Protocol of the Session on December 16, 2004

(Nicola Beer (FDP): Das ist doch Quatsch! Es gibt doch Ausnahmen!)

Frau Kollegin Beer, dazu komme ich gleich.Ausnahmen sind möglich, wenn die Träger erklären, die Sozialhilfe übernehmen zu wollen.

(Nicola Beer (FDP): Ja!)

Hier verschieben Sie die Verantwortung auf die kommunale Ebene und wissen ganz genau, dass die Träger dieser Verantwortung überhaupt nicht nachkommen können.

(Nicola Beer (FDP): Die müssen so oder so zahlen!)

Hier kann man erkennen, wie die Mehrheit in diesem Hause wirklich über eine Härtefallkommission denkt: Sie wollen sie nämlich überhaupt nicht.

(Beifall bei der SPD)

In der Anhörung haben beide Vertreter der Kirchen in Hessen dringlichst darauf hingewiesen, dass die Anerkennung als Härtefall nicht von der Voraussetzung der Sicherung des Lebensunterhaltes abhängig gemacht werden darf.

Aber auch die Konstruktion der Härtefallkommission in Hessen entlarvt Sie, denn Sie wollen eigentlich gar nicht humanitär handeln. Andernfalls hätten wir die Debatte Anfang Oktober hier nicht führen müssen, wie wir sie geführt haben, und vermutlich hätten wir auch keinen verfassungswidrigen Beschluss gefasst. Da sollte doch dieses leidige Thema Härtefallkommission in aller Eile vom Tisch. Kurzerhand wurde der Petitionsausschuss zur Härtefallkommission gemacht – so jedenfalls in den Redebeiträgen der Abg. Jung, Gotthardt und Beer.

Dabei übersehen FDP und CDU aber auch schon einmal ganz gerne, dass es einen Unterschied zwischen der Legislative und der Exekutive gibt. Uns wundert das nach den Erfahrungen der letzten Monate nicht. Mit den Aufgaben eines unabhängigen Parlaments und dessen Funktion als Gesetzgeber aber hat das nichts zu tun. CDU und FDP wären besser beraten gewesen, sich noch einmal wirkliche Gedanken über den Grundsatz der Gewaltenteilung zu machen.

Die Aufgabe der Härtefallkommission ist es, ausländerrechtliche Eingaben zu überprüfen und eine Entscheidung darüber zu treffen,ob gegenüber dem Innenminister um eine Aufenthaltsgewährung aufgrund eines Härtefalls ersucht werden soll – also exekutives Handeln, das zudem noch durch eine Rechtsverordnung der Landesregierung konkretisiert wird.

(Nicola Beer (FDP):Was machen Sie denn im Petitionsausschuss anderes?)

Diese Aufgabe kann nicht von der legislativen Gewalt, also einem Gremium des Hessischen Landtags, wahrgenommen werden.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen beantragt die SPD-Fraktion,den Beschluss des Hessischen Landtags vom 06.10.2004 aufzuheben.

Die Juristen im Innenministerium haben dies offenbar verstanden und sich wohlweislich davor gehütet, den vom Willen von CDU und FDP getragenen Landtagsbeschluss eins zu eins umzusetzen.

Anscheinend haben auch Sie mittlerweile erkannt, dass der Beschluss des Hessischen Landtags verfassungswidrig war.Statt aber nun einfach unserem Antrag zuzustimmen, gehen Sie Ihren einmal eingeschlagenen Weg stur weiter.

Zwischenzeitlich haben wir uns natürlich auch weitere Gedanken über die Zusammensetzung einer Härtefallkommission gemacht. Das geht jetzt explizit an den Kollegen Rentsch:Anders als Sie sind wir nämlich in der Lage, uns politisch zu bewegen.So erkennen wir in unserem Antrag wohl an, dass es im Hessischen Landtag das Bedürfnis gibt, auch Vertreter der im Landtag repräsentierten politischen Kräfte in die Kommission einzubinden. Als Kompromissvorschlag haben wir darüber hinaus in unserem Antrag vorgesehen, zusätzlich Vertreter der Kirchen, der Verbände, der freien Wohlfahrtspflege, Amnesty, des Hessischen Flüchtlingsrats, der AGAH und einige andere zu berufen.

Während Sie es in der parlamentarischen Auseinandersetzung von Oktober bis heute all diesen Organisationen abgesprochen haben, verantwortlich zu handeln, machen andere Bundesländer völlig andere Erfahrungen damit. Viele Fälle,die den Härtefallkommissionen vorliegen,finden erhebliche Beachtung in der Öffentlichkeit und erzeugen ein großes Medieninteresse. Beispielsweise genießen die Empfehlungen der Härtefallkommission in

Schleswig-Holstein eine große und breite Akzeptanz in der Öffentlichkeit, weil sie durch viele gesellschaftlich relevante Gruppen mitgetragen werden.

