Protocol of the Session on November 26, 2004

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie glauben doch nicht im Ernst, dass die Kreise freiwillig darauf verzichten. Sie weisen immer auf die Satzung hin: Das, was die Kreise beschließen können, sei freiwillig. Sie wissen, dass die meisten Kreise ihren Haushaltsplan inzwischen beim RP vorlegen müssen. Jede Aufsichtsbehörde wird sagen: Ihr verzichtet auf Geld. Ihr verzichtet auf Einnahmen. – Dadurch wird der Druck auch auf die Kreise, die ihre Haushalte noch mit Blick auf die Eltern aufstellen, erhöht. Wir halten es für einen grundfalschen Weg, das Geld bei den Eltern eintreiben zu wollen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aus all diesen Gründen lehnen wir diesen Gesetzentwurf ab. Wir GRÜNEN wollen die Kinder zu besseren Lernleistungen bringen. Wir wollen die Kinder zu besseren Abschlüssen führen. Wir wollen, dass die Schulen kein Kind mehr zurücklassen und aussondern müssen. Für diese Schulpolitik stehen wir. Wir würden gerne ein Gesetz machen, um diese Schulpolitik zu verwirklichen.

Wenn wir gemeinsam in der Lage wären, einen solchen Gesetzentwurf zu entwickeln, in den Landtag einzubringen und zu verabschieden,hätten wir einen großen Schritt auf dem Weg zu mehr Bildungsgerechtigkeit getan. Vielleicht können Sie sich doch noch einen Ruck geben, von Ihrer verfehlten Bildungspolitik absehen und mit uns gemeinsam diesen Weg beschreiten. – Vielen Dank.

Das Wort hat der Kollege Mark Weinmeister, CDU-Fraktion.

Herr Präsident,meine Damen und Herren! Seit 1999 weht ein frischer Wind durch die Schulen im Hessenlande.

(Beifall bei der CDU)

Liebe Frau Hinz, auch ich bin Optimist.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Das ist bei Ihnen auch ein Muss!)

Ich bin optimistisch, dass der Wind, der mit dem Dritten Qualitätssicherungsgesetz an den hessischen Schulen weht, die dunklen Wolken der Zwangseinheitsschule endgültig fortbläst.

(Beifall bei der CDU – Zuruf der Abg. Priska Hinz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Mit dem neuen Schulgesetz werden wir einerseits die Qualität der schulischen Bildung weiter steigern, andererseits aber die vorhandenen Ressourcen intelligenter und effizienter einsetzen. Ja, meine Damen und Herren, ganz sicher wollen wir die Verkürzung der gymnasialen Schulzeit auf acht Jahre. Ja, wir wollen, dass unsere Schülerinnen und Schüler den Vergleich mit den anderen Schülern in Deutschland und Europa nicht scheuen müssen und dass sie nicht von vornherein einen Wettbewerbsnachteil haben, weil sie ein Jahr länger in die Schule gehen.

(Beifall bei der CDU)

Die ewige Frage nach der Durchlässigkeit und der Anschlussfähigkeit: Sie können es noch so oft wiederholen, es wird deswegen nicht richtig. Sie können bewusst Irritationen verbreiten, aber Sie haben trotzdem nicht Recht, liebe Frau Hinz. Deswegen möchte ich es hier einmal für alle deutlich und zum Mitschreiben sagen: Ja, auch wir

wollen, dass ein Hauptschüler einen Realschulabschluss machen kann; auch wir wollen, dass ein guter Realschüler Abitur machen kann.

(Beifall bei der CDU)

Schullaufbahnen werden auch in Zukunft keine Sackgasse sein. Dass wir die gymnasiale Schulzeit nicht alleine verkürzen,wird hier immer wieder verschwiegen.Wir sind hier in Hessen nicht im Tal der Glückseligen, sondern wir machen das gemeinsam mit 13 – ich wiederhole die Zahl: mit 13 – anderen Bundesländern in dieser Bundesrepublik Deutschland. Dabei sind nicht nur solche, die von der Union geführt, sondern auch die, die von Rot-Grün geführt werden. Ich verweise nur auf Nordrhein-Westfalen. Deswegen bitte ich Sie:Tun Sie nicht so, als ob wir isoliert auf dieser Welt leben würden.

