Denn Sie wissen, dieses System, wie es heute funktioniert, hat eine große Anzahl von Problemen – um es vorsichtig zu formulieren. Die Kassenärztliche Vereinigung diskutiert das seit Jahren. Durch das Gesundheitsmodernisierungsgesetz ist jetzt eine weitere Möglichkeit der Vertragsabschlüsse hinzugekommen. Bisher wird die nur in einem kleinen Umfang genutzt. Sie wollen uns jetzt erklären, dass mit der Hereinnahme derjenigen, die solche direkten Verträge abschließen, die bestehenden Probleme einfacher zu lösen seien, nämlich das Problem der EHV und der Altersversorgung innerhalb der KV.
In Wirklichkeit machen Sie an dieser Stelle genau das,was Sie sonst vehement ablehnen. Sie sagen nämlich, das Problem muss in der jetzigen Form gelöst werden, statt auf die nächsten drei, vier Jahre oder auch auf weitere Generationen verschoben zu werden.
Sehen wir uns das einmal ganz genau an. Sie wissen, dass heute junge Ärzte, die sich in Hessen niederlassen wollen, eine ganz besondere Regelung vorfinden. Die ist für sie kaum funktionsfähig. Sie müssen zuerst wissen, worauf sie sich einlassen, wo sie einzahlen sollen und was sie tatsächlich herausbekommen. Herr Kollege Rentsch, das ist genau dasselbe Problem, das wir derzeit in der gesetzlichen Rentenversicherung diskutieren. Hinzu kommt, dass die EHV natürlich nicht die einzige Absicherung der Ärzte ist. Die eigentliche Absicherung ist das Versorgungswerk.
Gerade in Mittelhessen werde ich sehr häufig darauf angesprochen, ob wir es in Zukunft überhaupt schaffen, Ärzte in den ländlichen Bereich Hessens zu holen. Gelingt es uns auch dort, den Ansprüchen, die junge Ärzte haben, gerecht zu werden?
Indem Sie jetzt die Möglichkeiten, die das Gesundheitsmodernisierungsgesetz aufgezeigt hat, zusätzliche – und ich will ausdrücklich sagen: sehr vernünftige – vertragliche Regelungen zu schaffen, auch noch unterlaufen, wird zum einen das Gesundheitsmodernisierungsgesetz nicht greifen, und zum anderen wird das Problem der EHV an keiner Stelle gelöst. Stattdessen schreiben wir die Probleme fort, die dazu führen, dass sich junge Ärzte in Hessen möglicherweise gar nicht niederlassen.
Deswegen ist es sehr wichtig, dass dieses Problem jetzt zuerst innerhalb der Kassenärztlichen Vereinigung gelöst wird – wie auch immer das ausgeht. Es muss klar sein, worauf sich derjenige einlässt, der sich hier niederlässt. Wir müssen in Hessen die Möglichkeit haben, für junge Ärzte, die sich niederlassen wollen, genauso attraktiv zu sein wie andere Bundesländer. Das ist die erste Priorität, nicht eine weitere Verschiebung in die Zukunft.
Zunächst haben Sie mit dem Verfassungsrecht argumentiert, jetzt kommen Sie mit dem Vorschlag, noch andere Möglichkeiten einzubeziehen, die nichts verändern. Durch die integrierte Versorgung seit dem 01.01.2004 ist das Gesamthonorar nicht zurückgegangen. Ich würde mir zwar wünschen, dass es schon wesentlich mehr integrierte Versorgung gibt; trotzdem muss jetzt zuerst dieses Problem gelöst werden, damit man überhaupt die Möglichkeit hat, dort weiterzugehen. Das wird – und dem werden sicherlich viele zustimmen – eher in einer absoluten Umgestaltung des bisherigen Systems liegen müssen als in der Weiterführung des Bisherigen, möglicherweise mit Abschlägen.
Meine Damen und Herren, deswegen können wir dem Gesetzentwurf der SPD so nicht zustimmen. Denn tatsächlich muss das Problem zuerst innerhalb der Kassenärztlichen Vereinigung gelöst werden, nicht durch einige Erweiterungen wie in der gesetzlichen Rentenversicherung,wo man sagt:„Wir verschieben das Problem;wir lehnen uns noch einige Jahre zurück und schauen dann, wie es sich entwickelt hat.“ Das würde Hessen als Standort für Ärzte schaden.
Herzlichen Dank, Frau Staatsministerin. – Es gibt keine weiteren Wortmeldungen zu diesem Tagesordnungspunkt. Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 93.