(Beifall bei der SPD)

Nun teilt der Fraktionsvorsitzende der CDU in diesem Hause, Herr Dr. Jung – leider ist er momentan nicht anwesend –, der Liga der Freien Wohlfahrtspflege Hessen schriftlich mit – ich zitiere –:

Jedem Abgeordneten, der in der Härtefallkommission tätig ist, bleibt es vorbehalten, sich für die Wahrnehmung seiner Aufgaben in dieser Kommission der Hilfe der verschiedenen zivilgesellschaftlichen Fachkompetenzen zu bedienen und dadurch zu gewährleisten, dass deren Sachverstand in die Härtefallkommission mit einfließt.

Dann haben diese Organisationen, aber auch wir betroffene Abgeordnete ein Problem:Ausweislich von § 1 Abs. 3 des vom Innenminister ausgearbeiteten Entwurfs einer Rechtsverordnung dürfen wir nämlich gar nicht mit Dritten und damit auch nicht den vorgenannten Organisationen über Einzelfälle sprechen, denn wir sind zur Verschwiegenheit verpflichtet.

Auch den Organisationen kann eine solche Beratung nicht zugemutet werden. Sie sollen die Abgeordneten beraten. Damit übernehmen sie ein Stück Verantwortung. Die Entscheidung darüber treffen aber andere.

(Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

Wenn man aber wie in anderen Bundesländern an einem Tisch sitzt, lernt man voneinander und kann Verständnis für die Entscheidung und die Arbeit der anderen aufbringen. Diese Chance sollten wir in Hessen auch wahrnehmen. Deswegen fordere ich Sie auf, von Ihrem Vorhaben, die Härtefallkommission an den Petitionsausschuss anzubinden, Abstand zu nehmen. Das wird der Intention des Zuwanderungsgesetzes nicht gerecht. Stattdessen sollten Sie unserem Antrag folgen.

(Beifall bei der SPD)

Herzlichen Dank. – Das Wort hat der Kollege Frömmrich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, wenn man über das Thema Härtefallkommission diskutiert, sollte man schon im Blick haben, wie die Idee einer Härtefallkommission entstanden ist. Ich glaube, das wird von denen oft ausgeblendet, die hierzu eine andere Auffassung als wir vertreten.

Erinnern wir uns doch einmal.Die Härtefallkommission – oder § 23a des Aufenthaltsgesetzes – ist ein Kompromiss, der aus der Debatte um dieses Gesetz entstanden ist. Sie wissen ganz genau, dass die Bereiche, die geregelt werden sollten, zwischen Bundesrat und Bundestag sehr strittig waren. Es hat ein umfangreiches Verfahren im Vermittlungsausschuss gegeben. Wir können uns auch noch an Auftritte des Ministerpräsidenten im Bundesrat erinnern. Es war ein sehr schwieriger Prozess, bis dieses Zuwanderungsgesetz zustande gekommen ist.

Schließlich ist dieses Gesetz verabschiedet worden. Dieser Ministerpräsident, diese Landesregierung hat dem Zuwanderungsgesetz zugestimmt. Jetzt wird auf einmal der Versuch unternommen, Teile des Zuwanderungsgesetzes, dieses Kompromisses, der für uns wirklich schwer war, zu nivellieren und zurückzurudern.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich finde, das geht so nicht. Wenn man Kompromisse schließt, sollte man auch im Nachhinein dazu stehen und sie nicht nachher nivellieren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben Ihnen ein Angebot unterbreitet. Sowohl die Kolleginnen und Kollegen der SPD als auch wir haben von Ihnen in dieser Legislaturperiode immer wieder verlangt, den Problemkreis der Härtefallkommission zu regeln. Das haben Sie nicht getan. Dann haben wir Dringliche Anträge gestellt, aber Sie haben es nicht getan. Dann haben wir gesagt, okay, wir als Fraktion legen Ihnen einen Gesetzentwurf vor und sagen Ihnen, in welche Richtung es eigentlich gehen müsste. Im Übrigen regeln das auf diese Weise ganz viele andere Länder, nicht nur rot-grün regierte.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben Ihnen einen Vorschlag gemacht.Wir wollten eine Besetzung dieser Härtefallkommission mit Menschen, die im Bereich der Flüchtlingsarbeit und der Flüchtlingsorganisationen tätig sind. Das hat überhaupt nichts damit zu tun, dass ich damit die Kollegen, die im Petitionsausschuss sind, abqualifiziere, sondern ich sage, ich hätte das gern außerhalb von Politik organisiert, weil das politische Tagesgeschäft oft darüber entscheidet, wie ein gewisser Fall ausgehen soll.

