben dort Parallelgesellschaften.Wer das bestreitet, der hat aus meiner Sicht keinen nüchternen Blick auf die Dinge mehr.
(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Durch das Bildungssystem erzeugen wir diese Parallelgesellschaften!)
hat dazu schon eine Menge gesagt. Aber Sie können das zitieren, wo immer Sie wollen. Es gibt eine ganze Reihe türkischer Publizistinnen, z. B. aus Berlin, die sich mit diesem Thema sehr intensiv auseinander gesetzt haben. Wenn Sie deren Schriften lesen, dann können Sie nicht mehr behaupten,es gebe dieses Problem nicht.Ich glaube, wir sind, gerade als verantwortliche Politiker, verpflichtet, die Frage zu beantworten, wie wir damit umgehen wollen.
Sie haben aus dem Grundgesetz zitiert. Sie haben aber etwas nicht hinzugefügt: Die Religionsausübung ist nicht schrankenlos erlaubt.
Sie wird nach der Verfassungsrechtsprechung durch immanente Schranken begrenzt. Es geht aber auch ganz schlicht um Folgendes. Das Problem mit dem Islam, mit dem wir es nicht nur bei uns, sondern in ganz Europa zu tun haben, ist doch, dass es nicht nur um eine religiöse Unterweisung und um einen persönlichen Glauben geht, sondern dass der Islam fordert, den Staat nach seinen religiösen Vorschriften zu organisieren. Genau das ist nach unserer Tradition nicht zu machen.
Deshalb bleibt doch festzustellen: Die Scharia kann für uns nicht akzeptabel sein. Wenn ich Vertreter islamischer Organisationen hier in Hessen frage: „Seid ihr bereit, euch von dieser Forderung zu trennen“, dann kommt immer eine sehr weiche Antwort. Wenn der Zentralrat der Muslime sagt: „Wir halten uns an das Grundgesetz“, dann muss man den zweiten Teil des Satzes anfügen: „solange wir in diesem Land nicht in der Mehrheit sind“.
Herr Präsident, ich komme zum Schluss. – Ich will es zusammenfassen. Die Kernfrage, um die wir ringen müssen und die nicht einfach zu beantworten ist, lautet: Wie wollen wir handeln, damit alle friedlich und erfolgreich leben
können? Diese Frage kann nicht durch Beliebigkeit, durch Wegsehen, durch Schönrederei und auch nicht durch Angstmachen beantwortet werden. Aber man braucht einen klaren Kompass und einen klaren Standpunkt.
Deshalb sage ich für die Landesregierung:Wer hier leben will, der ist herzlich willkommen. Wer hier leben will, der muss akzeptieren, nach welchen Regeln wir leben. Wer hier leben will und die hiesigen Regeln nicht akzeptieren kann, der ist zwar kein schlechter Mensch, aber er muss eben dorthin gehen, wo die Regeln gelten, die er für richtig hält.Wenn er hier bleiben will, dann muss er nach den Regeln leben, die bei uns gelten. – Vielen Dank.
Ich habe keine weiteren Wortmeldungen. Damit beende ich die Debatte und erteile dem Kollegen Al-Wazir zu einer persönlichen Erklärung nach § 81 unserer Geschäftsordnung das Wort.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich könnte jetzt noch viel sagen, darf das aber nicht tun. Deshalb nur kurz zu dem Punkt, zu dem ich mich zu Wort gemeldet habe.
Die Frau Kollegin Wagner hat in ihrer Rede gesagt, ich hätte in einem Interview gefordert, dass wir „mehr Islam“ in Deutschland bräuchten. Ich stelle ausdrücklich fest, dass ich das nicht gefordert habe.
In einem Interview mit dem „Darmstädter Echo“ habe ich gesagt, dass ich für einen Islamunterricht in deutscher Sprache und unter staatlicher Aufsicht bin und dass wir uns bewusst machen müssen, dass wir nicht nur Moslems einbürgern – was wir ja tun –, sondern damit auch den Islam einbürgern. Frau Kollegin Wagner, ich habe nicht mehr gesagt, aber auch nicht weniger.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 65 auf. Der Antrag wurde von den beiden antragstellenden Fraktionen zurückgezogen.