Meine Damen und Herren, mit der Einführung des Landesabiturs haben wir beim Abschluss der gymnasialen Oberstufe mehr Transparenz und Gerechtigkeit. Die Einführung von zentralen Abschlussprüfungen ist doch nur die logische Konsequenz aus vielen Bildungsdiskussionen. Dass wir die externe Evaluation aufgenommen haben, ist doch gerade eine Forderung, die in der Bildungsdiskussion der letzten Jahre und Monate aufgekommen ist. Sie ergibt sich auch zwangsläufig aus unserem bisherigen Handeln.

Wir haben die zentralen Abschlussprüfungen für die Hauptschulen eingeführt. Wir haben zentrale Abschlussprüfungen für die Realschulen eingeführt.Da ist es nur logisch, dass wir auch zentrale Abschlussprüfungen für das Abitur einführen. Wenn ich bei der zentralen Abschlussprüfung bin: Wir haben lange darüber gestritten, es gab riesengroße Diskussionen, was wir den Kindern zumuten. Zum Abschluss des letzten Jahres sind sie gelaufen. Unsere Zeitung hat eine Umfrage bei den Schülerinnen und Schülern und bei den Lehrerinnen und Lehrern gemacht, wie das angekommen ist.

Unisono haben die meisten der Schülerinnen und Schüler gesagt: Es war gar nicht so schlimm. Es hat uns Spaß gemacht. Wir konnten einmal unsere Projekte selber vorstellen. Wir haben etwas gemacht, was nicht im normalen Rahmen läuft, sondern wir haben für etwas gearbeitet, worin wir einen Sinn gesehen haben, und durften das am Ende sogar noch präsentieren. – So die Hauptschüler bei uns in der Schule. Das war eine prima Sache.

(Beifall bei der CDU)

Sie haben eben wieder gesagt, wir kümmerten uns nur um die Starken, und die Schwachen würden, wie immer, aussortiert.Wenn ich mir das Gesetz anschaue:Wir führen gerade an den Hauptschulen einen erhöhten Praxisanteil für Schüler ein, deren Abschluss gefährdet ist. Wir kümmern uns um diejenigen,die auf der Kippe stehen und Angst haben könnten, dass sie vielleicht keinen Abschluss machen. Die werden ganz eng an die Betriebe angebunden. Durch diese enge Anbindung – das sagen alle, die in den letzten Jahren ähnliche Konzepte gefahren haben – erhöht sich auch die Möglichkeit, später einen Ausbildungsplatz zu bekommen. Das ist eine Sache, der wir alle positiv gegenüberstehen und die wir anstreben.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, Kollegin Hinz hat auch die neu eingeführten Richtwerte für Jahrgangsbreiten angesprochen.Mit diesen neu eingeführten Richtwerten schaffen wir mehr Gerechtigkeit und sichern ausreichend Wahlmöglichkeiten für Schüler. Wenn Sie sich einmal die

durchschnittlichen Klassengrößen quer über das Land verteilt anschauen: Das hat wenig mit dem Stadt-LandGefälle zu tun, sondern wenn man die Regionen miteinander vergleicht, die, ähnlich strukturiert, ländlich oder stark städtisch geprägt sind, wird dort deutlich, dass die Zahlen unterschiedlich sind.