Herr Kollege Frömmrich,der Kollege Rentsch möchte Ihnen eine Zwischenfrage stellen.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Normalerweise lasse ich Zwischenfragen zu, Herr Kollege Rentsch, aber ich glaube, das ist jetzt nicht zielführend! Sie haben vorhin schon gesagt, in welche Richtung Sie tendieren! – Zurufe von der FDP)

Vielen Dank.

Wir hätten gerne gehabt, dass in dieser Kommission z. B. die Kirchen vertreten sind. Was haben Sie dagegen, den Sachverstand von Kirchen einzubinden?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das kann ich nicht nachvollziehen. Was haben Sie dagegen, den Sachverstand von Wohlfahrtsverbänden einzubeziehen, die in dieser Arbeit tätig sind? Oder:Wir haben gesagt, dass wir Organisationen, die z. B. im Zusammenhang mit Frauen mit Migrationshintergrund arbeiten, dabei haben wollen. Im Petitionsausschuss haben wir es immer wieder mit posttraumatischen Belastungsstörungen zu tun.Warum wollen wir nicht für die Empfehlung in solchen Fällen, die wir der obersten Landesbehörde geben, Menschen heranziehen,die in diesem Bereich – z.B.Ärzte – tätig sind und in diesem Bereich Erfahrung gesammelt haben?

Meine Damen und Herren,wir haben alles unternommen, um Ihnen einen vernünftigen und praktikablen Weg aufzuzeigen. Allein, Sie wollten beim letzten Mal mit Ihrem Verfahren hier im Hessischen Landtag mit dem Kopf durch die Wand, haben eine Entscheidung getroffen, die offensichtlich so nicht geht – das hat mittlerweile auch der Innenminister im Petitionsausschuss gesagt –, und jetzt versuchen Sie, zurückzurudern. Wir haben Ihnen etwas Vernünftiges vorgelegt. Sie wollten mit dem Kopf durch die Wand. Sie müssen jetzt entscheiden, wie Sie einen vernünftigen Weg für die Menschen gehen wollen, die hier betroffen sind.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dann haben Sie hier im Landtag einen Beschluss gefasst. Dazu haben wir Ihnen damals schon gesagt: Das geht so nicht. – Ich habe nie gesagt, dass der Gesetzentwurf, den wir vorgelegt haben, der allein selig machende Weg sei. Wir haben gesagt: Das ist ein Angebot, und so kann man es machen, so regeln das ganz viele andere Bundesländer, wir hätten es gerne,dass es so geregelt wird.Aber bei dem, was Sie gemacht haben, war eindeutig klar, dass man das so nicht regeln und sagen kann: Der Petitionsausschuss des Hessischen Landtages nimmt die Aufgaben der Härtefallkommission wahr.So kann man es auf keinen Fall regeln.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Verordnungsentwurf des Innenministers zeigt eindeutig, dass es offensichtlich so nicht geht. Der Verordnungsentwurf des Innenministers sagt eindeutig, die Härtefallkommission besteht aus Abgeordneten des Hessischen Landtags. Das kann man im Übrigen machen.Aber er nimmt nicht Bezug auf den Petitionsausschuss. Meine sehr verehrten Damen und Herren, schauen wir uns doch einmal an, wie es der Innenminister regelt. Er sagt:

Die Landesregierung wird eine Härtefallkommission einrichten, die ausschließlich aus Abgeordneten des Hessischen Landtags besteht.

Herr Innenminister, das kann man so machen. Das ist nicht der Weg, den wir gehen wollten. Es ist auf jeden Fall nicht das, zu dem Ihnen Ihre Mehrheitsfraktion im Hause unter Teilhabe der FDP geraten hat, oder das, was hier beschlossen worden ist. Sie gehen den Weg – ich finde, darüber müssten wir diskutieren – zu sagen: Okay, wenn wir die Härtefallkommission einrichten und beim Landtag organisieren, dann ist das Petitionsreferat zuständig, die Geschäftsstelle zu übernehmen. – Herr Staatsminister, so geht es nun geradezu nicht.Wenn man per Gesetz – das ist das Aufenthaltsgesetz – als oberste Landesbehörde dafür zuständig ist und das organisieren kann, dann finde ich schon, sind Sie nach dem Motto „Wer die Musik bestellt, sollte sie auch bezahlen“ für das Bezahlen zuständig.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Kolleginnen und Kollegen, die im Petitionsreferat sind, auch noch zur Geschäftsstelle der Härtefallkommission zu machen, das geht nicht. Die haben Arbeit genug, meine Damen und Herren.