Dringlicher Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP betreffend Einrichtung einer Härtefallkommission – Drucks. 16/3433 –
Antrag der Fraktion der SPD betreffend Umsetzung des Aufenthaltsgesetzes zur Einrichtung einer Härtefallkommission in Hessen – Drucks. 16/3318 –
Die Redezeit beträgt 15 Minuten pro Fraktion, und wir versprechen, nach zehn Minuten fertig zu sein. – Erste Wortmeldung, Herr Kollege Rentsch für die Fraktion der FDP.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir kommen zu einem Thema, das leider in den letzten Wochen die Gemüter hat hochkochen lassen. Es geht um die Frage der Einrichtung einer Härtefallkommission.
Das Zuwanderungsgesetz gibt dem Land Hessen die Möglichkeit, in Fällen, die wir nicht in ein rechtliches Raster stecken können, hier im Landtag eine so genannte Härtefallentscheidung mittels einer Härtefallkommission zu treffen und diese Entscheidung dem Innenminister vorzulegen.
Bevor ich auf die Anträge eingehe, möchte ich einen kurzen Blick zurückwerfen, was die Thematik Flüchtlinge und Menschen mit Migrationshintergrund sowie unsere Arbeit hier im Hessischen Landtag angeht. Ich habe das große Glück, gemeinsam mit verschiedenen Kollegen dieses Hauses dem Petitionsausschuss anzugehören.
Der Petitionsausschuss beschäftigt sich im Wesentlichen mit den Problemen von Menschen in Hessen, die mit behördlichen Entscheidungen nicht einhergehen. Viele der Fälle, die wir behandeln, sind Petitionen von Menschen, die eigentlich in ihr so genanntes Heimatland zurückgeführt werden sollen.
Jede Kollegin, jeder Kollege dieses Ausschusses hat Fälle erlebt, die folgende Konstellation haben: Eine Familie müsste nach den rechtlichen Vorschriften eigentlich in ihr so genanntes Heimatland zurückgeführt werden. Man muss aber feststellen, dass diese Familie entweder hervorragend integriert ist oder dass schwer wiegende humanitäre Probleme vorliegen, sodass man als Berichterstatter im Petitionsausschuss große Probleme hat, zu sagen: Diese Familie führen wir wieder in das so genannte Heimatland zurück.
Oft ist es auch so, dass Kinder geboren werden, während diese Familien hier in Deutschland sind.Die Kinder wachsen in Deutschland auf und haben mehr deutsche Identität als die Identität der Menschen des Landes, aus denen ihre Eltern kommen. Das betrifft z. B. Kriegsflüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien. Ich sage ganz offen: Es ist oft eine ganz schwierige Entscheidung, zu sagen, wir führen diese Menschen zurück.
Die Gesetze sind aber so, wie sie sind, und es ist für die FDP als Rechtsstaatspartei völlig unstrittig, das wir uns an das halten, was der Gesetzgeber verabschiedet hat.
Es gibt aber Fälle – das ist nicht die Regel, sondern die Ausnahme –, wo wir über alle Fraktionen hinweg sagen: Das Schicksal dieser Menschen kann man nicht nach einem Rechtsschema entscheiden, es spielen andere Gründe eine Rolle, sodass wir zu der Entscheidung kommen, diese Menschen hier in Deutschland zu lassen. – Wir haben nach dem Ausländergesetz jetzt schon Möglichkei
ten, beim Vorliegen besonderer Härten Regelungen zu treffen, damit die betroffenen Menschen in Deutschland bleiben können.
Im FDP-Antrag geht es darum,eine Möglichkeit zu schaffen, Regelungen für Menschen zu treffen, die nicht in ein rechtliches Muster passen. Das ist unser Anspruch, und über den möchten wir mit Ihnen diskutieren.
Leider ist es – ich weiß nicht, warum – zu einer sehr, sehr dramatischen Diskussion zwischen den Kolleginnen und Kollegen von der SPD und den GRÜNEN auf der einen Seite und der CDU und der FDP auf der anderen Seite über die Frage gekommen, wie die Härtefallkommission zusammengesetzt sein soll. An diesem Punkt gibt es zwischen uns einen Dissens. Das ist völlig unstrittig. Die Kollegen auf der – von mir aus gesehen – linken Seite sagen, die Härtefallkommission soll mit so genannten Experten besetzt werden, mit Experten, die sich aus dem Umfeld der Kirchen und der Menschenrechtsorganisationen rekrutieren. Diese Leute sollen die Entscheidungen treffen, weil sie Ihrer Meinung nach unabhängiger sind und die Entscheidungen sachgerechter treffen können.