Wer dem Gesetzentwurf der Fraktion der SPD für ein Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Kassenärztliche Vereinigung Hessen und die Kassenzahnärztliche Vereinigung Hessen seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Handzeichen. – SPD und FDP. Gegenstimmen? – CDU. Enthaltungen? – GRÜNE. Damit ist dieser Gesetzentwurf abgelehnt.
Dritte Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Drittes Gesetz zur Qualitätssicherung in hessischen Schulen – Drucks. 16/3242 zu Drucks. 16/2840 und zu Drucks. 16/2353 –
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich erstatte Bericht: Der Kulturpolitische Ausschuss empfiehlt dem Plenum, den Gesetzentwurf in der in zweiter Lesung beschlossenen Fassung unter Berücksichtigung des Änderungsantrags der Fraktion der CDU, Drucks. 16/3227, und damit in der Ihnen vorliegenden Fassung in dritter Lesung anzunehmen.
Vielen Dank, Frau Kollegin Henzler. – Ich eröffne die Aussprache. Es ist eine Redezeit von zehn Minuten je Fraktion vereinbart. Das Wort hat die Frau Kollegin Hinz, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Ich bin eine unverbesserliche Optimistin,nicht nur im Alltag, sondern auch in der Politik. Deshalb möchte ich noch einen letzten Versuch unternehmen, um in dieser dritten Lesung des Schulgesetzes die Regierungsfraktion davon zu überzeugen, dass es ein schlechter Gesetzentwurf ist, der nicht der Bildungsgerechtigkeit dient, und dass Sie deshalb diesen Gesetzentwurf heute zurückziehen oder ihn mit uns gemeinsam ablehnen sollten.
Man sollte ein solches Gesetz so formulieren,dass es Rahmenbedingungen dafür schafft, damit die Bildungsbedingungen im Lande besser werden.
Ich sage Ihnen, was aus unserer Sicht zu einer guten Bildungspolitik gehört. Das sind zunächst einmal gute Bildungsangebote im frühkindlichen Alter. Bereits im Kindergarten müssen qualifizierte, angemessene Bildungsangebote gemacht werden, um herkunftsbedingte Defizite bereits im Kindergarten aufzuarbeiten, soweit das in einem Kindergarten und in diesem Entwicklungsstadium
geleistet werden kann. Eine gute Kooperation mit den Grundschulen ist nötig, um den Kindern einen gleitenden Übergang in die Grundschule zu ermöglichen.
Wir sind der Meinung, dass alle Grundschulen eine flexible Eingangsphase haben sollten, in der auf die Entwicklungsmöglichkeiten der Kinder Rücksicht genommen werden kann.Auch die Lernfortschritte könnten dort berücksichtigt werden; sie sind in diesem Alter noch höchst unterschiedlich. Die Kinder könnten ihren Möglichkeiten entsprechend in den ersten Jahren der Grundschule gut gefördert werden. Leider haben Sie gestern bei den Haushaltsberatungen eine Stärkung der Grundschule auf diesem Gebiet abgelehnt.Aber Sie können noch dazulernen.
Die individuelle Förderung muss eigentlich das oberste Ziel jeder Schule sein. Jedes Kind lernt anders. Jedes Kind hat eigene Entwicklungspotenziale. Jedes Kind bringt andere Lernmöglichkeiten und andere Grundlagen von zu Hause mit, auf denen in der Schule aufgebaut werden muss. Deswegen darf die soziale Benachteiligung der Kinder in unseren Schulen nicht mehr zu einem Problem werden. Eine soziale Benachteiligung führt dazu, dass diese Kinder auf der Haupt- oder auf der Sonderschule landen. Unser Schulsystem ist dazu aufgefordert, gerade diese Kinder zu fördern, weil die Intelligenz nicht davon abhängig ist,in welchem Elternhaus man geboren ist.Wir wissen spätestens seit der Veröffentlichung der Ergebnisse der PISA-Studie, dass es hier ein großes Defizit in unserem Schulsystem gibt.
Wir müssen aber auch für die leistungsstarken Kinder etwas tun. Die leistungsstarken Kinder können auch bei uns in Hessen noch viel bessere Lernergebnisse erzielen. Für diese individuelle Förderung brauchen wir mehr Durchlässigkeit innerhalb des Systems. Es glaubt doch keiner – wir von den GRÜNEN jedenfalls nicht –, dass es möglich ist, Kindern zu besseren Lernergebnissen zu verhelfen und Defizite auszugleichen, wenn Lehrerinnen und Lehrer die Möglichkeit haben, schwierige Kinder auszusondern, auszugrenzen und in andere Schulformen abzuschieben.Wichtig ist, dass die Lehrerinnen und die Lehrer für jedes Kind Verantwortung übernehmen und sich das Ziel setzen, es jedem Kind zu ermöglichen, die optimale Lernleistung zu erbringen.