Ich war mit dem Kollegen Frömmrich in der Edertalschule in Frankenberg. Das ist eine Schule, die sehr hohe Klassenfrequenzen hat, eine sehr hohe Schülerzahl, zwischen 30 und 33 Schüler in den Klassen.Wenn ich mir andere Schulen anschaue – auch bei mir, denn WaldeckFrankenberg und Schwalm-Eder kann man von der Struktur her miteinander vergleichen –, wo ich eine Klassengröße von 17, 18 Schülern habe: Das kann nicht gerecht sein. Dann müssen wir doch schauen, wie wir das hinbekommen.

(Beifall bei der CDU)

Das sieht übrigens nicht nur die Landesregierung so, sondern auch der Landesrechnungshof, der uns seit längerem auf dieses hingewiesen hat. Ich sage es noch einmal, weil das in Diskussionen immer falsch rüberkommt: Richtwerte sind keine Mindestwerte. Mindestwerte und Höchstwerte sind seit der Ära des Kollegen Holzapfel in Hessen nicht verändert worden.

(Dr. Norbert Herr (CDU): So ist es!)

Ich habe schon Verständnis für die Bedenken und die Ängste der Schulen. Ich habe in den letzten Monaten mit denen gesprochen, die Angst haben, dass sie die Richtwerte nicht erfüllen können. Ich denke, wir haben kein Recht, über diese Bedenken hinwegzugehen, sondern sind dabei, im Dialog mit den Schulen diese Ängste abzubauen.Wir können es schaffen, indem wir die Klassenbildungen intern verändern.

Das haben in meinem Wahlkreis die Schulen zu diesem Schuljahr bereits gemacht,wo sie gesagt haben:Wir haben uns teilweise wirklich kleine Klassen geleistet; es ist kein Problem, aus einem 51er Jahrgang anstatt dreier 17erKlassen eine 25er- und eine 26er-Klasse zu machen. – Das ist schon allein durch interne Maßnahmen möglich gewesen. Wir können es über Schülerlenkungsmaßnahmen, über intelligente Lösungen vor Ort machen.Das kann nur in enger Abstimmung mit den Schulträgern stattfinden.

Dass auf die ländlichen Strukturen – ein weiterer Vorwurf, der uns zu diesem Gesetzentwurf immer wieder gemacht wird – besonders geachtet wird,macht § 144a Abs.3 deutlich, wo auf die regionalen Besonderheiten Rücksicht genommen wird. Ich glaube – die Kultusministerin hat es immer wieder, sowohl in Dienstversammlungen wie auch bei der Einbringung des Gesetzentwurfes gesagt –, dass die Richtwerte vor allen Dingen eine Frage der Ballungsräume und der kurzen Entfernung der Schulen zueinander sind.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Ihre Horrorszenarien, die teilweise vor Ort aufgestellt werden, werden nicht stattfinden. Die Einzigen, die Haupt- und Realschulen sowie Gymnasien abschaffen wollen, sind doch Sie mit der Einführung der Zwangsgesamtschule.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, für unser Lehrerbildungsgesetz haben wir bundesweit Lob kassiert. Zum ersten Mal wird der gesamte Bereich der ersten Phase, der zweiten Phase und der Fort- und Weiterbildung aus einem Guss sein. Die Experten haben uns das in der Anhörung bestä

tigt. Schwerpunktmäßig werden die einzelnen Phasen stärker miteinander verzahnt, Praxisanteile werden erhöht sowie Diagnosekompetenzen verbessert.Wir wollen – das sagen wir deutlich –, dass potenzielle Lehrerinnen und Lehrer schon sehr früh erkennen, ob sie für diesen Beruf geeignet sind, denn das erspart hinterher manche Enttäuschung.

(Beifall bei der CDU)

Zur Grundschullehrerausbildung. Wir haben ein großes Interesse daran – die Schulen propagieren es –, dass die Grundschullehrer Klassenlehrerfunktion ausfüllen können, dass man keine doppelte Klassenführung hat, sondern dass wir einfache Klassenführungen haben. Wenn man sich anschaut, was der Hauptanteil der Stunden in der Grundschule ist: Das sind der Deutsch- und der Mathematikunterricht. Wenn der Klassenlehrer möglichst viel Zeit in der Grundschulklasse verbringen soll, dann ist es logisch, dass wir ins Gesetz schreiben, dass Grundschullehrer Deutsch, Mathematik und dazu ein drittes Wahlfach studieren müssen. Das liegt doch im Sinne dessen, was wir erreichen wollen.

(Beifall bei der CDU)

Die Pflicht der Lehrkräfte zur dauernden Fortbildung stellt deren Kompetenzerhalt sicher. Es wird unserer Meinung nach die Unterrichtsqualität weiter steigern.

Zum Abschluss möchte ich noch auf die Frage der Diskussion um dieses Gesetz eingehen, weil uns das schon in der zweiten Lesung beschäftigt hat. Seit über einem Jahr ist dieses Gesetz in der Diskussion – am Anfang mit allen möglichen Mutmaßungen.

Ich habe während dieses Jahres auf vielen Podien mit Eltern, Lehrern und Schülern gesessen. Wir haben Gespräche mit Verbänden und mit Interessenvertretern geführt. Man kann wirklich vieles behaupten. Aber man kann wirklich nicht davon sprechen, dass dieser Gesetzentwurf über Nacht gekommen sei oder dass wir Anregungen nicht aufgenommen hätten. Herr Kollege Irmer hat dies bereits während der zweiten Lesung des Gesetzentwurfs deutlich gemacht.

Abschließend bleibt festzuhalten: Wir stellen uns den Herausforderungen der Zukunft. Wir entwickeln unsere Schulen weiter. Wir entwickeln die Aus- und Fortbildung des Lehrpersonals weiter. Wir haben die Zuversicht der Hessen auf unserer Seite.Heute kam über „dpa“ um 10.19 Uhr eine Meldung, derzufolge eine Studie ergeben haben soll, dass die Hessen die zuversichtlichsten Deutschen sind.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Trotz dieser Regierung! – Priska Hinz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Aber nur wegen der Opposition! Die haben noch Hoffnung auf etwas Besseres!)

Einer Studie der Wiesbadener R+V Versicherung zufolge sind die Hessen die zuversichtlichsten Deutschen. Trotz der Sorgen um den eigenen Arbeitsplatz und des Anstiegs der Arbeitslosigkeit in Deutschland seien die Ängste der Hessen drastisch zurückgegangen. Mit diesem Qualitätssicherungsgesetz werden wir ein weiteres Stück Zuversicht nach Hessen bringen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Ach du liebe Zeit!)

Herr Weinmeister, vielen Dank. – Ich darf Frau Ypsilanti für die SPD-Fraktion das Wort erteilen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Weinmeister, es war wirklich entspannend, Ihnen als Schulpolitiker zuhören zu können und nicht Herrn Irmer zuhören zu müssen. Das will ich am Anfang meiner Rede schon einmal sagen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Peter Beuth (CDU): Ei, ei, ei! – Hans-Jürgen Irmer (CDU): Ich kann mich noch zu Wort melden! – Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Er ist sympathischer, aber nicht besser!)

„Wissen ist Macht“, das ist eine alte Weisheit. Aber der Umkehrschluss trifft nicht zu, und zwar insbesondere bei dieser Regierung. Macht bedeutet leider nicht immer, auch über das nötige Wissen zu verfügen. Schon gar nicht verfügt man deshalb über die nötige Weisheit. Diese brauchen wir aber, um mit den Herausforderungen umgehen zu können, vor die uns die Bildungspolitik im Moment stellt. Offensichtlich verfügen Sie nicht über das dafür notwendige Wissen. Schon gar nicht verfügen Sie über die entsprechende Weisheit. Sonst hätten Sie sehr genau zugehört und den Gesetzentwurf sehr genau beraten. Sie wären ansonsten geduldigere Zuhörer gewesen und wären auch etwas intensiver auf die Proteste aus der Bevölkerung eingegangen.