Dafür muss jeder Lehrer Verantwortung übernehmen. Dieses Verantwortungsgefühl wird aber zunichte gemacht, wenn wir in einem Gesetz beschließen, dass man Kinder aussortieren kann.
Wir brauchen mehr Lernzeit für die Kinder.Das heißt,wir benötigen mehr und bessere Ganztagsangebote, bei denen die Kinder tatsächlich auch mit Menschen unterschiedlicher Professionen zusammentreffen, ob es sich nun um Sozialarbeiter, Sozialpädagogen, Bibliothekare, Schauspieler oder Musiker handelt. Die Kinder sollen umfassend gefördert werden und die Möglichkeit haben, von ihren Lehrerinnen und Lehrern intensiv begleitet zu werden.
Das alles soll im Rahmen der selbstständigen Schule erfolgen. Die Schulen übernehmen die Verantwortung für
die Kinder, für die Pädagogik und für die Organisation. Dann ist es auch möglich, dass sich die Schulen für die Durchführung eines längeren gemeinsamen Lernens entscheiden. Das geht mit einem festgelegtem Ziel einher, an dem die Schulen gemessen und die Resultate überprüft werden. Die Schulen haben dann die Chance, ihr pädagogisches Handeln zu korrigieren.
In den Formulierungen der einzelnen Paragraphen Ihres Gesetzentwurfs ist genau das Gegenteil angelegt. In Ihrem Gesetzentwurf wird die Durchlässigkeit nicht gestärkt, sondern abgeschafft. Ihr Gesetzentwurf wird weniger zur Förderung von Kindern mit unterschiedlichem Leistungsvermögen beitragen. Er sieht weniger individuelle Förderung von Kindern mit Defiziten vor. Ihr Gesetzentwurf zerschlägt die Schulstrukturen von kooperativen Gesamtschulen und Förderstufen. Somit wird eine gemeinsame Lernzeit, in der die Schule die Verantwortung für die Kinder übernimmt, statt sie auszusortieren, unmöglich gemacht.
Durch die Verkürzung der Schulzeit an den Gymnasien werden nicht nur die schwächeren Schüler weniger Chancen haben, einen Abschluss in der Oberstufe zu machen, sondern auch die stärkeren werden aufgrund der Tatsache, dass der Unterricht komprimiert wird und mehr Druck in Form von Nachmittagsunterricht vorgesehen ist, größere Schwierigkeiten haben.
Sie nehmen in Ihrem Gesetzentwurf die Gefährdung wohnortnaher Bildungsangebote und damit einhergehend auch eine Erhöhung der Klassenfrequenzen in Kauf. Ein In-Kraft-Treten dieses Gesetzes wird nämlich zur Folge haben, dass die Schülerströme anders gelenkt werden müssen, dass eventuell Klassen nicht neu aufgemacht werden dürfen und dass sogar ganze Schulzweige schließen müssen. Der Grund dafür ist, dass Sie weniger Lehrerinnen und Lehrer einstellen, wodurch die Klassengrößen an den verbliebenen Schulen erhöht werden.
Wo da die individuelle Förderung und auch unterschiedliche Unterrichtsmethoden herkommen sollen, bleibt Ihr Geheimnis. In einer Klasse, in der man über Ranzen steigen muss, damit man überhaupt zu seinem Platz kommt, ist es nicht möglich, in verschiedenen Arbeitsgruppen zu lernen, Stationenarbeit zu machen oder eine Computerecke einzurichten.
Die Elternbeteiligung an den Schülerbeförderungskosten ist der letzte Punkt, den Sie sich in dem Gesetzentwurf ausgedacht haben. Die Eltern sollen für die verfehlte Bildungspolitik bezahlen. Wenn keine wohnortnahen Angebote mehr zur Verfügung stehen, hat das für die Schulträger natürlich höhere Schülerbeförderungskosten zur Folge.
Dass diese Kosten jetzt aber auf die Eltern umgelegt werden sollen, bedeutet, dass sich gerade die Eltern, die wenig Geld haben, genau überlegen werden, auf welche Schule sie ihr Kind überhaupt noch schicken können.Wir sollten aber die Lernangebote für Kinder nicht davon abhängig machen, wie gut gefüllt das Portemonnaie der Eltern ist. Unser Schulsystem sollte so umgestaltet werden, dass Kinder aus sozial benachteiligten Familien eine bessere Chance haben, einen guten Schulabschluss zu erreichen.